Kurz: AfD, Klimawandel und der „Hexenhammer“

Es liegt mir fern, die AfD zu ver­tei­di­gen. Aber man­che unter­stel­len ihr die fal­sche Sor­te von Dumm­heit. Dazu gehört die jour­na­lis­ti­sche Bericht­erstat­tung zu dem klei­nen Eklat, den es ges­tern um eine Rede des AfD-Abge­ord­ne­ten Podes­wa gab. Die AfD ist ja bekann­ter­ma­ßen davon über­zeugt, dass es kei­nen mensch­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del gibt, son­dern wir es mit einem Natur­phä­no­men zu tun haben. Die­se Form von Kli­ma­skep­sis ist in bestimm­ten Krei­sen viru­lent; dort gilt dann der wis­sen­schaft­li­che Kon­sens über den Kli­ma­wan­del als unse­ri­ös und dar­aus abge­lei­te­tes Han­deln als ideo­lo­gisch. Dass auch von halb­wegs klu­gen Men­schen so gedacht wer­den kann, ist bedau­er­lich, aber nicht unge­wöhn­lich – das nach­zu­voll­zie­hen, ist sozu­sa­gen ange­wand­te Wissenssoziologie.

Der Phy­si­ker Podes­wa gehört zu die­sen Krei­sen. In sei­nem Rede­bei­trag – ich hat­te das im Stream ver­folgt – in der gest­ri­gen Aktu­el­len Debat­te zum Kli­ma­wan­del ver­such­te er zunächst, die dazu vor­lie­gen­den Daten in Zwei­fel zu zie­hen (übri­gens hat er das recht geschickt gemacht, mit einer Mischung aus Tat­sa­chen, Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen und dum­men Zeugs). Dann kam er auf die – aus sei­ner Sicht unsin­ni­gen und volks­wirt­schaft­lich schäd­li­chen – Maß­nah­men zur Bekämp­fung des Kli­ma­wan­dels zu spre­chen und zog Par­al­le­len zu einer Ver­gan­gen­heit, in der schon ein­mal ein Buch aus Baden-Würt­tem­berg in einer kli­ma­tisch pro­ble­ma­ti­schen Epi­so­de (der „klei­nen Eis­zeit“) mit Rezep­ten gegen Miss­ern­ten und für ein bes­se­res Kli­ma in ganz Euro­pa kopiert wor­den war. Podes­was Auf­lö­sung: der „Hexen­ham­mer“, also eines der Stan­dard­wer­ke aus der Zeit der Hexen­ver­fol­gung, sei die­ses Buch gewe­sen. Und – in gewis­sen Krei­sen nahe­lie­gend – ähn­lich unauf­ge­klärt und unwis­sen­schaft­lich wie die dama­li­ge Emp­feh­lung, Hexen zu ver­bren­nen, sei­en die heu­ti­gen Emp­feh­lun­gen, Wind­rä­der auf­zu­stel­len und so weiter. 

In der dpa-Bericht­erstat­tung dar­über wur­de dar­aus die Inter­pre­ta­ti­on, Podes­wa emp­feh­le, Hexen gegen den Kli­ma­wan­del zu ver­bren­nen. Auch ande­re, auch im Land­tag, haben wohl den Kon­text igno­riert und damit des­sen Anspie­lung und die damit ver­bun­de­ne iro­ni­sche Sprech­wei­se nicht ver­stan­den, son­dern sei­ne Sät­ze für bare Mün­ze genom­men. (Sie­he auch Ste­fan Nig­ge­mei­er, der das im Detail auf­ar­bei­tet). Jeden­falls ver­brei­te sich über diver­se dpa-Schleu­dern die Mel­dung sehr schnell. Erst heu­te kam dann die aus­führ­li­che Rich­tig­stel­lung der dpa. 

