Live aus Heilbronn (Update 7: Grundeinkommensbeschluss online)

Und es gibt doch WLAN. Inso­fern kann ich live aus dem Sit­zungs­saal vom grü­nen Lan­des­par­tei­tag in Heil­bronn blog­gen. Ich bin auch nicht der ein­zi­ge, der das tut – die Ergeb­nis­se der Lan­des­vor­stands­wahl kön­nen bei Grü­nes Frei­burg nach­ge­le­sen wer­den, auch Hen­ning ist schon mit zwei Ein­trä­gen (1, 2) ver­tre­ten. Und nicht zuletzt die grü­ne Par­tei berich­tet ausführlich.

Eine Sache war mir ges­tern abend beson­ders wich­tig: die Reso­lu­ti­on zum The­ma Bür­ger­rech­te und inne­re Sicher­heit, die sich kri­tisch mit der geplan­ten Online-Vor­rats­da­ten­spei­che­rung usw. aus­ein­an­der­setzt (BTW: am 6.11. soll es dezen­tra­le Demos dazu geben). In einem Rede­bei­trag dazu habe ich ein­ge­for­dert, dass wir nicht nur defen­siv die Bür­ger­rech­te ver­tei­di­gen, son­dern sie offen­siv leben und aus­wei­ten. Dazu gehö­ren für mich elek­tro­ni­sche und nicht-elek­tro­ni­sche For­men demo­kra­ti­scher Par­ti­zi­pa­ti­on, eine Umkeh­rung der Infor­ma­ti­ons­as­sym­me­trie (sprich: der Staat muss offen­le­gen, nicht die Bür­ge­rin oder der Bür­ger), also ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz und die Aus­deh­nung des Daten­schut­zes in die Berei­che Unter­neh­men und Sozi­al­amt. Letzt­lich brau­chen wir eine Kul­tur der Betei­li­gung und Par­ti­zi­pa­ti­on – und eine Ant­wort auf die Fra­ge, wie sozia­ler Zusam­men­halt her­ge­stellt wer­den kann. Mit Sicher­heits­ge­set­zen und einem „Prä­ven­ti­ons­staat“ sicher nicht.

Jetzt kommt gleich die Wahl zum Län­der­rat. Um die span­nen­de Fra­ge Grund­ein­kom­men oder Grund­si­che­rung wird es dann mor­gen gehen.

War­um blog­ge ich das? Weil es geht!

Update: Mit dem heu­ti­gen Tag kann ich sehr zufrie­den sein: ich wur­de mit einem guten Ergeb­nis erneut zum Län­der­rats­de­le­gier­ten gewählt, und auch mein Antrag A3 zum The­ma Werbung/Sponsoring wur­de – leicht modi­fi­ziert – ange­nom­men. Jetzt hof­fe ich nur, dass es mor­gen beim Grund­ein­kom­men ähn­lich gut läuft.

Span­nend war das Expe­ri­ment der Grund­ein­kom­mens­grup­pe, im Foy­er anhand einer Excel-Tabel­le zu dis­ku­tie­ren, wie die kon­kre­ten Aus­wir­kun­gen (und die Finan­zie­rung) bei der nega­ti­ven Ein­kom­mens­steu­er aus­se­hen. Da gab es nach eini­ger Zeit rich­ti­ge Men­schen­trau­ben und sehr ange­reg­te Dis­kus­sio­nen – gera­de auch mit dem „skep­ti­schen Flü­gel“. Ein schö­nes Bei­spiel für grü­ne Diskussionskultur. 

Update 2: Wie­der zuhau­se – und sehr zufrie­den. Die inten­si­ve Vor­ar­beit, Ver­net­zung und Immer-wie­der-Erklä­rung des Sockel­grund­ein­kom­mens hat sich aus­ge­zahlt – das Modell wur­de, für eini­ge doch über­ra­schend, vom Lan­des­par­tei­tag ange­nom­men (mit 114 zu 76 Stim­men). Jetzt ist nur zu hof­fen, dass auch die Medi­en begrei­fen, dass da ein dif­fe­ren­zier­tes Kon­zept dahin­ter­steht. Und für Fritz gilt: wer die Dele­gier­ten beschimpft, ist selbst dran schuld.

Hier noch ein Hin­weis auf den SWR-Bericht (der sich in dem Punkt irrt, dass es, auch wenn vie­le baden-würt­tem­ber­gi­sche Lin­ke dahin­ter stan­den, kein Antrag des lin­ken Flü­gels war).

