Religion und Politik verträgt sich nicht. Dass es in Deutschland eine christliche Partei gibt, finde ich nach wie vor irritierend. Entsprechend aufgeschreckt hat mich die Berichterstattung über das Papier diverser katholischer PolitikerInnen meiner Partei (hier das Papier) – erst recht, nachdem mit Gerhard Schick und Agnieszka Brugger, Ulrike Gote und Bene Lux Leute drunter stehen, die ich aus anderen innerparteilichen Debatten gut kenne und schätze. Was hat die geritten, dachte ich mir, plötzlich – das war die Spitze des Debatteneisbergs – eine Sonderabgabe für AtheistInnen wie mich zu fordern?
Außerdem: das hätte – trotz aller SpitzenfunktionärInnen mit Kirchenämtern – in unserer letzlich doch recht kirchenkritischen Partei nie eine Chance, so ein Papier. So gibt es in den letzten Jahren sowas wie einen zähneknirschenden Waffenstillstand oder ein mehr oder weniger freundlich hingenommenes Unentschieden zwischen ReligionskritikerInnen und „Christen bei den Grünen“, was Fragen der Trennung von Kirche und Staat, des Ethikunterrichts, kirchlicher Arbeitsverträge usw. angeht. Themen, die inzwischen immerhin wieder diskutiert werden, vergleiche BDK Kiel 2011.
Ein Argument auf der innergrünen linken Debattenliste fand ich dann allerdings doch recht überzeugend. Und zwar liest sich das Papier ganz anders, wenn es nicht als innergrüner Debattenbeitrag verstanden wird, sondern – und ich denke, dass es so gemeint ist – als innerkatholischer Debattenbeitrag zu deren Kirchentag in Mannheim. Dann sind das nicht mehr Grüne, die aus irgendwelchen Gründen seltsam religiöse Positionen einnehmen, sondern KatholikInnen, die in ihrer grünen Verwurzelung versuchen, auch in ihrer Kirche etwas zu bewegen. Nicht mein Ding, aber doch schon um einiges verständlicher als die erste Interpretation. Oder?
Das Problem ist aber, dass sie als Vertreter ihrer Partei sprechen und eben nicht als Vertreter eines grünen Katholizismus.
Tun sie das? Eigentlich nicht – sie geben am Schluss des Papiers zwar ihre Parteifunktionen/Mandate an, reden aber nicht als Vertreter – für – die Partei. Kam nur nicht so an.
Genau darum geht es: Ein Papier grüner Katholiken als Beitrag zum auf 5 Jahre angelegten Dialogprozeß zwischen Bischöfen und Laien. Steht zwar drin, ist aber scheinbar für Nichtkatholiken erklärungsbedürftiger als wir dachten. Die Positionen gehen erkennbar über bekannte Positionen zum Beispiel des ZdKs hinaus (z.B. Frauenpriestertum). Beim Kirchensteuermodell könnte ich mir auch das neue polnische Modell mit der Freiwilligen Kirchensteuer vorstellen. Aber eben als Diskurs in der Kirche, da wir sonst ja in Grundrechte der Kirchen eingreifen würden. Die Bedenken gegen das italienische Modell a la Strafsteuer für Konfessionslose nehme ich ernst. So ginge das natürlich nicht. Aber wir beraten ja auch noch vier Jahre…
@till: ich kann mich dir hier leider nicht anschließen, dass die autor_innen des papiers nicht als grüne sprechen, sondern als katholik_innen mit grünem hintergrund. für mich ist die von dir beschriebene ausgangsbasis der erstunterzeichner_innen eine parteipolitische, sprechen sie ja auch hier als grüne mandatsträger_innen.
Und dass man als Anlass solch eines Papiers den gerade begonnenen Katholikentag in Mannheim nimmt, ergibt sich aus den mechanismen der öffentlichkeitsarbeit…
Wie gesagt, das war gestern auch mein erster Eindruck. Habe dann aber von Gerhard Schick und von Agnieszka Brugger anderes gehört, Josef Winkler hat das hier bestätigt. Ich halte die Interpretation, dass das Papier in erster Linie eines für einen laufenden innerkirchlichen Diskussionsprozess ist.
Mir ist es ehrlich gesagt egal, ob das jetzt christliche Grüne oder grüne Christen sind. Sollte das ein Vorschlag sein über die Kirchensteuer als Ganzes reden zu wollen und sie in eine allgemeine Kulturabgabe umzuwandeln – das mache ich doch gerne mit.
Aber ein Punkt in ihrer Vorstellungswelt scheint mir doch kurios zu sein. Konfessionslose sollen eine Kulturabgabe bezahlen, sie wollen das jedoch nicht tun. Was heißt das, bitte? Wollen sie damit andeuten, dass sie sich für einen Ausbund an Kultur halten. Das kann man nur als Selbstüberschätzung bezeichnen.
Ich finde, wir haben es sehr deutlich gemacht, dass wir einen Beitrag zur innerkirchlichen Debatte machen. Hat schon mal jemand bei Grüns ein politisches Papier mit einem Bibelzitat überschrieben? Außerdem steht in der Überschrift deutlich „Ein Beitrag zum Dialog in der Katholischen Kirche“. Klarer kann man das fast nicht schreiben. Trotzdem ist das, wie Josef zu recht sagt, nicht so rezipiert worden. Das hat möglicherweise auch damit zu tun, dass viele die heftige Auseinandersetzung zwischen ReformerInnen einerseits und Konservativen anderseits innerhalb der katholischen Kirche kaum wahrnehmen, obwohl der Ausgang dieser Auseinandersetzung bis weit über die katholische Kirche Auswirkungen haben wird.