Nachdenken über Parteien, Teil III

Drahtseilakt

Die Böll-Stif­tung Baden-Würt­tem­berg hat ihren „Demo­kra­tie­dia­log“ inzwi­schen in vor­bild­haf­ter Wei­se doku­men­tiert. Das neh­me ich zum Anlass, um jetzt doch noch mei­ne Ein­drü­cke dazu und ein paar Über­le­gun­gen zum Dop­pel­le­ben der Par­tei­en auf­zu­schrei­ben. Zu letz­te­rem hat­te ich einen sehr schö­nen, mäan­dern­den Text geschrie­ben – den dann der Win­dows-Edi­tor irgend­wo zwi­schen Zug und Schreib­tisch auf­ge­fres­sen hat. Des­we­gen hier (sie­he Split­ter 5) ein zwei­ter Anlauf, der viel­leicht etwas gerad­li­ni­ger gewor­den ist. Aber zunächst ein­mal zur Tagung selbst.

Splitter 4: Aufgaben und Funktionen einer (grünen) Partei

Ein The­ma, das bei der Böll-Ver­an­stal­tung in vie­ler­lei Form immer wie­der eine Rol­le spiel­te, war die Fra­ge nach den Auf­ga­ben einer Par­tei. Die Par­tei­en­so­zio­lo­gin Jas­min Siri ant­wor­te­te dar­auf klas­sisch funk­tio­na­lis­tisch: eine Par­tei als Orga­ni­sa­ti­on ist dafür da, The­men und Posi­tio­nen zu ord­nen (und damit Kom­ple­xi­tät zu redu­zie­ren), Per­so­nal aus­zu­wäh­len und aus­zu­bil­den und schließ­lich Kol­lek­ti­ve sym­bo­lisch zu reprä­sen­tie­ren. Oder, auf den Punkt gebracht: Par­tei­en sind die Lösung, die demo­kra­ti­sche Gesell­schaf­ten fin­den, um das Poli­ti­sche zu orga­ni­sie­ren – aber: Orga­ni­sa­tio­nen müs­sen kei­nen Spaß machen, und Orga­ni­sa­tio­nen sind auch nicht nett.

Die­se gan­zen Funk­tio­nen fal­len Par­tei­en heu­te nicht leich­ter – das hat was mit der Beschleu­ni­gung und All­ge­gen­wart media­ler Kom­mu­ni­ka­ti­on zu tun, und auch damit das Gesellschaft/Öffentlichkeit eben kei­ne sin­gu­lä­ren Begrif­fe mehr dar­stel­len, son­dern wir in aus­ein­an­der gefal­le­nen Tei­löf­fent­lich­kei­ten kom­mu­ni­zie­ren. Die­ser Umstand wird nun nicht mehr nur von Theo­re­ti­kern wie Haber­mas wahr­ge­nom­men, son­dern ist inzwi­schen eine All­tags­er­fah­rung. Und die­se Erfah­rung der Kon­tin­genz trägt, so Siri, dazu bei, Ängs­te und Sor­gen pro­mi­nent zu machen und damit den Nähr­bo­den für Iden­ti­täts­po­li­tik liefert. 

Höchst skep­tisch zeig­te sich Siri in die­sem Kon­text in Bezug auf die Ver­hei­ßun­gen direk­ter Demo­kra­tie. Die sieht sie genau­so wenig wie den Ruf nach mehr Betei­li­gung als Lösung für die Her­aus­for­de­run­gen der Par­tei­en­de­mo­kra­tie. Es sei viel­mehr wich­tig, sich bewusst zu machen, dass direk­te Demo­kra­tie eben nicht per se eman­zi­pa­to­risch sei, und dass gera­de rechts­po­pu­lis­ti­sche Kräf­te es gelernt hät­ten, sich anschmieg­sam der Instru­men­te direk­ter Demo­kra­tie zu bedie­nen, um ihre Zie­le umzu­set­zen. Die­se Direkt­de­mo­kra­tie­s­kep­sis in Zei­ten eins gesell­schaft­li­chen Rechts­rucks durch­zog dann auch in gehö­ri­gem Maße den Rest der Böll-Veranstaltung.

