Scheinbar sind Wissenschaft und (grüne) Politik zwei Welten, die nach unterschiedlichen Logiken funktionieren und kaum etwas miteinander zu tun haben – und sich häufig mit Unverständnis begegnen. […] Zwei zueinander konträre Haltungen zu Wissenschaft begegnen uns in unserer Partei immer wieder: Da ist zum einen eine Haltung der dezidierten Wissenschaftsskepsis, die bis zu einer Wissenschaftsfeindlichkeit reicht – und der Wissenschaft unterstellt, ohne jede ethische Verankerung zu agieren. Zum anderen findet sich eine Haltung fast schon naiver Technikgläubigkeit. Hier wird Anwendungen der Wissenschaft, nämlich Innovation und Technik, zugetraut, die großen gesellschaftlichen Probleme (Grand Challenges) zu lösen. Beide Haltungen prallen häufig aufeinander und erschweren die parteiinterne Auseinandersetzung mit Wissenschaft […] unnötig. Denn beide Haltungen ignorieren, was Wissenschaft sein kann und sollte, wie sie funktioniert und wie sie in Wechselbeziehung zur Gesellschaft und zu unserer Politik steht.
Das steht in einem aus der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaft, Hochschule, Technologiepolitik (BAG WHT) von Bündnis 90/Die Grünen heraus entstandenem Diskussionspapier. Bewusst kein BAG-Beschluss, sondern ein Text, der in der BAG erarbeitet und diskutiert wurde, und der – nach einer ersten, parteiinternen Runde – jetzt öffentlich gemacht wird. Wer das ganze Papier lesen und gerne auch kommentieren will, kann dies auf dem Blog der BAG WHT tun. Als Mitautor des Papiers und als BAG-Sprecher freue ich mich über jede Rückmeldung dazu.
Vielleicht ist es eine Frage der eigenen Perspektive, aber naive Technikgläubige kenne ich eigentlich in unserer Partei gar nicht…
So wie das jetzt dasteht, finde ich die Formulierung zu weichgespült. Es sieht doch ein Blinder, dass die Wissenschaftsfeindlichkeit gewisser Teile der Partei das Problem sind, und nicht die paar Leute, die vielleicht ein bisschen zu sehr an die Segnungen der Elektromobilität glauben. Da hätte man sich gut auch klarer positionieren können.
Bevor ich darauf reagiere, die Frage – du hast den Gesamttext gelesen?
Na klar. Und da steht natürlich vieles drin, was gar nichts mit den „naiven Technikgläubigen“ zu tun hat, vieles was ich gut finde, manches, worüber man mit mir streiten könnte, und einiges, was einfach nur wolkiges Gelaber ist, wie es häufig in solchen Papieren steht, mit Verlaub.
Aber ich finde interessant, dass Du genau diesen Schnipsel herausgreifst, der obendrein ja gleich der zweite Absatz ist. Für mich erscheint das wie eine Überreaktion aus dem Bedürfnis heraus, die wissenschaftsfeindliche Eso-Fraktion nicht zu sehr zu vergrämen. Echte Substanz sehe ich da nicht.
Naja, wir wollen, dass das Papier in der Partei diskutiert wird. Insofern ist einiges vielleicht zurückhaltender als notwendig formuliert. Zu deiner These, dass es diese naiven Wissenschaftsgläubigen bei uns nicht gibt – das sehe ich anders. Wissenschaftliche Gutachten werden (sofern sie die eigene Meinung bestätigen) kaum in Frage gestellt, und ich kriege, auch in der Fraktionsarbeit, immer wieder aus allen Fachbereichen Wünsche der Art „Könnte nicht das Ministerium an der Hochschule XYZ einen Studiengang für ABC einrichten?“ – nicht, weil die Hochschule XYZ da machen möchte, sondern weil der oder die Abgeordnete ein konkretes Problem gelöst haben möchte.
Ah, okay. Ja, so verstanden hast Du natürlich recht, solche Fälle kenne ich auch. Ich hatte das irgendwie nur nicht mitgedacht, für mich ist „naive Technikgläubigkeit“ immer eher sowas wie „Windkraft / Das Internet / Gentechnik / Kernfusion wird uns alle retten“, und das haben wir ja nun wirklich recht selten. :)