Update 3: Wo ich schon gera­de bei der Medi­en­schel­te bin – der hier Zitier­te dürf­te damit auch nicht glück­lich sein. Bzw. ein „die Auf­he­bung der“ vermissen …:

Plä­doy­er für Tren­nung von Amt und Mandat?
Der Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Jür­gen Wal­ter sieht in den rela­tiv schwa­chen Ergeb­nis­sen „ein Plä­doy­er für die Tren­nung von Amt und Mandat“. […]

Update 4:

Abstimmung Grundeinkommen
Foto: Frank Peters

Auf der Web­site von Frank Peters, dem Spre­cher der Arbeits­grup­pe Grund­ein­kom­men von Bünd­nis 90/Die Grü­nen Rhein­land-Pfalz, gibt es nicht nur mich beim Kar­ten­he­ben zu sehen (s.o.), son­dern auch eine gan­ze Rei­he weit­aus span­nen­de­rer Fotos sowie Mini-Vide­os der wich­tigs­ten Pro-Redebeiträge.

Update 5: (16.10.2007) Inzwi­schen ist der Beschluss zum Grund­ein­kom­men mit den Ände­run­gen von Hen­ning (und dem Antrag, Rent­ne­rIn­nen nicht aus­zu­neh­men, von unse­rem Kreis­ver­band) online. Viel Spaß beim Lesen und Weiterverbreiten.

In der Badi­schen Zei­tung (BZ) von heu­te blickt Rein­hard Büti­ko­fer nach vor­ne (lei­der nur für Abon­nen­tIn­nen). Der Arti­kel schließt zwei­deu­tig damit, dass Rein­hard sich von Grund­ein­kom­men und dem in Baden-Würt­tem­berg vor­ge­leg­ten Grund­si­che­rungs­an­trag abgrenzt und dann für eine Grund­si­che­rung mit nega­ti­ver Ein­kom­mens­steu­er plä­diert. Wenn die Redak­ti­on der BZ da kei­nen Mist gebaut hat, wäre das eine inter­es­san­te Aussage.

Update 6: Wie ich beim Zusam­men­stel­len einer klei­nen Pres­se­schau fest­ge­stellt habe, ist Oswald Metz­ger alles ande­re als begeis­tert vom Beschluss, schimpft wie ein Rohr­spatz und droht mit Aus­tritt, wenn die Par­tei nicht folg­sam ist. Aha.

Update 7: (17.10.2007) Ger­hard Schick hat einen sehr ver­nünf­ti­gen offe­nen Brief an Oswald Metz­ger geschrie­ben. Dort steht eigent­lich alles, was zur inzwi­schen die wei­te­ren Medi­en errei­chen­den Auf­re­gun­gen zu sagen ist (die hat auch was Gutes: immer­hin erreicht die Nach­richt, dass die baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen sich für ein Grund­ein­kom­men aus­ge­spro­chen haben – selbst wenn des dort etwas schräg dar­ge­stellt wird – so auch die bun­des­deut­sche Öffentlichkeit).

Wie kann ein Sockelgrundeinkommen finanziert werden?

Wenn auch nicht in mei­nem Blog, so hat der Vor­schlag Sockel­grund­ein­kom­men, der am Sonn­tag auf dem grü­nen Lan­des­par­tei­tag dis­ku­tiert wer­den wird, eini­ges an Reak­tio­nen her­vor­ge­bracht. Neben der Kri­tik an der deut­li­chen Hartz-IV-Kri­tik (z.B. hier) ist es vor allem die Fra­ge der Finan­zie­rung und der Aus­zah­lungs­mo­da­li­tä­ten, die mit der Rea­li­sie­rung eines Grund­ein­kom­mens als nega­ti­ver Ein­kom­mens­steu­er ver­bun­den sind. Hilf­reich dafür fin­de ich zwei Bei­trä­ge von Win­fried Böh­ler aus der Pro­jekt­grup­pe. Hier beschreibt er die kon­kre­te Umset­zung einer nega­ti­ven Ein­kom­mens­steu­er, und an die­ser Stel­le stellt er gut ver­ständ­lich dar, wie das Finan­zie­rungs­mo­dell hin­ter dem Sockel­grund­ein­kom­men funktioniert.

