Mein „Zweitrechner“ – der, den ich nutze, wenn ich in Esslingen bin, und privat einen Rechner brauche – ist schon etwas älter. Genauer gesagt: ein HP ProDesk mit Intel iCore i3 – einer stromsparenden Notebookvariante – aus dem Jahr 2014 oder so. Gekauft hatte ich ihn mit Windows 7, daraus wurde schnell Windows 8 und irgendwann Windows 10 (und der Rechner langsamer und langsamer …).
Für Oktober 2025 hat Microsoft nun angekündigt, den Support für Windows 10 zu beenden. Und Windows 11 läuft auf diesem Rechner nicht. Also, selbst wenn Microsoft diese CPU unterstützen würde, was nicht der Fall ist, würde es höchstwahrscheinlich keine Freude machen, auf diesem Rechner Windows 11 zu installieren. Und einen Windows-Rechner ohne Sicherheitsupdates laufen zu lassen, klingt eher unklug. Was also tun?
Das Netz empfiehlt: Dann halt Linux installieren.
Meine bisherigen Erfahrungen mit Linux/Unix beschränken sich erstens auf lang zurückliegende Tage meines Informatiknebenfachs im Studium, bei dem wir Sun-Workstationen und NeXT verwendeten; auf zweitens (nette) Spielereien mit Raspberry Pis, die aber bei allen „Alltagsanwendungen“ wie dem Anschauen von Youtube-Videos schnell in die Knie gehen, und drittens auf „mal reinschnuppern“ in SuSE und ähnliches, also Linux-Systeme aus der Urzeit.
Nachdem auch diverse Menschen auf Mastodon die c’t-Empfehlung für Mint bestätigt haben, dann die Entscheidung: ja, das sieht so desktopkompatibel aus, das könnte ich tatsächlich mal versuchen.
Geplant war eigentlich der langsame Weg über „Dual Boot“ aus dem neuen Linux Mint und dem alten Windows 10. Es kam dann anders, dazu aber gleich mehr.
Um Mint zu installieren, braucht es ein Installationsmedium. Dazu steht im Detail mehr hier. Letztlich geht es darum, eine etwa 2 GB große .iso-Datei aus dem Netz herunterzuladen und auf einen USB-Stick (der, den ich hier hatte, war 4 GB groß, das reichte) zu brennen, so dass von diesem aus gebootet werden kann.
Die gerade verlinkte Anleitung empfiehlt dafür Etcher – das funktionierte bei mir aber nicht, ich habe statt dessen das gute alte Rufus verwendet, um den USB-Stick mit dem .iso-Image zu beschreiben.
Mit eingestecktem Stick neu starten, und voila – plötzlich ist der Rechner ein Linux-System. Genauer gesagt: ein Livesystem, das auf eine RAM-Disk entpackt wird und keine Änderungen speichert. Um den Look and Feel dieser Distribution kennenzulernen, aber bestens geeignet. Und erstmal bin ich begeistert: diverses Zubehör, von der Webcam über das Netzwerk bis zum Jabra-Speak-Mikrofon, wird sofort erkannt. Die interne und die externe Festplatte ebenfalls, beide werden als Laufwerke im Windows-Stil angezeigt und können mit einem Klick gemountet bzw. wieder ausgehängt werden. Das sieht alles sehr gut aus.
Jetzt wird es etwas komplizierter. Mint empfiehlt 100 GB für das System und dann noch 16 GB Swap. Die sind auf der nicht ganz großen Festplatte aktuell nicht frei, und überhaupt: der Löwenanteil der Platte (linuxtypisch als /dev/sda… angezeigt) wird von der bisherigen Windowspartition eingenommen. In dem Livesystem gibt es das Tool „GParted“ – damit lassen sich Partitionen verändern. Das klappt zunächst auch, ich räume etwa 50 GB frei. Aber eigentlich braucht es mehr. Und eigentlich will ich vorher auch noch Platz schaffen, indem ich Sachen auslagere und lösche. Zum Beispiel die Kopie der iPhone-Fotos, die – was mir überhaupt nicht klar – gleich nochmal 150 GB einnimmt. Also räume ich munter auf, backupe zwischen drin – was sich alles ziemlich hinzieht – und lasse dann nochmal den Partitionseditor laufen.
