Im Eisenbahnamt (nach einer wahren Begebenheit)

Journey of waiting VIII: train flection

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Dramatis personae

Der BITTSTELLER mit zuviel Zeit, eine ganz und gar durch­schnitt­li­che Person.

BAN-NI, ein Bon­ze im kai­ser­li­chen Eisenbahnamt.

Der CHOR der Geis­ter ver­bli­che­ner Bitt­stel­ler und Bittstellerinnen.

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Im Eisenbahnamt (nach einer wahren Begebenheit)

Ein klei­ne Kam­mer, in deren Halb­dun­kel gera­de der wuch­ti­ge Schreib­tisch hin­ein­passt, hin­ter dem BAN-NI Platz genom­men hat. Vor BAN-NI liegt eine abge­grif­fe­ne Leder­klad­de. Außer­dem steht auf dem Schreib­tisch ein reich ver­zier­tes, alt­mo­di­sches Tele­fon. Auf einem Tisch­chen in der Ecke brennt ein Räucherstäbchen.

Ein Gong ertönt.

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Kurz: Über die Selbstverständlichkeit, die Bahn zu nehmen

Noch ein klei­ner Nach­trag zu mei­nem BDK-Text unten: Ich hal­te es für völ­lig selbst­ver­ständ­lich, von Frei­burg nach Kiel mit der Bahn zu fah­ren (Aus­kunft sagt: 7 Stun­den 47 Minu­ten, dabei etwa 45 Minu­ten plan­mä­ßi­ger Auf­ent­halt in Ham­burg). Min­des­tens einer mei­ner Twit­ter-Fol­lower fand das extrem unge­wöhn­lich („War­um nimmst du nicht den Flieger?“). 

Ich habe dar­auf min­des­tens drei Antworten:

A: Urlaub in mei­ner Kind­heit bestand dar­in, von Baden-Würt­tem­berg aus die Groß­el­tern im Nor­den zu besu­chen – das waren ähn­li­che Stre­cken. Ich ken­ne das also nicht anders. 

B: Ver­mut­lich ist die Öko-Bilanz der Bahn schlech­ter, als sie es sein könn­te – aber zumin­dest vom öko-fun­da­men­ta­lis­ti­schen Bauch­ge­fühl her ist der „Inlands“-Flug Basel-Ham­bur­g/Kiel ver­mut­lich schlech­ter als der ICE. Was zu über­prü­fen wäre.

C: Ich habe eine Bahn­card 100 – sprich, ich muss mich nicht groß um Tickets, Prei­se o.ä. küm­mern, son­dern stei­ge halt mor­gen in den ICE 78 und hof­fe, in Frei­burg noch einen nicht­re­ser­vier­ten Platz bis Ham­burg zu finden.

Homöopathie und die Deutsche Bahn im Sommerloch

Vor­ne­weg: Die­se Woche gibt es unge­fähr drei Din­ge, die eine Dead­line haben; des­we­gen kann ich das fol­gen­de Argu­ment nicht wirk­lich aus­führ­lich dar­le­gen. Trotz­dem kann ich sowohl das Pro­blem der Bahn mit ihren ICEs als auch die anschwel­len­de Homöo­pa­thie­de­bat­te nicht ganz außen vor las­sen – das juckt doch in den Fin­gern … und ist deut­lich län­ger gewor­den als geplant. 

Powerful buttons

Zur Bahn-Debat­te: Ich fah­re gern und viel Bahn, trotz­dem oder gera­de des­we­gen fin­de ich das Kri­sen­ma­nage­ment der Bahn bedenk­lich. Letzt­lich geht’s um die Fra­ge, wie­viel tech­ni­sche Red­un­danz – ein gro­ßes Sicher­heits­merk­mal der Eisen­bahn – weg­op­ti­miert wer­den kann, um betriebs­wirt­schaft­lich erfolg­reich zu sein. Darf ein für ein geschlos­se­nes Sys­tem im Extrem­fall lebens­not­wen­di­ges Teil wie eine Kli­ma­an­la­ge so gestal­tet sein, dass sie aus­fal­len kann? Oder muss ein Aus­fall­ri­si­ko hin­ge­nom­men wer­den – und was ist dann jen­seits der Tech­nik zu tun (War­tungs­in­ter­val­le, ein Wagen­park, der groß genug ist, um Ersatz­zü­ge bereit­zu­stel­len …)? Wie das gan­ze poli­tisch ein­zu­schät­zen ist, ver­rät Win­ne Her­mann MdB in einem Inter­view mit tagesschau.de.

