… gibt es hier: http://www.politik-poker.de/wie-waers-mit-einer-doppelspitze.php (noch nicht offiziell erschienen …)
Werbewirkungsforschung
Jetzt, wo die Wahl vorbei ist, kann ich’s ja sagen. Ich hab mich mit meiner Erststimme gar nicht leicht getan. Zweitstimme grün, das war von vorneherein klar, schließlich bin ich Mitglied dieser Partei und habe mich aktiv am Wahlkampf beteiligt. Aber was mache ich mit meiner Erststimme? Zur Aus-Wahl standen neben Indiskutablem wie den KandidatInnen von NPD, FDP und CDU in Freiburg drei Menschen: der bekennende und bekannte Linke Michel Moos – unsere Kandidatin, Kerstin Andreae – und Gernot Erler von der SPD. Mit Listenplatz 3 gut abgesichert, hat Kerstin frühzeitig dazu aufgerufen, taktisch zu wählen: wir wählen Gernot Erler mit (und verhindern so ein CDU-Überhangmandat), und dafür macht vielleicht die eine SPDlerin oder der andere SPDler sein zweites Kreuz bei uns. Nur: macht es, das drohende Ende von rot-grün vor Augen, Sinn, Gernot Erler von der SPD zu wählen? Wäre es nicht vielleicht ein gutes Zeichen für die innerparteilichen Auseinandersetzungen um den zukünftigen Kurs der Partei, wenn ein integrer Linker wie Moos ein achtbares Erststimmenergebnis in Freiburg einfährt? Oder doch lieber wie bisher grün pur wählen – schließlich sind wir die grüne Hochburg, da wäre ein Direktmandat doch auch mal was schönes?
Ich habe dann letztlich den Herrn Erler gewählt, trotz Großekoalitionsgefahr und allgemeiner Abneigung gegen vieles in der SPD (und Ärger darüber, dass es der SPD niemals einfallen würde, sich dazu herabzulassen, den eigenen Leuten gut zuzureden, was grüne Zweitstimmen angeht). An dieser Entscheidung ist nebenstehendes Flugblatt schuld, das am Samstag in unserem Briefkasten lag: Wer noch kurz vor der Wahl pseudoauthentische Briefe ohne Sinn und Verstand verteilen lässt (und so in letzter Minute um jede Stimme buhlt, sei das Argument noch so sehr an den Haaren herbeigezogen) und noch dazu an jedem Laternenmast zwischen Freiburg und Günterstal das eigene Porträt aufhängen lässt, darf einfach nicht mit Erfolg belohnt werden. Und wenn dazu grüne Stimmen gegen die CDU notwendig sind, dann muss halt diesmal rot-grün gewählt werden.
Was ich dann gemacht habe und was funktioniert hat. Und jetzt bin ich gespannt: denn auf unserer Wahlparty hat der Herr Erler nicht nur der Kerstin für die grüne Unterstützung gedankt, sondern auch verkündet, dass er keinstenfalls für eine große Koalition stimmen werde. Ob er dazu steht?
Zitterpartie?
In einem Dresdner Wahlkreis fällt die Bundestagswahl aus [siehe Spiegel online] – bzw. findet einige Wochen später statt. Das kann gar nichts bedeuten, kann aber schlimmstenfalls heißen, dass erst irgendwann im Oktober klar ist, ob es eine schwarz-gelbe Mehrheit, eine große Koalition oder doch allen Voraussagen zum Trotz eine Fortführung der Regierung aus SPD und Grünen geben wird. Möglich wäre das dann, wenn das tatsächliche Wahlergebnis ähnlich knappe Mehrheiten wie in den letzten Umfragen mit sich bringt.
> Update: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,373716,00.html
> Ausführliches Statement zu möglichen Konsequenzen (inklusive der Möglichkeit, dass die SPD bei der nachträglichen Wahl in Dresden dazu aufrufen könnte, für die CDU zu stimmen …): http://www.wahlrecht.de/news/2005/24.htm
79 %
Auch wenn das Heiße-Phasen-Wahlkampfmotto „JA! zu Grün“ mehr an Billigdiscounter als an prickelnde Politikwerbung erinnert: unter prozente_flyer.pdf gibt es ein gelungenes Flugblatt, dass den tieferen Sinn des „JA! zu Grün“ deutlich macht: Die politischen Ziele der 8 %-Partei werden nämlich von 60 bis 90 Prozent der Bevölkerung geteilt. Warum die dann trotzdem überwiegend nicht grün wählen, ist eines der großen politischen Rätsel unserer Zeit. Vielleicht hilft’s ja …
Wikimania
Noch bis Sonntag geht die erste internationale Wikipedia/Mediawiki-Konferenz Wikimania in Frankfurt am Main. Ich konnte leider nur heute hinfahren, war aber doch beeindruckt: die Frankfurter Jugendherberge war ziemlich voll (450 TeilnehmerInnen), und ein paar Leute kannte ich sogar aus der Mitarbeit an der Wikipedia (ein paar andere kannte ich noch nicht, habe mich aber interessant unterhalten; u.a. schreiben mindestens drei Leute sozialwissenschaftliche Diplomarbeiten über Wikipedia). Typisch für eine Geek-Konferenz: die Geschlechter waren doch eher ungleich verteilt (meine Schätzung: maximal 10 % Frauen).
