Kurz: Endspiel im Kampf um die Zukunft der Erde

Wie über Kli­ma­wan­del reden? Das Sci­ence-Fic­tion-Maga­zin io9 stellt eine Arti­kel­se­rie zum in Paris unter die Über­schrift „Future Earth“ und spricht von der Woche, in der die Zukunft der Erde ent­schie­den wird. 

Ich bin hin- und her­ge­ris­sen, ob ich die­ses „Framing“ gut fin­de oder nicht. Die (bedroh­te) Erde als Sym­bol des pla­ne­ta­ren Umwelt­schutz­ge­dan­kes  so neu nicht – von den Apol­lo-Bil­dern über Buck­mi­nis­ter Ful­lers Space­ship Earth und den „Ear­th­day“ bis zur aktu­el­len grü­nen Kam­pa­gne „Es gibt kei­nen Pla­net B“ (Pla­ne­ten, Leu­te!). Und abge­se­hen von der Nicke­lig­keit, dass es dem Pla­ne­ten Erde reich­lich egal ist, wie die Kli­ma­ver­hält­nis­se sich gestal­ten, Erde hier also syn­onym für „Mensch und Umwelt“ steht, eine glo­bal gedach­te Mensch­heit und der Sta­tus quo der ter­res­tri­schen Öko­sys­te­me, ist die Aus­sa­ge ja durch­aus rich­tig: Es geht jetzt dar­um, die poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, die aus­schlag­ge­bend dafür sind, wie bewohn­bar die­ser Pla­net in 30, 60, 90 Jah­ren sein wird. Es geht um unse­re kon­kre­te Zukunft als Erdbewohner*innen.

Aber trotz­dem: Kampf um die Zukunft der Erde klingt nach schlech­ter Sci­ence Fic­tion. Und schlim­mer noch: das Pro­blem des mensch­ge­mach­ten Kli­ma­wan­dels mit all sei­nen Kon­se­quen­zen wird durch den Bezugs­punkt Erde so groß, dass es fast unlös­bar erscheint – betrifft uns alle, aber ich als Ein­zel­per­son, Haus­halt, Stadt, Bun­des­land, Staat, Kon­ti­nent kann eh nichts tun, solan­ge nicht … Wie also über Kli­ma­wan­del reden, ohne zu beschö­ni­gen, und ohne durch Alar­mis­mus Untä­tig­keit zu produzieren?

Photo of the week: Particle field

Particle field

 
Nach­dem mir bis­her noch kein über­grei­fen­des Fazit zur heu­ti­gen Ver­an­stal­tung zur Zukunft Par­tei­en­de­mo­kra­tie ein­ge­fal­len ist, doch lie­ber erst ein­mal das Foto der Woche – hier zu sehen ein Aus­schnitt aus der inter­ak­ti­ven Instal­la­ti­on Time of Dou­bles der Künst­ler­grup­pe Arti­fi­ci­al Natu­re. Ein klei­ner Teil der ZKM-GLO­BA­LE-Aus­tel­lung Exo-Evo­lu­ti­on in Karls­ru­he, die sich künst­le­risch mit Zukünf­ten, Wis­sen­schaft, der Anpas­sung an künf­ti­ge Natu­ren und neu­en alten tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten aus­ein­an­der­setzt. Ich war mit mei­nen Kin­dern da, und auch wenn eini­ge Kunst­wer­ke eher gru­se­lig und nicht unbe­dingt kind­ge­recht sind (und zumin­dest anfangs ein „Nicht anfas­sen!“ mein stän­di­ger Ruf war) gab es doch eini­ges, was die bei­den sehr span­nend fan­den. Inklu­si­ve ers­ter Schrit­te in die vir­tu­el­le Rea­li­tät. Inso­fern trotz ande­rer Ziel­grup­pe auch was für Schul­kin­der unter elter­li­cher Beglei­tung – Z. woll­te es übri­gens par­tout nicht als Kunst‑, son­dern als Wis­sen­schafts­aus­stel­lung sehen. So hat jede ande­re Schwer­punk­te und Inter­pre­ta­tio­nen. (Mir haben es ja beson­ders die mobi­len auto­no­men Topf­pflan­zen angetan).

