Wahlen in Irland (Update)

Das iri­sche Par­la­ment, das Dáil, ist ges­tern gewählt wor­den. Inzwi­schen ste­hen die ers­ten Ergeb­nis­se fest. Inter­es­sant dar­an ist nicht nur das (schlech­ter als erwar­te­te) Abschnei­den der Grü­nen (~ 4,8%) oder die Tat­sa­che, dass der bis­he­ri­ge Minis­ter­prä­si­dent sei­ne Fian­na-Fail-Regie­rung fort­set­zen kann, son­dern für mich vor allem auch das Wahl­sys­tem. Die Repu­blik Irland ver­wen­det näm­lich das Sys­tem der Sin­gle Trans­fera­ble Vote (STV), d.h. pro Wahl­kreis wer­den meh­re­re Per­so­nen gewählt, wobei die Wäh­le­rIn­nen die Kan­di­da­tIn­nen in eine Rang­fol­ge brin­gen (also: Platz 1: Kan­di­da­tin der Grü­nen, Platz 2: Kan­di­dat der Lin­ken, Platz 3: Kan­di­dat A der SPD, Platz 4: Kan­di­da­tin B der SPD oder so). Jeder Kandidat/jede Kan­di­da­tin, die eine Min­dest­zahl (Quo­te) an Stim­men erhält, wird gewählt. Die über der Quo­te lie­gen­den Stim­men wer­den auf die ande­ren Kan­di­da­tIn­nen ver­teilt. Wie­der­um wird geschaut, ob ein Kan­di­dat oder eine Kan­di­da­tin die Quo­te (Erst­prä­fe­ren­zen plus Zweit­prä­fe­ren­zen) über­schrei­tet. Wenn nicht, wird der Kan­di­dat bzw. die Kan­di­da­tin mit den wenigs­ten Stim­men aus­ge­schlos­sen und des­sen oder deren Stim­men nach den Zweit­prä­fe­ren­zen ver­teilt. Das gan­ze wird solan­ge fort­ge­führt, bis alle Sit­ze im Wahl­kreis besetzt sind – die Aus­zäh­lung ist also recht kom­pli­ziert, des­we­gen lie­gen auch erst jetzt die (meis­ten) Ergeb­nis­se vor. 

War­um blog­ge ich das? Weil das STV-Wahl­ver­fah­ren eine inter­es­san­te (und in eini­gen Punk­ten gerechtere/bessere) Alter­na­ti­ve sowohl zum Mehr­heits­wahl­sys­tem wie zum bun­des­deut­schen Lis­ten­wahl­sys­tem darstellt.

Update: Nach Medi­en­be­rich­ten wer­den die iri­schen Grü­nen 6 der 165 Sit­ze im Par­la­ment erhal­ten. Es wird über eine mög­li­che Koali­ti­on zwi­schen der popu­lis­ti­schen (das Rechts-Links-Sche­ma scheint in Irland weni­ger rele­vant zu sein) Fian­na Fáil und den Grü­nen spe­ku­liert (zusam­men einen Mehr­heit der Sit­ze) – aber auch die Mög­lich­keit eines Regie­rungs­wech­sels zu einer Koali­ti­on aus Fine Gail (der etwas sozi­al­de­mo­kra­ti­sche­ren popu­lis­ti­schen Par­tei), Labour und Grü­nen mit Unter­stüt­zung von Sinn Féin und Unab­hän­gi­gen scheint noch nicht ganz aus­ge­schlos­sen zu sein. 

Update 2: (07.06.2007) Der­zeit lau­fen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen zwi­schen Fian­na Fáil und den Grü­nen, die als aus­sichts­reich beur­teilt werden.

Update 3: (16.06.2007) Die taz von ges­tern berich­tet im neu­en Lay­out kri­tisch über die jetzt wohl tat­säch­lich zustan­de kom­men­de Koalition.

