Fünf Anmerkungen zur Wahl in NRW

Journey of waiting XLII: glass paneNoch ist alles offen – 40 von 128 Wahl­krei­sen sind aus­ge­zählt – aber eini­ges lässt sich schon über die Wahl in NRW sagen:

1. Ganz gro­ßer Glück­wunsch an Bünd­nis 90/Die Grü­nen NRW, die einen über­zeu­gen­den Wahl­kampf hin­ge­legt haben, als ein­zi­ge kom­pe­tent mit dem Web umge­gan­gen sind, noch­mal drei Tage wach waren und auch hin­sicht­lich der Koali­ti­ons­op­tio­nen klar waren! 

2. Die schwarz-gel­be Bun­des­rats­mehr­heit ist weg, egal, was heu­te abend noch pas­siert. Dass wird es für die schwarz-grü­nen Koali­tio­nen in Ham­burg und im Saar­land nicht ein­fa­cher machen, wird aber auf jeden Fall eini­gen „Reform­pro­jek­ten“ der schwarz-gel­ben Bun­des­re­gie­rung vom „Natio­na­len Sti­pen­di­en­pro­gramm“ bis zur „Kopf­pau­scha­le“ gro­ße Stei­ne in den Weg legen. Gut so!

3. Die Mehr­heit in NRW hat sich klar gegen schwarz-gelb aus­ge­spro­chen. Oder, an ein­zel­nen The­men fest­ge­macht: es gibt zm Bei­spiel eine kla­re Mehr­heit für die Schu­le für alle. Die ver­teilt sich auf drei Par­tei­en. Unab­hän­gig davon, wie die Koali­ti­on am Schluss aus­sieht: die­se Inhal­te müs­sen Raum finden.

4. Die Fünf-Pro­zent-Hür­de ver­fälscht den Wäh­le­rIn­nen-Wil­len, das wird, je stär­ker die Volks­par­tei­en zu „Rui­nen“ wer­den (bei­de haben ja noch­mal ver­lo­ren) umso deut­li­cher. Wenn eine Mehr­heit davon abhängt, ob die Links­par­tei 4,9 oder 5,9% erreicht; wenn jede Stim­me für die Pira­ten letzt­lich deren Anlie­gen scha­det – dann stimmt etwas am Wahl­sys­tem nicht.

5. Ich glau­be, dass die­se Wahl mit Fug und Recht als ers­te bezeich­net wer­den kann, die maß­geb­lich durch Blogs beein­flusst wur­de – und zwar weni­ger durch die Par­tei­b­logs, son­derns sehr viel stär­ker durch Pres­se-Ersatz-Blogs, nament­lich durch die Ruhr­ba­ro­ne und durch Wir-in-NRW.

Wer mit wem in NRW (Update 3)

Green is colourful

Könn­te jemand ein Gesetz erlas­sen, das Koali­ti­ons­aus­sa­gen vor der Wahl verbietet?

Oder um mal kurz die Aus­schlüs­se aufzulisten:

  • Die CDU will mit der FDP, schließt eine Koali­ti­on mit den Grü­nen aus und wür­de wohl auch mit der SPD koalieren 
  • Die SPD will mit den Grü­nen, evtl. mit der LINKEN, evtl. mit der FDP, evtl. wohl auch mit der CDU 
  • Die Grü­nen wären – wenn die Inhal­te pas­sen – bereit, solan­ge es nicht Jamai­ka ist, oder eine Tole­rie­rung durch die LINKE 
  • Die FDP will wohl mit der CDU (pdf). Ande­re Optio­nen? Zumin­dest aus dem Saar­land wird zur Ampel gera­ten (oder kommt noch der Wes­ter­wel­le-Coup kurz vor der Wahl, sich doch wie­der nur auf schwarz-gelb festzulegen?) 
  • Die LINKE macht kei­ne kla­ren Aus­sa­gen, will aber einen Poli­tik­wech­sel und ver­weist auf Hes­sen. Sprich, rot-rot und rot-rot-grün sind nicht ausgeschlossen. 

