Bei dem „Grünen Freiburg“ war der laue Sonntagabendwahlkampf nur ein Grammatikfehler. Die Badische Zeitung hingegen meint es ernst, wenn sie (ich meine, zum wiederholten Male?) die These äußert, dass dem Kommunalwahlkampf in Freiburg der Pfeffer fehlt. Andernorts – z.B. in den Kommentaren zu meinem Beitrag hier – geht es dagegen richtig zur Sache. Trotzdem trifft die BZ mein Bauchgefühl, dass sich so ungefähr in die These: „nicht die WählerInnen sind politikverdrossen, sondern viele Parteien und Listen sind wahlverdrossen (oder wählerInnenverdrossen)“ packen lässt.
Wieso ist das so? Ich habe dazu zweieinhalb Vermutungen:
1. Die Pfingstferienthese: die letzten beiden Wahlkampfwochen liegen völlig unpraktischerweise in den Pfingstferien. Das hat nicht nur zahlreiche Briefwahlaufrufe produziert, sondern mag zu einem Teil dazu beitragen, dass die eh schon schwache und schwierige Mobilisierung für Kommunal- und Europawahl noch schleppender vonstatten geht als sonst. Einschätzung: Hindernis, aber nicht der Hauptgrund für die fehlende Schärfe.
2. Die Differenzierungsfehlschlagsthese: zu viele Listen können nicht so richtig erklären, wo eigentlich die großen Unterschiede und die großen Alleinstellungsthemen liegen (vgl. auch die Fraktionsseite im letzten Amtsblatt). Zudem fehlen zugkräftige Persönlichkeiten. Im Ergebnis: großer Brei, und keine Lust, sich als weiterer Koch zu betätigen. Wundert mich allerdings insofern ein bißchen, als vor dem Wahlkampf weitaus heftiger um Stimmen und Themen gestritten wurde. Vielleicht fehlt – und da wäre natürlich die Badische Zeitung angesprochen, die selbst nicht immer das beste Bild im Wahlkampf abgibt – eine Instanz, die es schafft, die existierenden Kontroversen zu sortieren. So fühle ich mich als politisch interessierter Wähler doch ein bißchen alleingelassen mit 11 x 48 EinzelkandidatInnen.
2.5. Schließlich: Die „Die-die-müssten-sind-müde“-These: da denke ich vor allem an meine eigene Partei. Ich will niemand von der Liste (und drumherum) absprechen, engagiert Wahlkampf zu machen. Ich kenne sogar einige Grüne, die das sehr engagiert tun, und denen anzumerken ist, dass sie Spaß dran haben, und auch Spaß dran hätten, in den Gemeinderat einzuziehen. Bei zu vielen KandidatInnen ist mein Eindruck aber tatsächlich der einer gewissen Mutlosigkeit; der Wahlkampf wird zur Pflichtübung, anderslautende Meinung werden nicht als Herausforderung zur Überzeugung gesehen, überhaupt: Themen und Programme sind weitaus weniger interessant als der Klassen-Machterhalt. Das mag auch etwas mit den schwarz-grünen Liebeleien, mit dem Kurs des Bürgermeisters und mit einer damit verbundenen gewissen Zahnlosigkeit der Fraktion zu tun haben.
Wenn diese Diagnose zutrifft, ist das schade – Freiburg hat kämpferischere Grüne verdient. Um es deutlich zu sagen: Damit will ich nicht zur Wahl von Konkurrenzlisten aufrufen – bei denen auch nicht alles grün ist, was glänzt -, sondern dazu, die Vorzüge des baden-württembergischen Kommunalwahlrechts zu nutzen und sich genau zu überlegen, wer auf der Liste für spannende und bürgernahe Politik steht – und wer nicht.
Warum blogge ich das? Ich habe ein bißchen überlegt, ob ich so einen Beitrag überhaupt vor der Wahl veröffentlichen darf. Aber jetzt ist das Thema heiß – und muss wohl auch nach der Wahl noch diskutiert werden. Wenn Wahlkampf nicht zur Showveranstaltung verkommt, muss diese Reflektionsebene erlaubt sein. Falls sich jemand persönlich angesprochen fühlt: mir geht’s nicht um die Zahl der besuchten Podiumsdiskussionen, sondern um sowas wie „Haltung“. Und da sehe ich halt tatsächlich ganz unterschiedliche Herangehensweisen an die BürgerInnen – nicht nur bei Grüns, sondern bei allen Listen. Das würde ich gerne thematisieren. Und hoffe, hiermit einen Anstoss dafür zu geben.
Ich finde den Versuch von Till nicht schlecht, jetzt doch noch etwas Dampf in den lahmen Wahlkampf zu bringen. Auch deine Analysenthesen finde ich berechtigt und tws.auf den Punkt gebracht.