Siris The­sen waren in gewis­ser Wei­se ein Kom­men­tar zum Eröff­nungs­vor­trag von Win­fried Kret­sch­mann. In gewis­ser Wei­se, weil ich doch den Ein­druck hat­te, dass bei­de auf ganz unter­schied­li­chen Ebe­nen kommunizierten. 

Ich habe eini­ges dazu mit­ge­schrie­ben, was der Minis­ter­prä­si­dent gesagt hat. Vie­les ging ganz all­ge­mein um die gesell­schaft­li­che Situa­ti­on, in der wir uns gera­de befin­den, um Brexit und Flücht­lings­kri­se, trump­sche „post­fak­ti­sche“ Poli­tik und das Gebrüll der AfD. Es ging um die Poli­tik des Gehört­wer­dens und um den Zwei­fel, den auch Kret­sch­mann inzwi­schen, nach lan­gen Jah­ren des Kampfs für mehr Bür­ger­be­tei­li­gung, an all­zu direk­ten demo­kra­ti­schen Abstim­mun­gen hat. Und dar­über, dass trotz­dem gera­de Bür­ger­be­tei­li­gung auch über pola­ri­sier­te Situa­tio­nen (Stich­wort: Stutt­gart 21) hin­weg hel­fen kann. Es ging um die Suche nach dem Kitt und den Brü­cken, die die Gesell­schaft zusam­men­hal­ten können.

An die­ser Stel­le inter­es­siert mich nun vor allem das, was er zur Auf­ga­be der Par­tei­en und ins­be­son­de­re zur Auf­ga­be der Grü­nen sag­te. Wie das so sei­ne Art ist, schau­te der Minis­ter­prä­si­dent dazu erst­mal in die Ver­fas­sung: das Grund­ge­setz gibt Par­tei­en eine defi­nier­te Rol­le, näm­li­che die der Mit­wir­kung an der poli­ti­schen Wil­lens­bil­dung. Sie haben also eine Rol­le, Kret­sch­mann beton­te aber auch die Gren­zen die­ser Rol­le, es geht um Mitwir­kung, um die Ent­las­tung der Gesell­schaft dadurch, dass bestimm­te Kon­flik­te insti­tu­tio­na­li­siert wer­den – aber eben nicht um Domi­nanz im Poli­ti­schen. Die Par­tei­en­de­mo­kra­tie hat also Gren­zen, und neben der Auf­ga­be der Par­tei­en, ihre diver­si­fi­zier­te Kli­en­tel zusam­men­zu­hal­ten und intern eine Wil­lens­bil­dung her­bei­zu­füh­ren, steht wei­ter­hin die Auf­ga­be der Bür­ger­ge­sell­schaft, in geeig­ne­ten Räu­men und an geeig­ne­ten Orten in zivi­li­sier­ter Wei­se über rich­ti­ge und fal­sche Wege zu streiten.

Die­se Orte des zivi­li­sier­ten Streits sind aus Kret­sch­manns Sicht gera­de in einer Ein­wan­de­rungs­ge­sell­schaft wie der unse­ren ganz beson­ders wich­tig, den in einer sol­chen geht es immer auch dar­um, Kon­flik­te aus­zu­han­deln. Und Par­tei­en sind also ein Ort, aber nicht der ein­zi­ge Ort des zivi­li­sier­ten Streits. 

Wel­che Rol­le sol­len Grü­ne dabei ein­neh­men? Aus der Sicht des Minis­ter­prä­si­den­ten kön­nen wir die „Par­tei der akti­ven Bür­ger“ sein die in der öffent­li­chen Debat­te die Tugen­den der Bür­ger­ge­sell­schaft hoch­hält – Tole­ranz, Gemein­wohl­ori­en­tie­rung, Empa­thie. Und gleich­zei­tig ist eine „Par­tei der akti­ven Bür­ger“ für Kret­sch­mann eine Par­tei der Mit­te. Denn, fast schon tau­to­lo­gisch, die Mit­te der Gesell­schaft ist da, wo Bür­ge­rin­nen und Bür­ger aktiv auftreten. 

