Wie die meisten hier Lesenden wissen dürften, wohne ich in Freiburg und arbeite in Stuttgart. Was erstens ziemlich viel an Pendelei nach sich zieht und zweitens nicht ganz stimmt, denn einen Teil meiner Arbeitszeit verbringe ich im „Home office“.
Wobei das mit dem „office“ aufgrund der Freiburger Mietpreise eher ein Euphemismus ist – kein dezidiertes Arbeitszimmer, sondern eine Arbeitsecke mit Schreibtisch und Bürostuhl im Wohnzimmer.
Moderne Technik – früher hieß das Teleheimarbeit – erleichtert die Arbeit von Freiburg aus. Dem Dienstnotebook ist es egal, ob ich es in Stuttgart oder in Freiburg ins Dock stecke, und via DSL und VPN ändert sich auch nichts am Zugriff auf Mails und Dateien. Wobei auch das nicht ganz stimmt: es gibt ein paar Intranetseiten und webbasierte Tools, die sich nur aufrufen lassen wollen, wenn der Rechner physisch in Stuttgart steht.
Auch das Telefon ist intelligent und digital genug, sich umleiten zu lassen. Was immer noch zu Verwunderung führt. „Ach, du bist heute in Stuttgart?“ – „Nein.“ – „Aber ich habe doch deine Durchwahl gewählt …?“
Trotzdem sehe ich die Arbeit im Home Office ambivalent. Das hängt erstens mit dem zusammen, was nicht digital replizierbar ist. Papiergebundene Informationen (die ich theoretisch einscannen könnte, statt sie in Aktenordnern zu sammeln), vor allem aber geplante und zufällige Kommunikationsgelegenheiten. Meetings und Sitzungen finden eben meist.in Stuttgart statt, und nicht als Google Hangout (und nur selten als Telefonkonferenz). Noch bedeutender sind aber zufällige Kommunikationsgelegenheiten. Kaffeeküchenbegegnungen, Sitzungspausen und dergleichen mehr tragen nicht nur zur Aktualisierung organisationseigener Wissensbestände und zum Erleben sozialer Identität bei, sondern eröffnen auch die Chance für „serendipity“ – ungeplante, aber letztlich innovative Verknüpfungen.
Auch deswegen bin ich froh, dass sich meine Arbeit nicht nur im Home Office abspielt, sondern an mindestens zwei Tagen in der Woche in Stuttgart. E‑Mail und telefonische Erreichbarkeit ersetzen direkte Präsenz ein Stück weit, aber eben nicht vollständig.
Zum zweiten begründet sich mein ambivalenter Blick auf die Heimarbeit damit – aber das mag auch an mir liegen – dass das Ablenkungspotenzial in der eigenen Wohnung viel größer ist. Es ist schön, flexibel mit der Arbeitszeit umgehen zu können,aber es fehlt mir der fokussierende Kontextwechsel: Wenn ich am Büroschreibtisch sitze, bin ich bei der Arbeit. Wenn ich am Schreibtisch zuhause sitze, kann es sein, dass ich bei der Arbeit bin, es kann aber auch sein, dass ich etwas ganz anderes tue. Es liegt an mir, und letztlich an internalisierter sozialer Kontrolle, zwischen beidem zu trennen (ein Zeitaufschrieb hilft dabei).
Das ganze gilt natürlich auch umgekehrt: Ich muss dezidiert entscheiden, jetzt zwar in meiner Wohnung, aber außerhalb meiner Arbeitszeit zu sein, also nur noch in Ausnahmefällen erreichbar zu sein. Auch hier hilft Technik: das Dienstnotebook lässt sich ausschalten, das Telefon auf die Mailbox umleiten.
Letztlich bin ich, so jedenfalls mein Gefühl, nicht ganz so produktiv, wenn ich am heimischen Schreibtisch sitze. Die Dinge kriege ich schon – und wohl auch zur Zufriedenheit meiner Arbeitgeberin – erledigt, aber das Gefühl bleibt. (Möglicherweise fällt es auch einfach stärker auf – auch im Rahmen eines Arbeitstages in Stuttgart gibt es, und das ist ja arbeitspsychologisch auch ganz normal und sogar sinnvoll, Phasen des intensiveren Fokus‘ und Phasen der Ablenkung.)
Zusammengefasst: Ich bin froh, dass moderne Technik eine Mischung aus „Home Office“ und Büroarbeit ermöglicht, und dass meine Arbeitgeberin hier mitspielt. Anders wäre für mich der Spagat zwischen verschiedenen Ansprüchen (Kinder!, Job!) an verschiedenen Orten kaum machbar. Ich bin aber aus den oben dargestellten Gründen auch sehr froh, dass ich jede Woche Tage in Stuttgart habe, und möchte diesen Teil meiner Arbeit nicht missen.
Warum blogge ich das? Als Reaktion auf die Debatte beispielsweise um die Heimarbeit – bzw. deren Verbot – bei Yahoo.
Ich kann es absolut nachvollziehen, auch wenn ich nur im Nebenjob von zuhause arbeite. Ich genieße die Freiheit sehr, andererseits ist das Zerstreuungspotenzial doch sehr groß.
Vor gar nicht langer Zeit habe ich mal einen längeren Beitrag dazu gelesen, finde ihn aber leider gerade nicht.
Was mir da als sehr wichtig in Erinnerung (und absolut nachvollziehbar) ist: ein eigenes, abgetrenntes Büro (ja, ich kenne die Wohnsituation bzw. ‑kosten in Freiburg). Vielleicht wäre eine Bürogemeinschaft eine Lösung?
Habe ich tatsächlich auch schon drüber nachgedacht – für die drei Halbtagstage, die ich nominell per Home Office arbeite, lohnt sich das aber nicht so richtig. Wenn ich „voll“ im Home Office arbeiten würde, ohne Präsenzzeiten in Stuttgart, würde ich es aber auf jeden Fall mit einem Schreibtisch außerhalb der Wohnung probieren, allein schon aus sozialen Gründen.