Kommunikationsprobleme

Yellow communication

Heu­te gab es eine Pro­be­ab­stim­mung zur Netz­z­ensur in der SPD-Frak­ti­on. Jörg Tauss schrieb dar­über bei Twit­ter:

ent­aeuscht: In der SPD-Frak­ti­on nur zwei Gegen­stim­men zu #zen­sur­su­la. Scha­de. War es dann wohl. Peten­ten haben alles falsch verstanden :-( 

Ich bin über das „Peten­ten haben alles falsch ver­stan­den“ gestol­pert. Dach­te erst, er meint das selbst so. Habe dann noch­mal nach­ge­fragt. Die rich­ti­ge Inter­pre­ta­ti­on: die über­gro­ße Mehr­heit der SPD-Frak­ti­on glaubt, dass die 131919 Unter­stüt­ze­rIn­nen der Peti­ti­on gegen Inter­net­sper­ren gar nicht wirk­lich böse auf die SPD und ihre Poli­tik sind, son­dern den Gesetz­ent­wurf nur falsch ver­stan­den haben. Alles also ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem (die Nach­wahl­va­ri­an­te davon: ein Mobi­li­sie­rungs­pro­blem). Gemeint ist damit: wir wis­sen, was gut ist, wir haben es nur nicht geschafft, das den Leu­ten auch nahezubringen.

Die­se Argu­men­ta­ti­on mag ich gar nicht. Lei­der kommt sie in der Poli­tik oft vor. Wenn eine poli­ti­sche Maß­nah­me auf Wider­stand stößt, wenn eine Par­tei nicht gewählt wird: Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem. Ein­fach und blöd. Und zwar aus drei Gründen.

  1. Wer von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­men redet, um poli­ti­sche Dif­fe­ren­zen zu erklä­ren, kann nur davon aus­ge­hen, selbst und ein­zig und allein im Besitz der Wahr­heit zu sein. Wenn der ande­re es bloss ver­stan­den hät­te, hät­te er’s schon rich­tig ver­stan­den. Die Argu­men­ta­ti­ons­fi­gur Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem impli­ziert also Über­heb­lich­keit und negiert – mög­li­cher­wei­se ja berech­tig­te! – unter­schied­li­che Wahr­neh­mun­gen. Sie igno­riert, dass ande­re als die Mit­glie­der und Abge­ord­ne­ten der eige­nen Par­tei viel­leicht mehr wis­sen könnten. 
  2. Wer von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­men redet, hat ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem, weil die Par­tei dann näm­lich nicht kom­mu­ni­ziert. Son­dern meint damit ja, dass die Mar­ke­ting-Bot­schaft nicht ange­kom­men ist. Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem impli­ziert also auch: Ein­weg statt Dia­log. Fol­ge­rich­tig also, dass diver­se Inter­net-Akti­vis­tIn­nen-Grup­pen heu­te wei­te­re Gesprä­che mit der SPD abge­lehnt haben. 
  3. Schließ­lich: Wer von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­men redet, ver­steht sein eigent­li­ches Geschäft nicht. Selbst Ein­weg-Mar­ke­ting-Par­tei­en soll­ten in der Lage sein, ihre Poli­tik auch zu „ver­kau­fen“. Wer sich am Ende, wenn das fal­sche beschlos­sen wird, auf Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me zurück­zieht, hat auch vor­her nicht ver­sucht, zu über­zeu­gen, die poli­ti­sche Posi­ti­on der Par­tei zu ver­brei­ten. Hat das viel­leicht gar nicht für not­wen­dig ange­se­hen, weil im Inne­ren der Raum­schiff-Bla­se alles so schön selbst­evi­dent aussah. 

Also, lie­be Par­tei­en (auch: lie­be eige­ne Par­tei!) – bit­te kei­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me. Wer Wäh­le­rIn­nen und Bür­ge­rIn­nen nicht für dumm hält, son­dern für mün­dig, muss ers­tens ver­su­chen, mit die­sen in einen zwei­sei­ti­gen Dia­log zu tre­ten, statt auf Beschal­lung zu set­zen, muss zwei­tens Argu­men­te dann auch ernst­neh­men – und, wenn gro­ße Pro­test­wel­len gera­de jen­seits der regis­trier­ten Lob­by-Gesprä­che auf­tau­chen, mal über­le­gen, wo die her­kom­men, und muss drit­tens ein­se­hen, dass man­che poli­ti­sche Ideen gesell­schaft­lich nicht akzep­tiert wer­den. Nicht, weil die fal­schen Wer­be­spots geschal­tet wur­den, son­dern weil eine Mehr­heit sie falsch findet. 

Es kann ja sogar Fäl­le geben, in denen es sinn­voll ist, irgend­ei­ne poli­ti­sche Maß­nah­me trotz gerin­ger Akzep­tanz durch­zu­set­zen – dann bit­te ich aber dar­um, auch dazu zu ste­hen, und sich nicht hin­ter Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­men zu ver­ste­cken. Es mag tat­säch­lich Miss­ver­ständ­nis­se geben. Aber wenn ein gro­ßer Teil aller Exper­tIn­nen in einem The­ma einer Mei­nung sind – dann liegt ver­mut­lich kein Miss­ver­ständ­nis vor. Und ja, Poli­tik kann sehr kom­plex sein, und Poli­tik ist schwie­rig zu kom­mu­ni­zie­ren: aber es macht doch mehr Sinn, es zu ver­su­chen – und dank elek­tro­ni­scher Medi­en ist genau das immer ein­fa­cher gewor­den, als selbst dar­an zu glau­ben, dass nur aller­ein­fachs­te Bot­schaf­ten ver­stan­den werden.

