Kurz: Google Kafka

Dar­an, dass die Face­book-App jedes zwei­te Mal, wenn ich sie öff­ne, irgend­wel­che Ände­run­gen am User Inter­face durch­ge­macht hat, habe ich mich ja schon gewöhnt. Trotz­dem: Es bleibt irgend­wie unheim­lich, die­ser Kon­troll­ver­lust. Nicht in dem Sin­ne, wie mspr0 das Wort ver­wen­det – also als Ver­lust der Kon­trol­le über das Nach­le­ben von Äuße­run­gen und Daten – son­dern als Ver­lust der Kon­trol­le über unse­re Rech­ner. Nicht nur in App­les wal­led gar­den, son­dern eben­so in der offe­nen Android-Umge­bung lau­fen im Hin­ter­grund stän­dig Updates. Und dann kann es pas­sie­ren, mor­gens auf­zu­wa­chen und fest­zu­stel­len, dass der ‚Android Mar­ket‘ – die App, um Apps zu instal­lie­ren – sich in einen Käfer ver­wan­delt hat und jetzt ‚Goog­le Play‘ heißt, neu aus­sieht und eine neue AGB mit­bringt. Oder dass die Such­leis­te plötz­lich anders aussieht.

Ich wür­de mich nicht wun­dern, obwohl es mich sehr irri­tie­ren wür­de, wenn eines Nachts das Betriebs­sys­tem auf Android 4.0 geup­dated wur­de und dann alles anders aussieht. 

War­um emp­fin­de ich das als Kon­troll­ver­lust, als klei­ne Ohn­macht? Weil PCs und auch Tele­fo­ne bis­her die­se schein­ba­re Eigen­in­itia­ti­ve nicht gezeigt haben. (Fir­men­netz­wer­ke las­se ich mal außen vor). Und weil ein Smart­phone ein sehr per­sön­li­cher Gegen­stand ist, lie­be­voll per­so­na­li­siert. Aber einem eben dann doch nicht ganz gehört, was in sol­chen Momen­ten deut­lich wird.

P.S.: Alter­na­ti­ver Titel: das un/heimliche Smartphone

P.P.S.: In der taz sehe ich gera­de ein pas­sen­des Inter­view zur Free-Android-Kampagne.

In eigener Sache: Einblick in die Zugriffsstatistik

Mich wür­de ja inter­es­sie­ren, ob das in ande­ren C‑Le­vel-Blogs (wäre jeden­falls mei­ne Selbst­ein­schät­zung) auch so aussieht. 

Also ers­tens, dass es an „nor­ma­len“ Tagen laut Word­Press-Zäh­lung so um die hun­dert Arti­kel­zu­grif­fe („Views“) gibt, und zwei­tens, dass der Febru­ar 2012 alles ande­re als nor­mal ver­lau­fen ist. Mit über 6000 Views ist er nach dem März 2011 (Wahl in Baden-Würt­tem­berg, Fuku­shi­ma) der Monat mit den meis­ten Zugrif­fen in mei­nem Blog bisher. 

Einen ers­ten klei­nen Peak gab es mit mei­nem Arti­kel zu den ACTA-Demos am 11. Febru­ar. So rich­tig hoch­ge­zo­gen sind die Zugriffs­zah­len aber erst mit Wulff-Rück­tritt und der Debat­te um die Gauck-Nomi­nie­rung. Ich habe dazu vier Blog­tex­te ver­fasst: Plä­doy­er für eine Prä­si­den­tin, Der Kan­di­dat der natio­na­len Ein­heit, Reden wir noch, oder schrei­ben Sie schon? und last but not least die inner­halb weni­ger Tage zum zweit­meist­ge­le­se­nen Text mei­nes Blogs arri­vier­te Ana­ly­se Gauck auf der Gold­waa­ge (bei dem ich dann iro­ni­scher­wei­se erst­mal ver­ges­sen habe, ein VG-Wort-Zähl­pi­xel ein­zu­bau­en – wer will, darf mei­nen mit dem Schrei­ben der Ana­ly­se ver­brach­ten feh­len­den Schlaf ger­ne bei Flattr ent­schä­di­gen).