War­um blog­ge ich das? Als Update zum vor­he­ri­gen Bei­trag über das Sockel­grund­ein­kom­men. Und weil ich jetzt wirk­lich gespannt auf den Par­tei­tags­sonn­tag bin – und dar­auf, wen in den letz­ten Minu­ten der Mut ver­lässt, einen mach­ba­ren Reform­vor­schlag vor­zu­le­gen, und wer dabei bleibt …

Realpolitik heißt Sockelgrundeinkommen (Update 3)

Nach einem arbeits­rei­chen Som­mer liegt unser Antrag für ein par­ti­el­les Grund­ein­kom­men (oder Sockel­grund­ein­kom­men) inzwi­schen auch offi­zi­ell vor. Der baden-würt­tem­ber­gi­sche Lan­des­ver­band von Bünd­nis 90/Die Grü­nen hat­te ja nicht nur elek­tro­nisch über die­ses The­ma dis­ku­tiert, son­dern Anfang des Jah­res auch eine Pro­jekt­grup­pe Grundeinkommen/Grundsicherung ins Leben geru­fen. Nach gemein­sa­men Eck­punk­ten hat sich dann vor der Som­mer­pau­se gezeigt, dass inner­halb der Pro­jekt­grup­pe noch immer sowohl Ver­tre­te­rIn­nen eines „Wei­ter so“ im Sin­ne einer Ver­bes­se­rung von Hartz-IV (als „ler­nen­der Reform“, wie dies Kers­tin And­reae so schön aus­drück­te) als auch Ver­tre­te­rIn­nen eines Grund­ein­kom­mens zu fin­den waren. Es gab dann also zwei Arbeits­grup­pen, die jeweils einen eige­nen Antrag aus­ge­ar­bei­tet haben. 

Regionalkonferenz-MosaikImpres­sio­nen von der Regio­nal­kon­fe­renz zu Grundeinkommen/Grundsicherung im Febru­ar 2007

Der Kern des Antrags der Grund­ein­kom­mens­grup­pe (gelei­tet von Bea­te Mül­ler-Gem­me­ke, sehr aktiv dabei Tho­mas Pore­ski) ist ein als nega­ti­ve Ein­kom­mens­steu­er aus­ge­stal­te­tes „Sockel­grund­ein­kom­men“ in Höhe von 420 Euro pro erwach­se­ner Per­son (300 Euro für Kin­der, das The­ma Rent­ne­rIn­nen wur­de aus­ge­klam­mert, lie­ße sich aber ana­log über eine Min­dest­ren­te aus­ge­stal­ten). Nega­ti­ve Ein­kom­mens­steu­er heißt dabei: das Grund­ein­kom­men wird mit der Steu­er­schuld ver­rech­net. Wer kein Ein­kom­men hat, und des­we­gen auch kei­ne Steu­ern zahlt, erhält auto­ma­tisch 420 Euro im Monat (Wohn­geld und Leis­tun­gen in beson­de­ren Lebens­la­gen kom­men bedarfs­ge­prüft noch dazu). Wer 420 Euro pro Monat an Steu­ern zahlt, erhält nichts und zahlt nichts; wer mehr zahlt, zahlt sei­ne Steu­er­schuld abzüg­lich der 420 Euro pro Monat. Inso­fern wirkt das Grund­ein­kom­men bei höhe­ren Ein­kom­men als eine Art Steu­er­frei­be­trag. Bei Gering­ver­die­ne­rIn­nen soll die Kran­ken­ver­si­che­rung vom Staat über­nom­men wer­den, wird also – anders als z.B. bei Alt­haus – nicht von den 420 Euro abgezogen. 

Zur Finan­zie­rung soll vor allem auf eine Ein­kom­mens­steu­er­re­form (d.h. letzt­lich auf Umver­tei­lung zwi­schen Spit­zen­ver­die­ne­rIn­nen und Armen) gesetzt wer­den. Dazu gehört ins­be­son­de­re die Abschaf­fung von Steu­er­frei­be­trä­gen, u.a. auch das Ehe­gat­ten­split­ting (statt­des­sen ent­steht ein indi­vi­dua­li­sier­ter Leis­tungs­an­spruch unab­hän­gig von Part­ner­schaf­ten etc.). Zudem kann eine Art Öko­steu­er-II zur Finan­zie­rung bei­tra­gen und zugleich öko­lo­gi­sche Len­kungs­wir­kun­gen ent­fal­ten. Anders als bei dem ger­ne dis­ku­tier­ten Götz-Wer­ner-Modell kommt es also nicht zu einer unso­zia­len extre­men Mehrwertsteuererhöhung.

