Die Kinder der digitalen Revolution

Ganz ehr­lich: Ich kann mich nicht mehr dar­an erin­nern, wel­ches die ers­te Demo war, an der ich teil­ge­nom­men habe. Asyl­recht, Golf­krieg, hier in Frei­burg die Pro­tes­te gegen die Abhol­zung des Kon­rad-Gün­ther-Parks oder eine Akti­on zum Cas­tor oder zu Fes­sen­heim – irgend­et­was davon wird es gewe­sen sein, Anfang der 1990er Jah­re. Bei der heu­ti­gen Demo gegen das ACTA-Abkom­men kam ich mir dage­gen rich­tig alt vor. Ganz vie­le Schü­le­rIn­nen, ver­mut­lich war es für einen gro­ßen Teil davon die ers­te Demo. 

Ins­ge­samt, so wür­de ich schät­zen, gut 1000 Men­schen, die in Frei­burg den Minus­gra­den zum Trotz „Stop ACTA“ gebrüllt haben, und diver­sen Red­nern – der jüngs­te davon 14 Jah­re alt – zuge­hört haben. Für uns Grü­ne hat Stadt­rat Timo­thy Simms gere­det, mir hat’s gut gefal­len, was er gesagt hat. 

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Kurz: Foren sind blöd!

Journey of waiting XXXVI: yellow phoneJörg Tauss mach­te mich in Kom­men­tar #99 zum vor­her­ge­hen­den Arti­kel gera­de dar­auf auf­merk­sam, dass die Grü­nen (kon­kre­ter übri­gens: die Bun­des­tags­frak­ti­on) ihr Forum abge­schal­tet haben. Ehr­lich gesagt: mir war gar nicht bewusst, dass wir als Par­tei noch eines betrei­ben. Es scheint tat­säch­lich von eini­gen noch genutzt wor­den sein (inso­fern haben die Pira­ten jetzt die Gele­gen­heit, dar­aus eine rie­si­ge Ele­fan­ten­mü­cke zu bas­teln und sich in ihrer Lieb­lings­ges­te zu zei­gen, die da lau­tet: „Wir hel­fen tech­nisch unter­ent­wi­ckel­ten Par­tei­en bei der Technik.“). 

Ich habe – das ist zwi­schen den Zei­len viel­leicht schon deut­lich gewor­den – aller­dings nicht den Ein­druck, dass es um die­ses Forum arg scha­de ist, und dass es einen gro­ßen Auf­schrei des­we­gen geben wird. Es gibt inzwi­schen in der Tat jede Men­ge ande­rer (elek­tro­ni­scher) Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge – von Twit­ter bis zur Kom­men­tie­rung in grü­nen Blogs, und auch die direk­te Mail ist wei­ter­hin mög­lich. Inso­fern sehe ich hier eher eine Wei­ter­ent­wick­lung als eine Abschaf­fung poli­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on. Ich könn­te das jetzt auch noch anhand der media­len Form begrün­den (Foren nei­gen zu Unüber­sicht­lich­keit, sind auf akti­ve Nach­fra­ge ange­wie­sen, statt Nut­ze­rIn­nen direkt zu errei­chen, ten­die­ren dazu, In-Groups mit eige­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­codes zu unter­stüt­zen usw.). Oder ist das nur ein Bias mei­ner kom­mu­ni­ka­ti­ven Sozia­li­sa­ti­on? (BBS, Mai­ling­lis­ten, Web 2.0?).

Egal. Es gibt einen ganz ein­fa­chen Test auf die Sinn­haf­tig­keit einer poli­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form im Netz. Der lau­tet: Hat die dort statt­fin­den­de Kom­mu­ni­ka­ti­on poli­tisch etwas bewirkt? Mein Ein­druck für das Forum der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on: ein­deu­tig nein. Aber viel­leicht mag das ja jemand widerlegen.

Neun Sätze zu Guttenbergs Rücktritt

Meet the stapler II
Höchst­stap­ler, ange­schla­gen

Karl Theo­dor Maria Niko­laus Johann Jacob Phil­ipp Franz Joseph Syl­ves­ter Frei­herr von und zu Gut­ten­berg ist jetzt end­lich, end­lich als Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter* zurück­ge­tre­ten.

