Vor der Entscheidung: Drei-Rektoren-Jahr oder erste Frau im Amt?

550 years I
Dar­um geht es: wer wird
zukünf­tig im Rek­to­rat sitzen?

Die Badi­sche Zei­tung (Hin­weis via Grü­nes­Frei­burg) berich­tet, dass das Feld der drei­zehn Bewer­be­rIn­nen um die Rek­to­rats­nach­fol­ge für die Uni­ver­si­tät Frei­burg nach der Ent­schei­dung der Fin­dungs­kom­mis­si­on auf eine Zwei­er­lis­te geschrumpft ist. Auf der ste­hen jetzt noch die Deka­nin der Phi­lo­lo­gi­schen Fakul­tät und lang­jäh­ri­ge Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­te der Uni, Prof. Dr. Eli­sa­beth Che­au­ré (Sla­wis­tik) und der Dekan der Medi­zi­ni­schen Fakul­tät, Prof. Dr. Chris­toph Peters (Mole­ku­lar­me­di­zin).

Wenn das so stimmt, han­delt es sich hier tat­säch­lich um eine sehr span­nen­de Kon­stel­la­ti­on: lang­jäh­ri­ges poli­ti­sches Enga­ge­ment in der Uni vs. Pro­fi­lie­rung in der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve, Geis­tes­wis­sen­schaft vs. tech­ni­sche Natur­wis­sen­schaft, und nicht zuletzt natür­lich auch die ers­te Frau vs. ein wei­te­rer Mann in der lan­gen Rei­he der Frei­bur­ger Rektoren. 

Die Ent­schei­dung über die­se Fra­gen trifft am Mon­tag der Uni­ver­si­täts­rat, der aus sechs exter­nen und fünf inter­nen Mit­glie­dern besteht. Je nach­dem, wer gefragt wird, wird hier eine – die Tei­lung nach intern/extern über­grei­fen­de – Pro­gno­se von 5:6 für den Kan­di­da­ten oder für die Kan­di­da­tin abge­ge­ben; jeden­falls sieht nie­mand mehr als eine knap­pe Mehr­heit. Die Ent­schei­dung des Uni­ver­si­täts­rats wird dann am Mitt­woch dem Senat zur Annah­me oder Ableh­nung vorgelegt. 

Ich bin gespannt, ob die Uni­ver­si­tät den Schritt wagt, nach der Ent­schei­dung der Fin­dungs­kom­mis­si­on noch ein­mal zu über­ra­schen und tat­säch­lich Frau Che­au­ré zu wäh­len – und damit ein deut­li­ches Signal auch für eine inter­ne Moder­ni­sie­rung und ein Kli­ma der Zusam­men­ar­beit zu set­zen. Wenn, wie z.B. von der grü­nen Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten The­re­sia Bau­er (anläss­lich der letzt­ma­li­gen Wahl von Alt­rek­tor Jäger) gefor­dert, alle Hoch­schul­mit­glie­der wäh­len dürf­ten, statt die eigent­li­che Ent­schei­dung einem klei­nen auf­sichts­rat­ähn­li­chen Gre­mi­en zu über­las­sen, hät­te Frau Che­au­ré auf jeden Fall mei­ne Stimme.

War­um blog­ge ich das? Weil in der baden-würt­tem­ber­gi­schen Hoch­schul­ge­setz­ge­bung der Ein­fluss der Rek­to­rIn­nen doch ziem­lich groß ist – und es des­we­gen für die wei­te­re Ent­wick­lung der Uni­ver­si­tät Frei­burg ziem­lich wich­tig ist, wer am Mon­tag vor­ge­schla­gen wird.

Voll und ganz aufgegangen in der neuen Rolle

Swiss nuclear idyllVoll und ganz in ihrer neu­en Rol­le als Mar­ke­ting­frau für die Atom­ener­gie auf­ge­gan­gen ist Mar­ga­re­ta Wolf, ehe­ma­li­ge hes­si­sche Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te der Grü­nen, ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin im Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um, ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin im Umwelt­mi­nis­te­ri­um, und seit heu­te nicht mehr Mit­glied der Par­tei, nach­dem es eini­ge Kri­tik an ihrem neu­en Job gege­ben hat. 