Kurz: Science Fiction weiterhin weltoffen

Im April schrieb ich über den Kul­tur­kampf um das ima­gi­nä­re Land – den Ver­such diver­ser Rechts­au­ßen­grup­pie­run­gen („Sad Pup­pies“, „Rabid Pup­pies“), das Sci­ence-Fic­tion-Fan­dom zu über­neh­men, und ins­be­son­de­re die „Hugo Awards“ für sich zu erobern. Dazu wur­den gesam­melt Stim­men für die Nomi­nie­run­gen für die­se Prei­se abge­ge­ben (um die 200 Stim­men reich­ten oft schon, um auf die vor­de­ren Plät­ze zu kom­men), so dass in vie­len Preis­ka­te­go­rien nur oder fast nur Ver­tre­te­rIn­nen der „Pup­pies“ zur Wahl stan­den. Seit­dem ist eini­ges pas­siert. Es wur­de mobi­li­siert, eini­ge von den „Pup­pies“ Nomi­nier­te woll­ten damit nichts zu tun haben, und zogen zurück, ande­re Vor­schlä­ge waren aus for­ma­len Grün­den nicht wähl­bar. Trotz­dem domi­nier­ten bei den Nomi­nie­run­gen in vie­len Kate­go­rien zunächst die „Puppy“-Nennungen.

Ges­tern abend (Orts­zeit) wur­den nun auf der World­Con die Ergeb­nis­se bekannt­ge­ge­ben. Und es zeigt sich: die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit der knapp 6000 abstim­men­den SF-Fans begeis­tert sich für gut erzähl­te Sci­ence Fic­tion und ist dabei welt­of­fen und libe­ral. Nur etwa 10 % der Stim­men [ande­re Quel­len sagen: max. ein Drit­tel …] kamen von Anhän­ge­rIn­nen der „Pup­pies“. Letzt­lich konn­te sich in kei­ner Kate­go­rie ein ori­gi­nä­rer „Puppy“-Vorschlag durch­set­zen. Dafür wur­de fünf­mal – so oft wie nie zuvor – „No Award“ (kein Preis) auf Platz 1 gewählt, der Hugo in der jewei­li­gen Kate­go­rie also nicht ver­ge­ben. Beim bes­ten Roman hat Liu Cixins The Three-Body Pro­blem knapp vor Kathe­rin Addi­sons The Goblin Emper­or gewon­nen – 200 Stim­men Unter­schied. Bei­des sind auf jeden Fall lesens­wert und zei­gen die gan­ze Band­brei­te zeit­ge­nös­si­scher Sci­ence Fic­tion & Fan­ta­sy; ein leben­di­ges Genre! 

Ins­ge­samt ist die dies­jäh­ri­ge Hugo-Ver­lei­hung glimpf­lich* aus­ge­gan­gen. Ich rech­ne damit, dass die „Pup­pies“ sich nicht davon abhal­ten las­sen, auch im nächs­ten Jahr zu ver­su­chen, „ihre“ Cham­pi­ons kon­zer­tiert zu nomi­nie­ren. Gleich­zei­tig gehe ich davon aus, dass der Nomi­nie­rungs­pro­zess grö­ße­re Auf­merk­sam­keit als bis­her erfah­ren wird. 2014 haben sich in den gro­ßen Kate­go­rien knapp 2000 Per­so­nen dar­an betei­ligt, bei klei­ne­ren („Best Fan Wri­ter“ etc.) waren es eini­ge Hun­dert. Die­se Zah­len dürf­ten zuneh­men; ich gehe auch davon aus, dass es regel­rech­te „Nomi­nie­rungs­kam­pa­gnen“ geben wird, um den einen oder ande­ren guten Roman oder die eine oder ande­re gute SF-Geschich­te auf den Hugo-Stimm­zet­tel zu brin­gen – sofern das Nomi­nie­rungs­ver­fah­ren nicht geän­dert wird. Neben­bei zei­gen die Hugos, dass ein Prä­fe­renz­wahl­ver­fah­ren gut funk­tio­nie­ren kann.

* Glimpf­lich, weil ohne die Pup­py-Kam­pa­gne eine gan­ze Rei­he span­nen­der Leu­te und Geschich­ten zur Abstim­mung gestan­den wären.

P.S.: WIRED berich­tet in einer aus­führ­li­chen Repor­ta­ge über die gan­ze Sache.

Ökologische Verelendungstheorie

Cloudporn III

In die­ser Woche fin­det der „Earth Over­shoot Day“ statt – also der Tag, an dem der Res­sour­cen­ver­brauch des Jah­res das nach­hal­tig nutz­ba­re Res­sour­cen­bud­get des Jah­res über­schrei­tet. Idea­ler­wei­se soll­te er frü­hes­tens auf dem 31. Dezem­ber lie­gen, statt des­sen wächst der Res­sour­cen­ver­brauch, so dass er im Herbst und inzwi­schen deut­lich im Som­mer liegt. Jahr für Jahr rückt das Datum des Earth Over­shoot Days nach vor­ne. So weit die Fakten. 

Was mich umtreibt, ist etwas, was sich – je nach Lau­ne – als „TINA-Para­dig­ma“ der Öko­sze­ne oder als „öko­lo­gi­sche Ver­elen­dungs­theo­rie“ beschrei­ben ließe. 