Unter Strich blei­ben damit (neben Allein­re­gie­run­gen …) die Optio­nen CDU-FDP, CDU-SPD, SPD-Grü­ne, SPD-LINKE, SPD-Grü­ne-LIN­KE und ganz evtl. SPD-Grüne-FDP

Wie sieht’s rech­ne­risch aus? Nach der neus­ten Umfra­gen (emnid, 24.03.2010) lie­gen die Par­tei­en bei CDU (38%), SPD (32%), Grü­ne (11%), FDP (8%) und LINKE (7%). Ohne mir jetzt das Wahl­recht genau­er anzu­schau­en, hie­ße das für die genann­ten Optio­nen derzeit:

  • CDU-FDP: 46%
  • CDU-SPD: 70%
  • SPD-Grü­ne: 43% 
  • SPD-LINKE: 39%
  • SPD-Grü­ne-LIN­KE: 50% 
  • (SPD-Grü­ne-FDP: 51%) 

Kann sich aber natür­lich bis zum Wahl­tag im Mai noch ändern. So sieht das für mich unan­ge­nehm nach einer gro­ßen Koali­ti­on aus. Die SPD muss also nur drum kämp­fen, dass CDU und FDP zusam­men kei­ne Mehr­heit bekom­men (wenn die oben dar­ge­stell­ten Aus­schlüs­se stim­men). Wer die gro­ße Koali­ti­on ver­hin­dern will, und gleich­zei­tig eine Alter­na­ti­ve zu schwarz-gelb in NRW haben will, muss dage­gen die Grü­nen stär­ken, und die LINKE und/oder die FDP davon über­zeu­gen, dass eine Regie­rungs­be­tei­li­gung zusam­men mit SPD und Grü­nen sinn­voll sein könnte.

War­um blog­ge ich das? Weil ich die Dis­kre­panz zwi­schen den tat­säch­li­chen Mög­lich­kei­ten und den medi­al hoch­ge­jazz­ten Optio­nen inter­es­sant finde.

Update (28.03.2010): Eini­ge Kom­men­ta­to­ren haben ja schon ange­merkt, dass sie Rütt­gers nicht glau­ben, dass er schwarz-grün tat­säch­lich nicht machen wür­de. Auf der ande­ren Sei­te wur­de von Sig­mar Gabri­el rot-rot-grün aus­ge­schlos­sen. Ampel, schwarz-grün oder gro­ße Koali­ti­on? Oder doch Wahl­er­geb­nis­se, bei denen man­che gro­ße Augen machen, wie Gre­go­ry das vermutet?

Update 2 (04.05.2010): Die FDP hat inzwi­schen erklärt, dass sie nie, auf kei­nen Fall und über­haupt nicht mit Grü­nen und / oder SPD koalie­ren will. Ein Drei­er­bünd­nis mit der Lin­ken hal­te ich für unwahr­schein­lich. Nach den aktu­el­len Umfra­gen haben weder Schwarz-gelb noch Rot-grün eine Mehr­heit. Und Schwarz-grün auch nicht. Das kann sich noch ändern, klar. Aber bis­her scheint mir in NRW alles auf eine gro­ße Koali­ti­on hin­aus­zu­lau­fen. Zu ver­hin­dern nur mit star­ken Grünen!

Update 3 (05.05.2010): Apro­pos Schwarz-grün: Arndt Klo­cke macht noch­mal klar, dass die Hür­den dafür extrem hoch hängen:

«Es gehört zu unse­ren kla­ren Wahl­zie­len, dass Jür­gen Rütt­gers nach dem 9. Mai nicht län­ger Minis­ter­prä­si­dent von Nord­rhein-West­fa­len ist», sag­te Grü­nen-Lan­des­chef Arndt Klo­cke der «Rhei­ni­schen Post» (Don­ners­tag). «Eine Koali­ti­on mit Jür­gen Rütt­gers an der Spit­ze ist für uns Grü­ne nur sehr schwer vorstellbar.» 

Anders gesagt: eigent­lich geht es in NRW jetzt um eine klas­si­sche Rich­tungs­wahl: Rot-grün oder Schwarz-gelb. Und jede Stim­me für die CDU, die FDP – aber eben auch für die LINKE und die PIRATEN – macht es wahr­schein­li­cher, dass es zu Schwarz-gelb kommt (oder zur unge­lieb­ten Not­lö­sung „gro­ße Koali­ti­on“). Also: am Sonn­tag grün wäh­len für den Wech­sel in NRW!

Das war 2019!

Inspi­riert hier­von – aus der Neu­jahrs­an­spra­che 2019 von Bun­des­kanz­ler Guttenberg.