Inter­es­sant sind dabei auch die Quel­len die­ser Zugrif­fe: Neben Face­book und Twit­ter waren es vor allem Erwäh­nun­gen im Kom­men­tar­be­reich von „Leit­blogs“ in der Gauck-Debat­te (in einem der FAZ-Blog-Tex­te von Julia See­li­ger, bei publi­ka­ti­ve mit dem im Gold­waa­ge-Text ana­ly­sier­ten Zitat sowie bei Ana­tol Ste­fa­no­witsch).

Was mich noch mehr als die nach einer lan­gen Durst­stre­cke end­lich mal wie­der greif­ba­ren Zugriffs­zah­len gefreut hat, ist die Tat­sa­che, dass die Tex­te dann in der Tat auch (für mei­ne Blog-Ver­hält­nis­se) rege dis­ku­tiert wur­den, und dass damit viel­leicht auch ein Bei­trag zum Niveau des Dis­kur­ses ins­ge­samt gelie­fert wur­de. Und das, also die direk­te Debat­te, ist ja – neben der indi­vi­du­el­len Soap-Box – dann doch eine ziem­lich wich­ti­ge Funk­ti­on eines Blogs, fin­de ich. 

War­um blog­ge ich das? Vor allem aus Neu­gier­de dar­über, wie es anders­wo aus­schaut. Und um davon abzu­len­ken, dass das alles auch dar­an gele­gen haben könn­te, dass ich mir im Febru­ar dank Faschings­fe­ri­en end­lich mal wie­der Zeit neh­men konn­te, die Ereig­nis­se des Monats im Blog zu begleiten.

Die digitale Revolution geht auf die Straße

Heu­te durf­te ich auf der Stutt­gar­ter Stopp-ACTA-Demo für Bünd­nis 90/Die Grü­nen eine kur­ze Rede hal­ten. Da waren etwa 2500 Men­schen, wie bei der letz­ten ACTA-Demo (bei der ich in Frei­burg war) vie­le Jün­ge­re. In Stutt­gart mas­siv prä­sent waren die loka­len Pira­ten, die wohl auch die Demo orga­ni­siert haben. 

Anbei nun mein Rede­zet­tel, den ich aller­dings nicht 1:1 abge­le­sen habe. Wer lie­ber den Wort­laut der Rede sehen will, kann hier das Video davon auf You­tube anse­hen (mit Dank an Alvar Freu­de fürs Fil­men; Update 26.02.: Link korrigiert).

Lie­be Leute,

ich hat­te ja erst über­legt, ob ich es bei 140 Zei­chen belas­sen soll, aber ein biss­chen mehr habe ich schon zu sagen. Mein Name ist Till Wes­ter­may­er, bei Twit­ter unter dem Hand­le _tillwe_ zu fin­den, und ich bin heu­te hier als Ver­tre­ter von Bünd­nis 90/Die Grü­nen Baden-Würt­tem­berg. Ich über­brin­ge euch die Grü­ße und die Unter­stüt­zung der GRÜNEN in Baden-Würt­tem­berg, im Bund und in Europa!

Wir GRÜNE unter­stüt­zen die Pro­tes­te gegen ACTA. Zusam­men haben wir schon eini­ges bewegt. In vie­len euro­päi­schen Staa­ten wur­de die Unter­zeich­nung des ACTA-Abkom­mens „zurück­ge­stellt“ – was auch immer das hei­ßen mag. Die Kom­mis­si­on hat den Ent­wurf nun dem Euro­päi­schen Gerichts­hof zur Über­prü­fung vor­ge­legt. Das ist der Erfolg von uns allen, die wir gegen Abkom­men und Geset­ze wie ACTA pro­tes­tie­ren, im Par­la­ment und auf der Stra­ße. Aber die­ser Erfolg darf uns nicht täu­schen: ACTA ist noch nicht tot! 

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Kurz: Reden wir noch, oder schreiben Sie schon?

