Wie immer vor wichtigen Wahlen diskutieren wir Grüne heftig darüber, ob bestimmte Koalitionen ausgeschlossen werden dürfen oder nicht. Ein Argument hier finde ich spannend, weil es ziemlich rutschig ist. Das bringt hier Konstantin von Notz in die Debatte – aber er ist nicht der einzige:
Klingt erstmal plausibel. Es gibt eine Menge der möglichen Koalitionen K = {k1, k2, …}, und ein optimales Wahlergebnis für Grüne ist erreicht, wenn die Koalition aus der Menge K realisiert wird, die den größten „Nutzen“ fgrün(k) aufweist. fPartei(k) könnte daran gemessen werden, wie viele Vorhaben aus dem Wahlprogramm einer Partei sich im vermuteten Koalitionsvertrag wiederfinden. Klar:
fgrün(kCDU+GRÜNE) > fgrün(kCDU+SPD)
Fies daran ist: Aus dieser Perspektive ist höchstwahrscheinlich jede Koalition mit grüner Beteiligung besser als irgendeine mögliche Koalition ohne grüne Beteiligung – es sei denn, eine große Koalition oder rot-rot oder schwarz-gelb würde mehr grüne Projekte umsetzen als eine mögliche Koalition mit grüner Beteiligung.
Nun ist es allerding so, dass die ProponentInnenen der generellen Koalitionsoffenheit meistens keine Lust haben, fgrün(kGRÜNE+SPD+LINKE) zu berücksichtigen. Obwohl doch auch dort der Nutzen aus grüner Sicht höchstwahrscheinlich größer wäre als für z.B. fgrün(kCDU+FDP). Warum ist das so?
Vielleicht allein schon deswegen, weil die Nutzenfunktion f ziemlich naiv ist (und weil Politik nur begrenzt rational funktioniert, aber das ist eine andere Debatte). Eine nicht naive Nutzenfunktion müsste z.B. auch berücksichtigen, wie groß der Glaubwürdigkeits- oder Grundwertsverstoßfaktor ggrün(k) ist. Und für einige wäre eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei hier ein großer negativer Effekt.
Anders gesagt: Zieht eine Koalition, die zunächst einmal positive Effekte bringt, auf der anderen Seite Konsequenzen nach sich, die ganz und gar nicht gewollt sind?
Selbst die kGRÜN+SPD hier in Baden-Württemberg schneidet beim Blick auf ggrün(kGRÜN+SPD) nicht nur positiv ab – schließlich gehört auch die Innenpolitik des SPD-Innenministers Gall und die Verkehrspolitik der SPD-Fraktionsvorsitzenden Schmiedel zum Gesamttableau. Und dann, da wird mir die Mathematik aber zu kompliziert, gibt es noch Effekte zweiter Ordnung mit mittel- bis langfristigen Folgen. Wählerbindung, Stärkung oder Schwächung der Konkurrenz, Nutzenfunktionen anderer Parteien, die diese wiederum in ihre strategischen Überlegungen einbeziehen, …
Letztlich ist der Nutzen einer Koalition damit eher …
ugrün(k) = a*fgrün(k) + b*ggrün(k) + c*zgrün(fgrün, fSPD, fCDU, … ggrün, … zSPD( …), … x, y )
… und danach sollten wir die Menge K bewerten, nicht alleine nach Schema f.
Warum blogge ich das? Ich bin überhaupt nicht davon überzeugt, dass der Nutzen bestimmter Koalitionen sich mathematisch fassen lässt. Insofern keine Sorge, ganz ernst ist dieser Blogbeitrag nicht gemeint. Ernst ist es mir allerdings damit, dass wir mögliche Koalitionen nicht nur danach beurteilen sollten, ob wir Grüne etwas positives verändern können, sondern auch danach, was eine Koalition langfristig mit uns macht, und welchen Nutzen andere davon haben.