Grüne Wahlergebnisse: Schweiz, Polen

Vom letz­ten Wochen­en­de gibt es wie­der mal grü­ne Wahl­er­geb­nis­se zu berich­ten: in der Schweiz haben die Grü­nen deut­lich zuge­legt und stel­len jetzt mit knapp 10% zwan­zig (+7) der 200 Natio­nal­rä­te und einen Sitz im Stän­de­rat. Span­nend wird jetzt die Fra­ge, ob das Schwei­zer Kon­kor­danz-Sys­tem bei­be­hal­ten wird, oder ob es zur Bil­dung einer ande­ren Regie­rungs­ko­ali­ti­on kommt. (Offi­zi­el­le Sei­te).

Inter­es­sant am Schwei­zer Wahl­er­geb­nis fin­de ich auch, wie Wah­len in einem poli­ti­schen Kon­text ablau­fen, der zwar durch und durch demo­kra­tisch ist (sie­he auch Volks­ent­schei­de etc.), aber kaum durch Par­tei­en­prä­fe­ren­zen auf natio­na­ler Ebe­ne gekenn­zeich­net ist. Auch des­we­gen, weil eini­ge Ele­men­te der Schwei­zer Demo­kra­tie aus mei­ner Sicht durch­aus auch für die Über­nah­me in ande­re Län­der span­nend wären – dazu gehört aus mei­ner Sicht auch die Idee einer Kol­le­gi­al­re­gie­rung, die aber natür­lich wie­der­um etwas mit der – auch von den Schwei­zer Grü­nen kri­ti­sier­ten – Tra­di­ti­ons­groß­ko­ali­ti­on zu tun hat. 

Ein wei­te­res inter­es­san­tes Ergeb­nis ist der Erfolg einer zen­tris­ti­schen Abspal­tung der Grü­nen Par­tei der Schweiz, näm­lich der in Zürich ent­stan­de­nen Grün­li­be­ra­len Par­tei, die immer­hin drei Sit­ze im Natio­nal­rat erhal­ten hat. Wenn Dani­el recht hat, dann sind die Schwei­zer Grü­nen deut­lich stär­ker links posi­tio­niert als die Grü­nen in Deutsch­land, und die „Grün­li­be­ra­len“ ent­spre­chend dann eher dem, was z.B. der baden-würt­tem­ber­gi­sche Realo­flü­gel für nor­mal hält. Mal schau­en, wann Oswald Metz­ger oder jemand ande­res auf die Idee kommt, sowas in Deutsch­land aus­zu­pro­bie­ren (und zwar anders als im Rah­men der doch stark ver­staub­ten ÖDP). 

Auch in Polen fan­den am Wochen­en­de Wah­len statt. Soweit ich das bis­her sehe, waren die Grü­nen (Zie­lo­ni 2004) dort aller­dings eher erfolg­los – sie sind nicht als eige­ne Lis­te, son­dern als Teil der links­ra­di­ka­len Lis­ten­ver­bin­dung „Pol­ni­sche Arbeits­par­tei“ ange­tre­ten, die mit 1,0 Pro­zent ins­ge­samt deut­lich an der 8%-Hürde für Lis­ten­ver­bin­dun­gen geschei­tert ist und kei­ne Abge­ord­ne­te in den Sejm entsendet.

War­um blog­ge ich das? Aus der Tra­di­ti­on her­aus, über grü­ne Wahl­er­geb­nis­se in exo­ti­schen Län­dern in die­sem Blog zu berichten.

Wahlen in Irland (Update)

Das iri­sche Par­la­ment, das Dáil, ist ges­tern gewählt wor­den. Inzwi­schen ste­hen die ers­ten Ergeb­nis­se fest. Inter­es­sant dar­an ist nicht nur das (schlech­ter als erwar­te­te) Abschnei­den der Grü­nen (~ 4,8%) oder die Tat­sa­che, dass der bis­he­ri­ge Minis­ter­prä­si­dent sei­ne Fian­na-Fail-Regie­rung fort­set­zen kann, son­dern für mich vor allem auch das Wahl­sys­tem. Die Repu­blik Irland ver­wen­det näm­lich das Sys­tem der Sin­gle Trans­fera­ble Vote (STV), d.h. pro Wahl­kreis wer­den meh­re­re Per­so­nen gewählt, wobei die Wäh­le­rIn­nen die Kan­di­da­tIn­nen in eine Rang­fol­ge brin­gen (also: Platz 1: Kan­di­da­tin der Grü­nen, Platz 2: Kan­di­dat der Lin­ken, Platz 3: Kan­di­dat A der SPD, Platz 4: Kan­di­da­tin B der SPD oder so). Jeder Kandidat/jede Kan­di­da­tin, die eine Min­dest­zahl (Quo­te) an Stim­men erhält, wird gewählt. Die über der Quo­te lie­gen­den Stim­men wer­den auf die ande­ren Kan­di­da­tIn­nen ver­teilt. Wie­der­um wird geschaut, ob ein Kan­di­dat oder eine Kan­di­da­tin die Quo­te (Erst­prä­fe­ren­zen plus Zweit­prä­fe­ren­zen) über­schrei­tet. Wenn nicht, wird der Kan­di­dat bzw. die Kan­di­da­tin mit den wenigs­ten Stim­men aus­ge­schlos­sen und des­sen oder deren Stim­men nach den Zweit­prä­fe­ren­zen ver­teilt. Das gan­ze wird solan­ge fort­ge­führt, bis alle Sit­ze im Wahl­kreis besetzt sind – die Aus­zäh­lung ist also recht kom­pli­ziert, des­we­gen lie­gen auch erst jetzt die (meis­ten) Ergeb­nis­se vor. 