Und was steht nun in ihrem Aus­tritts­schrei­ben? Unter ande­rem die­ses hier:

Die Ener­gie­fra­ge ist eine der zen­tra­len Grün­dungs­fra­gen mei­ner Par­tei gewe­sen. Dem real­po­li­ti­schen Teil mei­ner Par­tei und somit dem im eigent­li­che Sin­ne poli­ti­schen Teil der Grü­nen war immer klar, dass man nicht gleich­zei­tig die ener­ge­ti­sche Nut­zung von Koh­le und Kern­ener­gie ableh­nen kann. Das war auch immer mei­ne Meinung.

Mei­ne Par­tei hat sich in die­ser Fra­ge in eine stra­te­gi­sche Sack­gas­se manö­vriert, aus der sie nur wie­der her­aus­kommt, wenn sie zu einer sach­li­chen, nicht roman­ti­sie­ren­den Debat­te in der Fra­ge zurück­kehrt und in einen offe­nen, sach­li­chen Dia­log ein­tritt, einen Dia­log, der nicht jede Idee, die geäu­ßert wird, dif­fa­miert, son­dern sich sub­stan­ti­ell mit ihr aus­ein­an­der­setzt. Die­se Dia­log­kul­tur ist nicht erkennbar. 

Anders gesagt: noch im Par­tei­aus­tritt ver­sucht Mar­ga­re­ta Wolf es so dar­zu­stel­len, dass sie – ganz auf der Linie des neu­en Arbeit­ge­bers – recht hat damit, Wer­bung für Kern­ener­gie zu machen, dass schon immer so gese­hen hat (auch als Staats­se­kre­tä­rin? das wür­de eini­ges erklä­ren) und ver­leug­net die durch und durch real­po­li­ti­schen Stu­di­en der Bun­des­tags­frak­ti­on etc., die zei­gen, dass ein Aus­stieg aus Koh­le und Atom zugleich mög­lich ist. 

Ich fin­de es rich­tig, dass Mar­ga­re­ta Wolf aus­tritt, und den­ke, dass mei­ne Par­tei sich nicht ins Bock­horn jagen lässt (und ich bin zudem über­zeugt davon, dass das der­zei­ti­ge Medi­en­hoch für den Wie­der­ein­stieg in die Atom­ener­gie viel mit der Bay­ern­wahl zu tun hat). Beson­ders inter­es­sant an dem Aus­tritts­schrei­ben und dem gan­zen Drum­her­um (bis hin zu der Tat­sa­che, dass hier vor­nehm­lich über die Welt kom­mu­ni­ziert wird), fin­de ich aber tat­säch­lich die Poli­tik­tech­nik, die Tat­sa­che, wie bis zuletzt an der Kon­sens­rea­li­tät zurecht­ge­rückt wird, kurz: wie hier „gespon­nen“ wird. Es bedarf schon eini­ger Frech­heit und rhe­to­ri­scher Kunst­fer­tig­keit, mit einem Satz den lin­ken Grü­nen die Poli­tik­fä­hig­keit abzu­spre­chen und zugleich den „Rea­los“ eine Posi­ti­on unter­zu­schie­ben, die auch dort noch nie ernst­haft ver­tre­ten wur­de. Da kann so man­cher Tex­ter noch was von lernen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich die Art und Wei­se des Aus­tre­tens in die­sem Fall sehr erwäh­nens­wert finde.

Die Freude, Papier in der Hand zu halten

Titel Mensch – Technik – Ärger?

