Ich habe meinen Followern auf Twitter zwei Fragen gestellt, und auch wenn die Antworten nicht repräsentativ für irgendetwas sind, finde ich sie doch interessant. Die erste Frage lautete „Was habt ihr im Februar/März 2020 gedacht, wie lange es uns SarsCov2 aka Covid-19 beschäftigten wird?“, die zweite „Und die Anschlussfrage: wann wird die Corona-Pandemie enden?“. Wie bei Twitter-Umfragen üblich, konnte ich nur vier Antwortoptionen vorgeben. Zum Zeitpunkt, als ich diesen Text schreibe, lief die Umfrage noch, insofern kann es noch kleine Änderungen geben.
Auf die erste Frage antworteten demnach 34,5 Prozent, dass sie im Frühjahr 2020 davon ausgegangen seien, dass die Pandemie „bis Sommer 2020“ beendet sein wird, nochmal 30,2 Prozent sagen „bis Sommer 2021“, also nach etwas mehr als einem Jahr. Die dritte Option – „bis Sommer 2022“ – wählen nur 9,5 Prozent, die übrigen 25,9 Prozent entscheiden sich für die Option „länger“. Anders gesagt: etwa zwei Drittel der Antwortenden gingen davon aus, dass die Pandemie nach einigen Monaten bis etwas mehr als einem Jahr zu Ende sein wird, ein weiteres Viertel hatte bereits im Frühjahr 2020 die Erwartung, dass das ganze deutlich länger gehen wird. Ob hier das jetzige Wissen mit reinspielt, wissen wir nicht.
Ich selbst würde mich zu den zwei Dritteln zählen, die von einer überschaubaren Zeit bis zum Ende der Pandemie ausgegangen sind. Wir erinnern uns: am Anfang ging es um einzelne Fälle, die nachverfolgt und in Quarantäne gesteckt wurden, kurze Zeit später gab es dann schon erste Hinweise darauf, dass bald Impfstoffe verfügbar sein würden. Insofern war meine Erwartung tatsächlich, dass uns die Pandemie beschäftigen wird, dass sie auch einiges an Änderungen – vielleicht auch langfristigen Änderungen im Verhalten – mit sich bringen wird. Dass wir jetzt, im Herbst 2022, gerade dabei sind, in die nächste Welle reinzurutschen, hätte ich nicht vermutet.
Damit sind wir bei der zweiten Frage: wann wird die Corona-Pandemie enden? 11,9 Prozent der Teilnehmenden sagen, die Pandemie sei vorbei. 23,7 Prozent haben „2023, max. 2024“ angeklickt, gehen also von einem Ende in einigen Monaten, vielleicht in einem Jahr aus. 35,6 Prozent sagen, dass wir erst 2025 ein Ende der Pandemie erleben werden, und 28,8 Prozent haben sich für die Option „nie“ entschieden.
Diese sehr skeptische Haltung bezüglich des Endes der Pandemie mag ein Artefakt meiner Timeline sein. Zudem gibt es – worauf in einem Kommentar hingewiesen wurde – je nach Blickwinkel eine Unschärfe, weil „ist vorbei“ und „nie“ als gleiche Aussage verstanden werden können, wenn angenommen wird, dass die Krankheit Covid-19 weiter existieren wird, aber als Teil des allgemeinen Lebensrisikos anzusehen ist, wie das bei anderen Krankheiten auch der Fall ist.
Was mich zu der Frage bringt, wann eine Pandemie eigentlich zu Ende ist. Wie gesagt, bin auch ich davon ausgegangen, dass Corona ein, zwei Jahre lang ein Thema sein wird, und dass wir die Krise dann überwunden haben werden. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass ich meinem Corona-Tagebuch hier im Blog den Namen „Zeit des Virus“ gegeben habe – wenn es eine Zeit des Virus gibt, legt das nahe, dass diese ein Ende hat.