Etwas all­ge­mei­ner: wie muss ein gro­ßes tech­ni­sches Sys­tem, eine Infra­struk­tur, gestal­tet und regu­liert sein, um auch bei Win­ter­wet­ter und Hoch­som­mer­hit­ze zu funktionieren?

Zum The­ma Homöo­pa­thie: Unter gro­ßem Bei­fall der Natur­wis­sen­schafts­com­mu­ni­ty brin­gen SPD und cDU die Idee ins Spiel, Homöo­pa­thie aus dem Leis­tungs­ka­ta­log der Kran­ken­kas­sen zu strei­chen. Rena­te Kün­ast macht die Sache nicht bes­ser, indem sie Homöo­pa­thie und Natur­heil­kun­de gleich­setzt. Auf Twit­ter hau­en sich die Leu­te kräf­tig die Köp­fe ein – Fak­ten fin­de ich nur weni­ge. (Ja, es gibt hun­der­te Stu­di­en, dass Homöo­pa­thie nicht funk­tio­niert, und es gibt viel­fäl­ti­ge Argu­men­ta­ti­ons­li­ni­en von Leu­ten, die trotz­dem möch­ten, dass die Kran­ken­kas­sen Homöo­pa­thie bezah­len*). Aber das mei­ne ich nicht. Viel­mehr ist die eigent­li­che Fra­ge doch ers­tens, wie groß das Ein­spar­po­ten­zi­al eigent­lich ist, über das hier gere­det wird – es hat ja sei­nen Grund, war­um die­se Debat­te gera­de im begin­nen­den Som­mer­loch auf­bricht. Rich­tig hand­fes­te Zah­len sind schwer zu fin­den, es scheint sich aber um unge­fähr 1 bis 5% des Kran­ken­kas­sen­bud­gets zu handeln.

Und zwei­tens geht es für mich auch um die Beob­ach­tung, dass hier unter­schied­li­che Logi­ken auf­ein­an­der pral­len. Die eine Sei­te sieht sich im Besitz der wis­sen­schaft­li­chen Wahr­heit, das heißt sie ope­riert im Bezugs­sys­tem Wis­sen­schaft mit der Unter­schei­dung wahr/falsch, um den guten alten Luh­mann her­aus­zu­ho­len. In die­ser Logik ist „klar“, dass Homöo­pa­thie falsch ist, und des­we­gen kein ratio­nal den­ken­der Mensch auf die Idee kom­men könn­te, dafür öffent­li­che Leis­tun­gen ein­zu­for­dern. Die­se Posi­ti­on wird ganz gut vom heu­ti­gen xkcd-Comic illustriert:


Quel­le: xkcd, Lizenz

Poli­tik ope­riert nicht im Phi­lo­so­phen­kö­nig-Modus wahr/falsch, son­dern im Medi­um Macht. Und auch die öffent­li­che Mei­nung (das Sys­tem der Mas­sen­me­di­en) hat ande­re Leit­dif­fe­ren­zen. Von der Wirt­schaft – und den Kran­ken­kas­sen als Orga­ni­sa­ti­ons­sys­te­men – gar nicht erst zu spre­chen (Zahlung/keine Zah­lung). Inso­fern fin­de ich es über­haupt nicht ver­wun­der­lich, dass die natur­wis­sen­schaft­li­che Logik eben nicht 1:1 in Poli­tik umge­setzt wird. ((Wer sich umschaut, wird eine gan­ze Rei­he von Bele­gen dafür fin­den, dass auch vie­le ande­re poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen irra­tio­nal sind.))

Oder noch ein­mal anders ange­setzt, und Luh­mann bei­sei­te gelas­sen: wir kön­nen auch unter­schei­den zwi­schen dem wis­sen­schaft­li­chen Wis­sen, in dem es Mög­lich­kei­ten gibt, die Wirk­sam­keit von Homöo­pa­thie zu tes­ten, dem „eso­te­ri­schen“ Wis­sen der Homöo­pathIn­nen selbst – und dem All­tags­wis­sen der Men­schen, die davon über­zeugt sind, dass Homöo­pa­thie ihnen hilft (war­um auch immer sie davon über­zeugt sind: auch das All­tags­wis­sen von Men­schen folgt eben nicht der wis­sen­schaft­li­chen wahr/­falsch-Logik, son­dern lässt sich zunächst ein­mal ein­fach nur so beschrei­ben, wie es eben ist bzw. wie es sich eben beob­ach­ten lässt). 

