Das Interview

Ich habe ja eine blü­hen­de poli­ti­sche Fan­ta­sie (und außer­dem ges­tern zuviel Bor­gen geschaut), des­we­gen kann ich mir leb­haft vor­stel­len, wie das mit der FAZ-Inter­view mit Peer Stein­brück wirk­lich abge­lau­fen ist:

Das Han­dy klingt. Peer Stein­brück sitzt am Schreib­tisch und nimmt ab. Sein Bera­ter – er umgibt sich ja nur mit Män­nern – ist dran:

„Du, Peeeer, ich hab da was tol­les für dich arran­gie­ren kön­nen. Inter­view in der FAZ – ist ja jetzt so’n büss­chen Win­terloch, da wer­den sich alle drauf stür­zen. Und du weißt ja, wir haben da die­ses klei­ne Image­pro­blem. Die Leu­te drau­ßen ken­nen dich nicht. Die glau­ben, du bist so ein geld­gei­ler Büro­krat. Da müs­sen wir ran, offen­siv! Pass auf, wir machen das jetzt so: Du gibst dich ganz ent­spannt. Auch mal gön­nen kön­nen, klar? Zeigst dich von dei­ner bes­ten Sei­te, als net­ter Jun­ge von neben­an, der auch mal ’nen flot­ten Spruch auf den Lip­pen hat. Viel­leicht was mit den Wein­prei­sen, du weißt schon … Soweit, ja?“

Super, ein Inter­view in der FAZ! Stein­brück hat sich gleich einen Stich­wort­zet­tel mit all den guten Tipps gemacht, die ihm sein Bera­ter gege­ben hat. Und dann kann es losgehen.

Alle Gerüch­te vom Tisch wischen, ganz offen­siv. Und logisch: der Typ von der FAZ will als ers­tes wis­sen, wie das mit dem Geld ist. Stich­wort „nicht geld­geil“ auf dem Zet­tel. Also eine kla­re Ansa­ge: „Heu­te bin ich, jeden­falls aus der Sicht vie­ler Men­schen, ein ver­mö­gen­der Sozi­al­de­mo­krat. Aber Geld löst bei mir kei­ne ero­ti­schen Gefüh­le aus.“

Und auch „mal gön­nen kön­nen“. Mehr Geld zum Bei­spiel. In der Wirt­schaft, oder eben die kla­re Ansa­ge, als der Inter­view­er wis­sen will, ob die Bun­des­kanz­le­rin genug ver­dient: „Ein Bun­des­kanz­ler oder eine Bun­des­kanz­le­rin ver­dient in Deutsch­land zu wenig – gemes­sen an der Leis­tung, die sie oder er erbrin­gen muss und im Ver­hält­nis zu ande­ren Tätig­kei­ten mit weit weni­ger Ver­ant­wor­tung und viel grö­ße­rem Gehalt.“

Geschickt gemacht, die unbe­strit­te­ne Leis­tung der Kanz­le­rin, die ja zum Teil auch sein, Stein­brücks Ver­dienst ist, deut­lich zu loben. Die ist so gut, die hät­te sogar mehr Geld verdient. 

Aber obacht – wir sind ja im Wahl­kampf. „Wie wol­len Sie gegen eine so belieb­te Kanz­le­rin punk­ten?“, wird Stein­brück gefragt. Kur­zer Blick auf den Stich­wort­zet­tel, jovi­al und volks­nah, offen­siv die eige­ne Beliebt­heit raus­stel­len. Am bes­ten mit Sport: „Auch ohne her­aus­ge­ho­be­nes Amt war ich in den letz­ten drei Jah­ren durch­weg auf einem der ers­ten Plät­ze in der Bun­des­li­ga­ta­bel­le der Poli­ti­ker, die bald auf den Sport­sei­ten auf­taucht.“ Aber so ganz zieht das noch nicht, merkt Stein­brück. Also nach­le­gen, im Ver­gleich zur Kanz­le­rin. Was hat die, was ich nicht habe? Genau: „Ange­la Mer­kel ist beliebt, weil sie einen Frau­en­bo­nus hat.“ Klar: „Das ist nicht mein Nach­teil, son­dern ihr Vor­teil.“ Char­mant gelöst, nicht?