Noch ein grüner Wahlerfolg

Nicht nur in Bre­men wur­de gewählt, son­dern auch in Island. Die Grü­nen stei­ger­ten sich dabei um 5 auf 14 Pro­zent der Stim­men. Ein Grund dafür liegt – wie auch die NZZ berich­tet – sicher­lich dar­in, dass die der­zei­ti­ge Koali­ti­on auf unge­brems­tes Wirt­schafts­wachs­tum setzt und für die Ener­gie­er­zeu­gung ger­ne die Land­schaft zer­stört.

War­um blog­ge ich das? Weil mir zu dem Wahl­er­folg Rebek­kas Foto wie­der in Erin­ne­rung gekom­men ist.

Länderrat wird lebhafter

Ich bin mir jetzt schon sicher, dass der 1. Län­der­rat 2007 leb­haf­ter wird als der letz­tes Jahr. Auf der Web­site sind inzwi­schen eini­ge Ände­rungs­an­trä­ge zu den Anträ­gen auf­ge­taucht. Ver­mut­lich wird es auch noch min­des­tes einen wei­te­ren Antrag geben (eine Reso­lu­ti­on gegen die Über­wa­chungs­staats­plä­ne der gro­ßen Koali­ti­on). Inso­fern bin ich jetzt wirk­lich gespannt drauf, wie es wer­den wird – ab Frei­tag vor­mit­tag bin ich unter­wegs nach Bre­men. Die lan­ge Zug­fahrt wer­de ich dann unter ande­rem dafür nut­zen, mir die drei Anträ­ge genau­er anzu­schau­en, zu denen ich hier noch nichts geschrie­ben habe. Mei­nen ers­ten Ein­druck der drei Anträ­ge will ich hier trotz­dem schon ein­mal dokumentieren:
„Län­der­rat wird leb­haf­ter“ weiterlesen

Am konservativsten von allen …

… ist die Jun­ge Uni­on Frei­burg (und damit schon wie­der so rich­tig nied­lich). Jeden­falls for­dern die in einer Pres­se­mit­tei­lung folgendes:

1. Strei­chung aller öffent­li­chen Gel­der für die KTS (Grund: ande­re Ein­rich­tun­gen bräuch­ten das Geld eher, die KTS hält sich nicht an Polizeibefehle)

2. Strei­chung aller öffent­li­chen Gel­der für die „sog. Schat­ten­par­ker“ (kei­ne Ahnung, ob die über­haupt wel­che krie­gen oder was die JU damit meint, Grund: ande­re Ein­rich­tun­gen bräuch­ten das Geld eher, die Schat­ten­par­ker hal­ten sich nicht an Polizeibefehle)

3. Kei­ne Koali­ti­on der CDU mit den Grü­nen (Grund: gefähr­li­che Anar­chis­ten­freun­de, die sich nur hin­ter einer bür­ger­li­chen Fas­sa­de verstecken)

Wäh­rend (1) und (2) so in etwa dem ent­spricht, was von einer ultra­kon­ser­va­ti­ven Grup­pe zu erwar­ten ist (und selbst aus die­ser Sicht ziem­lich däm­lich ist – die JU wür­de glau­be ich als ers­te pro­tes­tie­ren, wenn das KTS-Publi­kum nicht mehr vor­wie­gend in der KTS, son­dern vor­wie­gend z.B. in der Innen­stadt oder auf der Stra­ße zu fin­den wäre), ist die Aus­sa­gen zu (3) in der Pres­se­mit­tei­lung rich­tig amü­sant. Zitat:

„Frau Vie­then und die Grü­nen ver­su­chen wohl mit ihrer demons­tra­ti­ven Unter­stüt­zung der Anar­chis­ten und mit ihrer pole­mi­schen Kri­tik an der Frei­bur­ger Poli­zei wie­der Boden im lin­ken Lager gut zu machen, den sie beim Beschluss für den Ver­kauf der Frei­bur­ger Stadt­bau ver­lo­ren haben. Damit zei­gen die Grü­nen ihr wider­sprüch­li­ches Gesicht und machen sich unglaub­wür­dig“, so Dani­el Sander. […]