War­um blog­ge ich das? Weil das STV-Wahl­ver­fah­ren eine inter­es­san­te (und in eini­gen Punk­ten gerechtere/bessere) Alter­na­ti­ve sowohl zum Mehr­heits­wahl­sys­tem wie zum bun­des­deut­schen Lis­ten­wahl­sys­tem darstellt.

Update: Nach Medi­en­be­rich­ten wer­den die iri­schen Grü­nen 6 der 165 Sit­ze im Par­la­ment erhal­ten. Es wird über eine mög­li­che Koali­ti­on zwi­schen der popu­lis­ti­schen (das Rechts-Links-Sche­ma scheint in Irland weni­ger rele­vant zu sein) Fian­na Fáil und den Grü­nen spe­ku­liert (zusam­men einen Mehr­heit der Sit­ze) – aber auch die Mög­lich­keit eines Regie­rungs­wech­sels zu einer Koali­ti­on aus Fine Gail (der etwas sozi­al­de­mo­kra­ti­sche­ren popu­lis­ti­schen Par­tei), Labour und Grü­nen mit Unter­stüt­zung von Sinn Féin und Unab­hän­gi­gen scheint noch nicht ganz aus­ge­schlos­sen zu sein. 

Update 2: (07.06.2007) Der­zeit lau­fen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen zwi­schen Fian­na Fáil und den Grü­nen, die als aus­sichts­reich beur­teilt werden.

Update 3: (16.06.2007) Die taz von ges­tern berich­tet im neu­en Lay­out kri­tisch über die jetzt wohl tat­säch­lich zustan­de kom­men­de Koalition.

Noch ein grüner Wahlerfolg

Nicht nur in Bre­men wur­de gewählt, son­dern auch in Island. Die Grü­nen stei­ger­ten sich dabei um 5 auf 14 Pro­zent der Stim­men. Ein Grund dafür liegt – wie auch die NZZ berich­tet – sicher­lich dar­in, dass die der­zei­ti­ge Koali­ti­on auf unge­brems­tes Wirt­schafts­wachs­tum setzt und für die Ener­gie­er­zeu­gung ger­ne die Land­schaft zer­stört.

War­um blog­ge ich das? Weil mir zu dem Wahl­er­folg Rebek­kas Foto wie­der in Erin­ne­rung gekom­men ist.

Länderrat wird lebhafter

Ich bin mir jetzt schon sicher, dass der 1. Län­der­rat 2007 leb­haf­ter wird als der letz­tes Jahr. Auf der Web­site sind inzwi­schen eini­ge Ände­rungs­an­trä­ge zu den Anträ­gen auf­ge­taucht. Ver­mut­lich wird es auch noch min­des­tes einen wei­te­ren Antrag geben (eine Reso­lu­ti­on gegen die Über­wa­chungs­staats­plä­ne der gro­ßen Koali­ti­on). Inso­fern bin ich jetzt wirk­lich gespannt drauf, wie es wer­den wird – ab Frei­tag vor­mit­tag bin ich unter­wegs nach Bre­men. Die lan­ge Zug­fahrt wer­de ich dann unter ande­rem dafür nut­zen, mir die drei Anträ­ge genau­er anzu­schau­en, zu denen ich hier noch nichts geschrie­ben habe. Mei­nen ers­ten Ein­druck der drei Anträ­ge will ich hier trotz­dem schon ein­mal dokumentieren:
„Län­der­rat wird leb­haf­ter“ weiterlesen

Am konservativsten von allen …

… ist die Jun­ge Uni­on Frei­burg (und damit schon wie­der so rich­tig nied­lich). Jeden­falls for­dern die in einer Pres­se­mit­tei­lung folgendes:

1. Strei­chung aller öffent­li­chen Gel­der für die KTS (Grund: ande­re Ein­rich­tun­gen bräuch­ten das Geld eher, die KTS hält sich nicht an Polizeibefehle)

