Wie treuen LeserInnen des Blogs bereits bekannt, diskutieren Bündnis 90/Die Grünen LV Baden-Württemberg seit einigen Monaten über Grundeinkommen und Grundsicherung oder ganz andere Modelle. Als erster Zwischenschritt liegen inzwischen nicht nur diverse Modelle, sondern auch ein (relativ vages) Eckpunktepapier vor, das auf dem nächsten Landesausschuss am 30.6. in Pforzheim beschlossen werden soll. Die grüne Debatte um die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme wird auch von einigen Beiträgen in der Mitgliederzeitschrift Grüne Blätter begleitet – u.a. wurde auch ich gebeten, in einem Statement zu erläutern, warum ich mich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetze. Und weil der Artikel so kurz ist (so ist das mit gedruckten Dingen …), dokumentiere ich ihn hier in voller Gänze:
„Statement zum Grundeinkommen“ weiterlesen
G8-Gipfel: langweilige und spannende Aktionen
Wirklich klasse fand ich heute die Nachrichten (Indymedia, Spiegel online, NDR) darüber, dass es den DemonstrantInnen in Heiligendamm gelungen ist, mit Hilfe einer bei den Castor-Transporten (X1000-mal-quer) schon mehrfach angewandten Strategie organisierter Desorganisation – daran erinnerten mich jedenfalls die Berichte darüber – Heiligendamm zu blockieren. Dass der Ort bis auf wenige Kontrollpunkte abgeriegelt wurde – der berühmt-berüchtigte Sicherheitszaun – hat sich hier als großes Manko erwiesen. David-gegen-Goliath-Judo wäre vielleicht eine treffende Bezeichung dafür. Und dass die überrumpelte Polizei dann zu Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen friedliche SitzblockiererInnen gegriffen hat, passt in das Bild einer überholten Strategie, die mit Deeskalation wenig, mit Unerfahrenheit mit Großdemos viel zu tun hat.
Rumstehen und zuhören: Freiburg (Mehr Fotos)
Soweit die spannenden Aktionen. Sehr viel langweiliger war dagegen die Kundgebung in Freiburg heute. Gut natürlich, dass überhaupt jemand was macht. Aber was, war dann doch eher abschreckend. Auf dem Rathausplatz waren etwa 40 bis 50 Leute, je nachdem, wer von denen, die eher vorsichtig auf Abstand blieben, dazugezählt wird. Linkspartei, DKP, DGB und ein paar wenige ungebundene Linke (und zwei, drei Grüne) standen etwa eine Stunde auf dem Rathausplatz rum. Anfangs gab’s Che-Verherrlichungsmusik und Arbeiterkampfliedermacherlieder („weg mit Hartz IV, wir wollen Arbeit“). Nicht mein Ding. Danach dann eine Reihe von Redebeiträgen. Pluspunkt: nicht alle RednerInnen kamen aus den Reihen der Linkspartei/WASG. Alle waren jedoch kaum zu verstehen (zu kleine Anlage) und standen irgendwo in der Menge. Insgesamt also ein eher beschauliches Ereignis, von dem vermutlich auch kaum jemand Notiz genommen hat. Auch für Soli-Kundgebungen sind phantasievollere Formen denkbar. Nächstesmal hätte ich gerne ein Protestfrühstück auf einer belebten Straße oder dergleichen mehr …
Warum blogge ich das? Beobachtung der Anti-G8-Proteste und Memo to self: beim nächsten Mal rechtzeitig anfangen, selbst aktiv zu werden.
Update: Mein X1000-Mal-Quer-Wiedererkennen scheint zu stimmen, jedenfalls laut einem gerade aufgetauchten zusammenfassenden SpOn-Artikel. Und auch die Website „Block G8“ klingt sehr nach der X1000-Mal-Quer-Strategie – macht nostalgisch.
Update 2: Sehr schön das heutige taz-Titelbild:
Titel der taz vom 7.06.2007
Und hier der dazugehörige Bericht der taz sowie der Titelseitenkommentar.
Update 3: Interessant ist der Blick auf das ganze aus Sicht der internationalen Presse – die scheint sich mehr oder weniger komplett auf die Polizeiberichterstattung zu verlassen (oder kennt von zu Hause aus deutlich heftigere Proteste). Aber manchmal muss gar nicht so weit weg geschaut werden – laut netzpolitik.org griff selbst der örtliche NDR für eine Reportage auf direkt von der Polizei kommendes dpa-Material zurück, statt selbst zu recherchieren – inklusive nicht vorhandener Molotow-Cocktails.
