Verwirrung in der Krise

Sagen wir mal so: es gab eine Zeit, in der ich Kom­mu­ni­ka­ti­ons­gue­ril­la durch­aus für ein coo­les Kon­zept des poli­ti­schen Akti­vis­mus gehal­ten habe. Gemeint sind damit sub­ver­si­ve Kom­mu­ni­ka­tio­nen, um Ver­wir­rung zu stif­ten, offi­zi­el­le Maß­nah­men zu dele­gi­ti­mie­ren und Leu­te dazu zu brin­gen, nachzudenken.

Trotz­dem habe ich mich a. ziem­lich geär­gert und füh­le mich b. eher ohn­mäch­tig, nach­dem ich ges­tern Abend einen Fly­er aus dem Brief­kas­ten gefischt habe, der auf den ers­ten Blick vor­gibt, eine offi­zi­el­le Mit­tei­lung des Regie­rungs­prä­si­di­ums Frei­burg zu sein und ankün­digt, in Trep­pen­häu­sern die Ein­hal­tung der dort neu ver­häng­ten Mas­ken­pflicht zu kontrollieren.

Auf den zwei­ten Blick stimmt fast nichts an die­sem Fly­er: zustän­di­ge Behör­de wäre die Stadt, nicht das Regie­rungs­prä­si­di­um, das Logo ist unscharf und ver­pi­xelt, das For­mat A5 (und schlecht abge­schnit­ten) für eine offi­zi­el­le Mit­tei­lung passt nicht, es gibt weder Datum noch Kon­takt­per­son, die recht­li­chen Begrif­fe stim­men nicht, und es wäre auch selt­sam, jetzt eine Maß­nah­me für den 10.1. zu ver­kün­den. Also: ziem­lich kla­rer Fall eines Fakes. Für alle, die sich mit Ver­wal­tungs­han­deln und Kom­pe­tenz­ab­gren­zun­gen zwi­schen unte­ren und mitt­le­ren Ver­wal­tungs­be­hör­den auskennen.

Ich befürch­te, dass rela­tiv vie­le Men­schen die­sem Fly­er Glau­ben schen­ken. Bis­her gab es ab und zu die übli­che „Schützt unse­re Kinder“-Panikmache, aber da war zumin­dest der Absen­der klar. Das hier hat inso­fern eine neue Qua­li­tät. Und trägt dazu bei, das Ver­trau­en in die, die in die­ser Kri­se so drin­gend wie not­wen­dig han­deln, zu sen­ken. Des­we­gen mein Ärger. Ohn­macht? Weil ich ger­ne etwas dage­gen unter­neh­men wür­de, aber nicht wirk­lich eine Mög­lich­keit habe. Ich habe das RP infor­miert (Update: das inzwi­schen auf sei­ner Web­site dar­über infor­miert, dass es sich um eine Fäl­schung han­delt), rege mich in sozia­len Medi­en und hier in mei­nem Blog auf und habe den Aus­hang unten ins Trep­pen­haus gehängt. Ich befürch­te aber, dass die­ser Fly­er rela­tiv flä­chig ver­teilt wur­de. Was also tun?

Photo of the week: Tree pattern

Tree pattern

 
Im Win­ter fin­de ich es fas­zi­nie­rend, die frak­ta­len Mus­ter zu sehen, die die Bäu­me bil­den, und die im Som­mer unter dem Blät­ter­kleid ver­bor­gen blei­ben. Wie bei die­ser recht alten Eiche.

Gelesene Bücher Herbst/Winter

Die­sen Herbst und Win­ter habe ich eini­ges an Sci­ence Fic­tion und ein wenig Fan­ta­sy gele­sen. Anbei mei­ne Kurzkritiken:

