Nicht von dieser Welt

Strange planet IIIn den letz­ten Tagen sind mir zwei ganz unter­schied­li­che Bücher über den Weg gelau­fen, die sich mit dem Groß­wer­den von Kin­dern und Jugend­li­chen mit Asper­ger-Syn­drom befas­sen. Dabei han­delt es sich zum einen um The Quar­ry, das letz­te Buch des zu früh ver­stor­be­nen schot­ti­schen Autors Iain Banks, und zum ande­ren um die Gra­phic Novel Schat­ten­sprin­ger, in die ich auf der Web­site der Autorin Danie­la Schrei­ter hin­ein­blät­tern konnte.

The Quar­ry ist die Geschich­te einer aus­ein­an­der­brö­seln­den Wahl­fa­mi­lie, die sich noch ein­mal im Haus am namens­ge­ben­den Stein­bruch beim schwer kran­ken Guy trifft. Es geht aber nicht nur um Abschied­neh­men, son­dern auch um ein mys­te­riö­ses Video, dass die heu­ti­gen Kar­rie­ren der ehe­ma­li­gen Film­stu­den­tIn­nen gefähr­den könn­te. Die­se Video­kas­set­te muss irgend­wo in die­sem Haus, in dem sie wäh­rend ihres Stu­di­ums wohn­ten, ver­steckt sein. Das gan­ze wird wie immer eigen­wil­lig und humor­voll von Banks erzählt – und zwar aus der Per­spek­ti­ve von Kit, Guys mut­ter­lo­sem, ihn pfle­gen­den Sohn, der eben 18 gewor­den ist. Kit ist ver­mut­lich Asper­ger-Autist, was sich nicht nur im Han­deln zeigt – etwa dem star­ken Wunsch nach Rou­ti­nen, Schwie­rig­kei­ten mit all­täg­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­flos­keln oder dem Rück­zug in die Com­pu­ter­welt -, son­dern auch die Erzähl­per­spek­ti­ve einfärbt.

Schat­ten­sprin­ger ist dage­gen ein auto­bio­gra­phi­scher Comic-Roman, in dem die Autorin uns mit­nimmt in eine Kind­heit und Jugend, die durch das Gefühl geprägt ist, von einem ande­ren Stern zu sein. Zwi­schen Reiz­über­flu­tung und Wis­sens­durst erklärt Danie­la Schrei­ter, wel­che Stra­te­gien sie ent­wi­ckelt hat, ent­wi­ckeln muss­te, um mit den selt­sa­men Anfor­de­run­gen die­ser Welt klar­zu­kom­men. Das gan­ze ist nie­mals selbst­mit­lei­dig oder lamory­ant, son­dern wird mit viel Witz und posi­ti­ver Ener­gie erzählt.

Inso­fern auf jeden Fall eine Lese­emp­feh­lung für bei­de Bücher. Ich packe bei­de aber auch des­halb in einen Blog­bei­trag, weil ich mich in eini­gen Facet­ten der bei­den Prot­ago­nis­tIn­nen wie­der­erkannt habe. Nicht in allen, aber man­ches rief doch Erin­ne­run­gen an mei­ne eige­ne Kind­heit und auch mei­nen eige­nen All­tag her­vor. Das muss jetzt nicht Asper­ger sein – aber das Gefühl, auf dem fal­schen Pla­ne­ten gelan­det zu sein, ken­ne ich durchaus. 

„War­um tun die das“ ist eine der Fra­gen, die mich dazu gebracht haben, Sozio­lo­gie zu stu­die­ren. Eine gewis­se Scheu vor sozia­len Inter­ak­tio­nen (Beob­ach­tung ist ein­fa­cher), und die gro­ße Erleich­te­rung dar­über, dass es E‑Mail und ande­re For­men schrift­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­on gibt. Die Außen­sei­ter­rol­le im Schul­all­tag und die Lie­be zum Lesen von Lexi­ka (von A bis Z). Das Unver­ständ­nis dar­über, war­um Men­schen höf­lich sind, auch wenn sie dabei lügen (inzwi­schen habe ich das ver­stan­den). Das Zurück­schre­cken vor Ver­än­de­run­gen. Und eini­ges mehr, dass ich jetzt nicht hier aus­brei­ten möchte.

Wenn ich etwas dar­über nach­den­ke, dann gibt es auch das eine oder ande­re, was mir bei mei­nen Kin­dern auf­fällt. Viel­leicht ist es ein Fil­ter­ef­fekt – es fällt auf, weil ich dar­über nach­den­ke -, aber es gibt eben doch die­se Fähig­keit zur inten­si­ven Kon­zen­tra­ti­on, die mit einer gene­rel­len Unkon­zen­triert­heit ein­her­geht. Es gibt Gezap­pel und Geschrei, weil etwas nicht genau in der rich­ti­gen Rei­hen­fol­ge statt­fin­det, und es gibt Beschwer­den dar­über, das völ­lig harm­lo­se Jacken und Pul­lis „stin­ken“ oder „krat­zen“.

Ich glau­be nicht, dass es not­wen­dig ist, nach einem Eti­kett dafür zu suchen. Viel­leicht reicht ein Ver­ständ­nis für Viel­falt, für die vie­len unter­schied­li­chen For­men, die „nor­mal“ ein­neh­men kann. Ein klei­ner Moment des Inne­hal­tens, bevor zwi­schen „selt­sam“ und „selbst­ver­ständ­lich“ unter­schie­den wird. Bücher wie die bei­den oben genann­ten tra­gen dazu bei, ein sol­ches Inne­hal­ten zu ermög­li­chen. Auch des­we­gen fin­de ich die wichtig.

War­um blog­ge ich das? Weil ich mir sicher bin, dass auf die­ser Welt Platz für ein Kon­ti­nu­um ganz unter­schied­li­cher Lebens­for­men ist.

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