Update 4: Ein paar Eindrücke aus Heiligendamm bei Hanno Böck.
Heute im Briefkasten: Soundso
Nicht Sound-so, sondern so-und-so. Also die neue, dritte Album-CD Soundso von Wir sind Helden. Die taz hatte sie schon gestern besprochen.
Mein erster Eindruck: Daumen hoch. Im Einzelnen heißt das: schönes Cover, Texte sind auch mit dabei, bei den Danksagungen fällt die unlängst erfolgte Familiengründung auf. Die zwölf Stücke klingen nach den Helden, da sorgt schon der charakteristische Gesang für, und diverse immer wieder auftauchende Melodiefragmente und Wiederholungsmuster. Trotzdem ist’s musikalisch noch ein bißchen mehr Mainstream geworden, was vor allem bei den nun rockiger gewordenen schnellen Stücken auffällt (bei der taz heißt das: „Die Rhythmen hüpfen weniger hektisch als früher, sondern rollen viel entspannter, und so ist eine leichte, luftige Popplatte entstanden.“). Dafür sind die Texte größtenteils wieder beim Politniveau der Reklamation angekommen (wenn ich das Booklet richtig verstehe, soll’s demnächst übrigens auch das Mitsing-Liederbuch der Helden geben) – insgesamt gefällt mir die Mischung aus Politik und Privatem besser als bei Von hier an blind.
Warum blogge ich das? Trotz Neue-Neue-Deutsche-Welle und tendenzieller Kommerzverträglichkeit (wenn bei den Texten weggehört wird) sind Wir sind Helden weiterhin eine meiner absoluten Lieblingsbands.
Update: Andreas Borcholt bei Spiegel online ist eher enttäuscht vom neuen Helden-Album. Und zwar, weil der Anspruch ganz hoch gehängt wird: „Denn eine bessere Band haben wir nun mal gerade nicht in Deutschland, das ist mal Fakt.“ – da reichen dann drei wirklich tolle Nummern nicht aus.
Hinweis zu den fehlenden Massenprotesten
Markus weist auf einen gestern gesendeten Beitrag des Deutschlandfunks hin, in dem der Volkszählungsboykott in den 1980er Jahren (mit real noch gar nicht so ausgereiften Überwachungsmechanismen, und der eigentlich relativ harmlosen Volkszählung) und die derzeitige weitreichende Einführung von Elementen eines Überwachungsstaates bei weitgehend fehlenden Massenprotesten gegenübergestellt werden.
Warum blogge ich das? Weil ich den Beitrag nachlesenswert finde.
Linksradikale G8-Kritik gleich Terrorismus?
So jedenfalls scheinen es Schäuble und Co. zu sehen: Razzien bei Szenebuchläden, Hausprojekten und linken Internetprojekten in Hamburg und Berlin – gleichzeitig wird im Zuge der Debatte um Klar und Mohnhaupt linker Aktivismus vom baden-württembergischen Verfassungsschutz mit der RAF gleichgesetzt. Das sind so Gründe, warum ich das und das auch über die Einzelfälle hinaus wichtig finde, und warum ich meine, dass es u.a. Aufgabe der Grünen ist, hier jetzt deutlich Flagge zu zeigen, und klar zu machen, dass es nicht angehen kann, alles, was politisch unliebsam ist, gleich mal in die bequeme Terrorismusecke zu stecken.
Warum blogge ich das? Weil ich hier Handlungsbedarf im Sinne eines „wer Freiheit für Sicherheit opfert, wird beides verlieren“ sehe.
Update: Überblicksartikel in der Telepolis, Linke empört (u.a. Christian Ströbele) in Spiegel-Online und Kritik von Claudia Roth in der Netzeitung. Mehr Links (u.a. zu Indymedia) gibt es bei netzpolitik.org.
Update 2: In der Telepolis jetzt auch ein Kommentar von Florian Rötzer, Präventivstaat in Aktion
Update 3: Völlig falsches Kaliber – Pressemitteilung der grünen Bundestagsfraktion, in der die Razzien scharf als unangemessen kritisiert werden.