Inso­fern Poli­tik auf Wah­len rekur­riert, ist das die popu­lis­ti­sche Fra­ge danach, ob ein Ver­bot von Homöo­pa­thie als (Zusatz-)Kassenleistung anschluss­fä­hig an das All­tags­wis­sen ist. Ich ver­mu­te: eher nein. Es ist daher auch die Fra­ge nach dem Pro­jekt der Auf­klä­rung: wie wis­sen­schaft­li­che Ratio­na­li­tät ins All­tags­wis­sen brin­gen. Und es ist nicht zuletzt die Fra­ge danach, wie­so die­se Debat­te gera­de jetzt eini­gen Poli­ti­ke­rIn­nen als hin­rei­chend anschluß­fä­hig erscheint, um sie in Gang zu brin­gen. (Und wie­so gera­de die­se, und kei­ne der ande­ren vie­len mög­li­chen Debat­ten um Unzu­läng­lich­kei­ten des Gesundheitssystems).

Aber ich schwei­fe ab: Was hat nun das groß­tech­ni­sche Sys­tem Bahn und die sozio­tech­ni­schen Pro­ble­me, die eine Aus­rich­tung an öko­no­mi­scher Logik mit sich brin­gen, mit der Homöo­pa­thie-Debat­te zu tun? Ich sehe eine Gemein­sam­keit, und die liegt letzt­lich in den Lücken. Mit der Fra­ge nach der sozio­tech­ni­schen Red­un­danz ist das für die Bahn schon ange­spro­chen: wie groß sind die Spiel­räu­me, um auf Feh­ler reagie­ren zu kön­nen? Gibt es Ersatz­sys­te­me? Gibt es Ersatz­zü­ge? Sehen die Fahr­plä­ne so aus, dass auch ein anhal­ten­der Zug nicht gleich alles durch­ein­an­der bringt? Je fes­ter gekop­pelt das Sys­tem ist, um das mal so zu sagen, des­to wahr­schein­li­cher ist die Gefahr eines Aus­falls, wenn etwas ausfällt.

Auch unse­re Kran­ken­kas­sen sind eine Infra­struk­tur, ein gro­ßes (sozio-)technisches Sys­tem. Noch dazu eines, das extrem schwer­fäl­lig zu steu­ern und zu ver­än­dern ist. Auch hier kann über die Neben­ef­fek­te betriebs­wirt­schaft­li­cher Effi­zi­enz dis­ku­tiert wer­den (u.a. im Bereich Pfle­ge, aber auch im Hin­blick auf die For­ma­li­sie­rung von Hand­lun­gen durch infor­ma­ti­ons­tech­ni­sche Abrech­nungs­sys­te­me – und deren Kon­se­quen­zen). Aber die eigent­li­che Gemein­sam­keit in den Lücken, die ich sehe, ist eine ande­re: Wie weit darf sich das Sys­tem von Ide­al­pa­ra­me­tern (Wet­ter ohne Extrem­ereig­nis­se, Bezah­lung nur des neu­es­ten Stan­des der Wis­sen­schaft) ent­fer­nen, um noch zu funk­tio­nie­ren? Wie­viel Spiel­raum für „Quatsch“ ist not­wen­dig, um ein weit­ge­hend rei­bungs­lo­ses Funk­tio­nie­ren des Gesamt­sys­tems zu ermög­li­chen? Wie­viel Res­sour­cen dür­fen „ver­schwen­det“ wer­den (in Red­un­dan­zen, in wohl wir­kungs­lo­se Therapien)?

Die wis­sen­schaft­lich-wah­re Ant­wort der Öko­no­mie lau­tet ver­mut­lich: kei­ne. Aber ein Just-in-time-Sys­tem ist stör­an­fäl­lig. Inso­fern kann ich mir vor­stel­len, dass das Gesund­heits­sys­tem sei­ne Leis­tung bes­ser erbringt, wenn ein gewis­ses Maß – 5%, 10% – an Spiel­raum, an Red­un­dan­tem, gar an Aber­glau­ben vor­han­den ist. Da passt Homöo­pa­thie rein, da passt auch nicht­ab­rech­nungs­fä­hi­ge Gesprächs­zeit rein. 

Natür­lich hilft einem die Öff­nung von Spiel­räu­men nicht bei poli­ti­schen Grund­satz­fra­gen wei­ter. Es ist gut mög­lich, dass Homöo­pa­thie wis­sen­schaft­lich weit­ge­hend wider­leg­bar ist, oder dass der eigent­li­che Wirk­me­cha­nis­mus bei denen, die glau­ben, dass das funk­tio­niert, das Gespräch mit den Ärz­tIn­nen und letzt­lich die Über­zeu­gung sind, dass es wirkt.