Auch Lobo wirft sich jetzt auf die „Stil­le Post im Netz“. Haupt­the­se: Kor­rekt zitie­ren, ordent­lich jour­na­lis­tisch arbei­ten – das gehört zur Medi­en­kom­pe­tenz einer guten deut­schen Social-Media-Nut­ze­rIn dazu. (Neben­bei: Dass der Vor­wurf der Ver­kür­zung die­je­ni­gen, die eine kri­ti­sche Mei­nung zu Joa­chim Gauck geäu­ßert haben, nur so halb trifft, zeigt Ana­tol Ste­fa­no­witsch im Sprach­log). Ordent­lich jour­na­lis­tisch arbei­ten, im Netz, sonst wird das nichts mit der poli­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on dort.

Ich weiß jetzt, war­um mich die­se Aus­sa­ge irri­tiert: Weil Sascha Lobo Twit­ter auf das Zitie­ren und Ret­wee­ten ver­kürzt, das sozia­le Netz als Netz­werk aus Zita­ten dar­stellt. Ja. Das ist es auch. Aber gera­de Twit­ter ist eben auch Kon­ver­sa­ti­on. Eine Form einer tex­tu­el­len Kul­tur der Münd­lich­keit. Mehr Gere­de als Geschriebenes. 

Natür­lich: Die digi­ta­le Dif­fe­renz der Spei­cher­bar­keit, Durch­such­bar­keit und iden­ti­schen Kopier­bar­keit unter­schei­det Twit­ter vom leb­haf­ten Gespräch in der Knei­pe. Eine Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Kon­ver­sa­ti­ons­form sui gene­ris, viel­leicht. Eine, bei der noch immer nicht so ganz klar ist, was eigent­lich die sozia­len Nut­zungs­re­geln sind (damit mei­ne ich nicht die for­ma­len, auf­schreib­ba­ren, son­dern die Erwar­tun­gen an die damit ver­bun­de­nen Praktiken). 

Wenn ein Poli­ti­ker eine ande­re Poli­ti­ke­rin auf Twit­ter neckt, ist dass dann zitier­bar? Jour­na­lis­tisch ver­wert­bar? Oder hat’s eher den Sta­tus des zufäl­lig in der Bun­des­tags­kan­ti­ne belausch­ten Aus­tauschs in der Essens­schlan­ge? Und wenn da einer sagt: „Gauck sei doch für Sar­ra­zin“ – ist das dann a. ver­werf­li­che, unin­for­mier­te, dum­me Kam­pa­gne, eine b. ver­kürz­te münd­li­che Mei­nungs­äu­ße­rung oder c. das not­wen­di­ge Grund­rau­schen der Mei­nungs­bil­dung des poli­ti­schen Twit­ters, die eben nicht in Form geschlif­fe­ner Essays stattfindet?

P.S.: Kul­tur­sen­dun­gen im Radio sind sozu­sa­gen das Gegen­teil davon: ver­skrip­te­te Mündlichkeit.

Die Kinder der digitalen Revolution

Ganz ehr­lich: Ich kann mich nicht mehr dar­an erin­nern, wel­ches die ers­te Demo war, an der ich teil­ge­nom­men habe. Asyl­recht, Golf­krieg, hier in Frei­burg die Pro­tes­te gegen die Abhol­zung des Kon­rad-Gün­ther-Parks oder eine Akti­on zum Cas­tor oder zu Fes­sen­heim – irgend­et­was davon wird es gewe­sen sein, Anfang der 1990er Jah­re. Bei der heu­ti­gen Demo gegen das ACTA-Abkom­men kam ich mir dage­gen rich­tig alt vor. Ganz vie­le Schü­le­rIn­nen, ver­mut­lich war es für einen gro­ßen Teil davon die ers­te Demo. 

Ins­ge­samt, so wür­de ich schät­zen, gut 1000 Men­schen, die in Frei­burg den Minus­gra­den zum Trotz „Stop ACTA“ gebrüllt haben, und diver­sen Red­nern – der jüngs­te davon 14 Jah­re alt – zuge­hört haben. Für uns Grü­ne hat Stadt­rat Timo­thy Simms gere­det, mir hat’s gut gefal­len, was er gesagt hat. 

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