Ein sol­ches Sockel­grund­ein­kom­men trägt sowohl dazu bei, Armut abzu­bau­en (v.a. auch Kin­der­ar­mut), als auch dazu führt, Arbeit­an­rei­ze zu schaf­fen und Exis­tenz­grün­dun­gen und pre­kä­re Lebens­pha­sen zu unter­stüt­zen. Wer sich mit 420 Euro plus Wohn­geld zufrie­den geben will, und so avant­gar­dis­ti­sche Lebens­ent­wür­fe aus­pro­bie­ren will, kann dies jedoch eben­falls tun. Sank­tio­nen und Zwang pas­sen nicht zu die­sem Modell.

Das Sockel­grund­ein­kom­men kann jedoch nicht allei­ne daste­hen. Wir wol­len nicht alles auf den finan­zi­el­len Trans­fer redu­zie­ren. U.a. des­we­gen ist auch die im Ver­gleich zu ande­ren Model­len eher gerin­ge Höhe zu erklä­ren. Ein­ge­bet­tet wer­den soll das Sockel­grund­ein­kom­men sowohl in Bil­dungs­re­for­men, wie die Grü­nen sie schon lan­ge for­dern (also etwa die Basis­schu­le oder den Aus­bau von Schul­so­zi­al­ar­beit) als auch in akti­ve Arbeits­markt­po­li­tik – auf frei­wil­li­ger Basis.

Ein zwei­ter Schritt, der sich an das ABC aus Armuts­be­kämp­fung, Bil­dungs­för­de­rung und die Eröff­nung von Chan­cen anschließt, ist eine Kom­bi­na­ti­on aus Erhö­hung des Grund­ein­kom­mens auf etwa 500 Euro und die Kopp­lung an Refor­men im Sozi­al­ver­si­che­rungs­be­reich (v.a. auch Ren­te) in Rich­tung Bürgerversicherung/Schweizer Modell. 

Das Sockel­grund­ein­kom­mens­mo­dell ist inso­fern sehr prag­ma­tisch und real­po­li­tisch, als es – durch eine Ein­kom­mens­steu­er­re­form – rela­tiv schnell ein­zu­füh­ren wäre. Es stellt einen Ein­stieg in einen Sys­tem­wech­sel dar, einen flie­ßen­den Über­gang. Nach eini­gen Jah­ren kann dann anhand der Erfah­run­gen damit über­legt wer­den, ob ein dar­über hin­aus­ge­hen­den Grund­ein­kom­men sinn­voll ist, und ob die Hoff­nun­gen in die Ent­fal­tung von Frei­heit­lich­keit und Krea­ti­vi­tät berech­tigt waren.

Abschlie­ßend, weil das immer wie­der ger­ne als Stroh­mann oder Stroh­frau auf­ge­stellt wird: das Sockel­grund­ein­kom­men ist nicht iden­tisch mit dem 1200-Euro-Grund­ein­kom­mens­mo­dell, son­dern begrenzt sich auf 420 Euro; es dient nicht der Abschaf­fung der Erwerbs­ar­beit, son­dern stellt eine Mög­lich­keit dar, mit den ver­än­der­ten Bedin­gun­gen der Erwerbs­ge­sell­schaft sinn­voll umzu­ge­hen, statt auf die uto­pi­sche Hoff­nung „Arbeits­plät­ze für alle“ zu set­zen; es ist finan­zier­bar – und es ist kein Ver­such, Men­schen ins Eck zu stel­len und mit Geld abzu­spei­sen, son­dern soll von sinn­vol­len Maß­nah­men aus der Bil­dungs- und Arbeits­markt­po­li­tik beglei­tet werden.

