Die große Schaltkonferenz

Bildschirme  mit Twitter und Stream des Parteitags, Micha Kellner und Gesine Agena sind zu sehen

Vor ziem­lich genau 20 Jah­ren fand der „Vir­tu­el­le Par­tei­tag“ der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen statt. Die­se Pio­nier­leis­tung habe ich damals in mei­ner Magis­ter­ar­beit (eine Zusam­men­fas­sung fin­det sich hier und – ganz knapp – hier) genau­er ange­schaut. Was macht einen Par­tei­tag aus? Neben der par­tei­en­gesetz­lich fest­ge­schrie­be­nen Auf­ga­be der inner­par­tei­li­chen Mei­nungs­bil­dung (und Wah­len und Abstim­mun­gen) gehört dazu nach innen auch etwas, was ich als „inner­par­tei­li­che Sozia­li­sa­ti­on“ beschrei­ben wür­de: das „Fami­li­en­tref­fen“, Kon­tak­te knüp­fen, Netz­wer­ke bil­den. Und nach außen ist ein Par­tei­tag immer auch media­les Event, eine Mög­lich­keit, The­men zu set­zen, in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung vor­zu­kom­men. Bei­des ver­knüpft sich, wenn Journalist*innen, die eine Par­tei beob­ach­ten, auf dem Par­tei­tag direkt mit Dele­gier­ten spre­chen und ein Gefühl für die Stim­mung in der Mit­glied­schaft ent­wi­ckeln. Für Redner*innen auf der Büh­ne ist die Par­tei­tags­hal­le Echo­raum – es wird schnell klar, wo der Bei­fall tost und was eher auf müde Gesich­ter stößt. Die Par­tei erfährt sich selbst.

Ein Par­tei­tag ist also eine viel­schich­ti­ge Ange­le­gen­heit. Einen sol­chen vor 20 Jah­ren ins Netz zu ver­le­gen, hieß damals in Baden-Würt­tem­berg: über meh­re­re Tage lang in ver­schie­de­nen Dis­kus­si­ons­fo­ren inhalt­lich argu­men­tie­ren, um dann zu fes­ten Zeit­punk­ten mit einem gesi­cher­ten Ver­fah­ren Abstim­mun­gen unter den Dele­gier­ten durch­zu­füh­ren und so am Schluss zu einer Posi­tio­nie­rung zu kom­men, damals zu Laden­öff­nungs­zei­ten. Als einer der ers­ten Geh­ver­su­che der Par­tei­en im Netz war der Vir­tu­el­le Par­tei­tag ein über­re­gio­na­les Medi­en­er­eig­nis. Die Mei­nungs­bil­dung erfolg­te schrift­lich, kein Platz für gro­ße Reden. Damit zumin­dest ein biss­chen vom Ken­nen­ler­nen der ande­ren Dele­gier­ten und Mit­glie­der übrig blieb, gab es eine „Kaf­fee­ecke“, ein nicht the­ma­tisch fest­ge­leg­tes Dis­kus­si­ons­fo­rum. Das alles, wie gesagt, über einen län­ge­ren Zeit­raum gestreckt, also eher asyn­chron, und defi­ni­tiv textbasiert. 

Ein paar Jah­re spä­ter lan­de­te der Vir­tu­el­le Par­tei­tag zwar in der baden-würt­tem­ber­gi­schen Sat­zung, ein paar ande­re Lan­des­ver­bän­de mach­ten ähn­li­ches, aber ins­ge­samt blieb es beim ein­ma­li­gen Ver­such. Die Dif­fe­renz zu dem, wozu Par­tei­ta­ge in einer Par­tei die­nen, war dann doch zu groß. Zudem gibt es recht­li­che Hür­den (Wah­len sind nur in Ver­samm­lun­gen mög­lich), gehei­me Abstim­mun­gen sind kaum sicher umzu­set­zen, die Kos­ten waren ähn­lich hoch wie für die Anmie­tung einer Hal­le, und die Idee, dass sich jetzt plötz­lich gro­ße Tei­le der Mit­glie­der­schaft betei­li­gen, erfüll­te sich auch nicht – ein gro­ßer Anteil der Bei­trä­ge kam von weni­gen „Power­usern“. Über das Geschlech­ter­ver­hält­nis will ich jetzt gar nicht reden.

Kurz­um: bis vor kur­zen hät­te ich gesagt, dass es sich nicht lohnt, das For­mat Par­tei­tag im Netz nachzubauen. 

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Wieso ich Facebook (noch) nutze

Frosted net

#dele­te­face­book ist der Hash­tag der Sai­son, und ich gebe es zu: auch ich habe dar­über nach­ge­dacht – und mich vor­erst dage­gen ent­schie­den, mei­nen Face­book-Account still­zu­le­gen oder zu löschen.

