Vor ein paar Tagen warf ich mit Fragen um mich. Dankenswerterweise wurden die sogar beantwortet (Hendryk, Eberhard, Ella). Zum Jahreswechsel möchte ich eine der Fragen, die ich da gestellt hatte, noch einmal herauspicken und sie (euch allen) erneut stellen – auch deswegen, weil ich die Antworten beachtenswert fand, und gespannt bin, ob andere (weniger grüne) Menschen das anders sehen.
Hier also die Frage. Antworten dazu gerne in den Kommentaren:
Glaubst du, dass es insgesamt und überhaupt so weitergehen kann? Und wenn nicht: was ziehst du für Schlüsse daraus?
Kann es ökologisch (Klimawandel, Ressourcenübernutzung, Biodiversitätsverlust) so weitergehen? – Selbstverständlich. Es gibt nichts in der Natur dieses Planeten, was uns daran hindern würde, einfach weiterzumachen. Der Erde ist es egal ob die Temparaturen um 2, 4 oder 6 Grad in den nächsten 100 Jahren steigen. Fauna und Flora ist es schnuppe, wieviel Arten es gibt. Dem Öl ist es auch egal, ob es im Boden liegt oder verbrannt in der Atmosphäre vorkommt. Seit 4,5 Mrd. Jahren verändert sich unser Planet – „unser“ (!) Planet. Er wird uns Menschen abschütteln und weiter seine Runden drehen. Die Sonne geht auf und es ist ein neuer Morgen, für weitere 4,5 Mrd. Jahre.
Kann es ökonomisch (Wirtschaftswachstum, Schulden, Konsumentenkapitalismus) so weitergehen? – Nein. Und damit ändert sich unsere ganze Welt. Die Art wie wir Wirtschaften, mit was wir bezahlen, welchen Stellenwert wir sozialen Beziehungen geben, was der Staat sein soll und was die Gemeinschaft (im Gegensatz zu Gesellschaft) machen kann.
Was sollen, was können wir tun? – Unser Gesellschaft, unsere Wirtschaft, unsere sozialen Sicherungssystem, unsere Geschäftsmodelle, unsere mentalen Modelle über die Welt und ein erfülltes Leben UNABHÄNGIGER vom Wachstumsdenken machen. Weniger abhängig von einem Schuldgeldsystem, das nur das Viel für Wenige und das Weniger für Viele kennt, z.B. mit alternativen Währungen basierend auf Talenten (www.talente.cc) oder Technologien wie bei Bitcoin. Profit neu buchstabieren als ein Mehr an Widerstandsfähigkeit der Nachbarschaft, Gemeinschaft, Stadt, Gesellschaft gegenüber ökonomischen Schocks, z.B. durch Not-for-Profit-Startups, deren oberstes Ziel die Lösung sozial-ökologischer Problemlagen (umwelt- und sozialgerechte Mobilität, Strom, Ernährung usw.) mittels Produktion von Sozialkapital ist. Ein „Sozialkapitalismus“, bei dem die Beziehungen zueinander das Wertvollste sind, was wir haben und auf das wir besonders aufpassen.
Alles sehr wolkig. Aber das „Weiter so“ ist noch viel wolkiger, denn es kann uns nicht sagen, wie es denn wirklich funktionieren soll. Neues wagen ist keine Luxus-Spielerei für Verwöhnte. Es geht ums Überleben. Wie seit Anbeginn des Menschengeschlechts.
Ich ergänze mal noch die Antworten aus Twitter:
1. »Es kann insgesamt nicht so weiter gehen, wird es aber. Konsequenz daraus: Position beziehen, agitieren, aber menschenfreundlich!«.
2. »Die ehrlichste Antwort dürfte wohl meistens „nein & nichts“ sein :(«.
Na, hat jetzt vielleicht doch noch jemand Lust, in ein paar Worten auf meine Frage zu antworten?
Natürlich WIRD es nicht so weiter gehen. Das einzig beständige ist der Wandel. In unserem Buch „Wachstumswahn – was uns in die Krise führt und wie wir wieder heraus kommen“ (Ludwig Verlag) zeigen Christine Ax und ich, wie sich die Welt in den letzten 50 Jahren zum guten UND schlechten geändert hat. So wird sie sich auch in den nächsten Jahrzehnten ändern. Zur ökologischen Katastrophe oder zum guten. Jedenfalls ohne signifikantes Wirtschaftswachstum. Und das ist gut so – wenn wir uns darauf einstellen und konstruktiv damit umgehen. Mehr unter: http://fritzhinterberger.wix.com/wachstumswahn
Ja, es geht immer so weiter. Weil das „so“, wie es weiter geht, sich immer schon verändert hat und sich auch künftig ändern wird. Ja, es geht so weiter, weil Entwicklung immer die zwei Seiten der Krise in sich hat und auch immer schon hatte. Ja, es geht so weiter, weil Menschen es bisher am Ende doch geschafft haben, die Probleme zu lösen, sei es durch absichtsvolle und überlegte Handlungen, Normen, Technik – oder eben, das ist wohl eher die Regel, durch unvorhergesehene Seiteneffekte.
(Wir verdrängen die Krisen der Vergangenheit nur und hüllen sie in Honig. Und wir denken, Lebewesen die wir sind, zuerst an die Krise, die uns selbst betrifft. Gerade das ist ein Problem der GRÜNEn Kultur, denn Ölkrise, Klimakrise und Atomkrise sind eben auch nur Krisen einer bestimmten Zeit und sie haben eben auch die Chance für positive Lösungen in sich. Politik muss sozusagen mit von Krise zu Krise schreiten, offen für die nächste Krise.)