Ich fin­de die­se Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on aus meh­re­ren Grün­den bedau­er­lich. Ers­tens kann die AfD sich damit bequem als „Opfer“ der „Kar­tell­par­tei­en“ und der „Lügen­pres­se“ dar­stel­len. Zwei­tens zeig­te die Rede Podes­was auch ohne die Hexen­ham­mer-Auf­re­gung sehr schön, in was für einem geschlos­se­nen Welt­bild, in dem Fak­ten ganz anders gedeu­tet wer­den, sich die AfD bewegt – denn aus Sicht des wis­sen­schaft­li­chen Kon­sen­ses hat er sehr gro­ßen Unsinn dar­über erzählt, wie das Welt­kli­ma funk­tio­niert. Und drit­tens über­schat­te­te die – inso­fern viel­leicht gewoll­te – Pro­vo­ka­ti­on die übri­ge Bericht­erstat­tung, nicht nur zur Aktu­el­len Debat­te, son­dern auch zu The­men wie der Ver­fol­gung von Wissenschaftler*innen in der Tür­kei (TOP 5 der gest­ri­gen Sit­zung, abge­se­hen von der AfD gro­ße Einig­keit, das Baden-Würt­tem­berg hier aktiv wer­den muss, Lob für den Fonds für ver­folg­te Wissenschaftler*innen der BW-Stif­tung – aber eben kein Wort dar­über in der Presse). 

Plakatkritik: CDU und Fortschritt

Fortschritt voraus

Die­ses Pla­kat der CDU zur Land­tags­wahl 2011 in Baden-Würt­tem­berg konn­te ich nicht unfo­to­gra­fiert las­sen. Ich fin­de, dass es sich auf drei Ebe­nen wun­der­bar sub­ver­siv deu­ten lässt. (Eine lesens­wer­te gene­rel­le Pla­kat­kri­tik zu BaWÜ fin­det sich übri­gens im Design­ta­ge­buch von Achim Schaff­rin­na). Also, die drei Ebenen:

1. Ganz aktu­ell stellt sich Map­pus hin­ter Gut­ten­berg. Die aus Baden-Würt­tem­berg stam­men­de Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­rin Scha­van schämt sich zwar, unter­nimmt sonst aber auch nichts wei­ter. Da passt ein gezielt auf Wis­sen­schaft set­zen­des Pla­kat nur so bedingt. Aber das konn­te die CDU ja viel­leicht noch nicht wis­sen, als sie das Pla­kat in Auf­trag gab. Das Pla­kat steht in Frei­burg übri­gens genau dem Uni­rek­to­rat gegen­über und liegt qua­si auf dem Weg von der Innen­stadt ins Institutsviertel.

2. Dann natür­lich Fort­schritt: hier ist es – ganz im Ein­klang mit der Inno­va­tions- und For­schungs­för­de­rungs­po­li­tik des Lan­des, das ja durch­aus mas­siv Geld bei­spiels­wei­se in die bio­wis­sen­schaft­li­chen Exzel­lenz­be­wer­bun­gen gepumpt hat – offen­sicht­lich etwas, das in Labors erforscht wird, was mit Che­mie oder viel­leicht auch mit „Life Sci­ence“ zu tun hat. Ist schon etwas intel­li­gen­ter als ein z.B. bei der SPD ger­ne noch vor­zu­fin­den­der Fort­schritts­be­griff, bei dem die Groß­in­dus­trie ganz vor­ne steht, aber so rich­tig das Wah­re ist auch der CDU-Fort­schritt für mich nicht, der hier bild­ne­risch auf Natur­wis­sen­schaft ver­kürzt wur­de. Cui bono? Und wel­che Pro­ble­me soll die­ser Fort­schritt lösen?

3. Damit aber schließ­lich zu dem Punkt, der mich eigent­lich dazu gebracht hat, das Gan­ze zu foto­gra­fie­ren. Denn wen sehen wir auf dem Bild? Eine jovi­al-hech­ti­ge Vater­fi­gur mit einer gewis­sen raum­er­fül­len­den Kör­per­lich­keit, der die Labor­ar­beit an eine jun­ge, adrett lächeln­de Zuar­bei­te­rin dele­giert hat (was ja auch schön den Sta­tus quo wie­der­gibt). Das Spek­trum unter­schwel­li­ge Gen­der-Bot­schaf­ten reicht von „in der Wis­sen­schaft über­ra­gen die grau­haa­ri­gen Män­ner wei­ter­hin alles“ bis hin zu „Aus­se­hen und Jugend­lich­keit ist für die Kar­rie­re wich­tig“. Oder war das anders gemeint?

