Kurz: Handwerkskunst

Die Bahn hat ja das Früh­stücks­an­ge­bot im ICE-Bis­tro radi­kal gekürzt. Im Prin­zip auf eine Opti­on: Menu IV – Crois­sant plus Heiß­ge­tränk, 3,90 Euro. Ent­schei­dungs­frei­hei­ten bestehen nur bei der Kaf­fee­zu­be­rei­tung. Mei­ne Wahl heu­te mor­gen, Lat­te Mac­chia­to, führ­te mich zu einer inter­es­san­ten Beob­ach­tung im Sin­ne der Sen­nett­schen Lob­lie­der auf Hand­werks­ethos und Qualitätsarbeit.

Statt auf eine Tas­te zu drü­cken, und den Auto­ma­ten ein stan­dar­di­sier­tes Pro­dukt aus­spu­cken zu las­sen, erwies sich der Bar­mann als kunst­vol­ler Hand­wer­ker. Zur Zube­rei­tung eines Lat­te ließ er den Auto­ma­ten erst mehr­fach Milch­schaum gene­rie­ren. Nach Errei­chen der gewünsch­ten Füll­hö­he nahm er das Sieb der Auf­fang­wan­ne ab, um am obe­ren Glas­rand mehr Platz zu haben, ließ Espres­so ein, klopf­te mit dem Glas auf den Tisch, um schließ­lich eine wei­te­re Schicht Milch­schaum hin­zu­zu­fü­gen und das Gan­ze dann zu servieren.

Nach dem Sinn gefragt, ver­wies der Bar­mann dar­auf, dass die Maschi­ne allei­ne kei­nen anseh­li­chen Lat­te zustan­de bräch­te. „Wir haben Auto­ma­ten, da sieht das [Ergeb­nis] nicht gut aus, wenn ich auf den Knopf drücke!“

Kurz: Lichtfarben & Glühbirnenverbot

Light star light IIIn der taz phi­lo­so­phiert heu­te Kers­tin Decker über das Ver­bot der 60-Watt-Glüh­bir­ne und sieht im kal­ten Schein der Leucht­stoff­röh­re neue Zei­ten her­an­zie­hen. (Wobei? Neon – war das nicht schon mal ne Zei­ten­wen­de?) Ich habe spon­tan zum Mail­pro­gramm gegrif­fen und einen klit­ze­klei­nen Leser­brief hin­ge­schickt, weil ich das alte Argu­ment mit dem kal­ten Leucht­stoff­röh­ren­licht der Ener­gie­spar­lam­pen heu­te für Quatsch hal­te. Hier ist er:

Re: Glüh­bir­nen­nost­al­gie

Na, nach 100 Jah­ren ist’s aber doch wirk­lich auch mal Zeit für was Neu­es. Und über­haupt – ob der Autorin bei aller Nost­al­gie bekannt ist, dass es seit eini­gen Jah­ren Ener­gie­spar­lam­pen in eine Viel­zahl von Licht­far­ben gibt? Blau­es, hel­les „Tages­licht“ in der Küche und gemüt­li­ches war­mes Licht im Wohn­zim­mer – bei­des ist längst strom­spa­rend mög­lich. Kurz­um: Die Glüh­bir­ne ist reif fürs Museum. 

Und ihr so?

P.S.: Inzwi­schen ist die taz-Kolum­ne, auf die ich mich bezie­he, auch online verfügbar.

P.P.S.: Die taz hat der Leser­brief heu­te abgedruckt.

Kurz: Teebenennungen

Ich gebe zu: Ich trin­ke ger­ne das, was gemein­hin als „Yogi-Tee“ bekannt ist. Unser Bio­la­den hat seit eini­gen Mona­ten eine neue Mar­ke für die­se Sor­te Tee im Ange­bot. Ich will da jetzt gar nicht Wer­bung für machen (oder mich der schwie­ri­gen Fra­ge stel­len, wel­che reli­giö­se Gemein­schaft durch den Kauf sol­chen Tees unter­stützt wird), son­dern dar­auf hin­wei­sen, dass es eine lus­ti­ge Deutsch-Eng­lisch-Dis­kre­panz in der Teeben­nen­ung gibt. Die vier Sor­ten, die ich momen­tan hier im Küchen­re­gal ste­hen habe (sie­he Bild), hei­ßen – von links nach rechts – auf deutsch: Kraft & Wär­me – Balan­ce – Visi­on – Ein­klang. Klingt alles ein biss­chen eso­te­risch, und scheint drauf anzu­spie­len, wel­che ech­te oder ver­meint­li­che Wir­kung die jewei­li­ge Mischung aus Tee, Min­ze, Ing­wer, Zimt, Zitro­nen­gras, Sal­bei oder Laven­del haben soll.