Ich habe das aber zum Anlass genom­men, mal dar­über nach­zu­den­ken, wie ich eigent­lich Face­book nut­ze. Dabei kom­me ich auf vier bis fünf für mich zen­tra­le Funktionalitäten:
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Kurz: Netzbeteiligungsgeschichte

Kur­zer Hin­weis, dass ich heu­te bei der schnu­cke­lig klei­nen #evotecon18 in Erfurt über den Vir­tu­el­len Par­tei­tag (der im Jahr 2000 statt­fand und 2001 das The­ma mei­ner Magis­ter­ar­beit war) und Online-/Off­line-Betei­li­gung bei Bünd­nis 90/Die Grü­nen vor­ge­tra­gen habe. Die Foli­en kön­nen auf SlideSha­re ange­schaut wer­den, wenn ich dazu kom­me, schrei­be ich auch noch ein biss­chen aus­führ­li­cher etwas dazu.

Erste Zahlen zum grünen Wahlprogramm 2017 (aktualisiert)

Hin­weis: in der ers­ten Fas­sung die­ses Tex­tes fehl­ten noch eini­ge Ände­rungs­an­trä­ge, die zum Zeit­punkt der Aus­wer­tung am 4.5.2017 noch nicht online waren. Inzwi­schen sind 2127 Ände­rungs­an­trä­ge erfasst; den Arti­kel unten habe ich dar­auf­hin deut­lich überarbeitet.

Vor kur­zem ende­te der Antrags­schluss für Ände­rungs­an­trä­ge zum grü­nen Bun­des­tags­wahl­pro­gramm 2017. Ein Anlass, sich ein­mal anzu­schau­en, wer wie vie­le Ände­rungs­an­trä­ge gestellt hat.

Zu beach­ten ist dabei zunächst die Grund­la­ge, auf die sich die Ände­rungs­an­trä­ge bezie­hen. Mit rund 330.000 Zei­chen ist der Ent­wurf für das grü­ne Bun­des­tags­wahl­pro­gramm 2017 deut­lich kür­zer aus­ge­fal­len als das Pro­gramm zur Bun­des­tags­wahl 2013, das im Ent­wurf etwa 450.000 Zei­chen umfass­te, und nach der Beschluss­fas­sung der Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz auf eine Län­ge von rund 660.000 Zei­chen anwuchs. Damals waren rund 2500 Ände­rungs­an­trä­ge gestellt worden. 

Zwi­schen 2013 und 2017 sind eini­ge Din­ge pas­siert. Eine wich­ti­ge Ände­rung betrifft die Art und Wei­se, wie Ände­rungs­an­trä­ge gestellt wer­den können. 

„Ers­te Zah­len zum grü­nen Wahl­pro­gramm 2017 (aktua­li­siert)“ weiterlesen

Zukunft wird aus Mut gemacht – eine erste Einschätzung

„Lie­be wird aus Mut gemacht“, heißt es bei Nena (und spä­ter bei Jan Delay). Dass der ges­tern vor­ge­leg­te Ent­wurf für das grü­ne Bun­des­tags­wahl­pro­gramm 2017 unter dem Mot­to „Zukunft wird aus Mut gemacht“ steht, dürf­te damit durch­aus etwas zu tun haben. Wie dem auch sei: die­se fünf Wor­te kon­zen­trie­ren aus mei­ner Sicht sehr gelun­gen die Hal­tung, mit der wir Grü­ne in die Bun­des­tags­wahl zie­hen (soll­ten) – zukunfts­ori­en­tiert, auf Lösun­gen aus, opti­mis­tisch, unver­zagt – und mit Hirn und Herz.

Wer sich selbst über den Ent­wurf des Wahl­pro­gramms infor­mie­ren will, kann das auf der grü­nen Web­site tun. Beschlos­sen wird das Pro­gramm auf einer Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz im Juni. Wie immer wird es dafür Ände­rungs­an­trä­ge geben; dies­mal mit Vor­lauf und der Not­wen­dig­keit, sie über das Tool Antrags­grün ein­zu­brin­gen. Ich bin gespannt, ob die Zahl der Ände­rungs­an­trä­ge ähn­li­che Höhen erreicht wie bei den letz­ten Bun­des­tags­wahl­pro­gram­men, oder ob sie dies­mal hand­hab­ba­rer und damit demo­kra­ti­scher ausfällt.

Denn eini­ges ist anders: mutig und mit fri­schem Grün ist nicht nur das Mot­to, mit dem Pro­gramm­ent­wurf vor­ge­stellt wur­de, son­dern auch die Ton­la­ge und der Auf­bau des Pro­gramms unter­schei­den sich deut­lich von frü­he­ren Jah­ren. Das Pro­gramm ist spür­bar kür­zer. Der Anspruch ist nicht Voll­stän­dig­keit, und erst recht nicht – wie 2013 – die bis aufs letz­te Kom­ma durch­ge­rech­ne­te Kon­zept­prä­sen­ta­ti­on, son­dern es geht dar­um, zum einen grü­ne Zie­le dar­zu­stel­len, und zum ande­ren um ganz kon­kre­te, in der nächs­ten Bun­des­re­gie­rung umsetz­ba­re Pro­jek­te, die dazu bei­tra­gen, die­se Zie­le zu verwirklichen. 

„Zukunft wird aus Mut gemacht – eine ers­te Ein­schät­zung“ weiterlesen