War­um ich das blog­ge? Weil Wahl­kampf ist – und weil die ja sehr bewusst zusam­men­ge­stell­ten Bild­mo­ti­ve der CDU doch gera­de bei einem zwei­ten Blick eini­ges dar­über aus­sa­gen, für wel­che dump­fen Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten ein Minis­ter­prä­si­dent Map­pus steht.

Ein paar Nachträge zu Guttenberg

Noch scheint er ja nicht zurück­ge­tre­ten zu sein. Der „lei­den­de“ (BILD) Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter. Ganz infor­ma­tiv fin­de ich des­we­gen ein paar der aktu­el­le­ren Reak­tio­nen und Ent­wick­lun­gen in Gut­ten­bergs Fall:

In Ber­lin gab es eine Spon­tan­de­mons­tra­ti­on mit ein paar hun­dert TeilnehmerInnen.

Mehr als 25.000 Men­schen (dar­un­ter wohl an die 20.000 Dok­to­ran­dIn­nen) for­dern Dr. Mer­kel dazu auf, Gut­ten­berg zu entlassen.

Der Vor­sit­zen­de des Wis­sen­schafts­rats nimmt mit zuneh­men­der Sor­ge zur Kennt­nis, „wie in Fol­ge der Dis­kus­sio­nen um die Dok­tor­ar­beit von Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg das gesell­schaft­li­che Anse­hen der Wis­sen­schaft Scha­den zu neh­men droht.“ (pdf)

Auch die Deut­sche For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) als größ­ter öffent­li­cher For­schungs­för­de­rer macht sich Sor­gen um das Anse­hen der Wis­sen­schaft in Deutschland.

Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­rin Dr. Scha­van schämt sich inzwi­schen wegen Guttenberg.

Ähn­lich sieht das wohl der for­schungs­po­li­ti­sche Spre­cher der FDP, Neu­mann, der einen Rück­tritt ins Spiel bringt.

Die Süd­deut­sche berich­tet, dass der eme­ri­tier­te Dok­tor­va­ter Gut­ten­bergs, Prof. Dr. Häber­le, sich ver­zwei­felt zurück­ge­zo­gen habe.

Der baden-würt­tem­ber­gi­sche Minis­ter­prä­si­dent Map­pus hat wei­ter­hin kei­ne Pro­ble­me mit Gut­ten­bergs wis­sen­schaft­li­chem Betrug – das passt nicht so ganz zum baden-würt­tem­ber­gi­schen Image wis­sen­schaft­li­cher Exzel­lenz. Aber das scheint Map­pus nicht zu stören.

Nach­trä­ge hier zu

Kontrovers: GEW zu Wissenschaftskarrieren – gut gemeint, aber …?

Heu­te hat die GEW das Temp­li­ner Mani­fest vor­ge­stellt, in dem sie in zehn The­sen dafür ein­tritt, wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­ren plan­ba­rer zu machen und die damit ver­bun­de­nen Arbeits­be­din­gun­gen zu ver­bes­sern. In den The­sen steht vie­les, was ich auch rich­tig fin­de – dau­er­haf­te Beschäf­ti­gungs­mög­lich­kei­ten jen­seits der Pro­fes­sur bei­spiels­wei­se. Trotz­dem zöge­re ich, das Mani­fest zu unterzeichnen. 

Mag sein, dass da auch gewis­se Vor­ur­tei­le gegen­über Gewerk­schaf­ten mit­spie­len. Vor Augen habe ich aber ins­be­son­de­re die 12-Jah­res-Rege­lung, die ich mit der dama­li­gen SPD-Minis­te­rin Bul­mahn ver­bin­de. Die Idee dahin­ter war, dass ein Ver­bot der Beschäf­ti­gung auf befris­te­ten Stel­len über ins­ge­samt zwölf Jah­re hin­aus dazu bei­tra­gen könn­te, die Zahl wis­sen­schaft­li­cher Dau­er­stel­len zu erhö­hen. Fak­tisch ist das aber nicht pas­siert – weil kein neu­es Geld ins Hoch­schul­sys­tem geflos­sen ist, und weil es – ganz typisch für den Wis­sen­schafts­be­reich – eine gro­ße Zahl poten­zi­ell Beschäf­ti­gungs­wil­li­ger gibt und gab. Statt mehr Dau­er­stel­len zu schaf­fen, war der Effekt der 12-Jah­res-Rege­lung damit eher der, Men­schen aus dem Wis­sen­schafts­sys­tem raus­zu­drän­gen. Die waren dann zwar nicht mehr pre­kär und befris­tet beschäf­tigt – aber beschäf­tigt waren sie auch nicht. Oder die Hoch­schu­len grif­fen zu Tricks wie An-Insti­tu­ten und hoch­schul­na­hen Pro­jekt­trä­gern. Scha­van hat die­se Rege­lung dann wie­der abge­schafft und durch dif­fe­ren­zier­te Befris­tungs­re­ge­lun­gen ersetzt – sinn­vol­ler­wei­se, wie ich finde.

