In den letzten Wochen habe ich mir gleich zweimal Ausstellung angesehen, die sich der näheren Vergangenheit – konkret den 1970er und 1980er Jahren – widmen. Mit meinem Jahrgang, 1975, fühlt sich das etwas seltsam an, und gefühlt ist zumindest der Teil, den ich bewusst erlebt habe, also so etwa die zweite Hälfte der 1980er von Kohl über Tschernobyl bis zur deutschen Einheit, doch gerade erst gewesen.
Konkret: in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart läuft noch bis 27. August 2023 die kleine, aber fein gemachte und gut zusammengestellte Ausstellung Atom. Strom. Protest. Die für die politische Kultur Baden-Württembergs sehr prägende Debatte um die zivile Nutzung der Atomkraft wird hier nicht nur mit Bezug auf den erfolgreichen Kampf um ein AKW in Wyhl dargestellt, sondern breiter gefasst. Auch die Pro-Atom-Seite wird ausführlich gewürdigt. Das alles mit vielen Archivalien, relevanten Gegenständen und anhand einiger Lebensläufe. Die Ausstellung im WLB-Neubau ist kostenlos besuchbar. (Das Foto oben zeigt ein Mitmach-Element: historisierte Protestplakate, die allerdings für diese Ausstellung neu entstanden sind.)
Im Badischen Landesmuseum Karlsruhe geht es viel breiter gefasst noch bis Februar um die 1980er Jahre, die „wieder da“ sind. Trotz Eintritt stand hier eine lange Schlange vor der Kasse. Die Ausstellung im Karlsruher Schloss gliedert sich in Politik (natürlich auch Atomproteste, aber auch Frieden und Aufrüstung, Waldsterben und Wiedervereinigung), Pop/Musik und Alltagskultur (von Einrichtungsgegenständen bis zu Interrail und Privatfernsehen); das ganze dann jeweils noch mit dem BRD- und dem DDR-Blick. Die 80er sind im Museum verbunden mit viel Nostalgie und der Möglichkeit, sich zu beteiligen und hier und da auch interaktiv mitzumachen. Zielgruppe: 45 bis 55-Jährige (und deren Kinder). Wiedererkennungseffekt: sehr groß. Inklusive: steht bei uns auch noch irgendwo im Regal …
P.S.: Zu beiden Ausstellungen gibt es sehr gut gemachte Kataloge (bei den Atomprotesten ein Buch, die 80er aus Karlsruhe überzeugen mit einem „Magazin zur Ausstellung“, das im Layout Anleihen an Tempo etc. nimmt, und inhaltlich fast besser – informativer, facettenreicher, vielfältiger – als die Ausstellung selbst ist. Bonus: immer wieder wird auf Freiburg rekurriert – und SF und Cyberpunk finden auch ihren Platz).
P.P.S.: Abraten würde ich dagegen von dem in Karlsruhe zum Verkauf stehenden Band Das waren unsere 80er von Christoph Quarch und Evelin König. Der wirkt zunächst wie ein heiter-nostalgisches Generationenportrait, entpuppt sich auf der Tonspur allerdings als schwer auszuhaltende Besserwisserei zur These der einzig wahren Generation, in der noch alles gut war … Gefühl beim Lesen: würde den Autor (und in zweiter Linie seine Ko-Autorin) gerne laut und deutlich auf blinde Flecken, unzulässige Verallgemeinerungen der eigenen Biografie und ein sehr schräges Verständnis der Gegenwart hinweisen. Nein, trotz viel Natur, wenig komplexen Fernsehprogrammen und Rumhängen in der Clique war früher nicht alles besser, und weder ADHS noch Mobbing sind Erfindungen der Gegenwart.
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…-> „Wandel & Krise. Kunst in Konstanz 1965 bis 1985″…, https://www.konstanz.de/kultur+_+freizeit/museen+_+ausstellungshaeuser/kulturzentrum+am+muenster/aktuelle+ausstellungen