Besucht habe ich Vorträge zu Wikipedia und Semantic Web, zu sozialen Dynamiken innerhalb der Wikipedia (dabei ging es vor allem um den Neutral Point of View (NPOV) und dessen Folgen und zum politischen Einfluss der Wikipedia. Besonders interessant fand ich neben dem NPOV-Workshop das Keynote-Statement von Jimmy Wales, dem Wikipedia-Gründer, und ein Poster aus der Poster-Session zum Thema „Mapping“.
Jimmy Wales nutzte seine Keynote dazu, zehn Herausforderungen zu skizzieren, die bisher nicht erfolgreich gelöst sind, für eine bessere Zukunft der Menschheit oder dergleichen aber unbedingt zu lösen wären. Seine Liste war:
1. Befreit die Enzyklopädien!
2. Befreit die Wörterbücher!
3. Befreit die Curricula! (Lehrbücher vom Kindergarten bis zur Universität)
4. Befreit die Musik! (vor allem klassische Musik, die zwar „Public Domain“ ist, aber nur in arrangierten und damit unter Copyright fallenden Notensätzen und in proprietären Einspielungen vorhanden ist)
5. Befreit Kunstwerke (d.h., macht Fotos von den Dingen, die in Museen hängen, frei verfügbar)
6. Befreit die Dateiformate – statt proprietäre Formate zu verwenden, die immer auch bedeuten, dass eine Firma letztlich die Kontrolle über die in diesen Formaten gespeicherten Daten behält
7. Befreit geographische Daten und Landkarten!
8. Befreit Produktcodes (eine Art ISBN für alle Produktarten, die gegen geringe Kosten für jedeN und seine/ihre Produkte verfügbar sein soll und Produkte möglichst automatisch in elektronischen Warenhäusern wie z.B. amazon auftauchen lässt …)
9. Freie Übersichten über das Fernsehprogramm statt Kabelmonopole!
10. Befreit Communities! (webbasierte Communities sollten darauf drängen, Foreneinträge und von ihnen erarbeitete Daten unter freie Lizenzen zu stellen und damit mitnehmen zu können).
Anders als der Spiegel es schreibt, sind diese zehn Punkte keine Prognosen, sondern Ziele (in der Diskussion wurden sie noch um zwei, drei weitere ergänzt – z.B. Open Access in der Wissenschaft, oder sicherzustellen, dass mit Steuergeldern erstellte Produkte unter freie Lizenzen kommen). Insbesondere hinter den Punkten 3, 6 und 8 verbinden sich aus meiner Sicht ziemlich ambitionierte Vorhaben, die das Bildungs- und Wissenschaftssystem, die Computerwelt und alles, was davon abhängt, und globale Handelsstrukturen ziemlich umwirbeln können.
Siehe dazu auch: http://ross.typepad.com/blog/2005/08/jimbos_problems_1.html
Das Poster zum Thema „Mapping“ ist unter Places & Spaces anzuschauen bzw. dort ist das dem Poster zugrunde liegende Forschungsprojekt erläutert – Katy Börner und Deborah MacPherson haben ganz unterschiedliche Wege zusammengestellt, wie Wissen über tatsächliche, aber auch über ganz abstrakte Gegebenheiten in Karten umgewandelt wurde – vom U‑Bahn-Plan, der die Gedankenstränge in einer Dissertation visualisiert, bis hin zu diversen „Maps of all sciences“, die ausgehend von Veröffentlichungen und Zitierungen disziplinäre Strukturen und dergleichen darstellen. Anregend.
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> Bericht im Heise-Newsticker
> Bericht in Spiegel online dazu
> Ein weiterer Bericht in Spiegel online
> Photos von der Wikimania 2005 bei flickr
> Medienecho zur Wikimania: Überblick bei Netzpolitik.org