Ein schneller Rückblick auf meine Science-Fiction- und Fantasy-Lektüre bzw. meinen diesbezüglichen Medienkonsum im Mai 2023.
Auf dem Bildschirm habe ich ein paar Serien angeschaut – die dritte Staffel von Picard (Prime) hat mir weitgehend gut gefallen, auch die Tatsache, dass es einen umfassenden Handlungsbogen und trotzdem in sich abgeschlossene Episoden gab. Das eine oder andere war allerdings ein bisschen viel Fanservice. Mal schauen, wie das am Schluss angeteaserte Spin-off des Spin-offs rund um Captain Seven of Nine werden wird …
Die zweite Staffel von Carnival Row (Prime) – die Serie spielt in einer zu Beginn der Industrialisierung stehenden Gesellschaft, in der Menschen und Fey zusammenleben – war bildgewaltig, mit der einer guten Mischung aus persönlichen Entwicklungsgeschichten, politischen Intrigen und den großen Themen. Allerdings war sie für meinen Geschmack etwas zu blutig und zu voll enttäuschter Hoffnungen; aber wie schon in der ersten Staffel: dafür mit einem durchaus überzeugenden Ende. Eine Fortsetzung soll es leider nicht geben, obwohl der Schluss dazu eigentlich einlädt.
Unterhaltsam, für eine mit Gothik und Außenseitertum spielende Serie teilweise ein bisschen zu überzuckert empfand ich die Serienverfilmung Wednesday (Netflix), die ich mir jetzt auch mal angeschaut habe. Und die durchaus anschaubar ist.
Nicht auf dem Bildschirm, sondern im Kino angeguckt haben wir Guardians of the Galaxy Vol. 3. Hübsch anzusehen, mit einer ziemlich herzzerreißenden Backstory für den Waschbären Rocket, aber in der Summe nicht so ganz logisch. Naja, also: Unterhaltungskino.
Zu den Büchern: Ziemlich viel Zeit verbracht habe ich mit At the Feet of the Sun (2022), dem zweiten Teil der Serie rund um Cliopher Mdang und den Kaiserhof der Autorin Victoria Goddard (zum ersten Teil hatte ich hier etwas geschrieben). Auch At the Feet of the Sun ist langsam erzählt und braucht seine Zeit. Während der erste Teil der Aufstieg Clipher Mdangs am kaiserlichen Hof als roten Faden hatte, geht es hier um die – hm – platonische/asexuelle Liebesbeziehung zwischen Mdang und dem Kaiser, und um deren gemeinsame Reisen durch mehr oder weniger mythische Welten. Gleichzeitig erfahren wir einiges darüber, wer der im ersten Band scheinbar unnahbare Kaiser tatsächlich ist, und wie Mdangs Karriere auch hätte verlaufen können. Ein großes Buch, um sich darin zu verlieren – geerdet durch alltägliche Details und Angewohnheiten, die zeigen, dass auch die Held*innen großer Sagen letztlich nur Menschen sind.
Nicht zu Ende gelesen habe ich dagegen A Woman of the Sword (2023) von Anna Smith Spark. Nicht unbedingt, weil es ein schlechtes Buch ist – die Prämisse ist, dass hier epische Fantasy durch die Augen ganz normaler Menschen dargestellt wird. Die Hauptperson war Soldatin einer Armee, die im Auftrag eines Herrschers Länder befreit und das Imperium wieder hergestellt hat. Danach hat sie sich auf einer Farm niedergelassen; die Beziehung zu ihren beiden Kindern ist schwierig, sie fühlt sich überfordert von allem. Und dann kommt der Krieg zurück, mit Drachen und Magie. Brandschatzung und Flucht werden recht realistisch geschildert – und das war dann der Punkt, wo ich das Buch zur Seite gelegt habe. Mir war es für diese Zeiten – verbunden mit dem sehr nahen Blick auf den Alltag mit kleinen Kindern – schlicht zu düster.
