Kurz: AKWs und Erdbeben

Als ich heu­te mor­gen von dem schwe­ren Erd­be­ben in Japan hör­te, waren mei­ne ers­ten Gedan­ken die an das Aus­mass der Zer­stö­rung und des mensch­li­chen Leids, dass durch Erd­be­ben und Tsu­na­mi da gera­de – in einer eigent­lich auf die Gefahr von Erd­be­ben aus­ge­rich­te­ten Gesell­schaft – aus­ge­löst wur­de. Dann gab es ers­te Mel­dun­gen dar­über, dass es an einem AKW brennt, und dass ein zwei­tes AKW – Fuku­shi­ma Dai­i­shi (Wiki­pe­dia, genau­er gesagt: 3 von 6 Reak­tor­blö­cken dort) – ernst­haf­te Pro­ble­me mit der Not­küh­lung hat. Inzwi­schen wur­den eine 3‑km-Zone um das AKW eva­ku­iert, in einer 10-km-Zone wur­de die Bevöl­ke­rung auf­ge­ru­fen, die Häu­ser nicht zu verlassen. 

Ich hof­fe, dass in Japan – bei all dem Unglück, dass das Erd­be­ben schon gebracht – nicht auch noch ein GAU dazu­kommt. Nie­mand braucht ein zwei­tes Tscher­no­byl. Ich erin­ne­re mich noch gut: Auch Tscher­no­byl war weit weg – und trotz­dem wur­den aus harm­lo­sen grü­nen Früh­lings­wie­sen vor 25 Jah­ren hier plötz­lich angst­be­setz­te Gefah­ren­her­de. Selbst wenn die radio­ak­ti­ve Wol­ke dies­mal in Kana­da und den USA nie­der­reg­nen wür­de, ändert das nichts dar­an, dass sich ein­mal mehr zeigt, wie schlecht AKWs und unvor­her­ge­se­hen Ereig­nis­se zusammenpassen.

AKWs in Erd­be­ben­ge­bie­ten? Angeb­lich waren die japa­ni­schen AKWs bis zu Beben der Stär­ke 8,25 aus­ge­legt – die­ses hier erreich­te 8,8 8,9 9,0. Nicht weit von hier – kei­ne 30 km – steht das AKW Fes­sen­heim im Ober­rhein­gra­ben. Eine Erd­be­ben­zo­ne. Sich die 3‑km- und die 10-km-Zone aus Fuku­shi­ma mal mit dem Epi­zen­trum Fes­sen­heim vor­zu­stel­len, ist gru­se­lig – Bad Kro­zin­gen, Hart­heim und Esch­bach lie­gen alle in den 10-km-Zone, und das Rie­sel­feld ist nur etwa 20 km von Fes­sen­heim entfernt.

Umso wich­ti­ger, mor­gen bei der Men­schen­ket­te ein deut­li­ches Zei­chen für den Aus­stieg aus der Atom­kraft zu set­zen, und bei den Land­tags­wah­len in die­sem Jahr die Atom­par­tei­en abzuwählen.

Update: 13.3.2011 – Inzwi­schen sieht es so aus, dass es wohl in zwei Reak­to­ren zu einer Kern­schmel­ze gekom­men ist bzw. mög­lich ist – die­se wer­den mit borier­tem Meer­was­ser geflu­tet. In Ona­ga­wa (150 km von Fuku­shi­ma ent­fernt) wur­den eben­falls erhöh­te Radio­ak­ti­vi­täts­wer­te gemes­sen, mög­li­cher­wei­se Strah­lung aus Fuku­shi­ma. Die Sperr­zo­ne rund um Fuku­shi­ma wur­de auf 20 km aus­ge­wei­tet, etwa 200.000 Men­schen wur­den (zusätz­lich zu all den Tsu­na­mi- und Erd­be­ben-Opfern) eva­ku­iert. Bei der taz gibt es einen guten Über­blick dar­über, wie die Ereig­nis­se in Fuku­shi­ma zu bewer­ten sind.

Darf man jetzt Debat­ten um den Atom­aus­stieg füh­ren? Nicht nur Green­peace sagt: „Ja, man muss!“. (Lesens­wert in die­sem Zusam­men­hang auch: 3 popu­lä­re Irr­tü­mer über Atom­kraft­geg­ner).

Mit 60.000 Leu­ten war die Men­schen­ket­te ein sol­ches deut­li­ches Zei­chen. Wer Mer­kel sei­ne Mei­nung sagen will, kann das bei Cam­pact tun („Fuku­shi­ma heißt abschal­ten!“), aktu­ell schon 25.000. Mor­gen am Mon­tag wird es um 18 Uhr in über hun­dert Städ­ten Mahn­wa­chen geben; Frei­burg ist auch dabei. 

P.S.: Jetzt vir­tu­ell oder real Flag­ge zu zei­gen, hal­te ich eben­falls für eine sym­bo­lisch rich­ti­ge Hand­lung. Mehr Gewicht: bei den Wah­len schwarz-gelb nicht ver­län­gern und, so noch nicht gesche­hen, zu einem Öko­strom-Anbie­ter wech­seln.

