Irgendwie bin ich weniger zum SF/F‑Lesen gekommen als sonst, und das, obwohl die Kindle-App auf dem Smartphone stolz auf Leserekorde hinweist. Gamification for the win – nee, bleibt mir weg damit. Was ich gelesen habe, war vor allem Space Opera. Ach ja, und weil’s nur noch ein paar Tage in der Mediathek der ARD steht, fange ich mit einer gut gemachten Science-Fiction-Fernsehserie an: Beforeigners ist eine norwegische Produktion, die von der schlichten Prämisse ausgeht, dass durch ein Zeitloch im Meer von Oslo Menschen aus vergangenen Zeiten in die Gegenwart/nahe Zukunft kommen. Ziemlich viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Epochen – mit entsprechenden Folgen für die plötzlich multitemporale Gesellschaft. Mit Sinn für Details und Humor findet vor dieser Kulisse der typische Krimi statt; der altgediente, etwas abgewrackte Beamte mit persönlichen Problemen, dem eine junge Kollegin aus der Wikingerzeit, pardon, nordischen Vergangenheit, zur Seite gestellt wird. Sehr sehenswert, sehr skandinavisch.
Dann zu den Büchern:
- Jo Walton, Or What You Will (2020) – lesenswert, und wie immer bei Jo Walton mit einer interessant-schrägen Herangehensweise. Das Buch hat zwei Ebenen: die einer alten und kranken Fantasy-Autorin der Gegenwart, deren Lebensgeschichte erzählt wird, und die einer fiktionalisierten Version eines Renaissance-Florenz aus der beliebtesten Serie der Autorin – beides verbunden durch den imaginären Freund/Nebencharakter ihrer Geschichten der Autorin.
- Nate Crowley, Notes from Small Planets (2020) – nicht so ganz mein Fall. Eine Art imaginärer Reiseführer samt Kommentaren der zuständigen Bearbeiterin in der Redaktion, der zu Miniplaneten führt, die jeweils typische SF/Fantasy-Motive verkörpern.
- Stina Leicht, Persephone Station (2021) – gut gemachte Space Opera, mit allen Zutaten, die dafür wichtig sind – ein Provinzplanet, mysteriöse Aliens, gebrochene Held*innen und ein böser Konzern. Und ein paar schwierige Entscheidungen und Grautöne.
- Laura Lam, Goldilocks (2020) – wird als Thriller vermarktet, ist aber pure Science Fiction – und noch dazu spannende. Mit der Goldilock-Zone wird der Bereich von Planeten benannt, die nicht zu kalt und nicht zu warm sind, um Leben zu unterstützen. Irgendwann in der Zukunft ist die Erde ziemlich heruntergerockt, in den USA herrscht eine zunehmend autoritär-antifeministische Regierung. Hoffnung gibt allein die Entdeckung einer Möglichkeit, Wurmlöcher zu erzeugen und damit zu anderen Planeten zu reisen. Das soll auch geschehen, um eine zweite Erde zu finden. Das dafür vorbereitete Raumschiff wird von der ursprünglich geplanten, dann aber rausgeworfenen, aus Frauen bestehenden Besatzung gekapert. Und dann geht eine Reise mit schwierigen Entscheidungen los.
- Micaiah Johnson, The Space between Worlds (2020) – düster, aber sehr empfehlenswert. Reisen in Parallelwelten sind möglich – aber nur, wenn die reisende Person in dieser Parallelwelt tot ist. Cara hat aufgrund ihrer Vergangenheit zwischen Slum und Prostitution dafür gute Voraussetzungen. Aber nicht alles ist so, wie es scheint – weder auf der zwischen abgeschirmter Stadt und lebensfeindlicher Wüste aufgeteilten Erde, auf der Parallelweltreisen entdeckt wurden, noch in den verschiedenen anderen Versionen davon. Und auch Cara ist eine andere, als die Leser*in zuerst glaubt …
- Marie Vibbert, Galactic Hellcats (2021) – queere Young-Adult-Space-Opera mit unwahrscheinlichen Held*innen, eher leichte Unterhaltung.
- Arkady Martine, A Desolation called Peace (2021) – der zweite Band nach A Memory called Empire, sehr empfehlenswerte Space Opera, in der ein byzantinisches Sternenimperium (mit allem, was dazugehört) und eine kleine Weltraumstation den Hintergrund eines Krieges mit plausiblen Außerirdischen bilden. Daneben eine Mediation über Sprache, Identität und unterschiedliche Formen kollektiven Bewusstseins.