Nicht nachmachen! Denn irgendwas geht beim zweiten Versuch schief, die neue Partitionsgröße kann nicht auf die Platte geschrieben werden. Und kurz darauf scheint Windows nicht mehr booten zu wollen. Ich komme auf die dumme Idee, das ebenfalls beim Livesystem beiliegende „Boot Repair“ mit Halbwissen laufen zu lassen – das alles nur noch schlimmer macht. Jetzt kommt bei jedem Start, die Fehlermeldung, das meine Windows-7-Installation defekt sei, Windows 10 ist verschwunden, und alle Wiederherstellungsversuche scheitern.
Also kein Dualboot. Sondern eine reine Linux-Installation.
Ich verbringe weitere Zeit damit, Dinge zu sichern. Das geht unter Linux übrigens deutlich schneller als unter Windows 10, warum auch immer: die Schreibrate auf die Festplatte ist hier fast doppelt so hoch. Bei dem ganzen Zeug, das sich angesammelt hat – samt dem einen oder anderen Programm, man weiß ja nie – dauert das trotzdem eine ganze Weile.
Danach dann nochmal das Livesystem neu gebootet und „Install Linux Mint“ aufgerufen. Das stellt ein paar wenige Fragen (Land, Sprache, Multimediatreiber, Zeitzone) und – rackert – nach mutiger Auswahl von „Festplatte löschen“ eine halbe Stunde oder so munter vor sich hin, installiert und löscht Sprachpakete, lädt Anwendungen herunter und all so etwas.
Der USB-Stick kann jetzt entfernt werden. Der Rechner bootet in Linux Mint – und weist, wie sich das für moderne Systeme gehört, erst einmal darauf hin, dass ich doch bitte Sicherheitsupdates und Aktualisierungen einspielen soll. Das tue ich (mit einem Mausklick, hier ist das moderne Linux-System meilenweit weg von seinen Anfängen). Und schreibe parallel in Firefox, das „out of the box“ läuft, diesen Blockbeitrag.
Nächste Schritte werden dann „alles hübsch einrichten“, „mal schauen, was ich noch so an Software brauche“ (Scribus, Blender, …) und vielleicht der eine oder andere Versuch mit Wine (Windowsemulation für einzelne Programme) oder einer virtuellen Windowsmaschine sein.
Fürs erste bin ich zufrieden. Linux auf dem Desktop ist keine Vision mehr, die in fünfzig Jahren Wirklichkeit wird, sondern scheint inzwischen doch sehr komfortabel nutzbar zu sein.
Danke dafür, deine Beschreibung nimmt mir ein wenig die Sorge vor dem Wechsel auf Linux. Ich habe noch einen vermutlich geeigneten Laptop als Testgerät, bevor ich dann die beiden Produktivgeräte umziehe. Das werde ich dann jetzt mal angehen.
(Nachtrag, der Purist*innen nicht erfreuen dürfte: Google Chrome ist zwar nicht unter den voreingestellten Apps enthalten, ließ sich aber problemlos herunterladen und installieren – und hatte dann mit wenigen Klicks alles da, was ich sonst auch in Chrome nutze … auch da wird es evtl. Zeit, mich mal nach einer Alternative umzusehen, aber die Synchronisation von Lesezeichen etc. über x Rechner und Systeme ist schon komfortabel …)
Mein alter Laptop hat noch ein CD/DVD Laufwerk, von dem ich in der Regel mit LinuxWelt LiveDVD boote, das ist nie ein Problem. Synchronisation der Lesezeichen etc mache ich dann über Firefox, da Google nur auf dem Android Handy für mich unumgehbar ist (wo ich aber auch Firefox und kein Chrome nutze).
Aber Danke für den Bericht über den Umzug, vielleicht stelle ich meinen Laptop doch auch mal „endgültig“ um auf Linux.