Gegen die­se Verteidiger*innen libe­ral­de­mo­kra­ti­scher und ver­fas­sungs­staat­li­cher Idea­le stellt Kret­sch­mann die Abge­häng­te, die begin­nen, am demo­kra­ti­schen Gemein­we­sen zu zwei­feln. Die fan­gen an, Iden­ti­täts­fra­gen zu the­ma­ti­sie­ren und sto­ßen dabei auf ein­fa­che Lösun­gen. Plötz­lich ist die Alter­na­ti­ve zum plu­ra­len, indi­vi­du­el­len und euro­päi­schen Ver­fas­sungs­staat dann wie­der homo­gen, völ­kisch und natio­nal. Um die­sen Kon­flikt zu gewin­nen, rät der Minis­ter­prä­si­dent dazu, Wer­te­ori­en­tie­rung und Prag­ma­tis­mus zu ver­bin­den in einem „Poli­tik­stil des Brü­cken­bau­ens“. Dazu gehört für ihn, Poli­tik mit dem Men­schen zu machen, nicht gegen sie, also auch mit denen zu reden, die völ­lig ande­rer Ansicht sind. Dazu gehört, Poli­tik in aller­ers­ter Linie als Pro­blem­lö­sung zu ver­ste­hen. Dafür brau­che es umsetz­ba­re, mehr­heits­fä­hi­ge Ant­wor­ten – der Sie­ges­zug der Öko­lo­gie zei­ge, wie das gehe. Nicht sinn­voll sei eine Poli­tik für und in einer Welt, die gar nicht exis­tiert. Dazu gehört eine Spra­che, die mit Respekt und Klar­heit arbei­tet, und weder den Trend zur Ver­ro­hung mit­macht noch sich auf maxi­ma­le Mora­li­sie­rung ein­lässt. Dazu gehört für Kret­sch­mann die War­nung von Dog­men und einem dog­ma­ti­schen Umgang mit Häretiker*innen. Die Par­tei – und ins­be­son­de­re die grü­ne Par­tei – muss also gleich­zei­tig anpa­cken und ori­en­tie­ren, sie darf nicht den Zei­ge­fin­ger erhe­ben und sie darf sich nicht als Kor­rek­turme­cha­nis­mus für ande­re selbst kleinmachen. 

Und auch aus Kret­sch­manns Sicht ist Poli­tik einer ernst­haf­te Ange­le­gen­heit – Spaß ist nicht der rich­ti­ge Maßstab. 

Im Außen­blick von Siri sind Par­tei­en vor allem die Lösung für bestimm­te (struk­tu­rel­le) gesell­schaft­li­che Pro­blem­la­gen im Sin­ne einer funk­tio­na­lis­ti­schen Denk­wei­se. Sie sind eine Orga­ni­sa­ti­ons­form. Im Innen­blick von Kret­sch­mann wer­den Par­tei­en mehr denn je gebraucht, aber nicht irgend­wel­che, son­dern sol­che, die Han­deln und Ori­en­tie­rung, Wer­te und brei­te gesell­schaft­li­che Kom­pro­mis­se zusam­men­brin­gen. Bei­de eint Skep­sis dage­gen, in direkt­de­mo­kra­ti­schen Instru­men­ten eine ein­fa­che Lösung zu sehen; die inter­nen wie exter­nen Auf­ga­ben von Par­tei­en wer­den dadurch nicht weniger. 