War­um blog­ge ich das? Ob das Sockel­grund­ein­kom­men zum grü­nen Modell wird, ent­schei­det sich für Baden-Würt­tem­berg am 14. Okto­ber auf dem Lan­des­par­tei­tag in Heil­bronn. Schon am 6. Okto­ber dis­ku­tiert der LV Ber­lin ein ähn­li­ches Kon­zept, und auch ein Teil der bun­des­wei­ten Kom­mis­si­on zur Zukunft der Sozia­len Siche­rung ten­diert wohl zu ähn­li­chen Vor­stel­lun­gen. Bis zum 14.10. wird es jetzt u.a. dar­um gehen, noch ein­mal mas­siv Wer­bung für das Modell zu machen, es zu erläu­tern und zu dis­ku­tie­ren. Die­ser Blog­ein­trag soll einen Bei­trag dazu liefern.

Update (6.10.2007): Die Ber­li­ner Grü­nen haben das Grund­ein­kom­men knapp abge­lehnt.

Update 2: Arti­kel und Kom­men­tar zur knap­pen Grund­ein­kom­mens­ab­leh­nung in Ber­lin. Für mich wird hier noch ein­mal deut­lich, dass es sich beim Grund­ein­kom­men eben nicht um ein kla­res „Flü­gel­pro­jekt“ han­delt, wie das man­che sehen, son­dern dass die Kon­flikt­li­ni­en hier­zu quer zu den Strö­mun­gen in der Par­tei lie­gen. Auch wenn das Kon­zept Grund­ein­kom­men alt ist, mag die Debat­ten­la­ge etwas mit dem Aktua­li­tät des Kon­zepts und der Tat­sa­che zu tun haben, dass der post­in­dus­tri­el­le Wand­lungs­pro­zess all­mäh­lich auch außer­halb sozio­lo­gi­scher Labors deut­lich wird.

Update 3 (8.10.2007): Hen­ning äußert sich prin­zi­pi­ell-sym­pa­thisch und kon­kret-kri­tisch zum Sockel­grund­ein­kom­mens-Antrag. Scha­de, dass das jetzt kommt. Wäre blöd, wenn aus sol­chen Über­le­gun­gen her­aus am Schluss ein LDK-Ent­scheid für ein Grund­si­che­rungs­mo­dell her­aus­kommt. Noch ist die Frist für Ände­rungs­an­trä­ge nicht abgelaufen …

Freiheit statt Angst (Update 3)

„Frei­heit statt Angst“ – so lau­tet das Mot­to der bun­des­wei­ten Demo, die am 22.9. in Ber­lin statt­fin­den wird (unter ande­rem unter­stützt von Attac, Bdwi, Bünd­nis 90/Die Grü­nen, CCC, Cam­pus­grün, DIE LINKE, Tei­len der FDP, FFII, FIFF, Foe­bud, FSF, Grü­ner Jugend, HU, JDJL, Julis, LSD, NNM, Pira­ten­par­tei und ver­di). Ziel der Demo:

1. Weni­ger Überwachung

Wir for­dern

* kei­ne Total­pro­to­kol­lie­rung von Tele­fon, Han­dy und Inter­net (Vor­rats­da­ten­spei­che­rung),
* kei­ne gehei­me Durch­su­chung von Computern,
* Stopp der Video­über­wa­chung des öffent­li­chen Raums, kei­ne auto­ma­ti­sche Gesichtskontrolle,
* Stopp von Bio­me­trie und RFID-Chips in Aus­wei­sen und Pässen,
* kei­ne Vor­rats­spei­che­rung von Flugpassagierdaten,
* kein auto­ma­ti­scher Kfz-Kenn­zei­chen­ab­gleich auf öffent­li­chen Straßen. 

2. Bestehen­de Über­wa­chungs­ge­set­ze auf den Prüf­stand stellen
Wir for­dern eine unab­hän­gi­ge Über­prü­fung aller seit 1968 beschlos­se­nen Über­wa­chungs­ge­set­ze auf ihre Wirk­sam­keit und schäd­li­chen Nebenwirkungen.

3. Stopp für neue Über­wa­chungs­ge­set­ze Nach der inne­ren Auf­rüs­tung der letz­ten Jah­re for­dern wir einen sofor­ti­gen Stopp neu­er Geset­zes­vor­ha­ben auf dem Gebiet der inne­ren Sicher­heit, wenn sie mit wei­te­ren Grund­rechts­ein­grif­fen ver­bun­den sind.

Ein lesens­wer­tes Inter­view zu den Hin­ter­grün­den die­ser Demo ist bei jetzt.de zu fin­den (via).