Lie­be Mit­bür­ge­rin­nen und Mitbürger, 

mit dem Jahr 2019 bli­cken wir nicht nur auf eines der wärms­ten Jah­re der letz­ten Deka­de zurück, son­dern auch auf die­se Deka­de selbst. Schwarz-grün hat sich, wenn ich das so sagen darf, als Erfolgs­mo­dell eta­bliert. Nicht nur im Bund, wo wir nun in der zwei­ten Legis­la­tur­pe­ri­oden eine ver­läss­li­che Zusam­men­ar­beit aus­üben, son­dern auch in den Län­dern. Wenn Sie mir die klei­ne Neben­be­mer­kung zuge­ste­hen: etwas schmerzt es schon, dass Bun­des­ar­beits­mi­nis­ter Özd­emir in die­sem zurück­lie­gen­den Jahr aus der Regie­rung aus­ge­schie­den ist, um in durch­aus tur­bu­lent zu nen­nen­den Zei­ten das schwie­ri­ge Amt des baden-würt­tem­ber­gi­schen Minis­ter­prä­si­den­ten anzutreten.* 

Auf drän­gen­den Wunsch von Bun­des­kli­ma­mi­nis­ter Pal­mer möch­te ich auch in die­sem Jahr mei­ne Neu­jahrs­an­spra­che mit einem Blick auf unse­re Kli­ma­zie­le begin­nen. Wie Sie sicher­lich wis­sen, ist ein hohes Kli­ma­schutzscoring im Welt­bank­ran­king inzwi­schen eine unab­läss­li­che Vor­aus­set­zung für die erfolg­rei­che Teil­ha­be am Welt­han­del. Nicht nur in den Win­ter­sport­or­ten dürf­te die­se Nach­richt mit Begeis­te­rung auf­ge­nom­men wer­den: Wir kön­nen stolz dar­auf sein – und die Kam­pa­gne „Blau hoch drei“ des Kli­ma­mi­nis­te­ri­ums ist an die­sem Erfolg erheb­lich betei­ligt – uns im glo­ba­len Kli­ma­schutzscoring wie­der­um deut­lich ver­bes­sert zu haben. Die Welt­bank hat uns auf A++ hoch­ge­stuft – damit lie­gen wir im Feld der grö­ße­ren Öko­no­mien direkt hin­ter Goog­le und haben wie­der­um einen der bes­ten Kli­ma­s­cores in der Erwei­ter­ten Euro­päi­schen Uni­on.** Unse­re Erfol­ge, ins­be­son­de­re im Bereich der Elek­tro­fahr­zeu­ge und der Neta­li­sie­rung der Öko­no­mie, rei­chen jedoch noch lan­ge nicht aus, um sich dar­auf aus­zu­ru­hen. Des­we­gen möch­te ich ihnen, lie­be Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­ger, hier und heu­te ver­kün­den, dass Bun­des­kli­ma­mi­nis­ter Pal­mer in einem Pri­va­te-Public-Pri­va­te-Joint-Ven­ture gemein­sam mit dem Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter, der Deut­schen Bahn-Deut­sche Benz-Hol­ding und dem Volks­wa­gen-Elek­tro­wer­ke-Kom­bi­nat Schön­au eine wei­te­re Aus­bau­stu­fe im För­der­pro­gramm Smart­PlusStrom ange­kün­digt hat.

Nach gut einer Deka­de des öko­no­mi­schem Kli­ma­wan­del­ma­nage­ment kön­nen wir mit einem gewis­sen Stolz auf das Erreich­te im Blue Green New Deal zurück­bli­cken. Unse­re Wirt­schaft ist weit­ge­hend umge­stellt. Wir sind eines der wich­tigs­ten Part­ner­län­der Chi­nas, Indi­ens und der Refor­mier­ten Ver­ei­nig­ten Staa­ten im glo­ba­len Han­del. Und nicht nur öko-öko­no­misch hat sich das Kli­ma­wan­del­ma­nage­ment als erfolg­reich erwie­sen. Auch unser Sozi­al­leis­tungs­staat ist wei­ter­hin einer der leis­tungs­stärks­ten in der Erwei­ter­ten Euro­päi­schen Uni­on. Hier kann, das darf ich so unum­wun­den sagen, auch auf die gute Vor­ar­beit der schwarz-gel­ben Koali­ti­on zu Beginn der Deka­de unter unse­rer jet­zi­gen Bun­des­prä­si­den­tin Frau Dr. Mer­kel zurück­ge­grif­fen werden. 