BDK: Media

Splitter 5: Das Doppelleben der Parteien

Ein für mich beson­ders inter­es­san­ter Teil der Böll-Ver­an­stal­tung war der Work­shop „Par­tei – ohne mich?“. Das hat zum einen etwas damit zu tun, dass ich den Metho­den­wech­sel weg von der Podi­ums­re­de hin zum Werk­statt­for­mat mit viel Dis­kus­si­on und Ideen­fin­dung als sehr erfri­schend emp­fand. Es hat aber auch etwas damit zu tun, dass mir in den Debat­ten in die­sem Work­shop – auch mit exter­nem Input aus dem „pro­gres­si­ven Zen­trum“, und mit Debat­ten­bei­trä­gen von Par­tei­lo­sen, Lin­ken, einer SPD-Frau – ein paar Punk­te noch­mal ziem­lich deut­lich gewor­den sind. Und die haben durch­aus etwas mit der Kret­sch­mann-Siri-Debat­te über die Funk­ti­on der Par­tei­en zu tun. 

Ich glau­be näm­lich, dass wir, wenn wir über Par­tei­en reden, eigent­lich drei bis vier Din­ge mei­nen. Par­tei­en füh­ren ein Dop­pel­le­ben. Unten, „an der Basis“, aber auch in inhalt­li­chen Arbeits­grup­pen, sind Par­tei­en in ers­ter Linie Mit­glie­der­par­tei. Sie bestehen aus einer in der kleins­ten Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit (bei uns sind das je nach­dem Orts- oder Kreis­ver­bän­de) doch über­schau­ba­ren Anzahl an Akti­ven, man­che mehr, man­che weni­ger, die sich ehren­amt­lich in die Par­tei „ein­brin­gen“. Also zu Mit­glie­der­ver­samm­lun­gen gehen und dort mit dis­ku­tie­ren und mit abstim­men, die Bei­trä­ge zah­len, die Wahl­kampf­stän­de orga­ni­sie­ren, viel­leicht auch Pla­ka­tie­ren und Haus­tür­wahl­kampf machen, und dane­ben auch noch an der einen oder ande­ren inhalt­li­chen Ver­an­stal­tung teil­neh­men. Wie die­ses loka­le Par­tei­le­ben aus­sieht, unter­schei­det sich auch bei uns Grü­nen von Ort zu Ort. In Wolfs­burg ist’s anders als in Wald­kirch, in Han­no­ver anders als in Frei­burg, und in dem einen Ber­li­ner Stadt­be­zirk anders als in dem ande­ren Ber­li­ner Stadt­be­zirk. Man­che – im Work­shop wur­de aus Hei­del­berg berich­tet – sind muti­ger und fin­den neue For­ma­te, die beson­ders „nie­der­schwel­lig“ sind, die auch ger­ne mal nett sein dür­fen, ja, Spaß machen, weil irgend­wie Men­schen ja auch ihre Moti­va­ti­on auf­recht erhal­ten müs­sen. Ande­re blei­ben beim tra­di­tio­nel­len Tref­fen im inzwi­schen rauch­frei­en Hin­ter­zim­mer, und wie­der­ho­len immer wie­der die sel­ben Kämp­fe. Die Sat­zungs­au­to­no­mie, die Grü­ne groß schrei­ben, trägt, stär­ker viel­leicht noch in ande­ren Par­tei­en, auch zu einer par­tei­kul­tu­rel­len Auto­no­mie bei. So machen wir das hier.

Ers­tens also Mit­glie­der­par­tei. Zwei­tens sind Par­tei­en auf Lan­des- und Bun­des­ebe­ne Funk­tio­närs­par­tei­en. Die Vor­sit­zen­den wer­den bezahlt, es gibt rela­tiv gro­ße, pro­fes­sio­nell betrie­be­ne Geschäfts­stel­len mit Per­so­nal, und neben den Par­tei­en (und, hier wer­de ich nicht wei­ter dar­auf ein­ge­hen, den Stif­tun­gen) gibt es vor allem auch die Frak­tio­nen. Auch eine Frak­ti­on auf loka­ler Ebe­ne kann gera­de in einer grö­ße­ren Stadt eine gan­ze Men­ge Arbeit ver­ur­sa­chen. Trotz­dem sind wir da weit­ge­hend im Ehren­amt, zwi­schen akti­ven Par­tei­mit­glie­dern und Stadträt*innen gibt es gro­ße Über­schnei­dun­gen, die Kom­mu­ni­ka­ti­on funk­tio­niert einigermaßen.

