Der Freiburger Bahnhof strahlt vor dem Hintergrund dunkler Wolken. Wobei ich mich an große Menschenmengen auf Gleisen und in Zügen erst wieder gewöhnen muss. Gestern und vorgestern war ich nach längerer Zeit im Home-Office mal wieder in Stuttgart. Das letzte Mal galten im Zug noch Abstandsregeln, nur jeder zweite Platz war besetzt. Dieses Mal: alles voll, auch – wie bei der 6.46-Uhr-Verbindung üblich – zwischen Karlsruhe und Stuttgart auch die Gänge. Unangenehm voll (aber immerhin alle mit Maske).
Pendel-Ende
Nicht mein Pendeln nimmt ein Ende, das ist derzeit nur corona-bedingt ausgesetzt, und irgendwann werde ich auch wieder in Stuttgart sein und nicht nur im Home-Office, sondern das Pendeln meiner Kinder zwischen zwei Wohnungen. Die sind inzwischen Teenager, und hatten die letzten fast zehn Jahren beide jeweils zwei halbe Kinderzimmer. Die halbe Woche bei der Mutter, die halbe Woche bei mir – das hat lange gut geklappt. Aber der Wunsch nach eigenen Räumen und nach einem Ende des ständigen Wechsels samt Rumschleppen aller möglicher Dinge ist zunehmend größer geworden bei den beiden. Gleichzeitig ist der Freiburger Wohnungsmarkt so, wie er ist. Deswegen waren Modelle wie das „Nestmodell“ (Kinder an einem Ort, Eltern wechseln) für uns als getrennte, aber gemeinsam erziehende Eltern lange schlicht nicht denkbar.
Jetzt sind zwei Dinge zusammengekommen – zum einen haben sich unsere finanziellen Möglichkeiten deutlich verbessert, zum anderen ist meinem Vater mein Elternhaus zu groß geworden. Das bringt uns in die privilegierte Situation, jetzt (bzw. in naher Zukunft, wenn wir mit Umräumen und Ausmisten fertig sind …) genügend Platz zu haben, um den Kindern den ständigen Ortswechsel zu ersparen. Wie bisher teilen wir uns als Eltern die Woche auf. WG-mäßig wird jede:r sein/ihr Zimmer haben. Und das Reihenhaus ist groß genug, dass wir auch beide gleichzeitig da sein können, ohne uns ständig auf die Füße zu treten.
Perspektivisch heißt das für mich, auch noch einmal darüber nachzudenken, ob ich – wenn es denn wieder möglich ist – meine mehrmals wöchentlichen Reisen nach Stuttgart wieder aufnehmen will, oder ob ich mich dann dort nach einer kleinen Wohnung umschaue. Bis dahin ist mein Plan, zwischen Gundelfingen und dem Rieselfeld zu pendeln, das geht dann mit dem Rad statt mit der Bahn.
Gleichzeitig sind damit mit Umzügen, Entrümpeln/Renovieren und Gartenarbeit die Wochenenden und freien Tage in nächster Zeit erst einmal gut gefüllt. Mal sehen, wann wir uns wirklich eingerichtet haben (und wann dann irgendwann auch sowas wie eine Einweihungsparty möglich ist). Eines jedenfalls steht schon fest: es gibt viel zu viele Dinge …
Photo of the week: Karlsruhe, 6:32
Normalerweise nehme ich den durchgehenden 6:46-Zug ab Freiburg, um nach Stuttgart zu kommen. Dann bin ich etwa um 9 Uhr dort. Wenn es noch früher sein muss, gibt es noch zwei Züge davor, jeweils mit Umsteigen in Karlsruhe. Normalerweise jedenfalls. Aktuell sieht der Fahrplan morgens anders aus. Das führte dazu, dass ich in Karlsruhe übernachtet habe, um rechtzeitig um 8 Uhr in Stuttgart sein zu können – und das wiederum bot dann beim Warten auf den Zug Gelegenheit für dieses Foto, auf dem die Bögen des Karlsruher Hauptbahnhofs zur Geltung kommen. (Lustigerweise fahren hier zwei IC fast gleichzeitig nach Stuttgart ab – der, der schon dasteht, kommt allerdings erst deutlich nach dem, der noch kommt, in Stuttgart an – schuld sind die unterschiedlichen Streckenführungen über Mühlacker bzw. über Bruchsal.)
Kurz: Genug auf die Bahn geschimpft
Inzwischen nehme ich es recht gleichgültig hin, dass der morgendliche Zug umgekehrt gereiht ist, dass die Reservierungsanzeigen ausgefallen sind („uns fehlt leider der Master-Wagen, von dem aus diese gesteuert werden“) oder dass es ein paar Minuten Verspätung gibt. Das ist schlicht der aktuelle Normalzustand geworden.
Auf der anderen Seite: viele meiner letzten Fahrten, auch weiter weg, nach Berlin zum Beispiel, waren pünktlich. Das Zugpersonal ist meistens freundlich. Wenn nicht gerade draußen alles Funkloch ist, oder alle streamen, komme ich mit dem ICE-WLAN klar. Und ich nehme wahr, dass die Bahn versucht, attraktiver zu werden. Dazu gehören auch neue Sparangebote und zuletzt nur moderate Preissteigerungen. Eine Bahncard 100 ist teuer, aber Leute, die sich ein Auto halten, zahlen auch nicht so viel weniger.
Die Bahn könnte noch sehr viel besser sein. Das ist eine Frage auch der Politik. Strecken abzubauen, Infrastruktur verfallen zu lassen, das Trimmen auf Rendite – auch das hat viel kaputt gemacht, gerade wenn es um Puffer und Reserven geht. Aber die sind nötig, damit Systeme, bei denen Störungen in der Sache liegen, funktionieren. Hier würde ich mir klare Ansagen vom Bund als DB-Eigentümer wünschen. Kritik an zu billigen Fahrkarten ist dagegen bestenfalls weltfremd, wahrscheinlicher jedoch schlicht ein Ablenkmanöver.
Kurz: Reisekostenstreits
Spannend, dass Konflikte in der grün-schwarzen Koalition sich gerne an scheinbaren Nebensächlichkeiten wie dem Reisekostenrecht entzünden. Unsere grüne Finanzministerin will’s vereinfachen, die CDU stellt sich quer und fordert nicht nur höhere Kilometersätze für dienstliche Autofahrten, sondern auch – so ist es zumindest der Presse zu entnehmen – generell 1.-Klasse-Tickets für dienstlich Zug fahrende Landesbedienstete. Argument: an Arbeit im Zug sei sonst nicht zu denken.
Finde ich lustig, weil das Problem für Arbeit im Zug meiner Erfahrung nach nicht 2. Klasse heißt, sondern überfüllte Züge, ruckeliges Internet und spontane Zugausfälle. Gerade bei Dienstreisen lassen sich durchaus Sitzplätze reservieren. Klar ist in der 1. Klasse mehr Platz und Ruhe – aber zum Aktenstudium oder zum Maillesen reicht die 2. Klasse völlig aus. Und gegen schlechtes Management bei der DB hilft das Reisekostenrecht des Landes leider nicht.
Wofür es tatsächlich einen Hebel bietet: keine Anreize für unnötige Autofahrten, Erstattungen auch für Rad/ÖPMV, und auch so Dinge wie Klimaschutzabgaben und eine bessere Familienvereinbarkeit bei beruflichen Reisen wären regelbar.