Lie­be Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­ger, ich weiss, dass vie­le von Ihnen Här­ten erlit­ten haben. Nicht alle von Ihnen tei­len die Ansicht, dass in der schwarz-grü­nen Regie­rung das Land in guten Hän­den ist.**** Aber gera­de in die­sen Zei­ten, in denen demo­gra­phi­sche Unru­hen, vor allem aber die Umtrie­be aus den noch immer nicht voll­stän­dig zu Sicher­heit und Frei­heit gebrach­ten F.C.A.***** und der Kli­ma­ver­lust­län­der im Wüs­ten­gür­tel uns mit ter­ro­ris­ti­schen Akten bedro­hen, muss eines noch ein­mal klar gestellt wer­den: Wir sor­gen für Sicher­heit. Neta­li­sie­rung funk­tio­niert nicht mit einer irre­gu­lä­ren und durch Urhe­ber­rechts­ver­let­zun­gen gefähr­de­ten Bun­des­netz­in­fra­struk­tur. Das Wohl­erge­hen unse­re Fami­li­en, unse­rer Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten, unse­rer Wirt­schafts­trei­ben­den – all das liegt Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Frau Dr. Köh­ler sehr am Her­zen, wie Sie alle wis­sen. Der Lebens­strom unse­rer Lan­des ist die Bun­des­netz­in­fra­struk­tur. Des­we­gen wird Minis­te­rin Frau Dr. Köh­ler die „Cyber Guard“ noch ein­mal deut­lich auf­sto­cken und auch die Mit­tel für For­schungs­pro­gram­me im Bereich der schwa­chen künst­li­chen Intel­li­genz wer­den wir als Bun­des­re­gie­rung erhö­hen müs­sen. Nur so kann die Lebens­ader des Lan­des, der Fami­li­en und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten gesi­chert werden. 

Mit Blick auf mein Hei­mat­land Bay­ern, einer demo­kra­ti­schen Keim­zel­le, die es gelernt hat, Tra­di­tio­nen zu bewah­ren, kann ich nur dar­an fest­hal­ten: Sicher­heit gibt es nur mit Sicher­heit. Ich weiss, dass gera­de jün­ge­re Mit­glie­der des Koali­ti­ons­part­ners hier ein­mal auf Irr­we­gen waren. Ich kann Ihnen allen aber ver­si­chern, dass die Mit­glie­der mei­ner Regie­rung alle­samt genaus­tens auf eine mög­li­che netz­ter­ro­ris­ti­sche Ver­gan­gen­heit geprüft wur­den und an den Äuße­run­gen des BILD­Blog****** nichts dran ist. Wir in der Bun­des­re­gie­rung – und ich den­ke, auch die meis­ten hier im Lan­de – sind sich einig: das Ver­bot der Pira­ten­par­tei 2018 war rich­tig, das lau­fen­de Ver­bots­ver­fah­ren gegen den soge­nann­ten Cha­os-Com­pu­ter-Club ist rich­tig, und die Über­prü­fungs­ge­set­ze für den öffent­li­chen Dienst, die wir 2020 ange­hen wol­len, wer­den sich auch als rich­tig erweisen.

Ich wie­der­ho­le noch ein­mal: das Land ist mit unse­rer Regie­rung in guten Hän­den. Wir haben Erfol­ge, wir kom­men in allen drei wich­ti­gen Fel­dern – dem Kli­ma­ma­nage­ment, der Leis­tungs­stär­ke, der Sicher­heit – gut vor­an. Ich dan­ke Ihnen für ihr Ver­trau­en und freue mich mit Ihnen auf einen ruhi­gen Sil­ves­ter­abend******* und wün­sche Ihnen allen ein gutes, geseg­ne­tes und leis­tungs­star­kes Jahr 2020!

* In der lau­fen­den Legis­la­tur­pe­ri­ode kam es 2019 zu einem Regie­rungs­wech­sel in Baden-Würt­tem­berg, nach­dem die LINKEN sich aus der grün-rot-roten Regie­rung zurück­ge­zo­gen hat. Seit­dem regiert eine von der FDP tole­rier­te grün-schwar­ze Min­der­hei­ten­re­gie­rung unter Minis­ter­prä­si­dent Özd­emir. Sei­ne Nach­fol­ge­rin als Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­rin wur­de Agniez­ska Malczak.

