Vor acht Jahren war die Forderung nach einem Internetministerium eine der zentralen Ideen der Piratenpartei. 2013 kam dann die FDP auf die selbe Idee (na gut, und andere, auch Grüne und CDU und einzelne Stimmen aus der SPD auch). Faktisch gab’s dann Dobrindt und eine ganze Reihe weiterer Digitalisierungsminister*innen in der Großen Koalition (die sich zum Beispiel in diesen Tagen zum DE.DIGITAL-Gipfeltreffen trafen). Viel heraus gekommen ist dabei – meiner Meinung nach – nicht.
Für den anlaufenden Wahlkampf 2017 wärmt die FDP das Thema jetzt wieder auf. Und liegt, meine ich, daneben.
Definitiv richtig ist die Feststellung, dass Digitalisierung ein zentrales Thema auch der kommenden Jahre bleiben wird. Das ist mehr als klassische Wirtschafts- und Innovationspolitik, nicht deckungsgleich mit einer Breitbandausbauinfrastrukturpolitik, und teilweise etwas ganz anderes als das, was lange unter dem Label „Netzpolitik“ diskutiert wurde. Auch im grünen Wahlprogrammentwurf (wir werden am Wochenende darüber diskutieren) finden sich einige Aussagen zum Thema Digitalisierung und Netzpolitik; sogar gleich in zwei eigenen Unterkapiteln („Wir machen das Internet frei und sicher“ im Bürgerrechtsteil und „Wir gestalten die Digitalisierung“ bei Wirtschaft, Arbeit, Soziales).
Hilft da nun ein eigenes Ministerium? Naja, formal ist Dobrindt ja Digitalisierungsminister. Geholfen hat es nicht so furchtbar viel.
Oder, um Baden-Württemberg anzuschauen, wo ich mich noch etwas besser auskenne: Da gibt es seit 2016 das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration mit dem Digitalisierungsminister Strobl (CDU) und dem Chief Information/Digitalization Officer Krebs. Direkte Kompetenzen hat dieses Ministerium für e‑Government und Verwaltungs-IT, für die am Rande relevanten Sicherheitsbehörden (und damit auch für Themen wie Cybercrime) sowie – als neu dazugekommene Zuständigkeit – für den Breitbandausbau. Zudem ist der stellvertretende Ministerpräsident Strobl zugleich auch der Vorsitzende des Kabinettsausschusses Digitalisierung.
Sind e‑Government, Verwaltungs-IT, Cybercrime und Breitband die zentralen Digitalisierungsthemen auf Landesebene? Nein – sicherlich nicht. Es gibt gute Gründe dafür, dass alle Landesministerien im Kabinettsausschuss Digitalisierung vertreten sind, und ihre jeweils eigenen Digitalisierungsschwerpunkte setzen. Ein wenig mehr Bündelung täte gut (und kommt mit der in Arbeit befindlichen Digitalisierungsstrategie digital@bw), aber Digitalisierung ist halt auch digitale Bildung inkl. Medienkompetenz, Wirtschafts- und Innovationsförderung, digitale Lehre an den Hochschulen, Forschungsförderung, Telematik und autonomes Fahren, Telemedizin und „digital health“. Und in einem grün geführten Land stehen selbstverständlich auch die Nachhaltigkeitspotenziale der Digitalisierung mit auf der Agenda. Entsprechend gibt es gute Gründe dafür, dass die Kultusministerin und die Wirtschaftsministerin, die Wissenschaftsministerin und der Verkehrsminister ebenso wie der Umweltminister (und der Ministerpräsident) etc. etc. mitreden, wenn es um die Gestaltung der Digitalisierung in Baden-Württemberg geht.
Dass das so ist, ist kein Wunder – schließlich sind Computer Universalmaschinen, ist das Internet ein universelles Medium, wären ubiquitäre vernetzte Internet-of-Things-Geräte allgegenwärtig. Damit ist Digitalisierung ein Thema, das alle und alles betrifft und das von jedem einzelnen Ressort bearbeitet werden muss, idealerweise im Rahmen einer gemeinsamen Richtung, um voran zu kommen und tatsächlich dazu beizutragen, dass ein Wirtschaftsstandort und eine Gesellschaft die Vorteile der Digitalisierung nutzen kann, und dass gleichzeitig ein Staat dafür da ist, mit den Risiken der Digitalisierung sorgsam umzugehen und dabei die Interessen und das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger im Blick zu behalten. Es sind also viele, die Digitalisierung gestalten.
Wer ein Digitalisierungsministerium fordert, muss logischerweise gleichzeitig fordern, allen anderen Ressorts Kompetenzen und Zuständigkeiten wegzunehmen. Das wird gerade in der innerparteilichen Austarierungen einer Koalitionsregierung schwierig. Oder: Ein „echter“ Digitalisierungsminister müsste nach meinen Erfahrungen Eingriffsrechte in so gut wie alle anderen Ressorts haben. Und das macht nur dann Sinn, wenn der Digitalisierungsminister gleichzeitig Ministerpräsident, die Digitalisierungsministerin gleichzeitig Kanzlerin mit entsprechenden Richtlinienkompetenzen ist.
Deswegen finde ich es richtig, dass im grünen Wahlprogrammentwurf keine Forderung nach einem Digitalisierungsministerium steht. Laut Entwurf wollen wir allerdings „[d]ie Kompetenzen für das Thema Digitalisierung […] in der Bundesregierung stärker bündeln“ (GS-DG-01, Z. 52). Solange dabei berücksichtigt wird, dass es ein Querschnittsthema ist, ist dagegen nichts einzuwenden. Wichtiger als die Frage, ob es eine zuständige Person gibt, ist aus meiner Sicht die Frage, ob es eine klare Roadmap gibt, ob es klare, gemeinsam geteilte Ziele gibt – und ob es einen Mechanismus gibt, mit dem sichergestellt wird, dass die Vorstellungen der einzelnen Häuser davon, was Digitalisierung ist, in einem gemeinsamen Rahmen stehen – der tatsächlich auch ausgefüllt werden kann.
(Parallel dazu gilt: eine gebündelte Digitalisierungszuständigkeit muss sich dann auch parlamentarisch widerspiegeln. Auch das ist nicht ganz einfach darzustellen, weil es auch hier sehr schnell Konflikte gibt, wenn bisherige Zuständigkeiten verändert werden sollen …)
Fazit: den Rahmen für die Digitalisierung zu gestalten, ist auch aus meiner Sicht ein zentrales Thema der anstehenden Bundestagswahl. Das muss deutlich mehr sein als Geld dafür zu geben, dass die Telekom Kupferkabel mit Vectoring ausbaut. Im grünen Programmentwurf stehen (nicht nur im Digitalisierungskapitel) ein paar kluge Ideen dazu. Wenn die es in einen Koalitionsvertrag schaffen würden, wäre schon einiges gewonnen.