Eigentlich bin ich ja davon ausgegangen, dass jetzt, Anfang März, die Situation eine ganz andere sein wird als sie es noch im Januar war. Für ein paar Tage hat der Ukraine-Krieg Corona etwas in den Hintergrund gedrängt. Aber nach über zwei Jahren ist Corona noch immer nicht vorbei, und es wird immer deutlicher, dass es dieses Vorbeisein vielleicht gar nicht geben wird.
Und ich hatte vermutet, dass die fünfte Welle jetzt rapide zurückgeht, aber dem ist nicht so. Ob es an der Omikron-Subvariante BA.2 liegt, an den zwischenzeitlich vorgenommenen Lockerungen, an Fasching und Karneval oder an zunehmenden Zahlen von Reinfektionen: gerade geht die Inzidenz in Baden-Württemberg wieder steil nach oben. Und die Zahl der Infektionen im näheren oder weiteren Umfeld, von denen man so hört, nimmt ebenfalls rapide zu. Die fünfte Welle wird also entweder zu einem Hochplateau oder wir kriegen in Kürze eine sechste Welle und immer weitere Ausbrüche bis in den Sommer hinein. Ein Rückgang der Inzidenz, inzwischen deutlich über 1500, zeichnet sich jedenfalls nicht ab. Wie es dann im Winter aussehen wird? Keine Ahnung. Mich macht das ratlos.
Und ja, eigentlich will jetzt niemand mehr etwas von Corona hören. Wer sich impfen lassen wollte, ist geimpft (gut drei Viertel) und geboostert (etwa die Hälfte) – auch mit Novavax als eher klassischem Impfstoff ist die Zahl der neuen Impfungen nahezu zum Erliegen gekommen. An der Geschichte, dass einige zusätzliche Impflinge dazu kommen würden, wenn es denn erst einen Impfstoff gibt, der nicht auf mRNA und Proteinschnippseln basiert, war wohl nicht so viel dran.
In dieser Situation stellen heute die Minister Buschmann (FDP) und Lauterbach (SPD) ihren Kompromiss dazu vor, wie der Werkzeugkoffer für weitere Schutzmaßnahmen für die Länder ab dem 20. März aussehen wird. Die FDP hat längst einen „Freedom Day“ ausgerufen, nur irgendwie vergessen, dass auch dem Virus mitzuteilen. Aber sie hält stur daran fest, dass so gut wie alle Maßnahmen ab dem 20. März entfallen und unmöglich gemacht werden sollen. Egal, wie groß die Proteste – beispielsweise von Ministerpräsident Kretschmann aus der Corona-Isolation – sind. Und Lauterbach verkündet das als guten Kompromiss, mit dem „wir“ bis zum Herbst – dann läuft der nämlich aus – arbeiten können.
Soweit ich das verstehe, entzieht dieser „Kompromiss“ de Ländern die Möglichkeit, Abstandsgebote und Maskenpflichten vorzuschreiben, ausgenommen ist der ÖPNV. Eine Grundlage für Masken als effektivstes Mittel des Ansteckungsschutzes gibt es dann weder in Supermärkten noch in Schulen. Immerhin „darf“ in Schulen weiter getestet werden – was das bringen soll, wenn dafür Schnelltests eingesetzt werden, die für Omikron nicht wirklich sensitiv sind, und wenn damit nur nachvollziehbar wird, dass es zu Ansteckungen kommt, ist mir nicht so ganz klar.
Die kleine Hintertür (oder aus Lauterbachs Sicht wohl der Grund, warum er zustimmen kann) ist eine Hotspotregelung vorgesehen, d.h. bei besonders hohen Werten (unklar, welche) oder besonders starken Belastungen der Krankenhäuser darf regional abgegrenzt zu schärferen Mitteln gegriffen werden. Ich kenne keine Details, aber das ganze wirkt recht kompliziert. Und ich befürchte, dass es auch hier Fußnoten und Fußangeln gibt, die den effektiven Infektionsschutz durch den Einsatz der Hotspotregelung erschweren.
Das ganze ist der Entwurf der Bundesregierung, der noch nicht mit den Fraktionen der Ampel und auch nicht mit den Ländern abgestimmt ist. Insofern gibt es noch den Hauch einer Chance, dass hier doch eine etwas vernünftigere Lösung herauskommt, die nicht daraus besteht, sich die Hände auf den Rücken zu binden (bzw. den Ländern die Hände auf den Rücken zu binden), und ein Virus durchrauschen zu lassen, das wohl doch in einem nicht ganz kleinen Teil der Fälle zu Spätfolgen, „Long Covid“ und kognitiven Beeinträchtigungen führt.
Soviel zur Zeit des Virus, oder dem jetzt in sein drittes Jahr gehenden März 2020.