Auch in digi­ta­len Zei­ten erfreut es einen – mich jeden­falls – dann doch immer noch, eige­ne Tex­te schwarz auf weiss gedruckt in der Hand zu hal­ten. In die­sem Fall han­delt es sich um mei­nen Bei­trag „Trans­for­ma­ti­on durchs Tele­fon?“, der im end­lich erschie­ne­nen Sam­mel­band Mensch – Tech­nik – Ärger? von Dori­na Gumm, Moni­que Lanneck, Roman Lan­ger und Edouard J. Simon ent­hal­ten ist. Eine Zusam­men­fas­sung der forst­re­le­van­te Sei­te davon ist schon vor ein paar Wochen in den Forst­tech­ni­schen Infor­ma­tio­nen (FTI) erschie­nen (und wird ab Herbst/Winter 2008 unter der FTI-Web­site auch online abruf­bar sein). 

Ziel des Sam­mel­ban­des – die Arbeit dazu begann schon im Herbst 2006 und zog sich u.a. des­we­gen lan­ge hin, weil es rein Review-Ver­fah­ren gab – war es, das The­ma „Immer Ärger mit der Tech­nik?“ inter- und trans­dis­zi­pli­när auf­zu­drö­seln. Ich habe dazu das Fall­bei­spiel Mobil­te­le­fon gewählt und mir ange­schaut, wie die­se kon­kre­te Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie mit dazu bei­getra­gen hat bzw. dafür genutzt wur­de, Struk­tu­ren aus­ge­la­ger­ter Arbeit (Forst­dienst­leis­ter) in der Forst­wirt­schaft zu schaf­fen – und damit natür­lich auch ganz neue Poten­zia­le für Ärger. Den theo­re­ti­schen Hin­ter­grund dafür bil­de­te die Idee der Netz­werk­ge­sell­schaft, wie sie Cas­tells ent­wi­ckelt und neu­er­dings auch in Rich­tung Mobil­te­le­fon adap­tiert hat. Am forst­li­chen Bei­spiel wird sicht­bar, wie das Mobil­te­le­fon sowohl als nütz­li­ches Werk­zeug wie auch als „vir­tu­el­le Fes­sel“ fun­gie­ren kann – und dass dar­über, also auch über das Aus­maß an Ärger­lich­keit, weni­ger die Tech­nik selbst als viel­mehr die sozia­le Gestal­tung der Tech­nik­nut­zung, also die akzep­tier­ten Prak­ti­ken und Erwar­tun­gen ent­schei­den (wann darf das Mobil­te­le­fon aus­ge­schal­tet wer­den, ohne als Kleinst­un­ter­neh­mer wirt­schaft­li­che Sank­tio­nen erwar­ten zu müs­sen?). Inso­fern fin­den sich in mei­nem Text – im Samm­eband selbst wird er vor allem als Bei­trag zum The­ma Arbeits­welt dis­ku­tiert – auch über den forst­li­chen Kon­text hin­aus­ge­hen­de Anschlüs­se und Überlegungen.

Zum Sam­mel­band ins­ge­samt: er ist zwar trans­dis­zi­pli­när ange­legt, aber letzt­lich doch ziem­lich IT-las­tig gewor­den; Tech­nik wird in vie­len Bei­trä­gen sehr stark ein­ge­grenzt auf „infor­ma­ti­ons­tech­ni­sche Sys­te­me“, und vie­le AutorIn­nen haben einen direk­ten oder (selbst bei mir) zumin­dest indi­rek­ten Infor­ma­tik­hin­ter­grund. Das fin­de ich inso­fern ein biß­chen scha­de, als das Buch ins­ge­samt damit sei­nen eige­nen Anspruch nur teil­wei­se ein­löst. Trotz­dem sind für sich genom­men eini­ge sehr span­nen­de Bei­trä­ge her­aus­ge­kom­men. Für mich per­sön­lich fand ich vor allem drei Tex­te brauch­bar: Peter Bröd­ner zum „Elend com­pu­ter­un­ter­stüt­zer Orga­ni­sa­ti­on“, Paul F. Sie­gert zur Tech­nik­ge­schich­te der E‑Mail und den Abschluss­text von Roman Lan­ger et al., in dem ein Modell skiz­ziert wird, sozio­tech­ni­sche Sys­te­me zu erfor­schen, das vie­les aus der Tech­nik­so­zio­lo­gie auf­nimmt, was mir auch sinn­voll erscheint. Das mag aber je nach Inter­es­sen­schwer­punk­ten auch ganz anders aus­se­hen. Wer sich ganz kon­kret mit Infor­ma­ti­ons­tech­nik­so­zio­lo­gie (oder dem Bereich „Infor­ma­tik und Gesell­schaft“) befasst, wird eine gan­ze Men­ge mehr brauch­ba­res finden.