Aber gera­de in den Län­dern mit grü­ner Regie­rungs­be­tei­li­gung kommt den Frak­tio­nen (und den Minis­te­ri­en …) doch noch ein­mal eine beson­de­re Bedeu­tung zu. Letzt­lich fin­det hier die bezahl­te Poli­tik statt, letzt­lich sind es die Abge­ord­ne­ten und die Bera­ter­stä­be, die aus der grund­sätz­li­chen Wert­ori­en­tie­rung und Pro­gram­ma­tik Tages­po­li­tik machen. Idea­ler­wei­se geschieht dies im engen Aus­tausch auch mit der Lan­des­par­tei, die damit aber zugleich eng an die Eigen­lo­gi­ken der Frak­tio­nen und der par­la­men­ta­ri­schen Arbeit her­an­ge­führt wird. 

In den Frak­tio­nen und der pro­fes­sio­na­li­sier­ten Poli­tik­ebe­ne der Lan­des­par­tei­en und der Bun­des­par­tei zusam­men dürf­ten bei uns Grü­nen, grob geschätzt, viel­leicht ein paar tau­send Men­schen arbei­ten, als Abge­ord­ne­te oder als Mitarbeiter*innen. Bei 60.000 Mit­glie­dern sind das dann viel­leicht zwei Pro­zent, viel­leicht fünf Pro­zent, die pro­fes­sio­nell Poli­tik machen. Hier ist Par­tei tat­säch­lich vor allem auch Orga­ni­sa­ti­on mit allem, was dar­über gesagt wurde. 

Dage­gen sind 95 Pro­zent der Par­tei­mit­glie­der Teil der Mit­glie­der­par­tei (oder mög­li­cher­wei­se auch schlicht Men­schen, die aus einer Wert­über­ein­stim­mung her­aus Bei­trä­ge zah­len). Wird der Blick auf die Wähler*innen und das sym­pa­thi­sie­ren­de Umfeld gerich­tet, kom­men Mil­lio­nen Men­schen dazu. 

Zwi­schen den fünf Pro­zent und den 95 Pro­zent gibt es einen gewis­sen Dunst­kreis, gibt es Aus­tausch. Viel­leicht zusätz­li­che 15 Pro­zent der grü­nen Mit­glie­der – sage ich mal, ohne die Zahl bele­gen zu kön­nen – sind in der einen oder ande­ren Form lan­des- oder bun­des­po­li­tisch ein­ge­bun­den: durch die Mit­ar­beit in Arbeits­ge­mein­schaf­ten, durch die Teil­nah­me als gewähl­te Dele­gier­te an Lan­des- oder Bun­des­par­tei­ta­gen, viel­leicht auch durch Ver­net­zun­gen, wie sie in der Grü­nen Jugend oder in den Par­tei­flü­geln entstehen.

Und hier kommt nun das Dop­pel­le­ben der Par­tei­en ins Spiel. Auf der einen Ebe­ne, auf der loka­len Ebe­ne, ist Par­tei als Mit­glie­der­par­tei erfahr­bar. Hier geht es um kon­kre­te Men­schen, die sich oft durch jah­re­lan­ge poli­ti­sche Arbeit auch ken­nen­ge­lernt haben. Die­se Ebe­ne erlebt die ande­re Ebe­ne der Par­tei nur ver­mit­telt. Das kön­nen direk­te For­men der Ver­mitt­lung sein, wenn also bei­spiels­wei­se eine Abge­ord­ne­te an einer Mit­glie­der­ver­samm­lung teil­nimmt und „aus Stutt­gart“ oder „aus Ber­lin“ berich­tet, oder wenn ein aus Funk und Fern­se­hen bekann­ter Abge­ord­ne­ter als Refe­rent ein­ge­la­den wird. Größ­ten­teils geht es hier aber um media­le For­men der Ver­mitt­lung: das Bild, das wir uns von unse­rer eige­nen Par­tei machen, besteht vor allem auch aus dem media­len Bild der Par­tei­wirk­lich­keit. Par­tei­en sind medi­al ver­mit­tel­te Parteien. 