Auf diese Frage gibt es nur ein klares Ja/Nein.
Mit „insgesamt und überhaupt“ meinst Du wohl die Jahrhundertentwicklung zu mehr friedensähnlichen Konfliktlösungen und mehr Bürgerbeteiligung. Nur in der historischen Längsschau wird das deutlich. Auch der historische Paradigmenwechsel in der Wissenschaft zum Ansatz von Karl Popper hat menschenfreundlichere Demut gebracht.
Da aber die Veränderung die lebensbedingende Weltkonstante ist, laufen diese Entwicklungen nicht von alleine, sondern müssen von meta-egoistischen Menschen getragen werden.
Gleichzeitg gibt es, wie immer, Entwicklungen, die Menschen und unsere Um-Welt zerstören werden. Und dort müssen wir aufstehen und inteligent protestieren, verweigern und experimentieren.
Mein ständiger Spruch:
Wenn du rechtzeitig was änderst, kannst du deinen Lebensstil retten,
wenn du den Punkt verpasst, kannst du noch deine Würde retten,
Danach kannst du nur noch versuchen deine Haut zu retten.
Unsere Kinder und Enkel schauen uns an und fragen, warum wir nur unsere kleinen Ängste sehen wollten?
Soviel, sokurz.
Hoffnungsvolles neues Jahr
Danke schon einmal, das wird ja doch noch richtig spannend!
Auf Twitter gab es auf meine wiederholte Bitte jetzt doch noch ein paar weitere Antworten. Finde 140 Z. ja eigentlich zu kurz, aber gut … (die Konversationen, die sich zum Teil aus den Antworten ergeben haben, lasse ich jetzt mal auf Twitter …).
3. »ich denk da jetzt schon seit tagen drüber nach, aber ich find einfach keine passende antwort. bin wohl zu sehr optimist.«
4. »Die Frage lädt zur Antwort „42“ ein. Natürlich geht es nie so weiter. Aber in welche Richtung wollen wir?«.
5. »ja, es kann schon so weiter gehen. Anders wäre schön, aber von apokalyptischer Rhetorik halte ich nichts«.
6. »Es geht so nicht weiter. Die Menschheit ist aber organisatorisch nicht fähig, den weiteren natürlichen Verlauf zu beeinflussen. Will sagen, alle machen weiter wie bisher, und dann kommt irgendwann eine Serie von Krisen. Sozial, ökologisch, wirtschaftlich. Und danach sieht die Welt sehr, sehr anders aus. Wie in der Achterbahn. Festhalten, Kopf runter und hoffen, dass alles gut ausgeht. Mit dem Unterschied, dass bei der Achterbahn am Ende alle noch da sind. Da würde ich bei der Zukunft nicht drauf wetten.«
7. »Allein schon die Endlichkeit fossiler Brennstoffe wird Veränderungen erzwingen.«
8. »Natürlich WIRD es nicht so weiter gehen. Das haben die letzten Jahrzehnte gezeigt. Es geht auch anders – ohne #wachstumswahn«.
was C.K. oben sagt: natürlich geht es immer weiter, aber ebenso natürlich nicht „so“.
ich denke auch, dass es nützlich ist, sich den krisenhaften und disruptiven charakter der vergangenen gegenwarten immer neu bewusst zu machen. die permanenten öko-katastrophen und energie-revolutionen, ob jetzt im 19. jahrhundert (industrielle revolution: http://de.wikipedia.org/wiki/Pfisters_M%C3%BChle) oder im 16. jahrhundert ff.(http://de.wikipedia.org/wiki/Holznot) usw. das ist beinahe beliebig vermehrbar.
wenn man sich das vergegenwärtigt, kann man vielleicht die permanente 5‑vor-12-weltende-rhetorik stark einschränken bzw. nur _sehr_selektiv einsetzen. (klimawandel ist natürlich eine spannende frage hier.)
damit würde man im idealfall spielraum gewinnen für einen veränderungs-diskurs, der nicht dauernd die falsche, sich gegenseitig gerade stützende alternative von entweder „natur“, „menschliches maß“ usw. oder „innovation“ und „wirtschaft“ stützt. (der alte marx hatte so etwas entworfen, als er die dialektik des kapitalismus als eine kraft herausarbeitete, die eben über sich selbst hinaustreibt und immer auch eine potenziell _andere_ zukunft eröffnet.)
Zumindest ökologisch geht es nach meiner Meinung nicht so weiter wie bisher – und zwar aus drei Gründen:
1.) Unser Verbrauch nicht erneuerbarer Energiequellen ist zu hoch – so hoch, dass beispielsweise das Weltklima aus dem Gleichgewicht gerät.
2.) Außerdem ist unser Konsum nicht nachhaltig gewonnener Rohstoffe zu groß – so groß, dass beispielsweise die letzten Urwälder der Erde vernichtet werden.
3.) Und letztlich ist unser aller Einsatz für die Umwelt zu gering – so gering, dass Politik und Wirtschaft noch immer Entscheidungen gegen das Allgemeinwohl treffen können.
Daraus ergeben sich aus meiner Sicht drei Konsequenzen:
– Wir sollten also unseren Energieverbrauch drosseln.
– Wir sollten unseren Rohstoffkonsum verringern.
– Und wir sollten für den Umweltschutz selbst aktiv werden.
Die Frage, ob und wie sich das im Alltag eines ganz normalen Vier-Personen-Haushalts umsetzen lässt, gehe ich jetzt schon seit mehr als fünf Jahren in meinem privaten Blog nach. Meine Erfahrungen können Sie hier nachlesen und mit mir diskutieren:
http://umwelthaushalt.de/