  • Charles Stross, Dead lies dre­a­ming. In die­sem Sei­ten­ast zu Stross’ Laun­dry Series spielt der Autor auf Peter Pan an – nicht auf die Dis­ney-Vari­an­te, son­dern das wohl etwas gru­se­li­ge­re Ori­gi­nal. Dar­aus ergibt sich eine nicht-tra­di­tio­nel­le Fami­li­en­ge­schich­te mit einer magi­schen Tra­gö­die in einem Lon­don, das nicht ganz von die­ser Welt ist, gekreuzt mit einem trans­di­men­sio­na­len Heist in einem Lon­don, das noch weni­ger von die­ser Welt ist. Wer die Laun­dry mag, wird das hier mögen.
  • K.J. Par­ker, Six­teen Ways to Defend a Wal­led City. Ein nicht ganz zuver­läs­si­ger Erzäh­ler berich­tet in leicht schel­mi­scher Ton­la­ge von den Ver­wick­lun­gen und Zufäl­len, die ihn, den Außen­sei­ter, erst zum Chef der Inge­nieur­bri­ga­de gemacht und es dann ermög­licht haben, die füh­rungs­lo­se Stadt – eine Art Rom unter ande­rem Namen – sicher durch eine schein­bar unauf­halt­sa­me Bela­ge­rung zu brin­gen. Den Nach­fol­ge­band (sel­be Stadt, sel­be second world fan­ta­sy, ande­re Haupt­per­son) mit dem Titel How to Rule an Empire and Get Away with it fand ich auch ganz nett, da fehl­te mir aller­dings der Erzäh­ler aus Six­teen Ways …
  • Gard­ner Dozois / Micha­el Swan­wick, The City under the Stars. Ein von Micha­el Swan­wick voll­ende­ter Roman des 2018 ver­stor­be­nen SF-Autors und Her­aus­ge­bers Gard­ner Dozois, Tei­le davon stam­men aus den 1970er Jah­ren, erschie­nen ist The City under the Stars aller­dings erst 2020. Auf den ers­ten Blick wirkt die­ser Roman wie klas­si­sche SF die­ser Zeit, also der 1970er Jah­re. Auf den zwei­ten Blick ent­puppt er sich als tief­grün­di­ge­re Medi­ta­ti­on über die Natur des Men­schen, über Macht und Fortschritt.
  • Chris­to­pher Pao­li­ni, To Sleep in a Sea of Stars. Eine soli­de Block­bus­ter-Space-Ope­ra von Chris­to­pher Pao­li­ni, der durch die Era­gon-Rei­he bekannt gewor­den ist. In die­ser Space Ope­ra gibt es halb­wegs plau­si­ble Fas­ter-Than-Light-Tech­no­lo­gie, eine Hel­din wider Wil­len und inter­es­san­te Außerirdische.
  • Eliza­beth May, Seven Devils. Noch­mal Space Ope­ra, erin­nert ent­fernt an She-Ra, span­nen­de Geschich­te, aber ein lei­der ziem­lich inkon­sis­ten­tes World­buil­ding (Zwei instantan besuch­ba­re Gala­xien? Lebens­mit­tel­knapp­heit als Kriegs­grund? Extrem fort­ge­schrit­te­ne medi­zi­ni­sche Tech­no­lo­gie, aber jucken­de Pro­the­sen und kei­ne Mög­lich­keit, feh­len­de Orga­ne zu erset­zen? Ein unlo­gi­sches Berg­werk?). Wenn dar­über hin­weg­ge­se­hen wird, ganz unterhaltsam.
  • Eliza­beth Bear, On Safa­ri in R’lyeh and Car­co­sa with Gun and Came­ra. Novel­le, die mit dem einen oder ande­ren Love­craft-Motiv spielt – und dem heim­li­chen Wunsch, viel­leicht doch ein Ali­en zu sein. Online bei tor.com.
  • Eliza­beth Bear, Machi­ne. Der zwei­te Band in Bears White-Space-Uni­ver­sum (Band 1 war Ances­tral Nights); die Hel­din, die den ers­ten Band so gera­de eben über­lebt hat, wenn ich mich rich­tig erin­ne­re, arbei­tet jetzt für die größ­te Kran­ken- und Ret­tungs­sta­ti­on des Uni­ver­sums im Außen­ein­satz, Sei­te an Sei­te mit ganz unter­schied­li­chen Lebens­for­men. Was wie ein Rou­ti­ne­ein­satz für eine Not­fall­ärz­tin beginnt, stellt das neu gewon­ne­ne Selbst­bild von Dr. Jens in Fra­ge. Und nicht nur das. Space Ope­ra mal jen­seits impe­ria­ler Kriege.
  • Andrew Ban­nis­ter, Crea­ti­on Machi­ne. Erin­nert ein biss­chen an Banks Cul­tu­re, ist aber lei­der weit weni­ger packend geschrieben.
  • Kim Stan­ley Robin­son, The Minis­try for the Future. Der letz­te Ein­trag in die­ser Lis­te ist ein biss­chen gemo­gelt, weil ich mit KSRs neu­em Roman erst halb durch bin. Cli­ma­te Fic­tion, weni­ge Jahr­zehn­te nach der Gegen­wart, auf einer Erde, die von der vol­len Wucht des Kli­ma­wan­dels getrof­fen ist. Har­te Kost – die per­sön­li­chen Lebens- und Lei­dens­ge­schich­ten der Protagonist*innen wer­den immer wie­der unter­bro­chen von eher sach­buch­ar­ti­gen Tex­ten über Kli­ma­wan­del, Kli­ma­wan­del­fol­gen und mög­li­che Miti­ga­ti­ons- und Adap­ti­ons­stra­te­gien. Wie in frü­he­ren Roma­nen von KSR spielt der poli­tisch-büro­kra­ti­sche Appa­rat eine gro­ße Rol­le. Da ich SF/Fantasy in den letz­ten Mona­ten eher zur Ablenkung/Unterhaltung gele­sen habe, habe ich The Minis­try for the Future erst ein­mal bei Sei­te gelegt, wer­de ich aber bei Gele­gen­heit sicher wie­der zur Hand neh­men und zu Ende lesen.

Photo of the week: Concrete church III // Opfinger See in December VIII

Concrete church III

 

Opfinger See in December VIII

 
Da ich letz­te Woche nicht dazu gekom­men bin, ein Foto der Woche zu blog­gen, gibt es dies­mal gleich zwei. Bei­de sind Anfang Dezem­ber bei einem Spa­zier­gang zum Opfin­ger See entstanden. 

Oben ist die Maria-Mag­da­le­na-Kir­che mit­ten im Rie­sel­feld in ihrer gan­zen Beton­schön­heit zu sehen. Und unten der Opfin­ger See, der im etwas mud­de­li­gen Dezem­ber­wet­ter ganz schön fins­ter wir­ken kann.