Scha­de, dass Ber­lin so weit weg ist (und dass ich nicht jeden Sams­tag weg sein will, und dass am Tag drauf mei­ne Freun­din Geburts­tag hat), sonst wür­de ich hin­fah­ren. Wich­tig ist das näm­lich, und wer das liest und näher dran ist, soll­te auf jeden Fall hingehen.

War­um blog­ge ich das? 1., weil ich das abso­lut unter­stüt­zens­wert fin­de, die­se The­men mal wie­der ein biß­chen stär­ker in die Öffent­lich­keit zu brin­gen und mich freue, dass es ein so brei­tes Unter­stüt­zer­bünd­nis gibt, und 2., weil ich fin­de, dass „Frei­heit statt Angst“ auch über das kon­kre­te The­ma hin­aus eine sehr gute Leit­li­nie für poli­ti­sches Han­deln dar­stellt: Poli­ti­sche Hand­lun­gen, die ten­den­zi­ell eher Angst erzeu­gen als Frei­heit zu gene­rie­ren, sind fast immer pro­ble­ma­tisch. Das fängt bei „Sicher­heits­ge­set­zen“, die ein Gefühl der Bedro­hung ver­stär­ken, an, und geht über Hartz-IV bis hin zur Fra­ge, ob Umwelt­po­li­tik als Angst­the­ma oder als grü­ne Renais­sance kom­mu­ni­ziert wird.

Update (23.09.2007): Die Demo scheint inso­fern erfolg­reich gewe­sen zu sein, als 15.000 Men­schen dar­an teil­ge­nom­men haben; Poli­zei vs. schwar­zer Block sorg­te für Unruhe.

Update 2 (25.09.2007): Wer – wie zum Bei­spiel ich – nicht bei der Demo war, kann zum Bei­spiel den Rede­bei­trag von Mar­kus Becke­dahl von netzpolitik.org trotz­dem nach­le­sen. Näm­lich hier.

Update 3: Über Mar­kus‘ Rede­bei­trag habe ich ganz die aus­führ­li­che Bericht­erstat­tung zur „größ­ten Demons­tra­ti­on für mehr Daten­schutz seit 20 Jah­ren“ bei netzpolitik.org über­se­hen. Mit vie­len Links.

Heirat und Geschlechterrollen (Update 3)

Der Spie­gel hat wohl ein Son­der­heft zum The­ma Fami­lie her­aus­ge­bracht. Online fin­det sich da inzwi­schen ein (wie meist) recht lesens­wer­ter Auf­satz von Rein­hard Mohr über den Wan­del des Fami­li­en­be­griffs seit ’68 samt Aus­blick auf die müh­sa­me Frei­heit der Patch­work-Fami­lie. Außer­dem haben die eine gan­ze Rei­he von sta­tis­ti­schen Infor­ma­tio­nen zum The­men­feld Fami­lie, Kin­der, Hei­rat zusam­men­ge­stellt (dass die „nicht­ehe­li­chen Kin­der“ in der Anmo­de­ra­ti­on des Arti­kels zu „unehe­li­chen Kin­dern“ mutie­ren, und dass bei­des eigent­lich blö­de Begrif­fe sind, sei mal dahin­ge­stellt). Unter den Gra­fi­ken ist mir eine beson­ders aufgefallen:

spiegel-grafik.png

Fami­lie und Beruf (Quel­le: Spie­gel online)

Und zwar nicht wegen des Tipp­feh­lers im Dia­gramm, son­dern weil die – stei­gen­de, aber noch immer rela­tiv klei­ne – Grup­pe nicht­ehe­li­cher Lebens­ge­mein­schaf­ten zumin­dest die­sem Dia­gramm nach Berufs­tä­tig­kei­ten ega­li­tä­rer ver­teilt. Es wäre inter­es­sant, dem nach­zu­ge­hen. Auf den ers­ten Blick wirkt es jeden­falls so, als wür­de das Dia­gramm die The­se stüt­zen, dass das Ehe­gat­ten­split­ting unglei­che Erwerbs­be­tei­li­gun­gen von Män­nern und Frau­en ver­stärkt. All­zu­viel soll­te aller­dings in das Schau­bild auch nicht rein­in­ter­pre­tiert wer­den – es kann durch­aus sein, dass es neben insti­tu­tio­nel­len Fak­to­ren wie dem Ehe­gat­ten­split­ting auch sozia­le und kul­tu­rel­le Fak­to­ren gibt, die sowohl die Ent­schei­dung zu einer Hei­rat als auch die Ent­schei­dung zu nicht-ega­li­tä­ren Arbeits­ver­tei­lun­gen beein­flus­sen (sprich: wer sich gegen eine Hei­rat ent­schei­det, ist mög­li­cher­wei­se ‚eh‘ weni­ger stark an tra­di­tio­nel­len Geschlech­ter­rol­len ori­en­tiert und wür­de auch bei einer Hei­rat zu einer ega­li­tä­re­ren Ver­tei­lung von Tätig­kei­ten nei­gen; oder: wer aus finan­zi­el­len Grün­den nicht hei­ra­tet, ist mög­li­cher­wei­se ‚eh‘ mate­ri­ell drauf ange­wie­sen, das bei­de in Voll­zeit arbei­ten usw.). 