Auf eng­lisch tra­gen die sel­ben Tees dage­gen ganz ande­re Namen (zu erwar­ten wäre ja so was wie „Fire – Balan­ce – Visi­on – Harm­o­ny“ gewe­sen, von den deut­schen Beschrif­tun­gen aus­ge­hend). Nein, hier heißt es jetzt: „I am“ – „Harm­o­ny“ – „Deligh­ted“ – „Talk to Me“. Es gibt noch ein paar Sor­ten mehr – viel­leicht wer­de ich sie allein schon der kurio­sen Namen wegen ausprobieren. 

Die eng­li­schen Benen­nun­gen haben den Vor­teil, dass sich damit Sät­ze bil­den las­sen. Ob die Wir­kun­gen sich je nach Auf­ent­halts­ort und damit der „gül­ti­gen“ Beschrif­tung unter­schei­den, müss­te hin­ge­gen noch empi­risch getes­tet werden.

Zehn Bilder aus Genf

Eini­ge wer­den es über Twit­ter, Flickr oder Face­book schon gese­hen habe – letz­te Woche war ich zum „Baby­sit­ten“ in Genf. Abge­se­hen vom Ras­mus-Füt­tern, ‑Wickeln und ‑Her­um­tra­gen hat­te ich also mehr oder weni­ger Urlaub – und den dazu genutzt, trotz eher reg­ne­risch-kal­tem Wet­ter mit Kin­der­wa­gen und Kame­ra durch Genf spa­zie­ren zu gehen. Da sind dann natür­lich jede Men­ge Fotos ent­stan­den. Zehn davon, die für mich einen guten Ein­blick in die Viel­falt Gen­fs geben, möch­te ich hier ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit präsentieren:

People in the light II

Die­se Sze­ne aus dem Ban­ken­vier­tel in der Innen­stadt ent­spricht viel­leicht am ehes­ten den Vor­ur­tei­len, die nor­ma­ler­wei­se mit der Stadt und der Schweiz ver­bun­den wer­den: auf­ge­räumt, grau und reich. Mit noblen Luxus­uh­ren und geheim­nis­tue­ri­schen Pri­vat­ban­ken. Und wich­ti­gen (oder wich­tig­tue­ri­schen?) busi­ness people.

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Evening building

Genf kann aber auch ganz anders aus­se­hen – zwi­schen Bahn­hof Cor­na­vin und der Jugend­her­ber­ge in der Rue Roth­schild erstreckt sich „Les Pâquis“. Und das ist – so jeden­falls mein Ein­druck – eher durch por­tu­gie­si­sche Bäcke­rei­en, indi­sche Restau­rants, asia­ti­sche oder afri­ka­ni­sche Lebens­mit­tel­lä­den, Stu­di­wohn­hei­me, Miets­blö­cke und teu­re Möbel­ge­schäf­te gekenn­zeich­net. Also bunt gemischt. Wie übri­gens auch die Archi­tek­tur, mit einer Ten­denz zur kan­ti­gen Moder­ne (egal, ob Sozi­al­woh­nungs­an­la­ge oder Bank­haus). Die Gen­fer Bevöl­ke­rung hat übri­gens als einer von nur weni­gen Kan­to­nen die Initia­ti­ve zum Mina­rett­ver­bot mehr­heit­lich abgelehnt.

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Geneva night series X

Wäh­rend die „beleb­ten“ Stra­ßen­zü­ge von etwa sie­ben­stö­cki­gen Stadt­häu­ser und Wohn­blocks flan­kiert sind, erstreckt sich im Nor­den der Stadt ein Band inter­na­tio­na­ler Orga­ni­sa­tio­nen in eher soli­tär ste­hen­den Gebäu­den – von der Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on bis zu den Ver­ein­ten Natio­nen. Hier links im Bild: die World Metero­lo­gi­cal Organisation.

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School yard I

Zurück zum Vier­tel süd­lich der Jugend­her­ber­ge. Ein­drucks­voll fand ich einen aus­ge­dehn­ten Kom­plex aus Stadt­teil­zen­trum, Schu­len und Frei­zeit­ein­rich­tun­gen. Hier ist ein Blick auf den Schul­hof zu sehen.

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Stairway II

Die Jugend­her­ber­ge selbst ist (außen) auch eher Beton­mo­der­ne, unser Zim­mer war ganz okay. Vom fünf­ten Stock (lei­der nur von drin­nen – eine Dach­ter­ras­se o.ä. gibt es nicht) gibt es einen schö­nen Blick auf eini­ge Eigen­hei­ten Gen­fs: der Gen­fer See samt den schrof­fen Berg­mas­si­ven eben­so wie die Kon­tras­te zwi­schen noblen Luxus­ge­bäu­den und im wört­li­chen Sin­ne brö­ckeln­den Altbauten.

