Sind die Grünen reif für Männer, die „Frauenthemen“ ernst nehmen?
Bei den Grünen wird ja derzeit weiterhin ein/e Nachfolger/in für Reinhard Bütikofer gesucht. Neben allgemeiner Unlust und anderen Karriereplänen gibt es ein interessantes Phänomen bei den derzeit für die Bewerbung um diesen Posten absagenden – eine ernst genommene egalitäre Familienkonzeption. Ulrike Winkelmann schreibt in der taz dazu:
Hermenau ist dabei nicht die Einzige, die auf ein Kind verweist. Die Männer tun dies meist nicht ganz so offen – einmal abgesehen vom schleswig-holsteinischen Landeschef Robert Habeck (siehe Interview). Es stellt sich heraus, dass die jüngeren grünen Männer mit der Emanzipation jedenfalls insoweit Ernst machen, als Sie sich auch an die Lebenspläne ihrer Partnerin gebunden fühlen – da ist ein Umzug nach Berlin mit allem, was der Bundesvorsitz an familienfeindlichen Strapazen verspricht, nicht selbstverständlich.
In der Frankfurter Rundschau beschreibt Vera Gaserow das Phänomen als „Generation Kann-gerade-nicht“ – und sagt zwar, „dass die Grünen-Nachwuchsgeneration auf die Unvereinbarkeit von Familie und Politik hinweist, dass sie durch ihr Selbstverständnis innerfamiliärer Rollenverteilung dafür empfindlicher ist als andere, das macht sie sympathisch“, geht aber dann doch von eigentlich vorgeschobenen Gründen aus. Ich glaube das nicht. In dieser – mehr oder weniger auch meiner – Generation gibt es (sicherlich unterschiedlich ausgeprägt) tatsächlich ein anderes Verständnis von Geschlechtergerechtigkeit, familiärer Arbeitsteilung und Egalität als noch bei Fischer oder gar Gedöns-Schröder. Zumindest in bestimmten Kreisen ist Emanzipation tatsächlich zu einem Selbstverständlichkeitsanspruch gefordern.
Das ist auch gut so, aber damit stehen Bündnis 90/Die Grünen gleichzeitig vor einer Herausforderung, die etwas mit der eigenen Programmatik zu tun hat, die aber – wenn ich die Zeichen der Zeit richtig deute – auch ganz andere Organisationen, etwa in der Wirtschaft, betrifft: an die Stelle von Mann/Karriere-Frau/zuhause mit Kind und Double-Income-No-Kids sind heute in meiner Generation vielfach Familiengründungswünsche getreten, die egalitäre gemeinsame Verantwortung, Karriere- und Kinderwünsche zusammenbringen. Anders gesagt: auch jüngere Männer stehen jetzt vor dem „Frauenproblem“, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen. Mit 60-Stunden-Jobs ist das offensichtlich nicht möglich. Einen – ich benutze jetzt bewusst die männlichen Formen – Teilzeitbundesvorsitzenden, Teilzeitminister, Teilzeitbürgermeister, Teilzeitkonzernchef oder auch Teilzeitabteilungsleiter sieht unsere Gesellschaft allerdings bisher nicht vor. Genau dieses Dilemma werden auch die Grünen so schnell nicht lösen können; vermutlich wird’s dann doch wieder ein Mann oder eine Frau ohne familiäre Verpflichtungen (oder mit einer nichtegalitären Famileinvorstellung). Aber dass es jetzt im Raum steht, und dass damit ein Problem umrissen wird, das eben auch zur Implementation des postbürgerlichen grünen Wertespektrums dazugehört, ist wichtig. Ein Beispiel dafür, dass eine Partei durchaus Vorreiterfunktionen in derlei Belangen einnehmen kann, ist die Quote: in den 1980er Jahren bei den Grünen eingeführt, gibt es jetzt zunehmend ernsthaftere Überlegungen, sie auch anderswo zu übernehmen. Norwegen mit seiner 40%-Quote für Aufsichtsräte (im übrigen: eine Quote für Männer und für Frauen!) ist hier nur die Spitze eines in den nächsten Jahren auftauchenden Eisbergs.
Warum blogge ich das? Weil das Beispiel ein schönes Schlaglicht auf ein Thema wirft, das mir sowohl politisch als auch wissenschaftlich wichtig ist. Und das zeigt, dass „Gender“ schon längst keine Frauenfrage mehr ist.
Karlsruhe verbietet Zugriff auf Vorratsdaten
In einem Eilentscheid hat das Bundesverfassungsgericht den verdachtsunabhängigen Zugriff auf gesammelte „Vorratsdaten“ über Telefonverbindungsdaten außer Kraft gesetzt. Gut so!
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung begrüßt die heute verkündete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die von CDU, CSU und SPD beschlossene verdachtslose Sammlung der Verbindungs- und Standortdaten der gesamten Bevölkerung (Vorratsdatenspeicherung) durch einstweilige Anordnung einzuschränken. Die Verfassungsrichter entschieden: „In dem Verkehrsdatenabruf selbst liegt ein schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG (Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses). Ein solcher Datenabruf ermöglicht es, weitreichende Erkenntnisse über das Kommunikationsverhalten und die sozialen Kontakte des Betroffenen zu erlangen.“ […] Ralf Bendrath vom Netzwerk Neue Medien und aktiv im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung betont: „Das Verfassungsgericht ist bei Eilentscheidungen traditionell zurückhaltend. Dass die Richter in diesem Fall die Weitergabe der Daten auf die Verfolgung schwerer Straftaten beschränkt haben, zeigt, dass hier ein gravierender Grundrechtseingriff vorliegt. (Pressemitteilung des AK Vorratsdatenspeicherung).