Und jetzt noch­mal offen­siv ran­ge­hen, Ecken und Kan­ten zei­gen („Au-then-ti-zi-tät, Pee­er!“): „Ich wer­de aber nicht ver­su­chen, mich grund­sätz­lich zu ändern oder an einem Coa­ching teil­neh­men, in dem man lernt, Beliebt­heits­punk­te zu sam­meln.“ Denn das brau­che ich gar nicht, denkt Stein­brück. Zum Bei­spiel NRW 2005: „Bei der nord­rhein-west­fä­li­schen Land­tags­wahl 2005 war ich belieb­ter als mein Her­aus­for­de­rer Jür­gen Rütt­gers von der CDU und habe trotz­dem ver­lo­ren.“ Auch das noch klar gemacht: super­tol­ler Typ, aber eben mit dem Wis­sen, dass es nicht um einen Sym­pa­thie­wett­be­werb geht. Kan­te gezeigt und gera­de des­halb ein paar Beliebt­heits­punk­te ein­ge­sam­melt. Der Bera­ter wird stolz sein.

Lei­der haben nicht alle kapiert, wie wich­tig ich bin, denkt Stein­brück. Die Kanz­le­rin zum Bei­spiel. Das muss noch mal gesagt wer­den. Und der Witz mit dem Super­markt­wein war doch gut. Also bei­des zusam­men­ge­packt: „Ich hät­te das durch­aus nor­mal gefun­den, wenn sie in der Kri­se mal ange­ru­fen und gesagt hät­te, ich sol­le doch mal auf eine Tas­se Wein her­über­kom­men.“ Tas­se Wein! Schen­kel­klop­fer, oder?

Jetzt wol­len die von der FAZ noch Inhal­te. Unter­schie­de zur Uni­on beto­nen. Wie war das nach der gro­ßen Koali­ti­on: „Ange­la Mer­kel ist es 2009 gelun­gen, die SPD und ihre Wäh­ler zu demo­bi­li­sie­ren. Unse­re Wäh­ler sind in den War­te­saal gegan­gen.“. Das machen wir jetzt anders: „Im nächs­ten Wahl­kampf wer­den wir eine kla­re Unter­schei­dung her­stel­len zwi­schen uns und der Uni­on.“ (Denn der Stein­mei­er hat das 2009 mit den Unter­schie­den zur Uni­on ja nicht so rich­tig hin­ge­kriegt, klei­ne fie­se Seitenbemerkung). 

Hmm, reicht dem FAZ-Typen nicht. Der will noch mehr Inhal­te. Der fragt nach. Noch­mal auf den Zet­tel, ach nee, der ande­re, inhalt­li­che Leit­li­nie. Irgend­was mit Armut, mal vor­le­sen: „Ich wer­de die Gesell­schafts­po­li­tik ins Zen­trum der Aus­ein­an­der­set­zung rücken. Die Wirt­schafts­da­ten in Deutsch­land mögen gut sein, aber die Men­schen mer­ken, dass da etwas aus­ein­an­der­drif­tet, dass es Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten gibt. Die einen pro­fi­tie­ren von der guten Wirt­schafts­la­ge, die ande­ren sind von Armut bedroht. Die jun­gen Men­schen haben oft unsi­che­re und schlecht bezahl­te Jobs.“

Ach so, und aktu­el­le The­men mit­ein­bin­den, hat­te der Bera­ter gesagt. Was war da noch­mal, Demo­gra­phie? Genau, Demo­gra­phie. Ele­gan­ter Nach­satz: „Des­we­gen bekom­men vie­le von ihnen auch kei­ne Kin­der mehr.“ Ist doch so. Wer sich das Kin­der­mäd­chen nicht leis­ten kann, über­legt sich das zwei­mal mit den Kindern.

