Als kleines Gegengewicht zu meinen eher optimistischen Beiträgen zum strategischen Potenzial von schwarz-grün möchte ich auf eine heute veröffentlichte Analyse (pdf) einer Gruppe grüner Linker (oder linker Grüner) verweisen (u.a. Robert Zion und Peter Alberts). Umfangreich wird dort der Koalitionsvertrag (pdf) durchgearbeitet. Bemängelt wird die große Zahl von Prüfaufträgen, gerade bei wichtigen grünen Projekten. Die generelle Einschätzung ist, dass die Grünen sich – bei wichtigen Punkten – gegenüber der CDU kaum durchsetzen konnten. Schwarz-grün wird sowohl konkret für Hamburg als auch abstrakt als problematisch dargestellt.
Während ich viele Punkte der Analyse teile, aber von anderen Maßstäben ausgehe, was sinnvollerweise erwartbar war, teilweise andere strategische Einschätzungen habe und vor allem optimistischer bin, was die Arbeit der grünen SenatorInnen und StaatsrätInnen angeht (z.B. glaube ich, dass eine grüne Umweltsenatorin ein Kohlekraftwerk rechtlich verhindern kann und wird, auch wenn sowohl Greenpeace als auch Vattenfall das anders sehen), ist es vor allem ein Punkt, der mich an dieser Ausarbeitung erheblich stört – nämlich die Vermutung, dass eine große Koalition für die tatsächliche Durchsetzung einiger wichtiger grüner Ziele (Schulreform, Moorburg) besser gewesen wäre. Und auch die Kritik am Verhandlungsstil halte ich nicht für angebracht, sondern für eine Projektion eines Projektes, dass es so aus grüner Perspektive nicht gibt. Aus dem Papier:
Gerade die ungewöhnliche Art der Verhandlungsführung (entgegen der gängigen und sinnvollen Praxis wurden zuerst die weniger stritten Punkte verhandelt, damit „die Stimmung“ stimmt) weist nicht nur auf den gewollten “Projektcharakter“ dieser Koalition hin – wohlgemerkt: der schwarz-grünen Koalition an sich, nicht der Konzeptionen und Inhalte –, sie hat auch dazu geführt, dass die GAL eine Fülle „weicher“ Themen setzen konnte (wenn auch zumeist nur als Prüfaufträge), sich in den für Grüne wirklich harten und im Wahlkampf bestimmenden Politikfeldern (Kohlekraftwerk, Elbvertiefung, Schule, Studiengebühren) aber am Ende kaum oder gar nicht durchsetzen konnte. Die Frage, ob eine Hamburger SPD bei etwaigen Koalitionsverhandlungen zu einer großen Koalition gerade bei diesen harten Themen nicht doch mehr hätte durchsetzen können, sollte sich daher ernsthaft stellen. Die Elbvertiefung würde – wie jetzt auch – wohl kommen. Das längere gemeinsame Lernen angesichts des SPD-Programms wohl auch, vielleicht wären es ein paar Jahre mehr geworden. Ob hinsichtlich des Kohlekraftwerkes Moorburg noch weniger als die Durchführung des Genehmigungsverfahrens herauskommen würde, darf bezweifelt werden. Ein offenes Bekenntnis der SPD in Hamburg zu Moorburg dürfte nicht erwartet werden. Zu eindeutig wird Moorburg im SPD-Programm abgelehnt und stattdessen ein Gaskraftwerk gefordert.
Da scheint mir das Gras auf der anderen Seite des Zauns doch deutlich grüner zu sein; jedenfalls kann ich zwar nachvollziehen, dass das SPD-Wahlprogramm entsprechend positiv abschneidet, kann mir aber kaum vorstellen, dass die SPD in Bildungs- und Umweltfragen in einer Koalitionsverhandlung mit der CDU erstens mehr Beharrlichkeit und zweitens mehr Verhandlungsmacht mitbringt. Warum? Weil nach meinen bisherigen Beobachtungen die SPD ihre Schwerpunkte in Verhandlungen anders setzt, und Umwelt- und Bildungsfragen gerne auf dem Verhandlungstisch opfert. Und weil da immer noch z.B. die Bundes-SPD mit „Kohle-Gabriel“ als Umweltminister da ist.
Insofern kann ich mich dieser Stellungnahme nicht anschließen, sondern bleibe dabei, dass es – gerade wenn es mittelfristig darum geht, das linke Profil der Grünen zu schärfen – gar nicht so schlecht ist, am Einzelbeispiel Hamburg deutlich zu machen, dass wir nicht am Gängelband der SPD hängen, und dass es manchmal möglich – vielleicht sogar besser möglich – ist, grüne Inhalte auch mit einem politischen Gegner durchzusetzen, der auch deutlich als solcher sichtbar ist. Das bedeutet m.E. mehr Ehrlichkeit in Verhandlungen, und mehr Profilschärfe der Koalitionspartner. Wichtig ist, dass es es hier eben nicht um ein „historisches Bündnis“ (FAZ) geht, sondern um eine aus einer bestimmten Situation heraus geborene Zusammenarbeit. An die sollten strenge Maßstäbe gesetzt werden, und wenn sich bis in einem Jahr zeigt, dass Prüfaufträge und grüne Zumutungen an die CDU im politischen Alltag nicht umsetzbar sind, dann halte ich es für ein Gebot politischer Hygiene, so eine Koalition auch wieder aufzukündigen. Aber jetzt schon Feuer zu schreien, ist aus meiner derzeitigen Sicht verfrüht und führt parteiintern nur dazu, Gestaltungsspielräume freiwillig abzugeben und einzuengen.
Warum blogge ich das? Nicht zuletzt deshalb, weil in der internen Diskussionsliste der Grünen Linken zwar mehrheitlich die im Papier dargestellte Position zu Wort kommt, durchaus aber auch andere Stimmen zu hören sind.