TINA, „The­re is no alter­na­ti­ve“ stammt wohl von der frü­he­ren bri­ti­schen Pre­mier­mi­nis­te­rin Mar­ga­ret That­cher, aber auch Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel agiert ger­ne „alter­na­tiv­los“. In bei­den Fäl­len ist damit gemeint, dass die jewei­li­ge (neo­li­be­ra­le) Poli­tik den ein­zi­gen über­haupt denk­ba­ren Weg dar­stellt. Ange­sichts der öko­lo­gi­schen Fak­ten liegt es nahe, TINA zu über­neh­men: Die Welt muss öko­lo­gi­scher und nach­hal­ti­ger wer­den, oder sie wird unter­ge­hen. Klingt nach einer ein­fa­chen Wahr­heit, ist aber letzt­lich doch kom­pli­zier­ter – denn TINA könn­te auch „The­re is no auto­ma­tism“ heißen.

Das heißt: Aus den öko­lo­gi­schen Fak­ten folgt noch lan­ge kei­ne poli­ti­sche Ein­sicht, denn die­ser Wil­lens­bil­dungs­pro­zess fin­det nach wie vor in der poli­ti­schen Are­na statt, in der unter­schied­li­che Inter­es­sen, Welt­sich­ten und „Sach­zwän­ge“ auf­ein­an­der pral­len. Fak­ten im Sin­ne außer­so­zia­ler Tat­sa­chen spie­len bei der Mei­nungs­bil­dung eine Rol­le (Kret­sch­mann: „Gegen Zah­len lässt sich nicht anbrül­len!“) – aber sie sind eben nicht der ein­zi­ge Fak­tor. Was als wahr gilt, was wie inter­pre­tiert wird, was gese­hen und was aus­ge­blen­det wird, wel­cher Weg in Rich­tung Nach­hal­tig­keit als taug­lich ange­se­hen wird, und wel­cher nicht – hier haben wir es mit sozia­len Tat­sa­chen zu tun, die sich eben nicht auto­ma­tisch aus den schlich­ten Res­sour­cen­ver­brauchs­zah­len und deren Extra­po­la­ti­on erge­ben. Poli­tik braucht wei­ter­hin über­zeu­gen­de Akteu­re und Akteurinnen. 

Wenn öko­lo­gi­sche Poli­tik alter­na­tiv­los ist, dann heißt das also noch lan­ge nicht, dass nicht hart dar­an gear­bei­tet wer­den muss, die­se Alter­na­ti­ve auch tat­säch­lich zur im Dis­kurs domi­nan­ten poli­ti­schen Opti­on zu machen. Und sie dann auch noch umzusetzen.

Wenn TINA der Leit­stern der har­ten Neo­li­be­ra­len ist, dann ist die Ver­elen­dungs­theo­rie der Hoff­nungs­trä­ger einer bestimm­ten Sor­te von Mar­xis­tIn­nen. Zuge­spitzt und popu­la­ri­siert: der Kapi­ta­lis­mus wird letzt­lich durch eine zuneh­men­de Ver­schlech­te­rung der Lebens­be­din­gun­gen der Arbei­te­rIn­nen schon selbst dafür sor­gen, dass es zur gro­ßen Revo­lu­ti­on und zum Umschwung der Ver­hält­nis­se kommt. So etwas in der Art gibt es auch in grün – wenn Peak Oil über­schrit­ten ist, wenn die Böden aus­ge­laugt sind, wenn die Nah­rungs­mit­tel­ver­sor­gung zusam­men­ge­bro­chen ist – spä­tes­tens dann, mit der gro­ßen Kri­se, wird der gro­ße Umschwung zu nach­hal­ti­gen und öko­lo­gi­schen Pro­duk­ti­ons- und Lebens­wei­sen kom­men. Weil’s halt ein­fach gar nicht anders geht, und dann jeder und jede die öko­lo­gi­sche Wahr­heit sehen wird.

Mal abge­se­hen davon, dass bei der Hoff­nung auf Ver­elen­dung immer auch Zynis­mus mit­schwingt, hal­te ich die eine wie die ande­re Vari­an­te die­ser Vor­stel­lung für falsch. Auch hier sind die Ver­hält­nis­se kom­pli­zier­ter, auch hier scheint es mir kei­ne Auto­ma­tis­men zu geben. Allein schon des­we­gen, weil die welt­wei­ten Chan­cen und öko­lo­gi­schen Abhän­gig­kei­ten so ungleich ver­teilt sind bzw. als unglei­che Ver­tei­lung geschaf­fen und auf­recht erhal­ten wur­den und wer­den. Zudem blei­ben Inno­va­ti­ons­kraft und gegen­läu­fi­ge Ten­den­zen unterbelichtet.