Meru (2023) von S.B. Divya spielt in einer Zukunft, in der im offenen Weltall lebende Cyborg-Konstrukte (Alloys) die Macht übernommen haben. Die Erde ist eine Art Reservat für nicht modifizierte Menschen. Ambitionen sind eine Krankheit, die heilbar ist. Die junge Hauptfigur will trotzdem mit einigen Freund*innen Großes erreichen. Die Chance, das umzusetzen, ergibt sich, als der Planet Meru entdeckt wird und sich herausstellt, dass ihre Sichelzellenanämie hier von Vorteil sein könnte. Zusammen mit einer Konstrukt-Raumschiff-Person soll sie zeigen, dass Menschen auf einem Planeten jenseits der Erde überleben können – ohne Terraforming, und ohne Eingriffe in die Umwelt. Erst nach und nach stellt sich heraus, dass sie nur als Spielball in politischen Auseinandersetzungen der Cyborg-Konstrukte gesehen wird. Aus diesem Setting entwickelt Divya eine spannend zu lesende Geschichte, die sich auch großen Fragen stellt.
Bleiben wir bei Konstrukten: Martha Wells Murderbot Diaries (2017–2021) ist aus der Perspektive eines Konstrukts erzählt. Ein als Waffe/Sicherheitssystem eingesetzter Cyborg („SecUnit“) hat das Kontrollmodul überlistet und agiert jetzt frei, muss dies allerdings geheimhalten. Der „Murderbot“ – so die Eigenbezeichnung – ist menschenscheu, redet nicht gerne über Gefühle, will nicht berührt werden und schaut am liebsten, auch zur inneren Beruhigung, historische und SF-Endlosserien. Gleichzeitig nimmt diese SecUnit ihre Aufgabe ernst: ihre Klient*innen zu beschützen. Das kann dann auch mal blutig werden. Die Klient*innen sind zu Beginn der Serie Wissenschaftler*innen, die einen Planeten erkunden; später werden sie Freund*innen des Cyborg. Die Serie beginnt im Corporate Rim – neoliberale, nur auf Profit ausgerichtete Planeten und Raumstationen, die von unterschiedlichen Konzernen beherrscht werden. Menschen und Bots sind hier Leibeigene. Nach und nach lernen wir, dass es außerhalb des Corporate Rim andere Gesellschaften gibt, die ebenfalls detailliert beschrieben werden – etwa die eher an Solarpunk erinnernde, utopisch dargestellte Preservation. Der sarkastische Tonfall der erzählenden SecUnit (samt Nebenbemerkungen) trägt ebenso wie der schnelle Plot dazu bei, dass es sich dann doch empfiehlt, gleich die ganze Serie zu kaufen; leider ein recht teures Vergnügen. Ein weiterer Band ist für Ende des Jahres angekündigt.
Nochmal Space Opera, diesmal als, hm, Komödie: John Scalzis The Android’s Dream (2006) hat wenig mit Philip K. Dick zu tun, sondern handelt v.a. von unfähigen Diplomat*innen, den Computern der Wetterbeobachtung, Aliens, die unbedingt ein tiefblaues Schaf haben wollen, einer am unteren Ende der galaktischen Hackordnung stehenden Erde und den Veteran*innen eines unnötigen Krieges. Schnell und teilweise sehr lustig, teilweise auch bitter, weil es da und dort eben nicht nur Slapstick, sondern gute Satire ist. Eher Redshirts als Old Mans‘ War, und irgendwie typisch Scalzi.
Charles Stross Seasons of Skulls (2023) ist typisch Laundry/New Management, lässt sich ebenso schlecht beschreiben und war mir ein bisschen zu viel more of the same. Wer die Mischung aus Horror, Pastiches zu Klassikern der Weltliteratur (hier: Richtung Jane Austen, würde ich sagen), genauer Beobachtung von Bürokratie und Management und Großbritannien mag, wird hier fündig.
Schließlich habe ich noch Cory Doctorows Red Team Blues (2023) gelesen, das eher ein Thriller/Krimi als Science Fiction ist, schnell und aktionenreich, mit scharfem Blick auf die IT-Kultur der amerikanischen Westküste, halb-legale Crypto-Geschäfte und ähnliches mehr, verbunden mit einer durchaus sympathischen Hauptperson.