Warum willst du nicht hier bleiben? – Darum!

Flight of the seagull II

Eigent­lich ist das mit den Geschlech­ter­ver­hält­nis­sen hier in Deutsch­land doch schon ganz ordent­lich, oder? Also so im Ver­gleich zu ande­ren Län­dern. Tja, denks­te – der Blick von außen ist dann doch erhel­lend. Des­we­gen folgt hier ein (anony­mi­sier­ter) Rant einer Bekann­ten von mir, die seit vie­len Jah­ren in den USA lebt, dort eine erfolg­rei­che Pro­fes­so­rin ist, und jetzt für ein Jahr wie­der nach Deutsch­land zurück­ge­kehrt ist. Ihre Erfah­run­gen damit, wie tief ein­ge­gra­ben über­kom­me­ne Geschlech­ter­rol­len hier­zu­lan­de sind – selbst oder gera­de in einem aka­de­mi­schen Kontext:

Befo­re I moved back to Ger­ma­ny I did not con­sider mys­elf a femi­nist, just a woman, who expects to be trea­ted equal­ly. That’s all. After a year back in Ger­ma­ny I feel like a radi­cal femi­nist activist. 

The main reason I could not see mys­elf living in Ger­ma­ny again per­ma­nent­ly is becau­se of gen­der roles. Over­all I see men here a lot more equal­ly invol­ved in house­hold cho­res, the care of the child­ren, it is not uncom­mon for men to take pater­ni­ty lea­ve; yet even many of tho­se men still boss their fema­le part­ners around tel­ling them how to do what when or orde­ring for them in the restau­rant. I con­duc­ted inter­views here with Ger­mans about their iden­ti­ty, in an attempt to under­stand, how peo­p­le in Ger­ma­ny defi­ne Ger­man­ness and them­sel­ves as Ger­mans. One man (mar­ried to an accom­plished fema­le doc­tor) respon­ded to the ques­ti­on “wer sind Sie und wie wür­den Sie sich beschrei­ben” with the fol­lo­wing “Ich bin Chef. Ich bin der Chef bei der Arbeit. Chef mei­nes Hau­ses und Chef mei­ner Fami­lie.” And that is the atti­tu­de I saw in many places. 

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Kurz: Rauchverbot an ÖPNV-Haltestellen?

Eine Mel­dung aus dem Tages­spie­gel, der durch­aus schon ein Hauch von Som­mer­loch anhaf­tet, infor­miert dar­über, dass die Ber­li­ner CDU sich für rauch­freie Bus- und Stra­ßen­bahn­hal­te­stel­len ein­setzt. Ich fin­de das erstaun­li­cher­wei­se sinn­voll. Erstaun­li­cher­wei­se, weil ich mich noch gut dran erin­nern kann, dass ich – immer schon Nicht­rau­cher – einer von ganz weni­gen in unse­rem grü­nen Kreis­ver­band war, die das Rauch­ver­bot in Knei­pen und Gast­stät­ten vor eini­gen Jah­ren eher skep­tisch beäugt haben. Wegen Frei­heit, und so. 

In den paar Jah­ren hat sich eini­ges getan: Züge, Bahn­hö­fe (weit­ge­hend) und der Innen­be­reich von Gast­stät­ten ist rauch­frei. Die Nor­ma­li­tät hat sich ver­än­dert. Umso mehr fällt der Ziga­ret­ten­qualm in Außen­be­rei­chen oder eben an Bus- und Stra­ßen­bahn­hal­te­stel­len unan­ge­nehm auf. Egal, ob mit Kin­dern oder ohne – rauch­freie öffent­li­che Räu­me habe ich als ech­te Ver­bes­se­rung der Lebens­qua­li­tät schät­zen gelernt. Und aus der Per­spek­ti­ve her­aus spricht viel dafür, das auch auf War­te­be­rei­che aus­zu­deh­nen. Zum Zeit­über­brü­cken gibt es ja Smartphones.

Und die Frei­heit? Fin­de ich an die­sem Punkt inzwi­schen gar nicht mehr so einfach. 