Völlig daneben ist der Fingerzeig auf die Kandidaten und Kandidatinnen, die sich aus deiner Sicht nicht genügend kämpferisch geben.
Was sind denn noch Streitthemen? Wie sollen sich die Neuen denn profilieren können? Es lahmt nicht bei Grüns es lahmt am Interesse der Bürger und Bürgerinnen und an spannenden Diskussionsverantaltungen.
Aus meiner Sicht haben wir einen interessanten und guten Mix an Kandidaten und Kandidatinnen. Dass das sogenannte linke Spektrum zu wenig berücksicht wurde bei der Aufstellung, kann man den jetzigen Kandidaten nicht zum Vorwurf machen. Die Leute in Freiburg sind einfach auch sehr zufrieden mit der Grünen Politik.
Dennoch, Demokratie wächst von Unten.
Und Demokratie lebt vom Mitmachen. Das gilt besonders für die Politik vor Ort: In den Städten, Gemeinden und Landkreisen wird Politik für die Bürgerinnen und Bürger konkret erlebbar.
In Freiburg wurde durch GRÜNS viel bewegt.
Grüne Themen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen:
Klimawandel und Energieverteuerung sind nicht mehr nur eine vage und ferne Bedrohung, sondern mit allen sozialen Auswirkungen lokal wichtige Themen.
Dies gilt auch für die Kinderbetreuung: Während berufstätige Mütter früher gegen das Image der Rabenmutter zu kämpfen hatten, ist die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf inzwischen zu einem weithin anerkannten gesellschaftlichen Ziel geworden.
Es beginnt sich auch mehr und mehr die Sichtweise durchzusetzen, dass Frauen und Männer zwar nicht gleich sind – aber Anspruch auf dieselben Chancen haben.
Und dass unser Land längst ein Einwanderungsland ist und deshalb eine aktive Integrationspolitik braucht, hat sich auch in Kreisen herum gesprochen, die das noch bis vor kurzem immer abgestritten haben.
Zu diesem gesellschaftlichen Wandel haben wir viel beigetragen.
Grüne Politik in unseren Kommunen war und ist nicht immer bequem. Nicht für diejenigen, die sich streitbar einmischen, und nicht für diejenigen, die am liebsten alles so weitermachen würden, wie es sich eingespielt hat.
Ich habe in den letzten Wochen eine Reihe von Wahlpodien besucht: VCD, Architekten, Kulturmachtreich, CDU-Kulturveranstaltung, MigrantInnenbeirat, Brühl-Beurbarung. Auffällig war dabei eines: Es waren neben den teilweise bis zu 15 KandidatInnen auf dem Podium auch im Publikum großteils KandidatInnen und ParteigängerInnen. Bei einzelnen Veranstaltungen war die Anzahl von „normalen“ WählerInnen einstellig. Da kann man schon mit einer bestimmten Berechtigung von einer Müdigkeit des Wahlvolks sprechen.
Darüberhinaus befassen sich leider viele Veranstaltungen mit Vergangenheitsbewältigung statt nach vorne zu schauen. Eine Zuspitzung findet deshalb über das Gejammer über die fiesen schwarz-grünen hinaus leider kaum statt. Und wenn mal erfolgreich zugespitzt wird, berichtet die Presse nicht.
sali till, finden den wahlkampf auch sehr lau…bekommen natürlich aber auch weniger mit, so zu hause auf dem sofa…die geringe „wahrgenommene“ profil-schärfe der einzelnen listen wird m.e. zur folge haben, dass allg. haltungen auf die kom-wahlen üerbtragen werden…das heisst etablierte abgestraft, neue listen belohnt…unterm strich wird das m.e. die grünen – vielleicht zu unrecht – am deutlichsten treffen…
die mitschuld der badischen zeitung an diesem polit-debatten-desaster ist unbedingt zu thematisieren, denn aus meiner sicht verpennt sie es debatten anzuregen…und berichtet über den pile-pale-wg-wahlkampf von franziska…das ist zum davonlaufen…
Bezeichnend ist ja auch, dass es außer der Suppenkocherei der Wirtschaftsjunioren keine PoDi mit den Fraktionsvorsitzenden gab. Oder hab ich ein highlight verpasst wo Viethen, Kageneck und Buchen aufeinander los sind?
Es sind mutlose Versuche der Grünen sich ins Licht der Öffentlichkeit zu beamen, so auch das iniziieren von langweiligen Podiumsdiskussionen.
Die Grünen organisieren am 2.6.eine Diskussion zum Thema „Integration braucht Vorbilder“. Wenn ich die Ausschreibung richtig verstanden habe, kommen dabei nur Frauen und Menschen mit türkischer Herkunft zu Wort qua Podium. Schade dass hier nicht an Menschen aus Rumänien, Armenien, dem Sudan oder Usbekistan gedacht wurde.