** Von den 46 Mit­glieds­staa­ten der Erwei­ter­ten Euro­päi­schen Uni­on haben nur 21 den Score A+++, 12 – dar­un­ter auch Deutsch­land – den Score A++ und die übri­gen 13 Scores zwi­schen A+ und B-.

*** Neta­li­sie­rung ist ein gegen Ende der Deka­de auf­ge­kom­me­ner Begriff, der sich auf den Blue Green New Deal und die Ver­bin­dung von Netz­öko­no­mie und Öko­öko­no­mie bezieht.

**** Gut­ten­berg bezieht hier u.a. auf den Farb­beu­tel­wurf bei einer Kund­ge­bung in Frei­burg, einer Hoch­burg der „demo­gra­phi­schen APO“ (Senio­ren­wa­gen­plät­ze etc.) im Sep­tem­ber 2019.

***** For­mer Coun­try of Afghanistan.

****** BILD­blog ist das füh­ren­de Bou­le­vard­me­di­um. Die Domain wur­de 2015 vom Sprin­ger-Kon­zern erwor­ben. Die Vor­wür­fe, auf die Gut­ten­berg sich hier bezieht, betref­fen vor allem den ehe­ma­li­gen Arbeits­mi­nis­ter Özd­emir und die jet­zi­ge Arbeits­mi­nis­te­rin Mal­c­zak, denen immer wie­der Face­book-Kon­tak­te zur Pira­ten­par­tei und zu ähn­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen unter­stellt werden.

******* Sil­ves­ter­ra­ke­ten und Böl­ler wur­den in einem damals kaum beach­te­ten Absatz im Kli­ma­si­cher­heits­ge­setz von 2016 verboten.

Kurz: Kleines provokatives Gedankenexperiment kurz vor der BDK

Journey of waiting X: geometric stripesMor­gen und über­mor­gen fin­det in Ros­tock der grü­ne Bun­des­par­tei­tag („BDK“) statt. Ich habe mich ent­schlos­sen, dies­mal nicht hin­zu­fah­ren, obwohl es durch­aus span­nen­de The­men gibt. Eines davon ist die Fra­ge der grü­nen Posi­tio­nie­rung in den nächs­ten Jah­ren. Eine Teil­de­bat­te davon dreht sich um Jamai­ka bzw. um Lager, Flü­gel, Öff­nun­gen und das Bür­ger­tum. Ich gehe davon aus, dass auch vie­le Bun­des-Jamai­ka-Fans (bzw. Nicht-Aus­schlie­ße­rIn­nen einer sol­chen Koali­ti­on) dies vor allem aus stra­te­gi­schen Erwä­gun­gen her­aus tun, nicht aus dem Gefühl gro­ßer inhalt­li­cher Übereinstimmung.

Big wasp acrobat IDie­ses Gefühl wür­de ich jedoch ger­ne auf die Pro­be stel­len. Kurz vor der BDK und der Debat­te und Ent­schei­dung über grü­ne Eigen­stän­dig­keit, Koali­ti­ons­op­tio­nen und der­glei­chen mehr ver­dich­tet sich ja dan­kens­wer­ter­wei­se immer mehr die geplan­te Kabi­netts­zu­sam­men­set­zung und der Koali­ti­ons­ver­trag von Uni­on und FDP. Ob jetzt mit oder ohne Schat­ten­haus­halt – das aus mei­ner Sicht recht gru­se­li­ge Pro­gramm zeich­net sich eini­ger­ma­ßen klar ab.

More mini sunflowers IIIJetzt das Gedan­ken­ex­pe­ri­ment: ange­nom­men, wir Grü­ne wären mit am Ver­hand­lungs­tisch geses­sen. Am Bei­spiel der FDP und der CSU sehen wir, was Par­tei­en im Bereich von 7–14% bewe­gen kön­nen. Auch die grü­ne Ver­hand­lungs­macht dürf­te – wenn nicht mit gro­ßen Veto­mög­lich­kei­ten aus­ge­stat­tet – nicht ganz anders aus­se­hen. Inso­fern stellt sich mir die Fra­ge: Was wäre anders an Koali­ti­ons­ver­trag und Kabi­nett, wenn Grü­ne – in der jet­zi­gen, aktu­el­len Situa­ti­on – mit­ver­han­delt hät­ten? Oder heißt Jamai­ka auf Bun­des­ebe­ne (in den Län­dern sind Per­so­nal, Poli­tik­fel­der und auch Ver­hand­lungs­po­si­tio­nen noch ein­mal eine ganz ande­re Fra­ge) letzt­lich Schwarz-gelb, wie wir es ken­nen, plus grü­ner Umweltministerin?