P.S.: Die durch­aus inten­si­ve Debat­te die­ses Bei­trags bei Twit­ter und Face­book führt letzt­lich zu der Fra­ge, ob Pas­siv­rau­chen im öffent­li­chen Raum unter frei­em Him­mel eine hin­zu­neh­men­de, nur sub­jek­tiv stö­ren­de, oder eine beein­träch­ti­gen­de, also tat­säch­lich schäd­li­che, Beläs­ti­gung ist. Womit die Debat­te in den Raum von Exper­tIn­nen und Gegen-Exper­tIn­nen ver­scho­ben wird. Es sei denn, wis­sen­schaft­li­che Evi­denz wird nicht als ein­zi­ges Kri­te­ri­um für die Legi­ti­mi­tät gesell­schaft­lich aus­ge­han­del­ter Freiheitseinschränkungen/Freiheitsgewinne gesehen. 

Gelesen: The Goblin Emperor

"The Goblin Emperor"Lan­ge war Fan­ta­sy für mich ent­we­der J.R.R. Tol­ki­en (den ich ger­ne gele­sen habe), Ursu­la K. Le Guin (hier: Earth­see, die ich ger­ne gele­sen habe), Ter­ry Prat­chett (den ich ger­ne gele­sen habe, weil er ein Fan­ta­sy-Set­ting nur als Set­ting für ange­wand­te Phi­lo­so­phie brauch­te) oder aber Tol­ki­en-Kopien von Hol­bei­netc. (die ich nicht gele­sen habe). Und die „Unend­li­che Geschich­te“ von Micha­el Ende, die aber eher Phan­ta­sie als Fan­ta­sy war. (Na gut, gute Kin­der- und Jugend­bü­cher mit Fan­ta­sy-Hin­ter­grund wür­den mir noch eini­ge ein­fal­len). Jeden­falls war ich lan­ge über­zeugt davon, dass Fan­ta­sy nicht so mei­nes ist. Und dann gibt es noch – auch sehr les­bar – eine gan­ze Rei­he von Autoren und Autorin­nen, die Magie in zeit­ge­nös­si­sche Sze­na­ri­en (z.B. in Kri­mi­nal­ro­ma­ne) ein­bau­en. Aber das ist dann nicht mehr „High Fantasy“.

Erst in jün­ge­rer Zeit habe ich dann ent­deckt, dass High Fan­ta­sy mehr und anders sein kann. G.R.R. Mar­tins Bücher mit ihren grau­schat­tier­ten Intri­gen haben dazu eini­ges bei­getra­gen. Und auch Bran­don San­der­sons „Mistborn“-Bücher habe ich aus ähn­li­chen Grün­den regel­recht ver­schlun­gen. Mit dem Zyklus rund um die „dunk­le Son­ne“ von Gene Wol­fe bin ich dage­gen nicht so rich­tig warm geworden.

Das alles aber nur als Vor­re­de, um auf Kathe­ri­ne Addi­sons The Goblin Emper­or hin­zu­wei­sen. Addi­son ist ein Pseud­onym der Autorin Sarah Monet­te; dass The Goblin Emper­or unter Pseud­onym erschie­nen ist, hat wohl vor allem ver­trags­tech­ni­sche Gründe. 

Das Buch hat zunächst mal alles, was zu High Fan­ta­sy dazu­ge­hört – Elfen und Kobol­de, eine feu­da­le Herr­schafts­struk­tur mit Köni­gen und Prin­zes­si­nen, ver­wun­sche­ne Land­schaf­ten und alte Feh­den. Bei genaue­rem Hin­se­hen befin­det sich das Elfen­kö­nig­reich aber in einer his­to­ri­schen Umbruch­pha­se, die mit „Auf­klä­rung“ sicher­lich nicht falsch beschrie­ben ist. Geschlech­ter­ver­hält­nis­se (dür­fen Frau­en auf Uni­ver­si­tä­ten gehen?) und das Gil­densys­tem – etwa die Uhr­ma­cher – wer­den in Fra­ge gestellt, es gibt eine Art Par­la­ment, und die Tech­nik macht gro­ße Fort­schrit­te. So wer­den Luft­schif­fe ver­wen­det – und der Absturz eines sol­ches ist dann auch der Aus­lö­ser der im Buch erzähl­ten Geschich­te. Der Kai­ser des Elfen­lan­des und sei­ne Thron­fol­ger waren an Bord, was dazu führt, dass der in die länd­li­che Peri­phe­rie ver­sto­ße­ne, gera­de erwach­se­ne und eigent­lich ver­ges­se­ne Maia die Thron­fol­ge antritt und Kai­ser wird. 