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Lake with tree

Nicht satt­se­hen konn­te ich mich am Gen­fer See und den Berg­pan­ora­men, in deren Schat­ten die Stadt klein und zusam­men­ge­drängt wirkt. Bei bes­se­rem Wet­ter sicher noch ein­drucks­vol­ler. Eini­ge Dut­zend Bil­der davon mehr sind im Flickr-Stream zu finden.

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Light show VII

Dafür gab es jetzt im Win­ter eine ein­drucks­voll aus­ufern­de Weih­nachts­be­leuch­tung in der Innen­stadt und an der Uferpromenade.

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Painting and unpainting

Aber auch die Innen­stadt ist nicht nur durch graue Monu­men­te, gro­ße Refor­ma­to­ren und Glit­zer­schick gekenn­zeich­net. Aus der Stra­ßen­bahn her­aus erwisch­te ich die­sen Graf­fi­ti­ent­fer­ner auf einem bunt bemal­ten Stromkasten.

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UTOPIE

In einer umge­bau­ten Fabrik mit Muse­en und Künst­ler­ate­liers und dem Cent­re d’art con­tem­po­rain Genè­ve hat­ten wir die Mög­lich­keit, mir die Aus­stel­lung „Uto­pie et Quo­ti­di­en­ne­té“ (zu deutsch: „Uto­pie und All­täg­lich­keit“) anzu­se­hen. Es war etwas müh­sam, inso­fern die Aus­stel­lung auf fran­zö­sisch statt­fand, und zwar Über­set­zun­gen zu allen Tex­ten ger­reicht wur­den, das gan­ze aber sehr kon­zep­tu­ell und text­las­tig daher kam. Ziel der Aus­stel­lung ist es „in Genf und lan­des­weit eine Debat­te dar­über an[zu]regen, wel­che Rol­le Künst­le­rin­nen und Künst­ler im Bil­dungs­pro­zess in und aus­ser­halb von Insti­tu­tio­nen spie­len könn­ten.“ Dazu wur­den künst­le­ri­sche Ansät­ze mit „päd­ago­gi­schem“ Anspruch (z.B. Beuys sozia­le Plas­tik) mit einer Auf­ar­bei­tung reform­päd­ago­gi­scher Expe­ri­men­te und gegen­kul­tu­rel­ler Uto­pien zusam­men­ge­führt. Letzt­lich ging es um Künst­le­rIn­nen, deren Wer­ke nicht im Muse­um hän­gen, son­dern in der sozia­len Pra­xis statt­fin­den und dar­auf zie­len, die­se zu ver­än­dern und zu reflek­tie­ren. Neben dem (kunst-)historischen Blick auf die­se Ansät­ze gehö­ren zu „Uto­pie et Quo­ti­di­en­ne­té“ auch drei Gemein­schafts­pro­jek­te, die vor Ort (und eben nicht im Cent­re) statt­fin­den – trafo.K. und Gabu Heindl mit revo­lu­tio­nä­rem Kunst­un­ter­richt in einer ört­li­chen Schu­le, Nils Nor­man und Tilo Stei­reif mit einer Archiv-Instal­la­ti­on zur Geschich­te von Anar­chie im Bil­dungs­we­sen und Damon Rich und Oscar Tua­zon prä­sen­tie­ren einen „play­ground for adults“ für eine Sied­lung in Vernier.

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The border II

Genf könn­te auch eine fran­zö­si­sche Stadt sein. Oder sowas wie Frei­burg in groß­städ­tisch. Hier sind wir mit der Stra­ßen­bahn bis zu End­sta­ti­on (im Osten) gefah­ren – bis Moil­le­sul­laz. Die­se Stre­cke dau­er­te etwa 20 Minu­ten von der Innen­stadt aus, und die gan­ze Zeit über fuhr die Bahn durch bebau­tes Gebiet (ins­ge­samt drei Gemein­den plus Stadt Genf) – den Berg hoch. Mei­ne Hoff­nung auf Land­schafts­bli­cke erfüll­te sich nicht. Am Anfang der Stre­cke waren eher Vil­len zu sehen, am Ende Wohn­blö­cke. Direkt an der fran­zö­si­schen Gren­ze ende­te die Stra­ßen­bahn dann. Was aber nur an der Grenz­sta­ti­on zu sehen war – die Bebau­ung setz­te sich danach fort. Die Stadt Genf selbst hat nur etwa 180.000 Ein­woh­ne­rIn­nen (und ist auch rela­tiv klein) – mit den umlie­gen­den Vor­or­ten dürf­ten es in der metro­po­li­ta­nen Agglo­me­ra­ti­on deut­lich mehr sein.

War­um blog­ge ich das? Als Diaabendersatz.