Die Äuße­run­gen von Frau Vie­then und Co. und deren Unter­stüt­zung der sinn­lo­sen und gefähr­li­chen Aktio­nen gegen den Staat hät­ten gezeigt, dass der bür­ger­li­che Anschein, den die Grü­nen beim Woh­nungs­ver­kauf gewon­nen hät­ten, nur Fas­sa­de sei. „Unter die­sen Umstän­den ist auf abseh­ba­re Zeit kei­ne kom­mu­na­le Koali­ti­on mit den Frei­bur­ger Grü­nen und der CDU denk­bar“, so Dani­el Sander.

Mal abge­se­hen davon, dass im baden-würt­tem­ber­gi­schen Kom­mu­nal­recht eh kei­ne Koali­tio­nen vor­ge­se­hen sind, und eine sach­be­zo­ge­ne Poli­tik anders aus­sieht, als in der pau­scha­len Ableh­nung jeder Zusam­men­ar­beit mit der stärks­ten Frak­ti­on, so scheint mir die CDU – und ins­be­son­de­re die JU – vor allem noch nicht ganz kapiert zu haben, dass es tat­säch­lich sowas wie eine „neue Bür­ger­lich­keit“ gibt, dass Grü­ne in Frei­burg längst nicht nur von Links­al­ter­na­ti­ven gewählt wer­den. Deutsch­land­weit wird das bei­spiels­wei­se in den Milieu­stu­di­en des SINUS-Insti­tuts deut­lich: bis Anfang der 1990er Jah­ren gab es dem­zu­fol­ge in Deutsch­land ein „Alter­na­ti­ves Milieu“, das etwa 4 % der Bevöl­ke­rung aus­mach­te, und eine Art (jugend­li­che) Sub­kul­tur dar­stell­te. In den aktu­el­len SINUS-Stu­di­en gibt es die­ses Milieu nicht mehr – dafür die „Post­ma­te­ri­el­len“, eines der gesell­schaft­li­chen Leit­mi­lieus und mit etwa 12 % min­des­tens so stark wie die Konservativen.

Die Exis­tenz die­ser „ver­bür­ger­lich­ten Alter­na­ti­ven“ – in Frei­burg sicher deut­lich mehr als 12 % – haben Tei­le der CDU/JU noch nicht begrif­fen. Sie lau­fen Feind­bil­dern aus den 1980ern hin­ter­her, die es so nicht mehr gibt. Und sie kapie­ren nicht, dass es inzwi­schen mög­lich ist, hohen Bil­dungs­sta­tus und hohes Ein­kom­men – mit allen Fol­ge­er­schei­nun­gen wie dem Wohn­ei­gen­tum etc. – also die alten Insi­gni­en des Bür­ger­tums – mit einem grün-bür­ger­rechts­li­be­ra­len Wer­te­mus­ter zu ver­bin­den, zu dem sowohl die Suche nach ver­nünf­ti­gen Haus­hal­ten als auch die Offen­heit für kul­tu­rel­le Expe­ri­men­te und alter­na­ti­ve Lebens­for­men gehört.

Mit wem im Sommerloch koalieren?

Manch­mal benimmt sich „mein“ grü­ner Lan­des­ver­band Baden-Würt­tem­berg so ste­reo­typ und kli­schee­haft, dass er des­we­gen fast schon wie­der lieb gewon­nen wer­den muss. So im Sin­ne eines schrä­gen Typens mit etli­chen Macken, der aber eigent­lich ganz süß ist. Der Anlass für die­se Sät­ze: eine ges­tern ver­schick­te Pres­se­mit­tei­lung der Lan­des­vor­sit­zen­den Andre­as Braun und Petra Selg, lei­der noch nicht auf der Web­site ver­linkt. Ich zitie­re mal die Haupt­aus­sa­ge (Her­vor­he­bung von mir):

Grüne Landesvorsitzende zu Koalitionsspekulationen auf Bundesebene: Farbenspiele sind Sommertheater

