Wer mir z.B. auf Twitter folgt, wird sich nicht darüber wundern, dass ich durchaus einige Zeit „im Internet“ (pdf) verbringen kann. Dass „das Internet“ dabei eher den Charakter eines fortlaufenden Stromes hat, ist eine der netteren (und addiktiveren) Eigenschaften speziell dieses Medienbündels. Blogs, Twitter, Facebook – all das sind Medien, die alle paar Minuten wieder etwas Neues bieten. Oder – und dann macht sich eine gewisse Verzweiflung breit – eben nicht.
Work in progress: Für eine linke, grüne Netzpolitik (Version 0.1)
Vorbemerkung
Der folgende Text ist ein Entwurf. Teils Blogeintrag, teils erste Fassung eines Manifests für eine grüne, linke Netzpolitik, beruht der Text maßgeblich auf den Diskussionen des Workshops „Netzpolitik“ beim Kongress „grün.links.denken“. In diesem Pad* kann an diesem Text weitergearbeitet werden. Ich bin gespannt – auch auf Kommentare derjenigen, die die Ausgangsthesen nicht teilen.
[Ergänzung 0:08 Und weil es dazu auf Twitter noch einen heftigen Schlagabtausch gab: Das Papier ist nicht als Angriff auf den anderen grünen Flügel gemeint. Klar ist vieles von dem, was ich anhand linker grüner Grundwerte (also nicht alleinig linksgrüner oder „flügellinker“ Grundwerte!) an Positionen ableite, in der Partei Konsens. Oder es scheint zumindest so zu sein. Ich bin überzeugt davon, dass es gut ist, wenn wir uns gerade in einer Zukunftsfrage wie der Netzpolitik auch in unserer Partei in eine programmatische Auseinandersetzung begeben – zwischen den Flügeln und über diese hinweg, aber vor allem auch mit denen, die Netzpolitik als vielleicht gerade modisches Nischenthema abtun. Ich glaube, dass bei dieser über den Zirkel der Netzpolitiker_innen hinausgehenden Debatte durchaus Differenzen und unterschiedliche Gewichtungen sichtbar werden. Darüber müssen wir reden – und da sind die Flügel als Diskursgeneratoren ein richtiger Ort, um so eine Auseinandersetzung anzufangen!]
I. Das politische Feld und sein Gegenstand
In den letzten Jahren hat sich Netzpolitik zu einem ausgewachsenen politischen Feld entwickelt. Das Netz, die zentrale Infrastruktur unserer globalen Netzwerkgesellschaft, und alle damit verbundenen Entwicklungen sind durch und durch politisch.
Am Netz hängen Fragen wie die nach gesellschaftlicher Teilhabe und nach der Art und Weise, wie Arbeit, Bildung und Demokratie in Zukunft ausgestaltet sein sollen. Das Netz ist ein transnationaler Raum – gleichzeitig ist es weder immateriell noch extraterritorial. Unter allen Apps und Kommunikationsströmen liegen Kabel und Rechenzentren. Grün gedacht: Energie und Rohstoffe. Und klar: die Gesetze, ob sie jetzt passen oder nicht, gelten auch dann, wenn Kommunikationen und Transaktionen im Internet stattfinden.
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Der Fluss ohne Form. Eine Kritik der Liquid Culture Declaration
Jörg Blumtritt, Benedikt Köhler und Sabria David haben vor einigen Wochen eine Erklärung abgegeben – die Declaration of Liquid Culture.
Dem Spiel mit dem Adjektiv liquid (flüssig, auch: liquide, zahlungsfähig; vielleicht auch sowas wie das neue open) entsprechend nehmen die AutorInnen als ihr Leitmotiv das Bild des Flusses der Geschichte, der jetzt – an den Marschlanden der Postmoderne vorbei – in die konturenlose offene See der Gegenwart fließt. Orientierung auf diesem Meer – im Zusammenhang mit dem Internet kein neues Bild (Bickenbach/Maye 1997) – geben nur noch die Sterne.