Mit Sicherheit kann es nicht dem Anspruch der Grünen genügen, wenn sie sich nur mit einer Migrationsgruppe in Freiburg beschäftigen, oder?
Das allerdings die türkisch stämmigen Mitbüger und Mitbürgerinnen der Grünen liebstes Kind sind, ist mit der Wahl von Chem Özdemir noch klarer geworden.
Integration braucht mit Sicherheit Vorbilder – allerdings brauchen auch unterschiedliche Migrantengruppen Diskussionsplattformen.
Aus diesem Grund muss ich Till recht geben, dass Freiburg kämpferische Grüne verdient hat und nicht langweilige ‑ausgrenzende Podiumsveranstaltungen.
@tim: Eine Veranstaltung mit 15 PodiumsteilnehmerInnen ist schlicht keine Podiumsdiskussion mehr, sondern ein Abgeben von Statements. Und muss schon vom Format her langweilig sein – insofern ist die geringe Beteiligung an derartigen Veranstaltungen für mich kein Indikator für irgendwas.
Aber andersherum & @alle gefragt: was für ein Format wäre spannend und geeignet, die großen Kontroversen zu sortieren und die Themen der Parteien und Listen wirklich deutlich zu machen?
@till
wir haben nunmal 11 Listen… und wers ganz gerecht will, lädt halt alle ein… und dort wo nicht alle eingeladen waren, haben die nicht eingeladenen rumgemeckert – nicht ganz zu unrecht. übrigens gab es podien in großbesetzung (bei den architekten), die gut funktionierten und durchaus spannend für den zuhörer/schauer waren – prodfessionell vorbereitet und moderiert. und andere waren schrecklich, weil schlecht moderiert (so z.B. die verkehrspodiumsdiskussion vom VCD). es liegt nicht nur an der anzahl: so war die kulturmachtreich-podiumsdiskussion wesentlich lahmer als die entsprechende cdu-veranstaltung: bei der kulturmachtreich-veranstaltung waren fraktionen eingeladen und weniger auf dem podium, aber leider wurde dort eher über die vergangenheit diskutiert als über die zukunft.
tendenziell hat RDL noch am ehesten versucht, konflikte bei einzelnen sachthemen herauszuarbeiten und dementsprechend auch mit kleinerer besetzung zu diskutieren. leider aber nur entlang der „oppositions“/„regierungsachse“, wo doch die unterschiede teilweise wo anders liegen z.B. beim alkoholverbot (spd verbietet gerne) oder der windkraft (kulturliste gegen verspargelung der landschaft!) oder der kultur (freie wähler für rückschneiden des theaters zum zweispartenhaus).
@ tim,
der Punkt von Vergangenheitsbewältigung ist ein sehr wichtiger Punkt. Es ist die Frage, wie viel davon in einem Wahlkampf stattfinden soll. Es ist ein Problem, wenn wir auf Wahlveranstaltungen sind, dass trotz Streiterei in der Vergangenheit, wir plötzlich Einigkeit haben. Die Beispiele sind hier fast unzählige. Das entsteht nicht nur durch die Ähnlichkeiten der Wahlprogramme, sondern auch dadurch, dass die bestimmten Fachleute, die zu Podiumsdiskussionen hingehen, nicht die Mehrheitsmeinung und das Abstimmungsverhalten ihrer Fraktion vertreten. Daher finde ich, dass wir die Vergangenheitsbewältigung nicht herabwürdigen sollen. Sie ist notwendig, weil das eine Einschätzung ermöglicht wie diese Liste, falls sie gewählt wird, agieren wird.
Natürlich es tut es Unrecht gegenüber neuen Menschen, die andere Meinungen haben als wie von „ihrer Fraktion“ in der Vergangenheit abgestimmt wurde. Das ist aber auch ein Vermittlungsproblem mit so vielen KandidatInnen und so vielen Listen und nur einer begrenzten Möglichkeit es darzustellen.