Denn wer sei­ne Wäh­le­rIn­nen wie unmün­di­ge Kin­der behan­delt (und selbst die soll­ten nicht so behan­delt wer­den), muss sich – letz­ter Satz – nicht wun­dern, wenn denen die Lust an der Poli­tik ver­geht. Oder an bestimm­ten Par­tei­en.

War­um ich das blog­ge? Weil mein laten­ter Ärger über die­ses Schein­ar­gu­ment hier mal einen kon­kre­ten Anlass gefun­den hat.

SPD tagt mal eben

Schon wie­der das The­ma SPD. Dies­mal geht’s aber schon eher um die Bun­des­tags­wahl als noch um die Europawahl.

SPD-Par­tei­ta­ge sind ent­we­der extrem effi­zi­ent oder deut­lich weni­ger demo­kra­tisch als z.B. Par­tei­ta­ge der Grü­nen. Inklu­si­ve Lied am Schluss und Kanz­ler­kan­di­da­ten­re­densand­wich vor­her und nach­her dau­ert der Wahl­pro­gramm­par­tei­tag der SPD näm­lich sage und schrei­be sechs Stun­den. Das „Antrags­buch“ ist eher unüber­sicht­lich; wenn ich es rich­tig ver­ste­he, wird zu den meis­ten Ände­rungs­an­trä­gen schlicht ableh­nen emp­foh­len (und dann wohl auch so gemacht). Da wird einem erst so rich­tig deut­lich, wie ver­gleichs­wei­se weit­ge­hend basis­de­mo­kra­tisch Bünd­nis 90/Die Grü­nen tat­säch­lich sind.

Wie dem auch sei, inter­es­sant ist die­ser SPD-Par­tei­tag aus zwei Grün­den. Zum einen könn­te sich dort theo­re­tisch ent­schei­den, dass die SPD von ihrem Beschluss, kei­ne Koali­ti­on mit der LINKEN ein­zu­ge­hen, abkehrt. (U.a. gibt es heu­te in der taz einen Auf­ruf unse­res MdBs Thi­lo Hop­pe an die SPD, doch mal ein klein wenig rea­lis­ti­scher an rot-grün-rote Gestal­tungs­op­tio­nen heranzugehen). 

Zum ande­ren wird es aus netz­po­li­ti­scher Sicht span­nend. Björn Böh­ning, der SPD-Gegen­kan­di­dat zu Strö­be­le, hat – flü­gel­über­grei­fend – einen Initia­tiv­an­trag gestellt, der eine etwas sinn­vol­le­re Hal­tung der SPD beim The­ma „Inter­net­zen­sur“ ein­for­dert. Vie­le netz­af­fi­ne Men­schen machen u.a. vom Erfolg die­ses Antrags abhän­gig, wie sie in Zukunft zur SPD ste­hen wer­den. Die Zei­chen sehen aller­dings schlecht aus. Inzwi­schen liegt ein Beschluss des SPD-Par­tei­vor­stan­des vor,der im Prin­zip nichts wei­ter noch ein­mal auf­schreibt als die Hal­tung der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on: rhe­to­ri­sche Zuge­ständ­nis­se, aber kei­ne Abkehr vom Prin­zip Auf­bau einer Zen­sur­in­fra­struk­tur für das Internet. 

Ich weiss nicht, wie das bei der SPD abläuft, neh­me aber an, dass der Böh­ning-Antrag damit aus dem Ren­nen ist. Mor­gen abend wis­sen wir mehr. Schon jetzt ist aber klar: wer eine eta­blier­te Par­tei wäh­len oder unter­stüt­zen möch­te, für die eine sinn­vol­le Inter­net­po­li­tik inzwi­schen klar zum Selbst­ver­ständ­nis gehört, ist bei den Grü­nen deut­lich bes­ser auf­ge­ho­ben als bei der SPD.

War­um blog­ge ich das? Vor allem, weil mich inter­es­siert, wie inner­par­tei­li­che Mei­nungs­bil­dung in der SPD funk­tio­niert. Und ob Jörg Tauss MdB SPD jetzt doch zur Pira­ten­par­tei wech­selt – bis­her demen­tiert er.

Kurz: Gemüse

Ich ver­su­che mich im Gärt­nern ohne Gar­ten. Ergeb­nis­se bisher:

Green chard I
Man­gold auf der Wohnzimmerfensterbank

Hairy vegetable plant IV
Dane­ben Tomaten

Young pumpkin plants
Und: ers­te Ansät­ze von Hok­kai­do-Kür­bis-Pflan­zen auf dem Balkon

Kurz & kontrovers: SPD in Insolvenz schicken oder wiederbeleben?

Gerhard Schröder in the shadows

„spreng­satz“ sieht die SPD am Boden, nein – am Ende. 

Mei­ne Fra­ge dazu:

Meins­te, wir – Grü­ne – sol­len bei der Ver­stei­ge­rung der Insol­venz­mas­se der SPD mitbieten?

Julia meint:

Wür­de lie­ber bei Wie­der­be­le­bung („Beweg dich doch end­lich, was ist los mit dir!!“ Schüt­tel – Klatsch Ohr­fei­ge) mit­ma­chen.

Und was meint ihr?

P.S.: Im Juso-Blog „Rot steht uns gut“ habe ich noch eine ganz lesens­wer­te Ana­ly­se gefun­den. Und natür­lich ist auch Rein­hard Büti­ko­fers dies­be­züg­li­che Nach­wahl­ana­ly­se erwähnenswert.