Inso­fern ende ich mit einem etwas para­do­xen Plä­doy­er: Dafür, einer­seits einen gewis­sen Spiel­raum für (schein­ba­ren?) Unsinn, für Feh­ler zuzu­las­sen, ande­rer­seits die­sen aber auch zu begren­zen. Spiel­raum für Feh­ler bei der groß­tech­ni­schen Infra­stru­kur Bahn heißt: den Fahr­plan nicht gleich durch­ein­an­der brin­gen, wenn tech­ni­sche Kom­po­nen­ten aus­fal­len. Also (mög­li­cher­wei­se mit prä­zi­ser Tech­nik unter­stütz­te) Feh­ler­to­le­ranz statt Abhän­gig­keit von der Prä­zi­si­on. Aber in Maßen: die Attrak­ti­vi­tät des Ver­kehrs­sys­tems Bahn hängt ja auch davon ab, dass die­se pünkt­lich ist, dass die­se stan­dar­di­siert und „prä­zi­se“ genutzt weren kann.

Spiel­raum für Feh­ler beim Gesund­heits­sys­tem heißt: sich damit abfin­den, dass medi­zi­ni­sche Prak­ti­ken nicht durch­gän­gig wis­sen­schaft­lich sind (auch in der All­o­pa­thie gibt es da ver­mut­lich bei genau­em Hin­se­hen viel an nicht­wis­sen­schaft­li­chem Wis­sen in der Wis­sen­schaft). Ein opti­mier­tes und finan­zi­ell trag­fä­hi­ges Sys­tem schaf­fen, aber nicht um den Preis, jeg­li­che lose Kopp­lung aus­zu­mer­zen und jeg­li­che Pra­xis zu stan­dar­di­sie­ren. Und auch hier: die Begren­zung der Feh­ler­to­le­ranz im Sin­ne einer poli­ti­schen Regu­lie­rung der Gren­zen (aber eben bit­te nicht zu eng). 

Das wäre jeden­falls, so mei­ne ich zumin­dest, ein sozio­lo­gisch-wah­res Wis­sen über gesell­schaft­li­che Sys­te­me und deren Gestal­tung. Um das para­do­xe Plä­doy­er abzu­schlie­ßen: es geht dar­um, die­ses Wis­sen eben auch zur Kennt­nis zu neh­men, es anzu­wen­den, sich bewusst zu sein, dass es auch bei der Anwen­dung sozio­lo­gi­schen Wis­sens Neben­ef­fek­te gibt – und trotz­dem wei­ter­hin für Auf­klä­rung zu kämp­fen (aber eben nicht über die Köp­fe der Leu­te hinweg).

War­um blog­ge ich das? Weil ich ver­su­chen woll­te, mein Unbe­ha­gen an der und mei­ne ambi­va­len­te Posi­ti­on in der Homöo­pa­thie-Debat­te irgend­wie auf den Punkt zu brin­gen. Wer möch­te, darf’s aber auch als schlich­ten Ver­such lesen, die Exis­tenz eso­te­ri­scher Wis­sens­be­stän­de im grü­nen Pro­gramm zu rationalisieren.

* Die Homöo­pa­thie-Debat­te hat auch einen inner­grü­nen Aspekt – dazu habe ich vor einem Jahr was gebloggt; inter­es­sant ist vor allem die Debat­te in den Kommentaren.

P.S.: Wer sich eher für Infra­struk­tu­ren als sozio­tech­ni­sche Netzwerke/Systeme denn für die Homöo­pa­thie-Debat­te inter­es­siert, soll­te bei ihld weiterlesen.

Zehn Dinge, die ich am Wochenende getan habe (und zwei, die ich nicht getan habe)

mosaik

Hier sind zehn Din­ge, die ich an die­sem Wochen­en­de getan habe:

1. Ich bin ziem­lich viel Zug gefah­ren – ins­ge­samt so an die 15 Stun­den. Und dank der taz über­wie­gend in der ers­ten Klas­se. Die sich von der zwei­ten dadurch unter­schei­det, dass sie lee­rer ist, dass Zei­tun­gen aus­le­gen, dass zwi­schen den Sit­zen mehr Abstand ist – und dass es schwie­ri­ger ist, beim Zug­fah­ren zu arbei­ten, weil der Abstand zwi­schen Sitz und Tisch zu groß ist.
„Zehn Din­ge, die ich am Wochen­en­de getan habe (und zwei, die ich nicht getan habe)“ weiterlesen