Freitag: Sitzung der BAG WHT in Berlin
Samstag: taz.lab Bildungskongress in Berlin
Sonntag: grüner Länderrat in Köln
Wenn alles so klappt wie vorgesehen, sind das etwa 15 Stunden Bahnfahrt in den nächsten drei Tagen.
Das Blog von Till Westermayer * 2002
Freitag: Sitzung der BAG WHT in Berlin
Samstag: taz.lab Bildungskongress in Berlin
Sonntag: grüner Länderrat in Köln
Wenn alles so klappt wie vorgesehen, sind das etwa 15 Stunden Bahnfahrt in den nächsten drei Tagen.
Neuerdings gibt es ja eine gesetzliche Verankerung dafür, dass die Bahn bei Verspätungen Teile der Fahrtkosten erstattet. Ab 60 Minuten Verspätung am Zielort müssen – auf Antrag, d.h. nach dem Ausfüllen eines recht langwierigen Formulars – 25 Prozent des Fahrpreises erstattet werden.
Vor kurzem war ich mit der Bahn in Bonn. Auf der Rückfahrt hatte der Intercity von Bonn nach Mannheim Verspätung, so dass wir den Anschlusszug dort verpassten. Die eigentlich angedachte Verbindung wäre um 18:59 Uhr in Freiburg gewesen. Den ICE, den wir dann in Mannheim nehmen konnte, hatte laut Fahrplan 19:59 Uhr als Ankunftszeit.
Im verspäteten Zug von Bonn verteilte der Zugbegleiter von sich aus Entschädigungsformulare. Nachdem es eine private Reise war, waren keine Konflikte zwischen der institutionellen Reisekostenerstattung und der Deutschen Bahn um Originalfahrkarten zu erwarten. Deswegen habe ich das mit der Entschädigung mal ausprobiert, also das umfangreiche Formular ausgefüllt.
Heute kam nun Post vom „Servicecenter Fahrgastrechte“. Weil kurz vor Freiburg noch mal mächtig beschleunigt wurde, war der Zug zwei Minuten zu früh in Freiburg. Sprich: 19:57 Uhr. Gefühlte Verspätung: eine Stunde. Faktische Verspätung laut „Servicecenter“: 58 Minuten.
„Wir bedauern die Ihnen entstandenen Unanehmlichkeiten und bitten Sie gleichzeitig um Verständnis, dass in Ihrem Fall keine Entschädigung gezahlt werden kann, da wir die gesetzlichen Regelungen zu den Fahrgastrechten gegenüber allen Kunden in gleicher Weise anwenden müssen.“
Ein kleines bißchen Verständnis habe ich ja sogar. Vielleicht ist es ein blöder Zufall, dass der ICE gerade hier mal ein bißchen zu früh war. Und klar, rechtliche Gleichbehandlung – das ist schon ein Argument.
Trotzdem bleibt der Eindruck haften, dass die rechtliche Festlegung der Zahlungsgrenze von 60 Minunten als Nebeneffekt alle Kulanzen ausgelöscht hat. Zudem gibt es jetzt im Stundentakt Anreize, Verspätungen unter die magische Stundengrenze zu drücken, um nur bloß nicht zahlen zu müssen. Der relativ bürokratisch Prozess der Entschädigungsbeantragung trägt ein übriges zu dem Eindruck bei, dass die „Fahrgastrechte“ von der Bahn weniger als Service den als politisches Zugeständnis gesehen werden, dass es möglichst zu umgehen gilt.
Was bedeutet das nun umgedreht? Tolerantere Wartezeiten, realistische Fahrpläne, die auch tatsächlich eingehalten werden – und ein Halbstundentakt auf den hochfrequentierten ICE-Strecken, beispielsweise.
Warum blogge ich das? Weil mich das Verhalten der Bahn nicht so richtig glücklich macht. Selbst wenn hier völlig gesetzes- und regelkonform gehandelt wurde.
Während Facebook seinen AGB-Supergau gerade noch einmal so überstanden hat (Rücknahme der strittigen Regelung, Einbezug der Facebook-NutzerInnen in die Entwicklung einer neuen AGB), kann die Deutsche Bahn AG unter Mehdorn nur noch als Anlass für Kopfschütteln dienen. Über 12.000 Leute haben sich bisher an der Aktion von Campact beteiligt, Herrn Mehdorn zum Rücktritt aufzufordern.
Heute kam dann die Antwortmail, der Absender „hartmut___mehdorn@bahn.de“ verheißungsvoll. Wenn’s kein Fake ist, ist die Bahn völlig übergeschnappt – und reagiert mit einer Standard-Adressfisch-Werbemail auf die Proteste. Im Wortlaut heißt es im Antwortschreiben nämlich:
Antwort: Es reicht, Herr Mehdorn!
Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Unternehmen.
