Landkarte der Eisenbahnpassagiere

Kar­to­gra­phIn­nen ver­su­chen seit Jahr­hun­der­ten das Kunst­stü­cke, ein eini­ger­ma­ßen run­des Etwas – die Erde – auf die Flä­che einer Land­kar­te zu ver­tei­len. Dabei kommt es immer zu Ver­zer­run­gen. Ver­zerrt wer­den kann aber auch bewusst – etwa, um wie hier die Eisen­bahn­pas­sa­gier­ki­lo­me­ter pro Jahr als Aus­gangs­punkt für die Lan­des­flä­che zu neh­men. Eine von unzäh­li­gen the­ma­ti­schen Kar­ten der Initia­ti­ve worldmapper.org.

> PDF-Pos­ter mit Hintergrundinfos

War­um blog­ge ich das? Die Land­kar­te ist nicht der Ort – ver­zerr­te Land­kar­ten machen das schön deut­lich. Und das The­ma Eisen­bahn­pas­sa­gie­re – die USA sind dann etwa so groß wie Deutsch­land, Japan so groß wie die EU-15 – eig­net sich beson­ders gut, um den poli­ti­schen Aspekt hervorzuheben.

Schokolade mit Gebrauchsanweisung

Ich esse ja ger­ne Scho­ko­la­de. Wäh­rend die Aus­wahl der rich­ti­gen Scho­ko­loa­den­sor­te noch vor eini­gen Jah­ren vor allem vom Preis abhing, habe ich mein Kon­sum­ver­hal­ten seit­dem ver­än­dert und kau­fe jetzt häu­fi­ger trans­fai­re Scho­ko­la­de aus k.b.A.; ins­be­son­de­re, seit es die auch bei uns im Super­markt gibt. Typisch grü­ne Mit­te also, etwas mehr Geld aus­ge­ben, und dafür das Gefühl ver­mit­telt zu bekom­men, etwas Gutes zu tun (außer­dem fin­de ich eini­ge GEPA‑, Alna­tu­ra- und Rapun­zel-Sor­ten rich­tig lecker; viel­leicht auch, weil die Scho­ko­la­de oft etwas rau­er wirkt und nicht den Scho­ko­sch­leim pro­du­ziert, mit dem ande­re werben).

Soweit also mei­ne bis­he­ri­ge Annä­he­rung an das Pro­blem der rich­ti­gen Wahl der Scho­ko­la­den­sor­te. Ich bin damit auch ganz zufrie­den. Nichts­des­to­trotz habe ich durch­aus mit­be­kom­men, dass es zur Zeit einen Trend zur Popu­la­ri­sie­rung des Distink­ti­ons­phä­no­men „Fein­schme­cker­schaft auch bei Scho­ko­la­den­sor­ten“ gibt (untrüg­li­ches Zei­chen für die Popu­la­ri­sie­rung: das Bahn-Kun­den-Maga­zin mobil berich­te­te unlängst aus­führ­lich dar­über). Wie bei ande­ren Ver­fei­ne­rungs­for­men des Genus­ses auch gibt es da dann beson­de­re Merk­ma­le, auf die zu ach­ten ist, Noten, Aro­men und Abgän­ge eben­so wie olfak­to­risch-hap­to­vi­su­el­le Beson­der­hei­ten. Soweit mein lai­en­haf­tes Mit­ver­fol­gen die­ses Phä­no­me­nes mich das beur­tei­len lässt, sind der­zeit plan­ta­gen­rei­ne Edel­ka­kao­sor­ten mit min­des­tens 80 Pro­zent Kakao­an­teil ange­sagt (die mir zu sau­er sind).

Aber wie gesagt: bis­her ließ mich das eher kalt – mein Theo­bro­min fin­de ich auch in weit­aus güns­ti­ge­ren Qua­li­tä­ten. Ich den­ke auch nicht, dass sich das groß­ar­tig ändern wird. Jetzt aber zum eigent­li­chen The­ma die­ses Blog­ein­trags: kürz­lich fand eine „Lindt Excel­lence Bit­ter-Cho­co­la­de“ der Sor­te „Oran­ge Inten­se“ ihren Weg auf unse­ren Tisch. Sie hat ganz gut geschmeckt (auch wenn ich der Scho­ko­la­de damit ver­mut­lich unrecht tue). Begeis­tert – oder zumin­dest zu die­sem Blog­ein­trag ver­an­lasst – hat mich jedoch etwas ganz ande­res: der „Cho­co­la­de“ lag ein Bei­pack­zet­tel bei, genau­er gesagt: eine Bei­pack­kar­te in mit­te­led­ler Auf­ma­chung. Auf dem Bei­pack­zet­tel wur­de jedoch nicht vor Neben­wir­kun­gen gewarnt. Viel­mehr han­del­te es sich eigent­lich eher um eine Gebrauchs­an­wei­sung. Oder um Lindt zu zitieren: 