Viel­leicht irre ich mich ja. Aber eini­ge der Temp­li­ner For­de­run­gen klin­gen für mich sehr danach, dass eine ernst­haf­te poli­ti­sche Umset­zung, gera­de in den Hän­den der Sozi­al­de­mo­kra­tie, nicht die inten­dier­ten Effek­te haben wür­de, son­dern zu einem Mehr an Büro­kra­tie und zu kon­tra­pro­duk­ti­ven Regu­lie­run­gen füh­ren wür­de. Um nur zwei Bei­spie­le zu nen­nen: Die For­de­rung nach qua­li­fi­zier­ten Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen für Dok­to­ran­dIn­nen kann eben auch hei­ßen, freie Pro­mo­tio­nen nicht mehr zuzu­las­sen. Lehr­be­auf­trag­te durch sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf­ti­gung zu erset­zen, klingt erst mal gut, kann aber auch hei­ßen, dass die­je­ni­gen, die sich bis­her damit irgend­wie durch­ge­schla­gen haben, dass dann nicht mehr tun kön­nen – und trotz­dem kei­ne neu­en Stel­len geschaf­fen werden. 

Inso­fern also eine gewis­se Skep­sis – aber viel­leicht mag mich jemand vom Gegen­teil überzeugen.

Spurensuche nach Gender-Aspekten in einem Forschungsprogramm

Zoom to the forest floorDie UB Frei­burg hat soeben den Arbeits­wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­be­richt Nr. 9 frei­ge­schal­tet: „Gen­der-Aspek­te im For­schungs­pro­gramm ‚Nach­hal­ti­ge Wald­wirt­schaft‘ – eine Spurensuche“. 

In die­sem klei­nen Auf­satz, der ein Neben­pro­dukt mei­ner For­schungs­tä­tig­keit im Pro­jekt wa’­gen dar­stellt, berich­te ich über die Ergeb­nis­se einer klei­nen Befra­gung im For­schungs­pro­gramm Nach­hal­ti­ge Wald­wirt­schaft des BMBF. Ziel der Befra­gung der ein­zel­nen Pro­jek­te in die­sem For­schungs­pro­gramm war es, her­aus­zu­fin­den, wie das Quer­schnitts­the­ma Geschlecht in die­sem Pro­gramm inhalt­lich umge­setzt wur­de, und wel­che Rol­le Gen­der Main­strea­ming und Frau­en­för­de­rung als erklär­te Zie­le der For­schungs­po­li­tik struk­tu­rell gespielt haben. 

Die Ergeb­nis­se sind so erwart­bar wie ernüch­tern und unter­strei­chen die Not­wen­dig­keit einer wei­te­ren Beschäf­ti­gung mit der wis­sen­schafts­po­li­ti­schen Fra­ge nach der Bedeu­tung von Geschlecht. Dies betrifft sowohl die inhalt­li­che Ebe­ne wie auch die Fra­ge, wie sich die struk­tu­rell unsi­che­re Pro­jekt­for­schung im For­schungs­all­tag und in den Rah­men­be­din­gun­gen der För­de­rer mit poli­ti­schen Ziel­set­zun­gen wie etwa der Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie oder eben auch der klas­si­schen Gleich­stel­lungs­po­li­tik zusam­men­brin­gen las­sen kann. 

Ich bin gespannt, ob sich aus­ge­hend von die­sem Bericht – der tat­säch­lich eher Fra­gen auf­wirft als sie zu beant­wor­ten – eine Debat­te ent­wi­ckelt und wür­de mich über Dis­kus­si­ons­bei­trä­ge und Kri­tik freuen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich das The­ma „Geschlecht und Wis­sen­schafts­po­li­tik“ wich­tig finde.