Die­ser Befund stimmt wei­ter­hin, hat sich aber in letz­ter Zeit ver­scho­ben. Das betrifft zum einen die Tat­sa­che, dass die digi­ta­le Revo­lu­ti­on es sehr viel ein­fa­cher gemacht hat, als Par­tei selbst medi­al aktiv zu wer­den. Was frü­her Par­tei­zei­tun­gen und par­tei­ge­bun­de­ne Intel­li­genz­blät­ter waren, sind heu­te neben wer­be­tech­nisch auf­wän­di­gen Maga­zi­nen auch Web­sites, Blogs und Auf­trit­te in sozia­len Medi­en. Und die wir­ken schnel­ler und direk­ter, sofern sie wahr­ge­nom­men wer­den. Das Bild, das eine Par­tei sich von sich macht, ist also viel­leicht stär­ker als frü­her selbst gesteu­ert. Auch heu­te noch zer­fällt die­se Iden­ti­täts­ver­mitt­lung – denn schließ­lich gibt es nicht die Par­tei, son­dern Bun­des- und Lan­des­par­tei, diver­se Frak­tio­nen, ja, ein­zel­ne Abge­ord­ne­te, die eben­falls sozi­al-medi­al aktiv sind und damit zu die­sem Bild beitragen. 

Span­nend wird es hier, wenn zumin­dest para­so­zi­al inter­agiert wer­den kann, also bei­spiels­wei­se dann, wenn Abge­ord­ne­te auf Twit­ter oder Face­book aktiv sind, und dort auch als Per­so­nen auf­tre­ten. (Und auch die oben ange­ris­se­nen Debat­ten über tei­löf­fent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on und Fil­ter­bla­sen spie­len hier natür­lich eine Rol­le: zumin­dest die akti­ve­ren Tei­le der Par­tei tref­fen sich auch im Netz wieder …).

Nach wie vor zen­tral für das Bild, das sich eine Par­tei von sich selbst macht, dürf­ten aller­dings Talk­show­auf­trit­te, Nach­rich­ten, Zei­tungs­schlag­zei­len und der­glei­chen mehr sein, egal in wel­chem Medi­um sie kon­su­miert wer­den. Für tau­sen­de von Mit­glie­dern ist die Par­tei im All­tag vor allem die aus der Pres­se­be­richt­erstat­tung, und für Mil­lio­nen von Wähler*innen gilt dies erst recht.

(Sicht­bar wird das Dop­pel­le­ben dann, wenn die ganz unter­schied­li­chen Erfah­rungs­ho­ri­zon­te zwi­schen Berufs­po­li­tik und ehren­amt­li­cher Poli­tik auf­ein­an­der­sto­ßen. Trotz aller gemein­sa­mer Wer­te ist das Wis­sen, was Poli­tik kann, und was Poli­tik nicht kann, in Par­la­men­ten und Frak­tio­nen, in denen Men­schen tag­ein, tag­aus „Poli­tik machen“, doch ein ande­res als bei ehren­amt­lich akti­ven Par­tei­mit­glie­dern, die sich durch eine Exper­ti­se als z.B. Eltern, Arbeitnehmer*innen, Verbraucher*innen, Unternehmer*innen aus­zeich­nen, jedoch kei­ne Exper­ten für „Sach­zwän­ge“ sind. Aus die­ser Kon­stel­la­ti­on erge­ben sich Ver­mitt­lungs­pro­ble­me (und Gestal­tungs­pro­ble­me), wenn bei­de Hori­zon­te auf­ein­an­der­pral­len. Was für die einen eine Selbst­ver­ständ­lich­keit ist, muss dem ande­ren zunächst mal nahe­ge­bracht wer­den. Und damit ist Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ar­beit verbunden.)