„Unse­re klei­ne Degus­ta­ti­ons­kun­de zeigt Ihnen, wie auch Sie zu einem Cho­co­la­den-Gour­met wer­den kön­nen – fol­gen Sie ein­fach den Emp­feh­lun­gen der Maî­tres Cho­co­la­tiers von Lindt.“

Dazu muss die Scho­ko­la­den­ver­kös­ti­gung gut vor­be­rei­tet wer­den (idea­le Raum­tem­pe­ra­tur, nicht rau­chen, Hage­but­ten­tee zur Neu­tra­li­sie­rung der Geschmacks­sin­ne zwi­schen den ein­zel­nen Knus­per­tests, lang­sa­me Stei­ge­rung des Kakao­an­teils). Zudem wird aus­führ­lich dar­ge­stellt, auf was geach­tet wer­den muss: „Sehen“ („betrach­ten Sie das all­ge­mei­ne Erschei­nungs­bild“), „Tas­ten“ („Hoch­wer­ti­ge Scho­ko­la­den […] hin­ter­las­sen ein ange­neh­mes Mund­ge­fühl“), „Hören“ („ein­deu­tig erkenn­ba­res Knack­ge­räusch“), „Rie­chen“ („Schnüf­feln“) sowie „Schme­cken“ („Lakritz- oder Tabaknote“).

Auf der Gegen­sei­te wird dann für vier „Lindt Excel­lence Bit­ter-Cho­co­la­den“ – bis zu 99%-Schokolade – vor­ge­ge­ben, was gefühlt wer­den muss. Dem­nach war mei­ne Oran­gen­scho­ko­la­de (Jahr­gang 2006) sei­dig-glän­zend, hat­te eine geschmei­di­ge, aber dank Man­del­split­tern unre­gel­mä­ßi­ge Ober­flä­che, schmeck­te vor allem nach Oran­ge, mach­te beim Zer­bre­chen ein Knack­ge­räusch und duf­te­te aus­ge­wo­gen und nach­hal­tig. Dan­ke, Lindt!

War­um blog­ge ich das? Mög­li­cher­wei­se fin­de ich den Ver­such, ein popu­lä­res Pre­mi­um­seg­ment im Scho­ko­la­den­markt zu eta­blie­ren, nicht so ganz angemessen.

Verlängern, nein danke!

Die EnBW ist das dritt­größ­te Ener­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men Deutsch­lands, ent­stan­den aus den ehe­ma­li­gen baden-würt­tem­ber­gi­schen Staats­un­ter­neh­men in die­sem Bereich. Erst neu­lichs ist die EnBW durch eine eigent­lich nur zynisch zu nen­nen­de – unter ande­rem in der taz geschal­te­te – Anzei­ge (pdf) auf­ge­fal­len, in der das 30-jäh­ri­ge Bestehen des von der EnBW betrie­be­nen AKW Neckar­west­heims als Bei­trag zum Kli­ma­schutz ver­kauft oder grün­ge­wa­schen wur­de. Das war aber nur der ers­te Schritt – heu­te wur­de offi­zi­ell der Antrag gestellt, Rest­ener­gie­men­gen ande­rer AKWs laut Atom­kon­sens auf Neckar­west­heim zu über­tra­gen. Damit wür­de das AKW Neckar­west­heim acht Jah­re län­ger als geplant lau­fen – und nicht 2007 abgeschaltet.

Nicht nur ist die Gleich­set­zung Atom­kraft = Kli­ma­schutz naiv (weil da weder die eben­falls pro­ble­ma­ti­schen Fol­gen der Pro­duk­ti­on radio­ak­ti­ven Mülls noch der im Betrieb ent­wei­chen­den Radio­ak­ti­vi­tät noch des mit Unfäl­len ver­bun­de­nen Risi­kos berück­sich­tigt wird), sie ist auch falsch: der Bau und Abriss von AKWs eben­so wie der Abbau von Uran trägt eben doch zum CO2-Aus­stoss bei. Statt also Rest­lauf­zei­ten so zu ver­schie­ben, dass mög­lichst lan­ge AKWs lau­fen (in der Hoff­nung, irgend­wann den Atom­austieg doch wie­der rück­gän­gig zu machen), wäre es bes­ser, wenn die EnBW ihrem selbst­ver­ord­ne­ten Umwelt-Image gerecht wür­de und in den Berei­chen Wind / Son­ne / Was­ser / Bio­mas­se / Geo­ther­mie den Schwer­punkt ihrer Arbeit set­zen würde.