Denn obwohl der Beschluss formal nur ein Teilsieg für die Gegner der Vorratsdatenspeicherung bedeutet, ist es ein höchst signalmächtiger: Karlsruhes Spruch stellt faktisch den Status Quo vor Einführung der anlassunabhängigen Datenspeicherung wieder her. Denn das ist der Clou des in dieser Hinsicht salomonischen Beschlusses: Es erlaubt zwar noch das Sammeln von Daten, nicht aber den beabsichtigten verdachtsunabhängigen Vollzugriff darauf. Auch weiterhin heiligt der Zweck auch für den Staat nicht die Mittel, Karlsruhe mahnt mit seinem Beschluss, die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel zu achten. (Frank Patalong, Spiegel Online).
Und natürlich die Einschätzung der Situation bei Markus, die Sicht von Bundesdatenschützer Peter Schaar, ein Telepolis-Artikel, die Bürgerrechtspresseerklärung der Bundesgrünen und nicht zuletzt die (leider noch nicht online stehende) Pressemitteilung der baden-württembergischen Grünen, in der es heißt:
„Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ein wichtiger Etappensieg für den Rechtsstaat. Damit erteilen die Richter den Überwachungsphantasien der Großen Koalition einmal mehr eine Absage“, erklärte Mouratidis, der sich selbst an der Sammelklage gegen die Vorratsdatenspeicherung beteiligt hat.
Warum blogge ich das? Weil mir das Thema wichtig erscheint, und hier neues bürgerschaftliches Engagement vieler tatsächlich mal was bewegt hat.
WordPress als CMS-Ersatz für grünen Kreisverband – Betatest (Update 3)
Hier findet sich greenchameleon‑0.9.zip (Readme inside). Hinweise auf erfolgreiche und erfolglose Einsätze gerne als Kommentar zu diesem Eintrag, ebenso Bugs etc.
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(19.03.2008) Für unserer grünen Kreisverband bin ich seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem guten CMS (Content Management System). Der Bundes- und der Landesverband bieten gegen relativ hohe Kosten mit relativ geringen Spielräumen Typo3-basierte CMS für grüne Kreisverbände an, dann gibt’s noch Initiativen wie die von Hartmut Wauer vom KV Wangen, die
freie Alternativen verwenden, hier Joomla, und ein bißchen günstiger sind. Aber irgendwie war’s das alles nicht: für das, was ein mittelgroßer Kreisverband wie unserer so macht, ist ein CMS eher overkill. Als Alternative hat sich jetzt – ebenfalls bei Hartmut gehostet – WordPress angeboten. Nach Ostern werde ich das Ergebnis offiziell freischalten, aber wer möchte, kann schon mal gucken und ausprobieren.
Update: (22.03.2008) Für alle experimentierfreudigen WordPress-NutzerInnen aus dem grünen Umfeld: hier findet sich greenchameleon‑0.9.zip (Readme inside). Hinweise auf erfolgreiche und erfolglose Einsätze gerne als Kommentar zu diesem Eintrag, ebenso Bugs etc.
Update 2: (23.03.2008) Abgesehen von einem etwas mysteriösen (und sporadischen) Mitternachtsfallback auf das Defaultthema scheint das ganze soweit zu laufen – deswegen habe ich die Site jetzt auch offiziell freigeschaltet und von der alten Website her eine Umleitung gelegt.
Schwarz-grün und das Fünf-Parteien-System
Heute im Spiegel:
Günther Oettinger (CDU) ist der erste führende Unionspolitiker, der für eine schwarz-grüne Zusammenarbeit auf Bundesebene schon 2009 plädiert […] Die Grünen forderte Oettinger auf, sich zwischen SPD und Linkspartei auf der einen und CDU und FDP auf der anderen zu entscheiden.
Genau so nicht! Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Situationen geben kann, in denen in einer schwarz-grünen Koalition sachlich einfach mehr zu erreichen ist als durch Oppositionspolitik, ebenso, wie ich überzeugt davon bin, dass die sachlichen Übereinstimmungen zwischen SPD, Grünen und Linkspartei (also rot-grün-rot) meistens deutlich größer sind als in einem schwarz-grünen Bündnis. Sich deswegen von vorneherein auf einen „Linksblock“ festzulegen, halte ich jedoch genauso falsch und vorgestrig wie das, was Oettinger hier fordert: nämlich wirklich zur neuen FDP zu werden. Wer schwarz-grüne Koalitionen möchte, muss meine ich ganz klar machen, dass es dabei nicht um die Wiedervereinigung des Bürgertums mit seinen verlorenen Söhnen (und Töchtern) geht, wie einige – auch aus der SPD – das gerne darstellen, sondern um eine Zusammenarbeit aus einem an Pragmatismus und dem Willen zur Problemlösung orientierten Politikverständnis.
Links: Die CDU mag Lagerwahlkämpfe, scheint mir. Rechts: 79 %.
Das heißt im übrigen auch, dass Lagerwahlkämpfe dann der Vergangenheit angehören sollten – im Zweifelsfall heißt ein Lager-Wahlkampf nämlich: große Koalition. Erst recht mottenkistig ist jedoch der Versuch, Grüne ins schwarze Bett zu ziehen. Dafür sollten wir uns als Partei schlichtweg zu schade sein. Aus der Perspektive finde ich übrigens auch einiges falsch, was gerade in Freiburg läuft, aber das wäre einen eigenen Blog-Eintrag wert.
Warum blogge ich das? Weil ich es falsch finde, schwarz-grün prinzipiell abzulehnen, aber die CDU es einem schwer macht, mögliche sachorientierte Mehrheiten aus links-grüner Perspektive zu verteidigen.