Individualliberale (aka „Piraten“) und Wirtschaftsliberale (aka „FDP“) liegen in Schleswig-Holstein mit jeweils um die acht Prozent fast gleichauf. Beides wäre vor einem Jahr überraschend gewesen, vor zwei Wochen wäre der Wiedereinzug der FDP – mit ihrem zweitbesten Ergebnis und massiven Verlusten – eine große Überraschung gewesen. Die schleswig-holsteinischen Grünen mit Robert Habeck an der Spitze haben sich gegenüber der letzten Wahl leicht verbessern können und landen bei etwas über 13 Prozent. Für ein Land, in dem grünes Scheitern an der Fünfprozentklausel (4,99%) noch gar nicht so lange her ist, ein überraschend gutes Ergebnis. Gemessen an der Souffle-Prognose von vor einem Jahr ist es nicht so gut, aber so sind die Wellenbewegungen der Hypezyklen eben, da ist jeder noch so gute Wahlkampf machtlos.
Trotzdem scheint es – zumindest nach der 22:57-Hochrechnung der ARD – für eine Koalition aus SPD (22 Sitze), Grünen (10 Sitze) und SSW (3 Sitze) zu reichen. Zwar nur knapp, aber immerhin – und mit einem gewissen Puffer aus Piraten und einer Piratin*, die je nach Inhalten wohl zu einer Tolerierung und vielleicht sogar zu einer Mitwahl von SPD-Spitzenkandidat Albig zum Ministerpräsidenten bereit wären. Also fast schon Regierungsverantwortung für die parlamentarischen Newcomer, die ihre Lücke gefunden zu haben scheinen. Wie dem auch sei: Simonis II ist wohl nicht zu erwarten.
Immer mal was neues im Parteiensystem – und jetzt heißt es abwarten, wie das Endergebnis im schwarzen Land der roten Städte tatsächlich ausfällt. Ich bin recht optimistisch, auch hinsichtlich der Koalitionsverhandlungen – und hoffe, dass dieser Wahlabend vielleicht noch ein bisschen Schwung für die NRW-Wahl nächste Woche geliefert hat.
* Die Ex-Grüne Angelika Beer, Listenplatz 6.