Der Winter zeigt sich auf bahn.de dieses Jahr von seiner ganz besonderen Seite. Nicht nur mit tollen neuen Angeboten, wie z.B. dem Dauer-Spezial mit BahnCard-Rabatt für alle BahnCard 25-Inhaber oder auch dem London-Spezial ab 49,- Euro für Ihr ganz persönliches Winterwochenende in der quirligen Metropole Großbritanniens. Auch einige Tipps für Ihren Ski- und Winterausflug haben wir für Sie parat. Wie wäre es beispielsweise mit einem Wintercanyoning-Wochenende in den Allgäuer Hochalpen?! Die Bahn bringt Sie hin. Viel Vergnügen bei Ihrer nächsten Bahnreise wünscht Ihnen
die Deutsche Bahn AG.
Das erscheint mir nicht ganz als der richtige Textbaustein. Anders gesagt: eine Frechheit. Zumindest hätten ’se den Datenbestand ja mal abgleichen können – als BahnCard-50-Kunde im bahn-comfort-Bereich sollte ich ja schon in irgendwelchen Datenbanken erfasst sein. Übrigens: ich fahre gerne Bahn – aber eigentlich lieber nicht mit hunderten von Spezialangeboten, sondern alltags, zu günstigen Tarifen und in komfortablen und gut vertakteten Zügen.
Update: Ich sehe gerade, dass campact schon vor ein paar Tagen darüber gebloggt hat, dass andere AktivistInnen eine noch skurrilere Mail erhalten haben. Über dem Werbeblock war da wohl noch die Zeile „Ich werde ab dem 13.02.2009 bis zum 30.04.2009 außer Haus sein.“ eingefügt.
2008/09 ist das Doppeljahr der Datenschutzskandale. Nach Lidl und der Telekom kam die Bahn dran, die ihre eigenen MitarbeiterInnen beschattete. Natürlich kann so ein Thema an einem netzpolitischen Blog nicht vorbeigehen. Markus Beckedahl hat deswegen auf netzpolitik.org u.a. ein ihm anonym zugeschicktes Dokument veröffentlicht, in dem es um ein Gespräch des Berliner Datenschutzbeauftragten mit der DB-Führung geht. Der Bahn scheint die bisherige Aufmerksamkeit, die auf ihr Datenschutzproblem (und auf die Uneinsichtigkeit von Harmut „Ich würde es wieder machen“ Mehdorn) gelenkt wird, nicht zu reichen. Was machen sie also? netzpolitik.org eine Abmahnung schicken, die prompt zu der gewünschten viralen Aufmerksamkeitsgenerierung führt.
Meine Prognose: selbst wenn Markus sich gewzungen sieht, den Text zu entfernen – auf irgendwelchen Pfaden wird das Memo garantiert bei Wikileaks auftauchen. Erfolg für die Bahn im Sinne einer Kontrolle ihres öffentlichen Images also: keiner.
Update: Laut Rivva berichtet inzwischen (17:28) – gerade mal gut zwei Stunden nach dem Originalposting – mindestens 22 Blogs über Markus‘ Abmahnung, dazu kommen mehr als hundert Tweets. Einen besonderen Hinweis verdient hat das Interview, das Julia Seeliger mit Markus dazu geführt hat.
Update 2: Weitere 15 Minuten später ist auch heise mit dabei.
Update 3: (4.2.2002) Markus fasst zusammen, was in den Stunden nach der Veröffentlichung alles passiert ist – inkl. umfangreichem Pressespiegel. Eindrucksvoll auch die lange, lange Feedback-Liste. Und eine Facebook-Gruppe „Mehdorn muss weg“ gibt’s jetzt auch.
Update 4: Rechtliche Bewertung der Abmahnaktion bei Telemedicus, und Kopien des Dokuments nicht nur bei Pirate Bay etc., sondern auch bei Toni Hofreiter MdB und bei Volker Beck MdB (beide Grüne). Sehr gut! (Auch, dass Volker Beck es nicht beim Thematisieren im Web belassen hat, sondern gleich mal eine mündliche Anfrage an die Bundesregierung dazu gestellt hat.)
Update 5: (6.2.2009) Netzpolitische Solidarisierung und die dadurch verursachten Medienberichte bis hin zum taz-Titelthema scheinen geholfen zu haben – die DB AG möchte „die Sache“ wohl nicht weiter verfolgen.
Update 6: (8.2.2009) Auch wenn ich nicht jeden Punkt so teile, finde ich die post-mortem-Analyse von Ralf Bendrath sehr lesenswert. Ein bißchen zu kurz kommt mir dabei allerdings die Würdigung der „Emergenz eines Hintergrundauschens vielfacher politischer Empörung, dass das konkrete – und auch in diesem Fall letztlich politische – Handeln erst glaubwürdig werden lässt“, wie ich in einem Kommentar dazu schreibe. Erst die Möglichkeit risikolosen Solidaritätsaktivismus ermöglicht die rasante und schnelle Aktivierung des Web2.0‑Netzwerks – die wiederum zur Kulisse wird, vor der symbolpolitisch und in direkter Verhandlung agiert werden kann.
1. Kurt Beck
2. Cem Özdemir
Zwei davon finde ich ganz begrüßenswert, mindestens einen nicht konsequent genug.