In der Hardware verborgene Ratlosigkeit

Shimmering lights II

Es ist ver­mut­lich uncool*, Sascha Lobo auf SPON zu zitie­ren, aber heu­te schreibt er was ziem­lich Intel­li­gen­tes zum Gefühl der Rat­lo­sig­keit, das die (schein­ba­re) sozia­le Nähe des Net­zes gene­riert – und die sich in der blu­ti­gen und lie­ber unsicht­bar gehal­te­nen Hard­ware-Ebe­ne der Infra­struk­tur unse­rer medi­al ver­mit­tel­ten sozia­len Bezie­hun­gen noch ein­mal in ganz beson­de­rer Wei­se ver­birgt – und nur durch bewuss­tes Igno­rie­ren aus­halt­bar scheint: 

„Die digi­ta­le Rat­lo­sig­keit hat dazu noch eine Meta­ebe­ne, die in der Hard­ware ver­bor­gen liegt: Die Metal­le in der Elek­tro­nik mei­nes Han­dys befeu­ern einen Krieg im Kon­go, der seit 1998 sechs Mil­lio­nen Men­schen ihr Leben gekos­tet hat. Ich emp­feh­le an die­ser Stel­le drin­gend, nicht selbst wei­ter­zu­re­cher­chie­ren und schon gar nicht nach unzen­sier­ten Fotos die­ses Krie­ges zu suchen, die sich dank sozia­ler Medi­en fin­den las­sen. Es wird sonst deut­lich kom­pli­zier­ter, sich sei­ne Unbe­schwert­heit im Umgang mit den schöns­ten neu­en Smart­phones zu bewah­ren. Weder wei­ner­li­che Betrof­fen­heit noch akzep­tie­ren­de Cool­ness kommt mir hier wie eine rich­ti­ge Reak­ti­on vor. Ich habe auch nicht vor, des­halb kei­ne Han­dys mehr zu benut­zen. Viel­leicht gibt es so etwas wie einen auto­ma­ti­schen Zynis­mus des digi­ta­len Zeit­al­ters, fast alle Fak­ten zu allen Miss­stän­den her­aus­fin­den zu kön­nen und sie anschlie­ßend igno­rie­ren zu müssen.“

Und es ist ja nicht nur Col­tan, son­dern es sind genau­so die Arbeits­be­din­gun­gen in den iPho­ne-Fac­to­ries in Chi­na usw. Aber die­se in der Hard­ware ver­bor­ge­ne Grau­sam­keit ans Licht zu zer­ren, erscheint fast undenk­bar. Was Sascha Lobo hier für sich selbst beschreibt – die Rat­lo­sig­keit, eine brauch­ba­re Hal­tung und Umgangs­wei­se zu die­ser Fra­ge zu fin­den, den das „Fair-Trade-Han­dy“ gibt es bis heu­te nicht, taucht auch in den von mir geführ­ten Inter­views immer wie­der auf: ein dif­fu­ses Wis­sen dar­über, dass unter der Ober­flä­che und am Ende der lan­gen Pro­duk­ti­ons­ket­ten Blut am Han­dy, am Net­book, am Smart­phone klebt, das aber nicht hand­lungs­re­le­vant wird und dem auch kaum Hand­lungs­op­tio­nen offen stehen.

War­um blog­ge ich das? Weil’s wich­tig ist.

* Uncool z.B. des­we­gen, weil der sel­be Sascha Lobo auch schon mal Wer­bung für den Mobil­te­le­fon­dienst­leis­ter Voda­fon gemacht hat …

Photo of the week: KNK XII (Tagungshaus sign)

KNK XII (Tagungshaus sign)

 

Von Mitt­woch Abend bis Frei­tag Abend war ich in der Kom­mu­ne Nie­der­kau­fun­gen*, um dort Inter­views für mei­ne Diss. durch­zu­füh­ren. Unter­ge­bracht war ich im Tagungs­haus der Kom­mu­ne (oben zu sehen) – wer ein paar mehr Ein­bli­cke und Ein­drü­cke haben möch­te, kann sich das Flickr-Set von mei­nem Auf­ent­halt in Nie­der­kau­fun­gen anschauen. 

* Eines der größ­ten und längst­be­stehen­den Kom­mu­n­e­pro­jek­te in Deutsch­land (zur Zeit etwa 80 Men­schen, die Kom­mu­ne gibt es seit unge­fähr 1986), poli­tisch links aus­ge­rich­tet (wobei dar­un­ter auch Punk­te wie die aus femi­nis­ti­scher Per­spek­ti­ve inter­es­san­te Idee der Abschaf­fung der Klein­fa­mi­lie und einer „poli­ti­schen Öko­lo­gie“ fal­len), auch sozio­lo­gisch span­nend durch die Pra­xis der gemein­sa­men Öko­no­mie und durch das geleb­te Kon­sens­mo­dell der Ent­schei­dungs­fin­dung. Und net­te Men­schen gibt es dort auch – denen auch an die­ser Stel­le vie­len Dank!