Jamaika im Politbarometer, und so

Einer der neus­ten Tweets von Rein­hard Büti­ko­fer aka „bue­ti“:

Inter­es­sant! Laut ZDF-Polit­ba­ro­me­ter 64% Gruen­waeh­le­rIn­nen fuer Jamai­ka auf Lan­des­ebe­ne, 15% dagg. Mal sehen, was Par­tei­lin­ke dar­aus macht. 

Johan­nes Wald­schütz vermutet:

@bueti da wer­den dann die Umfra­ge in Zwei­fel gezo­gen, über Aus­trit­te berich­tet und sin­ken­de Wahl­er­geb­nis­se pro­phe­zeit werden. 

Sven Kind­ler, neu­er grü­ner MdB, reagiert prompt mit:

@bueti @lefthandcph @danielmack Wür­de da eher der aus­führ­lichs­ten Grü­nen­wäh­ler­stu­die (intern) vor der #BTW09 ver­trau­en. 80% gg. Jamaika. 

Wor­um geht’s? Und wer hat recht? Aus­gangs­punkt der Debat­te ist die­se Befra­gung des ZDF-Polit­ba­ro­me­ters. Dem­nach gilt für Grünen-AnhängerInnen:

64 Pro­zent fin­den dies als Koali­ti­ons­op­ti­on auch für ande­re Bun­des­län­der gut, hieß es im ZDF-„Politbarometer“ am Frei­tag. 15 Pro­zent der Grü­nen-Anhän­ger hal­ten nichts von einer Jamai­ka-Koali­ti­on, die ihren Namen aus der Anspie­lung auf die Flag­ge des Insel­staa­tes in der Kari­bik (schwarz-gelb-grün) bekom­men hat­te. 20 Pro­zent ste­hen sol­chen Koali­tio­nen gleich­gül­tig gegenüber. 

Wei­ter unten wird das dann inso­fern rela­ti­viert, als die Wer­te für die Bun­des­ebe­ne deut­lich schlech­ter aus­fal­len. In der Ori­gi­nal-Pres­se­mit­tei­lung Okt. II heißt es dazu (Herv. von mir):

Eine Jamai­ka-Koali­ti­on auf Bun­des­ebe­ne wird mehr­heit­lich in der Bevöl­ke­rung abge­lehnt, bei den Anhän­gern der Grü­nen trifft sie aber auf 50 Pro­zent Zustim­mung, 32 Pro­zent fän­den sie schlecht (14 Pro­zent: egal). 

Klingt erst­mal beacht­lich. Dass unge­fähr 40 bis 50 Pro­zent der Wäh­le­rIn­nen von Bünd­nis 90/Die Grü­nen einem Jamai­ka-Bünd­nis auf­ge­schlos­sen gegen­über­ste­hen, habe ich auch anders­wo schon gehört. Aber 64%? Wie es Johan­nes oben vor­ge­schla­gen hat, möch­te ich die­se Umfra­ge­er­geb­nis­se ger­ne ein biß­chen in Fra­ge stel­len. Und zwar in drei Punkten:

  1. Als Grü­nen-Anhän­ge­rIn­nen wer­den hier – wenn ich das rich­tig ver­ste­he – Men­schen defi­niert, die ange­ben, bei der nächs­ten Bun­des­tags­wahl grün wäh­len zu wol­len. Par­al­lel dazu wäre es span­nend, zu sehen, wie es bei den­je­ni­gen ist, die bei der letz­ten Wahl tat­säch­lich grün gewählt haben. Inso­fern die Jamai­ka-Ent­schei­dung schon eine Aus­wir­kung auf die geäu­ßer­te Wahl­ab­sicht für den kom­men­den Bun­des­tag mit sich bringt, kann es daher auch sein, dass eini­ge, die am 27.9. noch grün gewählt haben, jetzt schon nicht mehr dabei sind (und ande­re dazu­ge­kom­men sind).
  2. Gemäß der Metho­dik des ZDF-Polit­ba­ro­me­ters wer­den dafür ca. 1250 zufäl­lig aus­ge­wähl­te Men­schen befragt. Sowohl in der poli­ti­schen Stim­mung als auch bei der Pro­jek­ti­on der For­schungs­grup­pe Wah­len liegt der Anteil für Bünd­nis 90/Die Grü­nen der­zeit bei 11 Pro­zent. D.h., die abso­lu­te Basis der Aus­sa­ge oben liegt bei ca. 140 Per­so­nen. Von die­sen sind ca. 89 „Jamai­ka“ auf Lan­des­ebe­ne nicht prin­zi­pi­ell abge­neigt. Offen bleibt, ob die Reprä­sen­ta­ti­vi­tät der Zusam­men­set­zung der Stich­pro­be ins­ge­samt auch für die Teil­men­ge „Anhän­ge­rIn­nen von Bünd­nis 90/Die Grü­nen“ gilt, ob die­se also reprä­sen­ta­tiv für die 4.643.272 Wäh­le­rIn­nen der Grü­nen sind. 
  3. Neben die­sen bei­den letzt­lich für jede Aus­sa­ge zu Anhän­ge­rIn­nen der Grü­nen gel­ten­den Kri­tik­punk­ten kann auch die ver­wen­de­te Fra­ge selbst kri­tisch betrach­tet wer­den. Soweit sich das ohne wei­te­re Recher­chen rekon­stru­ie­ren lässt, muss sie in etwa so gelau­tet haben: „Im Saar­land wol­len nun CDU, FDP und Grü­ne koalie­ren, die soge­nann­te Jamai­ka-Koali­ti­on. Fin­den Sie Koali­tio­nen zwi­schen CDU, FDP und Grü­nen auf Lan­des­ebe­ne gut, schlecht oder sind sie ihnen egal?“. Es wur­den hier also nicht ver­schie­de­ne Koali­ti­ons­op­tio­nen gegen­ein­an­der gestellt, son­dern spe­zi­ell die Jamai­ka-Koali­ti­on genannt. Unter den 64% (Lan­des­ebe­ne) bzw. 50% (Bund), die unter Grü­nen-Anhän­ge­rIn­nen nach die­ser Umfra­ge eine sol­che Koali­ti­on gut fin­den, kön­nen also durch­aus eni­ge sein, die rot-grün deut­lich bes­ser, schwarz-grün eben­falls um Wel­ten bes­ser fän­den, aber prin­zi­pi­ell z.B. jede grü­ne Regie­rungs­be­tei­li­gung gut finden. 

Abseits der metho­di­schen Krit­te­lei­en und dem gene­rel­len Rat, der­ar­ti­gen Aus­sa­gen gegen­über nicht all­zu gläu­big zu sein, ver­bin­det sich mit die­sen 64 Pro­zent aber auch eine prin­zi­pi­el­le Fra­ge, näm­lich die nach der inner­par­tei­li­chen Demo­kra­tie, bzw. der demo­kra­ti­schen Ein­fluss­nah­me auf die par­tei­li­che Mei­nungs­bil­dung. Auf dem Par­tei­tag in Ros­tock wer­den die unge­fähr 800 Dele­gier­te auch über Anträ­ge abstim­men, bei denen es dar­um geht, ob Grü­ne Jamai­ka auf Bun­des­ebe­ne wei­ter aus­schlie­ßen sol­len oder nicht. Die Dele­gier­ten ver­tre­ten die ca. 45.000 Par­tei­mit­glie­der. Gewählt wur­den sie auf Mit­glie­der­ver­samm­lun­gen der Par­tei, zu denen viel­leicht 10 % der jewei­li­gen Mit­glie­der kom­men. Dar­über, ob Grü­ne Jamai­ka aus­schlie­ßen oder nicht, ent­schei­den letzt­lich – neben öffent­li­chen Dis­kur­sen etc.* – for­mal ca. 800 Leu­te, die von ca. 4.500 Leu­ten bestimmt wur­den. Bleibt die Fra­ge, ob es sinn­voll oder sogar not­wen­dig ist, den 4.643.272 – 4.500 = 4.638.772 wei­te­ren Grün-Wäh­le­rIn­nen (Bun­des­tags­wahl 2009) auch eine Stim­me zu geben, in wel­cher Form auch immer. 

War­um blog­ge ich das? Weil ich mir die 64% mal näher anschau­en wollte.

* Die här­tes­te Kri­tik an Jamai­ka kommt von Ex-Grü­nen, die jetzt bei der Links­par­tei sind, und die stärks­ten Fans sind Mit­glie­der der CDU, der FDP und mehr oder weni­ger kon­ser­va­ti­ve JournalistInnen.