Mist. Jetzt fragt der von der FAZ nach: „Das ist nicht ein­leuch­tend. Deutsch­land ist das reichs­te Land der Euro­päi­schen Uni­on und hat gleich­zei­tig eine der schlech­tes­ten Gebur­ten­ra­ten. Es ist doch viel­mehr die schlech­te Ver­ein­bar­keit von Beruf und Elternschaft.“ 

Nee, Peer, da heißt es stand­haft blei­ben, denkt sich Stein­brück: „Aber die Unsi­cher­heit über einen gesi­cher­ten mate­ri­el­len Sta­tus wirkt auch schon in einer Mit­tel­schicht, wo sich vie­le fra­gen, wie sie finan­zi­ell durch­kom­men, wenn sie ein oder zwei Kin­der in die Welt set­zen.“ Die Kin­der­mäd­chen­fra­ge, eben. Und dann wie­der geschickt zurück zur Wirt­schafts­la­ge, EU-Kri­se, denn wich­ti­gen The­men halt.

Hof­fent­lich bald zu Ende, das Inter­view. Am Schluss grei­fen die das mit der Mer­kel und den Frau­en noch­mal auf, na sowas. Da muss ich mei­nen natür­li­chen Charme spie­len las­sen, denkt Stein­brück. Fishing for com­pli­ments, nicht wahr? 

„Nein, die ewi­gen Fra­gen danach, wie ich auf Frau­en wir­ke, haben mit dem erwähn­ten Bonus von Frau Mer­kel zu tun. Sie hat sich in einer Män­ner­welt durch­ge­setzt, wirkt sehr unprä­ten­ti­ös und tritt beschei­den auf. Das wird auch von Wäh­lern und Wäh­le­rin­nen der SPD aner­kannt. Das heißt aber nicht, dass ich als der Gott­sei­bei­uns wahr­ge­nom­men werde.“

Biss­chen Iro­nie, biss­chen Humor – weiß doch jeder, dass ich ein net­ter und sym­pa­thi­scher Typ bin. Hihi. Stein­brück denkt, da blei­be ich am Schluss doch dabei: „Das Risi­ko, dass mei­ne Frau eine flam­men­de Rede auf mich hält, wür­de ich auch lie­ber nicht ein­ge­hen.“ Lus­tig, oder? Und den ande­ren Witz bringt er auch noch: „Ihre Kom­men­ta­re im Fall gemein­sa­mer Dis­ko-Besu­che mit mei­nen Kin­dern oder von Home-Sto­ries ste­hen glas­klar vor mei­nen Augen.“ (Klei­ner Schien­b­ein­tritt Rich­tung Pop-Gabri­el und Wowi-Par­ty­bär. Nee, denkt er sich, ich mach das rich­tig sach­lich und ver­nünf­tig. Wie die Kanz­le­rin eben. Will er ja auch wer­den. Ein Macho ist er nicht – aber auch kein Weich­ei. „Die Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler erwar­ten schon, dass jemand Ver­ant­wor­tung über­nimmt, Hal­tung zeigt und durch­hält, Ent­schei­dun­gen trifft und nicht laviert.“)

Gute Schluss­fra­ge von der FAZ: „Sind Sie ein har­ter Hund?“ Klar bin ich das. Aber das bin­de ich denen nicht auf die Nase, will ja mein neu­es sym­pa­thi­sches Image nicht gleich wie­der zer­tram­peln, denkt sich Stein­brück. Lie­ber noch­mal den tro­cke­nen Humor der Nord­deut­schen beto­nen: „Der Ein­druck täuscht. Nicht weni­ge sagen mir nach, man kön­ne ganz gut mit mir lachen und humor­los sei ich auch nicht.“ 

Schö­ne dop­pel­te Ver­nei­nung am Schluss – er ist ein rich­tig lus­ti­ger Kerl. Und das Inter­view, da ist Stein­brück sich sicher, wird ein­schla­gen wie eine Bom­be. „Kön­nen Sie alles so schrei­ben, klar. Dan­ke nochmal!“ 

Tol­le Sache!

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