Ich hof­fe jetzt ers­tens, dass sei­ne selbst in der Rück­tritts­re­de zu fin­den­den Ver­su­che, das gan­ze als eine Art media­les Mob­bing dar­zu­stel­len, nicht auf frucht­ba­ren Boden fal­len. Gut­ten­berg hat sein Amt nicht des­we­gen ver­lo­ren, weil kon­ser­va­ti­ve und lin­ke Zei­tun­gen und ein paar ver­rück­te Wis­sen­schaft­le­rIn­nen ihm eine klei­ne stu­den­ti­sche Betrü­ge­rei übel genom­men haben, son­dern weil er sich in Lügen und den immer stär­ker zu Tage tre­ten­den Unauf­rich­tig­kei­ten in sei­nem Lebens­lauf ver­fan­gen hat. 

Und zwei­tens fin­de ich es wich­tig, fest­zu­hal­ten, dass das Netz gro­ßen Anteil an die­sem Rück­tritt hat­te. Dass die Pla­gi­ats­pro­ble­me, die vor eini­gen Wochen von Prof. Fischer-Lesca­no öffent­lich gemacht wur­den, auf die­se Reso­nanz gesto­ßen sind, und sehr schnell deut­lich wur­de, dass es um weit mehr geht als um acht „raub­ko­pier­te“ Text­stel­len ist ein Phä­no­men, dass in die­ser Wei­se nur in einer weit­ge­hend ver­netz­ten Gesell­schaft mög­lich war. Ähn­li­ches gilt für die rasant anwach­sen­de Zahl an Unter­schrif­ten unter dem „Offe­nen Brief“ an Mer­kel (ges­tern waren es schon über 33000). Und nicht zuletzt mei­ne ich, dass Twit­ter und Face­book und ein paar Blogs ein star­kes Gegen­ge­wicht zum Ver­such der BILD dar­ge­stellt haben, Gut­ten­berg zu hal­ten. Ob es auch zu die­sem Rück­tritt gekom­men wäre, wenn FAZ und NZZ nicht sicht­lich ver­är­gert gewe­sen wären, weiss ich nicht. Ohne Inter­net – und ohne eine inzwi­schen sehr poli­ti­sche Netz­sze­ne – wäre Gut­ten­berg aber, da bin ich mir sicher, wei­ter­hin Minister.

* Bzw. genau­er, das war anfangs ein biss­chen unklar: er ist von allen poli­ti­schen Ämtern zurückgetreten.

P.S.: Wer es noch nicht kennt – mein vor zwei Wochen geschrie­be­ner lan­ger Text zur Cau­sa Guttenberg.

Wahl-Watching

Media

Die ers­ten Ergeb­nis­se aus den US-Mid­term-Elec­tions lau­fen gera­de ein. Wenn ich nicht mor­gen früh zu unmensch­li­chen Uhr­zei­ten zwei Kin­der in Kin­der­ta­ges­stät­tenWald­kin­der­gär­ten brin­gen (und dafür zu einer noch unmensch­li­che­ren Uhr­zeit auf­ste­hen) müss­te, wür­de ich ja glatt den wei­te­ren Abend damit ver­brin­gen, stun­den­lang vor dem Rech­ner zu sit­zen und mir anzu­schau­en, wie nach und nach ein­zel­ne US-Wahl­krei­se ein­lau­fen. Ist ja auch span­nend: Ver­liert Oba­ma die Mehr­heit im Reprä­sen­tan­ten­haus? Wie vie­le Tea-Par­ty-Extre­mis­tIn­nen wer­den nach­her in Amt und Wür­den sein? Kommt es zur Revol­te? Was wird in Kali­for­ni­en mit der Prop. 19 passieren?

Das sind so die The­men an der Ober­flä­che, die Wahl-Wat­ching inter­es­sant machen. Dazu kommt das laten­te Bedürf­nis, zu wis­sen, was los ist, also das Gefühl para­so­zia­ler Polit­in­ter­ak­ti­on durch den Blick auf Aus­zäh­lungs­er­geb­nis­se. Und als drit­te und am Schluss fast span­nends­te Ebe­ne: die gan­zen Ver­fah­rens­fra­gen (Wer darf kan­di­die­ren? Wie vie­le Par­tei­en gibt es? Wie ver­zerrt sind die Ergeb­nis­se? Was machen die Wahl­com­pu­ter? Wie wur­de gegerrymandert?). 