@coinneach
zur vergangenheit: meines erachtens macht es z.B. wenig sinn heute noch über den stadtbauverkauf zu reden. der bürger hat entschieden, die grünen werden sich an dieses votum halten – auch über 2010 hinaus – bislang haben die grünen alle bürgerentscheide akzeptiert. und du und moni habt ja auch deutlich gemacht, dass ihr einem verkauf nicht wieder zustimmen würdet. gleiches gilt mE für die abschaffung von kultur- und baubürgermeister, solange dies bloss als abschaffung thematisiert ist. wer der auffassung ist, dass man diese unbedingt braucht, der sollte aber auch sagen, wie er dies finanzieren möchte und sich kritisch fragen, was denn solche bürgermeister bringen würden. was den effekt der fachleute anbelangt, hast du natürlich vollkommen recht – entscheidend ist letztlich, ob die fachleute sich durchsetzen können. parteien, listen, fraktionen: wie die meisten sozialen gruppen ändert sich schon etwas durch kleinere änderungen der zusammensetzung – und das wird auch für die neue fraktion gelten. das politische handeln in der vergangenheit ist sicherlich ein prädiktor. ich habe aber den eindruck, dass sich viele leider aus dem grund mit der vergangenheit befassen, weil sie für die zukunft recht wenig zu sagen haben und allzu davon zehren, dass „schwarz-grün“ die superbösen sind. wir wollen endlich kein schwarz-grün ist halt ein bisserl dünn als aussage (womit nicht unbedingt die GAF gemeint ist, sondern ein Großteil der sog. Opposition).
@till
„welches format“?
pro-und-contra-serie in badische zeitung
eine frage: jede liste darf sich mit 5–10 sätzen auf die pro- oder contra-seite stellen.
alleinstellung-serie in badische zeitung
jede liste darf folgenden satz vervollständigen „nur wir…“, das würde sicher massenhaft leserbriefe heraufbeschwören…und nachfolgend debatten unter den bürgerInnen…
DER ZENTREALE zentrale schlagabstausch…großer saal, event-charakter, THE BATTLE, große interessengruppen in der stadt reichen bei moderation fragen ein. top ten werden ausgesucht und auf event gestellt (unvorbereitet) auf event haben alle listen die möglichkeit einen stand zu machen. SHOW DOWN!
Selten so viel Heuchelei erlebt wie im Blogbeitrag „Lauer Wahlkampf“: Warum kümmerst Du Dich Till als Kreisvorstand des KV Breisgau-Hochschwarzwald nicht um den Grünen-Wahlkampf im Landkreis, vor allem dort, wo gar nichts los ist, z.B. in Kirchzarten, auch weil dort die zwei listenaufstellenden „Grünen“ weitere kandidaturbereite Partei-Mitglieder mit Deiner Billigung von Kandidaturen ausgeschlossen haben ? (Mal gespannt auf die Zensur :-))
@UMD: Ernsthaft beleidigende oder strafrechtlich relevante Kommentare lösche ich, ansonsten gilt: Jeder darf sich selbst blamieren, wie er kann.
Inhaltlich bieten sich ein paar Richtigstellungen an:
1. Ich kümmere mich um den Wahlkampf im Landkreis, wie dir meine VorstandskollegInnen sicher gerne bestätigen. Zum Beispiel gibt‘ ein Kreistagswahlplakat – das ist von mir. Ich kümmere mich nicht um den Wahlkampf in jeder der 50 Kreisgemeinden, weil ich das nicht als meine Aufgabe ansehe. Dafür gibt’s grüne OVs. Und ich gebe gerne zu, dass ich mit dem Wahlkampf im Landkreis auch nicht komplett zufrieden bin – was z.B. daran liegt, dass es noch immer viele Orte gibt, in denen Grüne nicht sehr präsent sind. Und auch daran, dass es kaum sowas wie eine kreisweite Öffentlichkeit gibt – der Landkreis besteht immer noch aus ungefähr drei virtuellen Landkreisen.
2. Solltest du irgendwo im Web selbst eine Möglichkeit haben, Inhalte zu veröffentlichen (mal jenseits der „ich war Golf-Spielen“-Statusmeldungen auf XING), steht es dir frei, den Wahlkampf – und in ein paar Tagen auch das Wahlergebnis – in Kirchzarten rauf und runter zu analysieren. Viel Spaß dabei.
3. Dann noch eine formale Anmerkung: Falls „die zwei listenaufstellenden ‚Grünen‘ “ suggerieren soll, dass die Aufstellungsversammlung nicht beschlussfähig war, muss ich dir widersprechen.
4. Ebenfalls ist es faktisch falsch, dass „kandidaturbereite Partei-Mitglieder von Kandidaturen ausgeschlossen“ wurden. Richtig ist, dass die Wahlversammlung einige kandidierende Mitglieder nicht auf die Liste gewählt hat. Dieses Verfahren nennt sich Demokratie. Von Kandidaturen ausgeschlossen wurde niemand.
5. Bleibt schließlich die spannende Frage, warum mich der Wahlkampf in Freiburg interessiert – der Kommentar suggeriert ja, dass das nicht legitim wäre. Ganz einfach: ich wohne da, ich wähle da, und ich beobachte – weil ich eben nicht im KV Freiburg Mitglied bin – das politische Geschehen mit ein bißchen mehr Distanz. Es scheint Leute zu geben, die das interessant finden, und die deswegen hier lesen und kommentieren.