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In eigener Sache: Essay über Netz und Politik bei dradio.de
Unter dem Label diskurs.dradio.de betreibt der Deutschlandfunk ein Debattenportal, in dem zur Zeit über verschiedene Aspekte von Politik, Medien und Öffentlichkeit in Zeiten der Digitalisierung diskutiert wird. Netterweise durfte ich auch ein Essay für dieses Portal schreiben, das heute unter dem Titel „Fest, flüssig, flüchtig: Aggregatzustände des Politischen im Netz“ veröffentlicht wurde und natürlich unbedingt lesenswert ist.
Eigentlich wollte ich ja darüber schreiben, dass hinter den scheinbar so flüchtigen Protestformen im Netz und mit dem Netz keineswegs flüchtigere soziale Formationen und Milieus stehen, als das bei anderen politischen Aktivitäten der Fall ist.
Diesen Vorsatz einzuhalten ist insofern misslungen, als ich festgestellt habe, dass ich dann doch erst einmal meine techniksoziologisch und praxistheoretisch geprägte Sicht auf „das Netz“ loswerden musste – in einem ersten Teil, der mit der (wie ich finde) schönen Tautologie „Das Netz ist das Netz.“ beginnt. Eine Schlussfolgerung dieses ersten, allgemeinen Teils des Essays ist die Beobachtung, dass es paradoxerweise gerade in den sich überlappenden Teilöffentlichkeiten des Netzes notwendig wird, als Person, als Ganzheit aufzutreten – und damit die funktionale Differenzierung der luhmannianischen Moderne ein Stück weit zu überwinden.
Der zweite Teil des Essays widmet sich dann doch noch den flüchtigen Protestformen, und vergleicht die Netzbewegung (ja, auch die Piratenpartei) mit den neuen sozialen Beweegungen der 1970er und 1980er Jahre, und deren milieubildenden Arrangements.
Und nun würde mich interessieren, ob das geehrte Publikum den Text und die darin aufgestellten Thesen einigermaßen nachvollziehbar findet.
Westermayer, Till (2012): »Fest, flüssig, flüchtig: Aggregatzustände des Politischen im Netz«, diskurs.dradio.de, Debattenportal des Deutschlandfunk, 26.03.2012, URL: http://diskurs.dradio.de/2012/03/26/fest-flussig-fluchtig-aggregatzustande-des-politischen-im-netz/.
Kurz: Google Kafka
Daran, dass die Facebook-App jedes zweite Mal, wenn ich sie öffne, irgendwelche Änderungen am User Interface durchgemacht hat, habe ich mich ja schon gewöhnt. Trotzdem: Es bleibt irgendwie unheimlich, dieser Kontrollverlust. Nicht in dem Sinne, wie mspr0 das Wort verwendet – also als Verlust der Kontrolle über das Nachleben von Äußerungen und Daten – sondern als Verlust der Kontrolle über unsere Rechner. Nicht nur in Apples walled garden, sondern ebenso in der offenen Android-Umgebung laufen im Hintergrund ständig Updates. Und dann kann es passieren, morgens aufzuwachen und festzustellen, dass der ‚Android Market‘ – die App, um Apps zu installieren – sich in einen Käfer verwandelt hat und jetzt ‚Google Play‘ heißt, neu aussieht und eine neue AGB mitbringt. Oder dass die Suchleiste plötzlich anders aussieht.
Ich würde mich nicht wundern, obwohl es mich sehr irritieren würde, wenn eines Nachts das Betriebssystem auf Android 4.0 geupdated wurde und dann alles anders aussieht.
Warum empfinde ich das als Kontrollverlust, als kleine Ohnmacht? Weil PCs und auch Telefone bisher diese scheinbare Eigeninitiative nicht gezeigt haben. (Firmennetzwerke lasse ich mal außen vor). Und weil ein Smartphone ein sehr persönlicher Gegenstand ist, liebevoll personalisiert. Aber einem eben dann doch nicht ganz gehört, was in solchen Momenten deutlich wird.
P.S.: Alternativer Titel: das un/heimliche Smartphone
P.P.S.: In der taz sehe ich gerade ein passendes Interview zur Free-Android-Kampagne.