Kurz: Wahl-Wat­ching ist ein Hob­by, das zwar letzt­lich irgend­wo zwi­schen Web­site-Bas­teln und Modell­ei­sen­bahn-Bau­en ange­sie­delt ist, aber im Schein der poli­ti­schen Ernst­haf­tig­keit glänzt. (Und das betrifft ja nicht nur die Groß­ereig­nis­se wie USA 2010 oder vor weni­gen Wochen die Bra­si­li­en-Wahl – wahn­sin­nig vie­le Par­tei­en, selt­sa­me Bünd­nis­se und auch noch Wahl­pflicht, son­dern, wenn Zeit und Inter­net mit­spie­len, auch die kan­to­na­len Wah­len in Basel-Stadt oder das Abschnei­den der Grü­nen in sämt­li­chen EU-Staa­ten – oder die jähr­li­chen u‑as­ta-Wah­len …).

Ich gehe jeden­falls fest davon aus, dass ich nicht der ein­zi­ge bin, den der Reiz der gewag­ten Pro­gno­se und der hoch­zün­geln­den Sta­tis­tik man­che (lei­der ja oft­mals) nächt­li­che Stun­de vor dem Bild­schirm fest­hält, bis end­lich, end­lich klar ist, dass es mal wie­der kei­ne Mehr­heit gibt. Auch wenn es in der Qua­li­tät der Wahl­be­richt­erstat­tungs­tools mas­si­ve Unter­schie­de gibt – dass es mög­lich ist, auch exo­ti­sche Wahle(n) ein­fach von zu Hau­se aus zu ver­fol­gen (und mög­li­cher­wei­se sogar noch dar­über zu twit­tern) – dafür lie­be ich das Internet.

War­um blog­ge ich das? Weil die­se Begeis­te­rung für mich nicht direkt betref­fen­de Wahl­ver­läu­fe z.B. bei A. durch­aus auf Unver­ständ­nis stößt. Auch wenn ich ger­ne zuge­be, dass es natür­lich noch span­nen­der ist, wenn es um „eige­ne“ Wah­len geht, wenn das Wahl-Wat­ching dann im Online-Off­line-Medi­en­mix zwi­schen Land­rats­amt, Fest­saal und Mobil­te­le­fon statt­fin­det. Damit herz­li­che – und durch­aus neid­vol­le – Grü­ße an alle Poli­tik-Nerds, die mor­gen früh nicht früh auf­ste­hen müssen!

Kurz: Atomvertragspetition

Netbook, mit Ökostrom gefüttert

Die Peti­ti­on 13587 befin­det sich noch bis heu­te abend in der Pha­se der Mit­zeich­nungs­su­che. Bei die­ser Peti­ti­on geht es darum,

… dafür Sor­ge zu tra­gen, dass die mit den Strom­ver­sor­gern abge­schlos­se­nen Ver­trä­ge zur Abschal­tung der Atom­kraft­wer­ke bis zum Jahr 2023 ein­ge­hal­ten werden 

Initi­iert wur­de sie wohl von einem ehe­ma­li­gen CDU-Bür­ger­meis­ter. Und bis­her von etwa 30.500 Men­schen unter­zeich­net – 50.000 sind für eine öffent­li­che Anhö­rung not­wen­dig. Ich habe das gera­de auch gemacht, obwohl ich den Sinn der Peti­ti­on nur halb sehe und eine gan­ze Wei­le gezö­gert habe. Denn ers­tens erschei­nen mir öffent­li­che Pro­tes­te auf der Stra­ße und im Netz beim The­ma Atom wir­kungs­vol­ler als das doch recht zahn­lo­se Instru­ment der Peti­ti­on – und zwei­tens fin­de ich die For­mu­lie­rung ein wenig zu sanft. Denn klar: der Atom­ver­trag soll ein­ge­hal­ten wer­den, min­des­tens! Aber ein schnel­ler Aus­stieg wäre immer noch bes­ser. Und der ist mit die­ser Peti­ti­on ja auch nicht gegeben/gefordert.

Wie dem auch sei – es wäre gut, wenn noch ein paar tau­sen­de mehr mit­zeich­nen, und die Gren­ze von 50.000 erreicht wird. Aber selbst wenn nicht: im Ver­gleich zu vie­len ande­ren Peti­tio­nen sind 30.000 auch schon recht beachtlich.

Nach­trag: die 50.000 wur­den wohl deut­lich über­schrit­ten – mit der rich­ti­gen Mobi­li­sie­rung kön­nen also inner­halb von 24 Stun­den durch­aus 20.000 Unter­zeich­ne­rIn­nen für eine Peti­ti­on gefun­den wer­den. Und bis auf klei­ne­re Aus­fall­zei­ten hat der Bun­des­tags­ser­ver dem sogar standgehalten.