Elf Sätze zum Veggie-Day und zur FDP

Kein Faden ist FDP und CDU der­zeit zu dünn, um nicht doch zu ver­su­chen, dar­an eine Sau durch den Land­tags­wahl­kampf zu zer­ren. Das neus­te Tier­chen kommt aus dem Tier­schutz­ka­pi­tel des grü­nen Land­tags­wahl­pro­gramms. Dort heißt es auf Sei­te 69 im Kon­text, Tier­schutz und Kli­ma­schutz zu ver­knüp­fen: „In Schu­len, Men­sen und öffent­li­chen Kan­ti­nen soll­te über vega­ne und vege­ta­ri­sche Ernäh­rung auf­ge­klärt und die­se auch immer in guter Qua­li­tät ange­bo­ten werden.“ 

Dar­aus wird dann bei der FDP (mit Bezug auf omi­nö­se Pres­se­be­rich­te und eine State­ment von Ulri­ke Höf­ken MdB): „Jetzt gehen die Grü­nen in ihrer Ver­bots­kul­tur so weit, dass sie den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern sogar vor­schrei­ben wol­len, was die­se essen sollen.“

Suche den Unter­schied! Wir for­dern im Land­tags­wahl­pro­gramm gar kei­nen Veggie-Day, son­dern wol­len in öffent­li­chen Kan­ti­nen a. über vege­ta­ri­sche Ernäh­rung infor­mie­ren und b. dafür sor­gen, dass die Viel­falt an Aus­wahl­mög­lich­kei­ten durch gute vege­ta­ri­sche und vega­ne Ange­bo­te erhöht wird. Was die FDP dage­gen haben könn­te, ist mir schlei­er­haft. Ent­spre­chend an den Haa­ren her­ge­zo­gen ist der Ver­such, Wahl­kampf zu betrei­ben. Aber selbst wenn: Was wäre so schlimm dar­an, in Kan­ti­nen ein­mal in der Woche nur hoch­wer­ti­ges vege­ta­ri­sches Essen anzubieten?

Kurz: Tagungsband zur NGU-Tagung 2010 erschienen

Entscheidungen mit Umweltfolgen zwischen Freiheit und ZwangSeit weni­gen Tagen ist der Kon­gress­band zur 7. Tagung der Nach­wuchs­grup­pe Umwelt­so­zio­lo­gie (NGU) online („Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang“). Ich habe an die­sem Band in zwei ver­schie­de­nen Funk­tio­nen mit­ge­wirkt habe: zum einen als Mit­or­ga­ni­sa­tor der Tagung und damit dann auch als Mit­her­aus­ge­ber (die aller­al­ler­meis­te Arbeit mit dem Band hat­te aller­dings Fenn, der des­we­gen auch zurecht an ers­ter Stel­le steht) – und als Vor­tra­gen­der. Wer schon immer mal wis­sen woll­te, was eigent­lich mit mei­ner Diss. so vor sich geht, und in wel­che Rich­tung ich mich damit bewe­ge (naja, Rich­tung Ende …), kann im Tagungs­band mei­nen Bei­trag „Mobil­funk­nut­zung in Nach­hal­tig­keits­mi­lieus zwi­schen Frei­heit und Zwang“ fin­den, der dar­über, wie ich mei­ne, ganz gut Aus­kunft gibt.

Ganz unab­hän­gig davon gibt der Band eine gan­ze Rei­he Ein­bli­cke in die The­men und Arbeits­an­sät­ze jun­ger Umwelt­so­zi­al­wis­sen­schaft­le­rIn­nen. Im Call for Papers der Tagung hat­ten wir rela­tiv breit nach Arbei­ten gefragt, die sich in irgend­ei­ner Wei­se mit den Spiel­räu­men und Zwän­gen von Han­deln mit Umwelt­fol­gen befas­sen. Die Band­brei­te der im Tagungs­band ent­hal­te­nen Bei­trä­ge reicht nun vom Umgang mit gen­tech­nisch modif­zier­ten Orga­nis­men über deli­be­ra­ti­ve Zugän­ge zu Umwelt­pro­ble­men bis hin zur gene­rel­len Debat­te der Trag­fä­hig­keit einer Effi­zi­enz­stra­te­gie. Also ein brei­tes und anre­gen­des Feld.

Wir haben den Tagungs­band bei Frei­Dok publi­ziert (dem Online-Repo­si­to­ry der UB Frei­burg), d.h. er ist über die­sen Link online zugäng­lich. In einer klei­nen Stück­zahl wird er wohl auch gedruckt wer­den. Das Insti­tut für Forst­öko­no­mie der Uni Frei­burg hat es dan­kens­wer­ter­wei­se mög­lich gemacht, den Band in Frei­Dok in die Arbeits­be­rich­te-Rei­he des Insti­tuts zu stellen.

Faber, Fenn; Jay, Mari­on; Rei­ne­cke, Sabi­ne; Wes­ter­may­er, Till (Hrsg.) (2011): Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang. Tagungs­band der 7. Tagung der Nach­wuchs­grup­pe Umwelt­so­zio­lo­gie (NGU). Arbeits­be­richt 55–2011, Frei­burg: Insti­tut für Forst­öko­no­mie. Elek­tro­ni­sches Doku­ment, URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7944/.