Aller­dings ist das Spie­gel-Dia­gramm, so wie hier abge­bil­det, letzt­lich nicht nur wegen die­sen Unsi­cher­hei­ten über Kau­sa­li­tä­ten rela­tiv nutz­los: abge­bil­det sind näm­lich nur die­je­ni­gen Paa­re, bei denen bei­de über­haupt berufs­tä­tig sind. Was fehlt – und eigent­lich span­nend wäre – ist die Fra­ge, wie sich das klas­si­sche deut­sche Modell der Arbeits­ver­tei­lung sowohl inner­halb der bei­den Grup­pen aus­wirkt als auch hier wie­der­um der Ver­gleich zwi­schen den Grup­pen. Dazu müss­te es eigent­lich auch Mikro­zen­sus-Daten geben (im Daten­re­port 2006 war beim kur­zen Durch­blät­tern aller­dings nichts dazu zu finden). 

War­um blog­ge ich das? Zum einen, weil mich das The­ma poli­tisch und beruf­lich inter­es­siert, zum ande­ren, weil die nähe­re Beschäf­ti­gung mit dem Schau­bild zeigt, dass es weit weni­ger her­gibt, als mög­lich wäre … rela­tiv typisch für Info­gra­fi­ken in Massenmedien.

Update: Zufäl­lig bin ich bei der Suche nach ganz ande­ren Din­gen auf eine aktu­el­le Son­der­aus­wer­tung des Mikro­zen­sus zum The­ma Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf gesto­ßen – da (Schau­bild 11 ist iden­tisch mit oben, Schau­bild 10 ergänzt das …) ste­hen die oben feh­len­de Din­ge drin­ne (und bestä­ti­gen die genann­te Tendenz).

Update 2: Hier noch­mal der Hin­weis auf die der­zeit durch Medi­en und Blogs geis­tern­de Stu­die von Davis, Green­stein und Marks zur Haus­ar­beits­ver­tei­lung zwi­schen ver­hei­ra­te­ten und unver­hei­ra­te­ten Paa­ren: Pres­se­mit­tei­lung, Pre­print, Dis­kus­si­on: Boing­Bo­ing, Dis­kus­si­on: Zeit­raf­fe­rin (mein letz­ter, etwas lang gera­te­ner Kom­men­tar), SpOn.

Update 3: (20.10.2007) Via Red­dit bin ich auf zwei Mel­dun­gen gesto­ßen, die das The­ma die­ses Blog-Ein­trags ganz gut ergän­zen. Das eine ist ein Ver­gleich der recht­li­chen Bedin­gun­gen, unter denen hete­ro- bzw. homo­se­xu­el­le Paa­re in den USA und in Kana­da zusam­men­le­ben. Nicht-ver­hei­ra­te­te hete­ro­se­xu­el­le Paa­re in Kana­da wer­den nach einem Jahr als auto­ma­tisch als „com­mon law rela­ti­onship“ aner­kannt; in den USA gibt es eini­ge Staa­ten, in denen die­se Form des Zusam­men­le­bens ille­gal ist. Ins­ge­samt gibt es in dem Arti­kel ein paar gute Fra­gen zum The­ma, wie staat­li­che Regu­la­tio­nen und part­ner­schaft­li­che Bezie­hun­gen zusammenhängen.

Das zwei­te ist noch­mal ein ganz ande­rer Blick­win­kel auf das The­ma: Femi­nists have more fun – und zwar betrifft dies sowohl femi­nis­tisch ein­ge­stell­te Frau­en wie auch Män­ner, die mit sol­chen zusam­men­le­ben (und umgekehrt) …