Wer eben­falls die­ser Ansicht ist, kann gegen den EnBW-Antrag pro­tes­tie­ren – und natür­lich seinen/ihren Strom­ver­sor­ger wech­seln, zum Bei­spiel zu den erst kürz­lich aus­ge­zeich­ne­ten Elek­tri­zi­täts­wer­ken Schön­au (EWS).

> Info- und Pro­test­sei­te bei den Grü­nen BaWü
> Infor­ma­ti­on zum The­ma bei Syl­via Kot­ting-Uhl, MdB (neus­te PM lei­der noch nicht online)
> Blog­ein­trag beim grü­nen Lan­des­vor­sit­zen­den Mouratidis
> Web­site ATOMAUSSTIEG SELBER MACHEN der Umweltverbände

((Dis­clai­mer: als enga­gier­tes grü­nes Mit­glied habe ich natür­lich ein Inter­es­se dar­an, unse­re Kam­pa­gnen bekannt zu machen …))

Intelligente Kinder werden vegetarische Erwachsene …

… steht in Spie­gel online und anders­wo. Fin­de ich als erwach­se­ner Vege­ta­ri­er ers­tens (mal abge­se­hen von der not­wen­di­gen Kri­tik an IQ-Tests etc.) gut und zwei­tens nicht son­der­lich erstaun­lich, wenn die Zusam­men­set­zung sozia­ler Milieu betrach­tet wird – jeden­falls schei­nen aka­de­mi­sche Bil­dung und Zuge­hö­rig­keit zum post­ma­te­ria­lis­ti­schen Milieu ganz gut zusam­men­zu­pas­sen. Und vege­ta­ri­sche Ernäh­rung ist eine typi­sche Lebens­stil­ent­schei­dung in die­sem Milieu.

> Abs­tract der Original-Studie

Warum ich dann doch nicht gestreikt habe

Wie das so ist: gra­de war der lan­ge Text fer­tig, gra­de woll­te ich auf „Ein­trag spei­chern“ kli­cken, hängt sich mein Rech­ner auf. Also, zwei­ter Ver­such, etwas kürzer: 

Warum ich heute nicht gestreikt habe

Ver­mut­lich haben es gar nicht so vie­le Men­schen mit­be­kom­men: im Rah­men der „Tarif­be­we­gung“ von ver.di – also dem Ver­such, die 38,5‑Stunden-Woche im öffent­li­chen Dienst zu ret­ten und die Län­der zurück in einen ein­heit­li­chen Tarif­ver­trag zu bewe­gen – wur­de heu­te auch die Uni­ver­si­tät Frei­burg bestreikt. Ich wuss­te das auch nicht, bis vor ein paar Tagen eine Mail aus dem Reko­rat kam, die ver­se­hent­lich an alle Mit­ar­bei­te­rIn­nen der Uni geschickt wur­de, und in der Vor­ge­setz­te gebe­ten wur­den, dem Rek­to­rat mit­zu­tei­len, wer denn alles streikt. Aha: die Uni streikt also auch, und nicht nur die Müll­ab­fuhr (die aus irgend­wel­chen Grün­den bei uns der­zeit trotz­dem funk­tio­niert). Ges­tern dann also die Fra­ge: mit­strei­ken oder nicht? Nach län­ge­rem Suchen fand ich den Auf­ruf des Per­so­nals­rats zum Streik. Ist also offi­zi­ell, das mit dem Streik. So rich­tig viel stand da aller­dings auch nicht: ein paar sinn­vol­le Grün­de, die nüch­ter­ne Uhr­zeit 8.30 Uhr (früh!) und die Tat­sa­che, dass nach dem Ende der Kund­ge­bun­gen um 11 Uhr mit Bus­sen nach Straß­burg gefah­ren wer­den soll, um dort wei­ter­zu­strei­ken (war­um auch immer, ver­mut­lich wegen der EU-Dienst­leis­tungs­richt­li­nie, stand da jeden­falls nicht). 