„Über­le­gun­gen zu rot-rot-grün auf Bun­des­ebe­ne hal­ten wir für rei­ne Spe­ku­la­tio­nen und nichts wei­ter als Som­mer­thea­ter“, erklär­ten die grü­nen Lan­des­vor­sit­zen­den Petra Selg und Andre­as Braun. „Ärger­lich sind sie trotz­dem, weil es kei­ner­lei Anlass gibt, dar­über zu spe­ku­lie­ren, auch nicht als ver­meint­li­ches The­ma für das media­le Sommerloch.“

„Wir Grü­nen in Baden-Würt­tem­berg haben zu einem rot-rot-grü­nen Bünd­nis auf Bun­des­ebe­ne eine kla­re Hal­tung“, beton­ten Selg und Braun: „Wir leh­nen nicht nur Spe­ku­la­tio­nen dar­über strikt ab und möch­ten sie deut­lich zurück­wei­sen, son­dern sehen auch nicht den rea­lis­ti­schen Kern einer sol­chen Überlegung.“ 

Was ist an die­ser Pres­se­mit­tei­lung irri­tie­rend? Ers­tens natür­lich die Ein­sei­tig­keit. Aber ange­sichts der Lie­be zu Schwarz-grün-Debat­ten bei eini­gen Par­tei­freun­den wun­dert es mich nicht so sehr, dass nur über rot-rot-grün gere­det wird. Irri­tie­ren­der fin­de ich zwei­tens, näm­lich den Ein­blick, den die­se Pres­se­mit­tei­lung in die Wahr­neh­mung der bei­den Lan­des­vor­sit­zen­den gibt. Anlass dafür, sich zu Wort zu mel­den, sind „Über­le­gun­gen zu rot-rot-grün auf Bun­des­ebe­ne“. Die sei­en ein media­les Som­mer­loch­the­ma und eigent­lich igno­rier­bar. Wer jetzt etwas nach­denkt, was denn im Som­mer­loch die­sen Jah­res schon so alles ver­hack­stückt wur­de, wird schnell dar­auf kom­men, dass kurz vor Äuße­run­gen etwa Trittins zu rot-rot-grün ande­re Spe­ku­la­tio­nen stan­den: u.a. der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Ber­nin­ger, aber auch Tei­le der FDP und der gro­ße heim­li­che Vor­sit­zen­de a.D. fan­den es vor zwei Wochen sexy, mal wie­der über Jamai­ka nach­zu­den­ken. Erst danach kamen dann Stim­men, auch ande­re rech­ne­risch mög­li­che Mehr­hei­ten anzu­schau­en. Scha­de eigent­lich, dass sich nie­mand zur rot-grün-gelb äußert …

Eine klei­ne chro­no­lo­gi­sche Pres­se­schau dazu:

Die Neu­auf­la­ge der Jamaika-Debatte
> Bericht in der Welt über Gesprä­che zwi­schen Fischer und Schäub­le, 12.07.2006
> Franz Wal­ter in Spie­gel Online zu bür­ger­li­chen Mehr­hei­ten, 13.07.2006
> Wes­ter­wel­le in der FAZ zum Jamai­ka, 15.07.2006

Reak­ti­on: lin­ke Koali­ti­on wäre doch auch ganz schön
> Trit­tin warnt in Spie­gel Online vor Jamai­ka, 22.07.2006

Zur Som­mer­loch­de­bat­te über „Koali­tio­nen der bür­ger­li­chen Mit­te“ gab es kei­ne Pres­se­mit­tei­lung, wie die oben zitier­te. Wenn wundert’s. Dabei scheint es mir viel wahr­schein­li­cher, dass ab Okto­ber in Ber­lin z.B. rot-rot-grün regiert wird, als dass es auf Lan­des- oder Bun­des­ebe­ne in nächs­ter Zeit zu schwarz-gelb-grün kommt. Aber hin­ter Stutt­gart scheint die Welt anders auszusehen.

> Pres­se­mit­tei­lun­gen Grü­ne BW