Lite­ra­tur­an­ga­ben
Gumm, Dori­na / Janneck, Moni­que / Lan­ger, Roman / Simon, Edouard J. (Hrsg.) (2008): Mensch – Tech­nik – Ärger? Zur Beherrsch­bar­keit sozio­tech­ni­scher Dyna­mik aus trans­dis­zi­pli­nä­rer Sicht. Müns­ter: LIT. 24,90 Euro, 209 Sei­ten, ISBN 3–8258-1347–9. Bei Ama­zon bestellen.

Wes­ter­may­er, Till (2008): »Immer erreich­bar sein? Über­le­gun­gen zum forst­li­chen Mobil­te­le­fon«, in Forst­tech­ni­sche Infor­ma­tio­nen, Jg. 60, Nr. 3+4/2008, S. 25–29.

Wes­ter­may­er, Till (2008): »Trans­for­ma­ti­on durchs Tele­fon? Mobi­le Kom­mu­ni­ka­ti­on und die Aus­la­ge­rung von Arbeit in der Netz­werk­ge­sell­schaft, dar­ge­stellt am Bei­spiel forst­li­cher Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men«, in Gumm et al., S. 135–152.

War­um blog­ge ich das? Ein biß­chen auch als Reak­ti­on auf den wis­sen­schaft­li­chen Her­stel­lungs­pro­zess, der für mich zeit­wei­se eher nach „Immer Ärger mit dem Buch?“ klang – für die Her­aus­ge­be­rIn­nen war das sicher noch deut­lich stär­ker so. Was mich immer noch nicht ganz über­zeugt, ist die Buch­ge­stal­tung – das Titel­bild ist gelun­gen, der Innen­teil sieht lei­der stark nach print on demand aus, was eigent­lich nicht not­wen­di­ger­wei­se so sein müss­te, selbst wenn die­ses Her­stel­lungs­ver­fah­ren gewählt wird.

Kurz: Microblogging

Catch the bird IIIMein Blog kann jetzt, wie eini­ge viel­leicht schon bemerkt haben, auch Micro­blog­ging (sie­he oben rechts in der Sei­ten­leis­te). Genau­er gesagt wer­den dort mei­ne neus­ten Twit­ter-Ein­trä­ge ver­öf­fent­licht. Twit­ter wird zwar gera­de für tech­nisch tot erklärt (naja, über­las­tet, …), aber Alter­na­ti­ven wie das prin­zi­pi­ell sym­pa­ti­sche identi.ca (freie Soft­ware, Por­ta­bi­li­tät) über­zeu­gen hin­sicht­lich ihrer Ein­bind­bar­keit in Word­Press gera­de noch nicht so ganz. Und die Leu­te sind auch alle noch bei Twit­ter – also mal wie­der das typi­sche Web2.0‑Problem, dass Con­tent und Com­mu­ni­ty anbie­ter­spe­zi­fisch gefes­selt sind. Wie dem auch sei – es gibt jetzt viel­leicht weni­ger Kurz­ein­trä­ge und häu­fi­ger mal kur­zes „Gezwit­scher“ über Din­ge, die mir pas­sie­ren oder auf­fal­len. Wer was dazu sagen will, kann das da tun – oder hier.