Par­tei als Orga­ni­sa­ti­on kann selbst­ver­ständ­lich etwas dazu bei­tra­gen, die eige­ne Iden­ti­tät zu for­men. Neben dem media­len Bild der Par­tei, das ja auch nur in eine Rich­tung und über Umwe­ge ver­mit­telt, gibt es eine gan­ze Rei­he direk­te­rer Trans­mis­si­ons­rie­men. Das reicht von per­sön­li­chen Kon­tak­ten über for­ma­le Instru­men­te – die Urwahl oder auch Mit­glie­der­be­fra­gun­gen wären hier zu nen­nen – über Par­tei­ta­ge (auch im Live­stream) und die Mög­lich­keit, dort Mit­glie­der­an­trä­ge zu stel­len bis hin zu Ver­an­stal­tun­gen der Par­tei und auch der Umfeld­or­ga­ni­sa­tio­nen bis hin zu Akti­vi­tä­ten sozia­ler Bewe­gun­gen und der Zivil­ge­sell­schaft, bei denen sich auch die Par­tei in Form ihrer Mit­glie­der trifft – also etwa eine Groß­de­mons­tra­ti­on. Und selbst­ver­ständ­lich sind seit eini­gen Jahr­zehn­ten digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge wie Mai­ling­lis­ten, Foren, Grup­pen in Social-Media-Platt­for­men Orte, an denen ein ver­ti­ka­ler (wie hori­zon­ta­ler) Aus­tausch statt­fin­den kann, und an denen ein Teil der Iden­ti­tät einer Par­tei ent­steht. Par­tei­en chan­gie­ren damit zwi­schen tat­säch­li­cher und ima­gi­nier­ter Gemeinschaft.

Ansät­ze für Refor­men, Ideen, Par­tei­en attrak­ti­ver zu machen, müs­sen die­ses Dop­pel­le­ben – und das Eigen­le­ben sowohl der Kreis­ver­bän­de als auch der Berufspolitiker*innen – berück­sich­ti­gen. Span­nend fin­de ich hier die Debat­ten, die bei uns unter dem Stich­wort Betei­li­gungs­par­tei lau­fen. Dabei geht es sowohl um Ände­run­gen der Sat­zung (wie auch des Par­tei­en­geset­zes), um direkt­de­mo­kra­ti­sche Instru­men­te und Betei­li­gungs­for­ma­te inner­halb der grü­nen Par­tei zu stär­ken, als auch um die Tools und Instru­men­te, Mit­glie­der­be­tei­li­gung zu ermög­li­chen. Der Antrag B‑01, der jetzt auf der BDK im Novem­ber zu Abstim­mung steht, gibt einen guten Über­blick über die­se Debat­te und die damit ver­bun­de­nen Zie­le. Hier bewegt sich tat­säch­lich etwas – und viel­leicht ergibt sich dar­aus trotz aller Hür­den, die in unter­schied­li­chen Wis­sens­be­stän­den, unter­schied­li­cher Zeit­res­sour­cen und in der Not­wen­dig­keit der Kom­ple­xi­täts­re­duk­ti­on lie­gen, doch in den nächs­ten Jah­ren eine Ver­schie­bung, die die zwei Par­tei­en stär­ker mit­ein­an­der in Deckung bringt.

wird fort­ge­setzt

Eine Antwort auf „Nachdenken über Parteien, Teil III“

  1. Ein inter­es­san­ter Bei­trag dazu , wenn man dar­über nach­denkt , was man eigent­lich betreibt , wenn man in einer Par­tei ist , und was da um einen her­um vor­geht. Als Merk­ma­le neh­me ich vor allem mit, dass es in einer Par­tei nicht „nett“ zuge­hen muß, wenn man sich dort eing­agiert. Wei­ter, wenn bezahl­te Berufs­po­li­ti­ker auf ehren­amt­li­che Exper­ten des rea­len Lebens treffen.

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