Maia ist kein rein­ras­si­ger Elf, sei­ne früh gestor­be­ne Mut­ter war eine Kobol­din. Er ist nicht am Hof auf­ge­wach­sen und hat weder die damit ver­bun­de­ne umfas­sen­de Bil­dung genos­sen noch Ein­blick in die viel­fäl­ti­gen Intri­gen und poli­ti­schen Hin­ter­hal­te, die es an einem Hof so gibt. Maia ist gut­mü­tig, ein biss­chen naiv – und jetzt der mäch­tigs­te Mann im Elfenland. 

Das 2014 erschie­ne­ne Buch ist ein biss­chen Coming-of-Age, und ein biss­chen eine Para­bel dar­über, wie wenig Macht mit schein­bar mäch­ti­gen Posi­tio­nen ver­bun­den ist, und wel­che Kom­pro­mis­se getrof­fen wer­den müs­sen, um in einem hoch­po­li­ti­schen Umfeld poli­tisch am Leben zu blei­ben – und trotz­dem die eine oder ande­re Ver­än­de­rung anzu­sto­ßen. Das fand ich wie­der­um sehr rea­lis­tisch. Die eine oder ande­re Stel­le erin­ner­te mich regel­recht an die Erfah­run­gen, die Grün-Rot in Baden-Würt­tem­berg so machen musste. 

Ins­ge­samt jeden­falls sehr emp­feh­lens­wert, egal, ob um der Intri­gen und der Poli­tik wil­len gele­sen, oder weil die Welt, die Kathe­ri­ne Addi­son hier auf­baut, eine sehr lie­be­voll und detail­reich gestal­te­te Alter­na­ti­ve zu den übli­chen High-Fan­ta­sy-Kli­schees dar­stellt. Und das geht auch mit sehr viel weni­ger Blut­ver­gie­ßen als bei Tol­ki­en, Mar­tin oder Sanderson.

Der Anfang des Buches steht online zur Ver­fü­gung – aber Vor­sicht; wer sich in Mai­as Weg zum Thron hin­ein liest, möch­te auch wis­sen, wie es wei­ter­geht. Eine Fort­set­zung ist übri­gens – auch das anders als bei vie­len ande­ren Wer­ken in die­sem Umfeld – nicht geplant.

Plätze machen Städte

2014-wiese-statt-steinwüste

Frei­burg nennt sich ja manch­mal „Green City“. Je nach­dem, was genau unter „grün“ in die­sem Zusam­men­hang ver­stan­den wird, durch­aus zu Recht. Das Vau­ban-Vier­tel ist ein gelun­ge­nes sozi­al-öko­lo­gi­sches Expe­ri­ment, über das Rie­sel­feld lie­ße sich ähn­li­ches sagen, es gibt Rad­ex­press­we­ge, Stra­ßen­bah­nen, Tofu­brat­würs­te, Wind­rä­der, grü­ne Wahl­er­geb­nis­se, einen grü­nen OB und ein Milieu, das durch­aus schon in das ein­schlä­gi­ge Lied­gut Ein­gang gefun­den hat.

Wer durch die Innen­stadt geht, das Flair des Müns­ter­markts und die Hän­ge des Schwarz­walds bewun­dert, sieht davon aller­dings nicht unbe­dingt etwas. Oder, ganz stimmt das nicht: der Rott­eck­ring zwi­schen dem Stadt­thea­ter mit poli­ti­schem Anspruch, der Uni­ver­si­tät, die jetzt auf Nach­hal­tig­keit setzt, und dem neu­en Kris­tall­pa­last der Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek ist für den Auto­ver­kehr gesperrt und wird noch nicht von den geplan­ten Stra­ßen­bahn­li­ni­en durch­kreuzt. Nur Fahr­rad­fah­re­rIn­nen und Fuß­gän­ge­rIn­nen que­ren – in Frei­burg-übli­chen Mas­sen den Platz.

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Links, zwei, drei

2014 pol compass

Die Debat­te dar­um, ob Bünd­nis 90/Die Grü­nen eine lin­ke Par­tei sind – was für mich lan­ge eine Selbst­ver­ständ­lich­keit war – dreht mal wie­der auf. In die­sem Blog­bei­trag will ich zunächst ver­su­chen, die unter­schied­li­chen Ebe­nen zu sor­tie­ren, auf denen die­se Fra­ge dis­ku­tiert wird.

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