Ange­sichts der Uhr­zeit dann doch noch­mal die Fra­ge: extra früh auf­ste­hen, um zu strei­ken? Denn so rich­tig viel Sinn ergibt das mit einem Streik als Akti­ons­form für mich – und ver­mut­lich für vie­le ande­re wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rIn­nen auf den übli­chen BAT-2a/2‑­Dritt­mit­tel­stel­len – nicht. Ers­tens merkt es, wenn nicht gera­de ein Semi­nar aus­fällt, nie­mand; und zwei­tens ist mei­ne Arbeit glück­li­cher­wei­se so fle­xi­bel und auto­nom, dass ich selbst dafür ver­ant­wort­lich bin, recht­zei­tig zu diver­sen Dead­lines diver­se For­schungs­be­rich­te abzu­lie­fern. Nicht zu arbei­ten, heißt dann: das spä­ter nach­ho­len zu müs­sen, und letzt­lich fak­tisch mehr unbe­zahl­te Über­stun­den zu machen. Bei Leu­ten, die auf einer hal­ben Stel­le pro­mo­vie­ren, sieht die Situa­ti­on noch kras­ser aus. Da ist es fast eher eine Form von Selbstständigkeit.

Für einen Streik sprach für mich vor allem, dass ich eigent­lich genau zu der Betrof­fe­nen­grup­pe gehö­re: mein eines Dritt­mit­tel­pro­jekt ist aus­ge­lau­fen, mit dem neu­en Pro­jekt gab es einen neu­en Ver­trag, und der sah dann plötz­lich 20,5 Stun­den wöchent­li­che Arbeits­zeit und diver­se Klau­seln vor, die ver­mut­lich auf „Weg­fall von Urlaubs- und Weih­nachts­geld“ hinauslaufen. 

Ich bin dann also tat­säch­lich früh auf­ge­stan­den, zur Uni gegan­gen und habe etwa 100 Men­schen gefun­den, die vor dem Hin­ter­ein­gang des KG II stan­den und sich eine lang­wei­li­ge Rede anhör­ten. Die meis­ten davon mit roter Kap­pe und ver.di-Streik-Plastikumhang. Außer­dem gab es zwei Trans­pa­ren­te, und zwei oder drei Leu­te von Links­ruck, die auf umfunk­tio­nier­ten Links­ruck-Stan­dard­de­mo­stan­dar­ten Wer­bung für die WASG mach­ten. Nie­mand dabei, den ich ken­ne, und 100 Leu­te sind auch etwas wenig für die Uni mit ein paar tau­send Beschäf­tig­ten. Und phan­ta­sie­vol­le Aktio­nen (Stu­di­pro­tes­te set­zen da an Hoch­schu­len die Maß­stä­be) sehen anders aus. 

Also war­te ich erst­mal ab, gucke mich unschlüs­sig um und ent­schlie­ße mich dann, qua­si als Gegen­pro­be mal im Insti­tut vor­bei­zu­schau­en. Dort läuft alles sei­nen gewohn­ten Gang, von einem Streik scheint hier nie­mand etwas mit­ge­kriegt zu haben. Die Faul­heit oder Feig­heit sieg­te dann, und statt zu strei­ken, bin ich mit mei­nem Pro­jekt ein gan­zes Stück weitergekommen.

Irgend­wann spä­ter am Tag war ich dann mal in der Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek – halb befürch­tend, dass die­se zu ist (das wäre jeden­falls mein Ziel gewe­sen, wenn ich einen Uni­streik orga­ni­siert hät­te) – aber da lief alles sei­nen gewohn­ten Gang.

Ver.di beklagt sich dar­über, dass der Bereich „Bil­dung, Wis­sen­schaft und For­schung“ so schlecht orga­ni­siert ist, und for­dert zu Soli­da­ri­tät auf. Mich wun­dert das nicht wirk­lich – abge­se­hen von den Per­so­nal­rats­wah­len und Per­so­nal­ver­samm­lun­gen ist von den Gewerk­schaf­ten ver.di und GEW an der Uni wenig zu sehen. Und über­zeu­gen­de Kon­zep­te dafür, wie Leu­te auf rela­tiv eigen­stän­di­gen Wis­sen­schaft­le­rIn­nen-Stel­len ange­spro­chen wer­den sol­len, sind mir bis­her auch nicht aufgefallen. 

> ver.di zum Streik
> zum Wei­ter­le­sen: Mar­cus Ham­mer­schmitt: Rück­kehr des Streiks?