2. Strei­chung aller öffent­li­chen Gel­der für die „sog. Schat­ten­par­ker“ (kei­ne Ahnung, ob die über­haupt wel­che krie­gen oder was die JU damit meint, Grund: ande­re Ein­rich­tun­gen bräuch­ten das Geld eher, die Schat­ten­par­ker hal­ten sich nicht an Polizeibefehle)

3. Kei­ne Koali­ti­on der CDU mit den Grü­nen (Grund: gefähr­li­che Anar­chis­ten­freun­de, die sich nur hin­ter einer bür­ger­li­chen Fas­sa­de verstecken)

Wäh­rend (1) und (2) so in etwa dem ent­spricht, was von einer ultra­kon­ser­va­ti­ven Grup­pe zu erwar­ten ist (und selbst aus die­ser Sicht ziem­lich däm­lich ist – die JU wür­de glau­be ich als ers­te pro­tes­tie­ren, wenn das KTS-Publi­kum nicht mehr vor­wie­gend in der KTS, son­dern vor­wie­gend z.B. in der Innen­stadt oder auf der Stra­ße zu fin­den wäre), ist die Aus­sa­gen zu (3) in der Pres­se­mit­tei­lung rich­tig amü­sant. Zitat:

„Frau Vie­then und die Grü­nen ver­su­chen wohl mit ihrer demons­tra­ti­ven Unter­stüt­zung der Anar­chis­ten und mit ihrer pole­mi­schen Kri­tik an der Frei­bur­ger Poli­zei wie­der Boden im lin­ken Lager gut zu machen, den sie beim Beschluss für den Ver­kauf der Frei­bur­ger Stadt­bau ver­lo­ren haben. Damit zei­gen die Grü­nen ihr wider­sprüch­li­ches Gesicht und machen sich unglaub­wür­dig“, so Dani­el Sander. […]

Die Äuße­run­gen von Frau Vie­then und Co. und deren Unter­stüt­zung der sinn­lo­sen und gefähr­li­chen Aktio­nen gegen den Staat hät­ten gezeigt, dass der bür­ger­li­che Anschein, den die Grü­nen beim Woh­nungs­ver­kauf gewon­nen hät­ten, nur Fas­sa­de sei. „Unter die­sen Umstän­den ist auf abseh­ba­re Zeit kei­ne kom­mu­na­le Koali­ti­on mit den Frei­bur­ger Grü­nen und der CDU denk­bar“, so Dani­el Sander.

Mal abge­se­hen davon, dass im baden-würt­tem­ber­gi­schen Kom­mu­nal­recht eh kei­ne Koali­tio­nen vor­ge­se­hen sind, und eine sach­be­zo­ge­ne Poli­tik anders aus­sieht, als in der pau­scha­len Ableh­nung jeder Zusam­men­ar­beit mit der stärks­ten Frak­ti­on, so scheint mir die CDU – und ins­be­son­de­re die JU – vor allem noch nicht ganz kapiert zu haben, dass es tat­säch­lich sowas wie eine „neue Bür­ger­lich­keit“ gibt, dass Grü­ne in Frei­burg längst nicht nur von Links­al­ter­na­ti­ven gewählt wer­den. Deutsch­land­weit wird das bei­spiels­wei­se in den Milieu­stu­di­en des SINUS-Insti­tuts deut­lich: bis Anfang der 1990er Jah­ren gab es dem­zu­fol­ge in Deutsch­land ein „Alter­na­ti­ves Milieu“, das etwa 4 % der Bevöl­ke­rung aus­mach­te, und eine Art (jugend­li­che) Sub­kul­tur dar­stell­te. In den aktu­el­len SINUS-Stu­di­en gibt es die­ses Milieu nicht mehr – dafür die „Post­ma­te­ri­el­len“, eines der gesell­schaft­li­chen Leit­mi­lieus und mit etwa 12 % min­des­tens so stark wie die Konservativen.

Die Exis­tenz die­ser „ver­bür­ger­lich­ten Alter­na­ti­ven“ – in Frei­burg sicher deut­lich mehr als 12 % – haben Tei­le der CDU/JU noch nicht begrif­fen. Sie lau­fen Feind­bil­dern aus den 1980ern hin­ter­her, die es so nicht mehr gibt. Und sie kapie­ren nicht, dass es inzwi­schen mög­lich ist, hohen Bil­dungs­sta­tus und hohes Ein­kom­men – mit allen Fol­ge­er­schei­nun­gen wie dem Wohn­ei­gen­tum etc. – also die alten Insi­gni­en des Bür­ger­tums – mit einem grün-bür­ger­rechts­li­be­ra­len Wer­te­mus­ter zu ver­bin­den, zu dem sowohl die Suche nach ver­nünf­ti­gen Haus­hal­ten als auch die Offen­heit für kul­tu­rel­le Expe­ri­men­te und alter­na­ti­ve Lebens­for­men gehört.