Das Robert-Koch-Institut definiert (und wird so auch in der Wikipedia wiedergegeben) eine Pandemie wie folgt:
„Eine neu, aber zeitlich begrenzt in Erscheinung tretende, weltweite starke Ausbreitung einer Infektionskrankheit mit hohen Erkrankungszahlen und i. d. R. auch mit schweren Krankheitsverläufen.“
Für Corona trifft all das zweifellos zu. Wir haben es mit einer neuen, weltweit ausgebreiteten Infektionskrankheit zu tun, die (nach wie vor) zu hohen Erkrankungszahlen und (weiterhin) zu schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen führt. Nur beim „zeitlich begrenzt“ stellt sich die Frage, wie das Ende einer Pandemie aussieht. Medial wird immer hier vom „Übergang zur Endemie“ gesprochen. In der gleichen Quelle wird auch der Begriff der Endemie definiert:
„Ständiges (zeitlich unbegrenztes) Vorkommen einer Krankheit oder eines Erregers in einem bestimmten Gebiet oder einer bestimmten Bevölkerung. Das endemische Vorkommen ist nicht
immer gleichmäßig.“
Der Unterschied zwischen beiden Definitionen scheint mir insbesondere die Frage der zeitlichen Begrenztheit zu sein. Ob es 2019/2020 einen Weg zur Ausrottung des SARS-Cov-2-Virus gegeben hätte, weiß ich nicht. Lange war ich überzeugt davon, dass das doch möglich sein muss. Heute ist jedoch klar, dass Corona bleiben wird. Die Unterscheidung „Pandemie“ oder „Endemie“ wird damit letztlich zu einer politischen Entscheidung: Befinden wir uns noch in einer Gesundheitskrise, auf die mit besonderen Maßnahmen – wie sie etwa im Infektionsschutzgesetz verankert sind – reagiert werden muss, oder gehört das Risiko, an Corona zu erkranken, zur postpandemischen Normalität, auf die das Gesundheitssystem regulär reagiert, mit Impfangeboten, Medikamenten, Behandlungen usw., ohne dass allgemeine Schutzmaßnahmen wie etwa eine Maskenpflicht erlassen werden. Im Vordergrund steht dabei dann schnell die Frage, ob das „normale“ Gesundheitssystem in der Lage ist, mit Corona als Endemie umzugehen, oder ob es überfordert wird – und nicht mehr der Versuch, Ansteckungen und schwere Verläufe zu verhindern.
Erschwerend kommt hinzu, dass Infektionen und Impfungen nur begrenzt helfen. Sie verhindern mehr (Impfung) oder weniger (Infektion) gut Folgeansteckungen in einem begrenzten Zeitraum, und die Impfung schützt vor schweren Krankheitsverläufen. Sie ist aber keine „sterile Impfung“, d.h. sie schützt nicht davor, selbst infektiös zu werden und andere anzustecken. Gleichzeitig mutiert das Corona-Virus in der globalen Bevölkerung munter vor sich her, immer neue Varianten wie aktuell die Omikron-Variante BQ.1.1 werden dominant.
Masken und Luftfilter schützen auch vor diesen neuen Varianten – die vielleicht so etwas wie Pandemien in der Pandemie darstellen. Maskenpflichten zu verhängen, ist allerdings – laut Infektionsschutzgesetz – nur möglich, sofern eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt wurde. Wer davon spricht, dass die Pandemie zur Endemie wird, meint damit auch, dass es eben keine epidemische Lage von nationaler Tragweite mehr gibt. Ob eine solche Lage vorliegt, ist – wiederum – eine politische Entscheidung. Nach § 5a Infektionsschutzgesetz entscheidet der Bundestag über das Vorliegen einer epidemischen Lage, wenn eine der folgenden Bedingungen zutrifft – er kann dann entscheiden, ob eine epidemische Lage gegeben ist oder nicht:
„Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite liegt vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil
1. die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder
2. eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.“
Die Frage, ob wir 2023, 2024 oder 2025 beim Blick auf Corona noch von einer Pandemie bzw. einer epidemischen Lage ausgehen, und ob Schutzmaßnahmen wie Maskenpflichten weiter verhängt werden können, hängt demnach davon ab, ob der Bundestag eine dynamische Ausbreitung der übertragbaren Krankheit beobachtet oder davon ausgeht, dass diese droht.
FDP-Justizminister Buschmann hat schon deutlich gemacht, dass er nicht davon ausgeht, dass dies 2023 noch zutrifft. Politisch könnte die Corona-Pandemie, wenn die FDP sich durchsetzt, also schon bald enden.
Ob sie das dann faktisch tut, ist eine andere Frage. Auch ohne den Blick auf Long Covid und die damit verbundenen langfristigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen, und auch ohne die Frage der festgesetzten „Absonderungspflicht“ bleibt eine Corona-Welle eine Erkrankung, die sehr viele Menschen auf einmal trifft und für mehrere Tage bis Wochen krank werden lässt. Damit kommt es dann ganz ohne Vorschriften in Schulen zum Ausfall von Lehrkräften und im Handel, in Pflegeheimen und Krankenhäusern verschärft sich der Fachkräftemangel. Auch wenn sie nicht mehr so genannt wird, bliebe die Pandemie damit spürbar – vermutlich auf Jahre hinweg.