Unterm Strich bleibt die Aus­sa­ge, dass es dumm wäre, öko­lo­gi­sche Poli­tik auf die Hoff­nung auf Auto­ma­tis­men auf­zu­bau­en. Es bleibt die Not­wen­dig­keit – und das ist Arbeit – sich in den unter­schied­lichs­ten gesell­schaft­li­chen Are­nen wei­ter­hin selbst dar­um zu küm­mern, dass es in Rich­tung Nach­hal­tig­keit geht. Dar­auf, dass sich hier bereits eini­ges bewegt, dass es durch­aus auch posi­ti­ve Nach­rich­ten gibt, Hoff­nun­gen zu set­zen, erscheint mir weit­aus sinn­vol­ler, als es die men­ta­le Vor­be­rei­tung auf den „unaus­weich­li­chen“ öko­lo­gi­schen Kol­laps wäre. 

War­um blog­ge ich das? Weil es manch­mal hilf­reich ist, sich die Begren­zun­gen der poli­ti­schen Wirk­sam­keit außer­so­zia­ler Fak­ten vor Augen zu füh­ren. Selbst psy­cho­lo­gisch lässt sich ganz gut erklä­ren, war­um es manch­mal ein­fa­cher ist, kon­tra­fak­tisch auf z.B. einer unbe­ding­ten Wachs­tums­ori­en­tie­rung zu behar­ren, als die Gren­zen des Wachs­tums zur (poli­ti­schen) Kennt­nis zu nehmen.

Kurz: Flexible Arbeit und der Achtstundentag

Viel­leicht ver­zerrt mein per­sön­li­cher Erfah­rungs­hin­ter­grund (Aka­de­mi­ker, bis­her an der Uni und in der Poli­tik tätig) hier mei­ne Wahr­neh­mung, aber ich fin­de die For­de­rung der Arbeit­ge­ber, vom Acht­stun­den­tag abzu­rü­cken, zumin­dest in Tei­len nachvollziehbar. 

Die For­de­rung taucht ja im Kon­text der Digi­ta­li­sie­rungs­de­bat­te auf, aber eigent­lich ist Digi­ta­li­sie­rung hier nur ein Bestand­teil eines grö­ße­ren und schon seit eini­gen Jahr­zehn­ten lau­fen­den Trends, der unter der Über­schrift „Fle­xi­bi­li­sie­rung der Arbeit“ steht. (Und auch die Debat­te um den „Arbeits­kraft­un­ter­neh­mer“ passt hier her­vor­ra­gend …). Letzt­lich geht es um eine Ver­än­de­rung des­sen, was als „Arbeits­kraft“ auf dem Arbeits­markt gehan­delt wird: Weg vom Zur­ver­fü­gung­stel­len phy­si­scher und psy­chi­scher Arbeits­kraft für defi­nier­te Zeit­räu­me – da machen gesetz­li­che Regu­lie­run­gen der Arbeits­zeit viel Sinn – hin zur weit­ge­hend eigen­ver­ant­wort­li­chen Erbrin­gung bestimm­ter Ergeb­nis­se mit wei­ten Spiel­räu­men hin­sicht­lich Arbeits­zeit, Arbeits­ort und ver­wen­de­ter Metho­den und Kom­pe­ten­zen. For­mal zumin­dest wei­ter­hin ange­stellt, aber mit einem Cha­rak­ter von Arbeit, der eini­ge Gemein­sam­kei­ten mit Allein­selbst­stän­di­gen aufweist.

Digi­ta­le Werk­zeu­ge erleich­tern die­se Ent­kopp­lung – und tra­gen dazu bei, dass die Nach­fra­ge nach der zwei­ten Art von Arbeits­kraft steigt, und dass bestehen­de Berufs­bil­der trans­for­miert wer­den. Die­ser Pro­zess ist durch­aus ambi­va­lent – stei­gen­de Auto­no­mie und stei­gen­de Frei­räu­me auf der einen Sei­te, unfrei­wil­li­ge Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me und die Gefahr der räum­li­chen und zeit­li­chen Ent­gren­zung von Arbeit auf der ande­ren Sei­te. Auch hier bleibt poli­ti­sche Regu­la­ti­on not­wen­dig – an die Stel­le des star­ren Acht­stun­den­ta­ges tre­ten für die­se Beru­fe und Bran­chen jetzt Monats- und Jah­res­ar­beits­zeit­kon­ten, Kern­zeit­de­fi­ni­tio­nen und Regeln zur Begren­zung der Erreich­bar­keit, um gern in Kauf genom­me­ne Selbst­aus­beu­tung zu verhindern.