Kurz: Badische Zeitung und die Realname-Debatte

Die Badi­sche Zei­tung ändert ihre Neti­quet­te und ver­öf­fent­licht in Zukunft nur noch Kom­men­ta­re unter Real­na­me. Unter den Pseud­onym-Stamm­kom­men­ta­to­rIn­nen gibt das gra­de einen Auf­schrei, der aller­dings in sei­nen laut­star­ken Rufen nach spur­lo­ser Account-Löschung usw. eher einem Esels­ge­schrei ähnelt (sie­he die Kom­men­ta­re zum Link oben). Ich fin­de die Maß­nah­me ers­tens rich­tig (auch wenn sie natür­lich wei­ter­hin umgan­gen wer­den kann – auch die Badi­sche Zei­tung kann nicht kon­trol­lie­ren, ob jemand, der dort einen Account eröff­net wirk­lich ganz echt sei­nen oder ihren rich­ti­gen Namen ange­ge­ben hat) und bin zwei­tens gespannt, ob sie zur erhoff­ten Hebung des Niveaus bei­trägt. Ande­re – z.B. die Frei­bur­ger Pira­ten sehen dage­gen schon die freie Mei­nungs­äu­ße­rung und so wei­ter in Gefahr.

War­um fin­de ich die Maß­nah­me rich­tig? Ganz ein­fach: die Debat­ten über Arti­kel in der hie­si­gen Tages­zei­tung, die für bestimm­te Berei­che – Lokal­po­li­tik z.B. – fast eine Mono­pol­stel­lung ein­nimmt, sind wich­tig. Sie könn­ten eine poli­ti­sche Funk­ti­on ein­neh­men, im Sin­ne einer Reflek­ti­on der öffent­li­chen Mei­nungs­bil­dung. Arti­kel wer­den kor­ri­giert, indem auf Feh­ler hin­ge­wie­sen wird. Kon­tro­ver­se poli­ti­sche Kom­men­ta­re wer­den durch ande­re Ein­schät­zun­gen ergänzt. 

All das funk­tio­niert m.E. aber bes­ser, wenn die Akteu­re mit offe­nem Visier antre­ten. Wer unter Pseud­onym kom­men­tiert, kann das gan­ze auch als Spiel neh­men, kann Extrem­po­si­tio­nen raus­hän­gen las­sen – bis hin zum Gue­ril­la-Mar­ke­ting im Sin­ne eines bewuss­ten Ver­dre­hens von Tat­sa­chen. Mir ist die loka­le öffent­li­che Mei­nung, die sich am ört­li­chen Mono­pol­blatt ent­zün­det und reibt, dort jeden­falls einen Fokus fin­det, zu wich­tig, als dass sie so einem Spiel über­las­sen wird. Ich glau­be, dass ein poli­ti­scher Dia­log an Ernst­haf­tig­keit gewinnt, wenn Mei­nun­gen tat­säch­li­chen Per­so­nen zurech­nen­bar sind. Eine Real­na­me­pflicht kann hier ein Gewinn sein (es gibt ande­re Berei­che des Net­zes – z.B. Selbst­hil­fe­fo­ren -, wo das anders aus­sieht). Und auch das Argu­ment, dass ja eigent­lich eben des­sen Kraft zäh­len soll­te, und nicht die Per­son, hal­te ich nicht für stich­hal­tig – erst in der Zuord­nung von Argu­men­ten zu Per­so­nen mit ihren viel­fäl­ti­gen Ver­flech­tun­gen und Inter­es­sen gewin­nen die­se in einer poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung (und die sehe ich hier eben) an Kraft. 

Dar­um: ein span­nen­des Expe­ri­ment, von dem die BZ sich auch durch das jet­zi­ge Groß­ge­schrei nicht abschre­cken las­sen sollte.

Kurzeintrag: V wie Videoüberwachung

Left arrowDie Frei­bur­ger Ver­kehrs-AG (VAG) plant nach dem Ess- und Trink­ver­bot jetzt nicht nur, ihre zehn Flag­schiff­stra­ßen­bahn mit Video­ka­me­ras aus­zu­stat­ten (der Test läuft schon), nein, sie will auch die Auf­nah­men der jetzt schon exis­tie­ren­den Hal­te­stel­len­ka­me­ras spei­chern. Alles im Namen der Sicher­heit. Kon­kre­te Zah­len über sicher­heits­re­le­van­te Vor­fäl­le in Stra­ßen­bah­nen will sie aller­dings nicht nen­nen. Und zur Legi­ti­ma­ti­on gab’s eine recht ten­den­ziö­se Befra­gung im Inter­net und in den Bah­nen. Selt­sa­mer Kurs.

Platznutzungen und Utopien (Update)

Der­zeit fin­det (noch bis zum 22. Juni) in Frei­burg der Akti­ons­mo­nat „Zusam­men die Uto­pie leben …“ statt, an dem ein brei­tes Spek­trum von Grup­pen betei­ligt ist – von der auto­no­men Sze­ne und der KTS über Wagen­burg­le­rIn­nen bis hin zu Flücht­lings­in­itia­ti­ven und Green­peace Frei­burg. Ent­spre­chend gemischt fällt das Pro­gramm aus; eini­ge Ver­an­stal­tun­gen fin­de ich eher abschre­ckend, ande­re erschei­nen mir ganz span­nend. Mal schau­en, ob ich die Zeit fin­de, zu der einen oder ande­ren hinzugehen.

Zum Auf­takt die­ses Akti­ons­mo­nats fin­det heu­te ein „Uto­pi­scher Stadt­spa­zier­gang“ statt, der wie­der­um mit einem aus­führ­li­chen Früh­stück auf dem Platz der Alten Syn­ago­ge ange­fan­gen hat. Ich bin da eher zufäl­lig vor­bei­ge­kom­men, habe aber trotz­dem ger­ne die Mög­lich­keit wahr­ge­nom­men, noch einen Kaf­fee und ein Stück Kuchen als zwei­tes Früh­stück zu mir zu neh­men. Abge­se­hen davon, dass mir auf­ge­fal­len ist, dass es in der Sze­ne in Frei­burg rela­tiv vie­le neue Gesich­ter gibt, hat mir die­se „uto­pi­sche“ Platz­nut­zung noch ein­mal deut­lich vor Augen geführt, dass der Platz der Alten Syn­ago­ge mit sei­ner Wie­sen­flä­che letzt­lich auch eine kom­mu­ni­ka­ti­ve Funk­ti­on hat: genau hier ist einer der weni­gen Orte in Frei­burg, wo auto­nom-alter­na­ti­ve Sze­ne und „Nor­ma­los“ mit­ein­an­der in Berüh­rung kom­men, weil der Platz in der Innen­stadt gele­gen ist, sich aber trotz­dem für Ver­an­stal­tun­gen wie das heu­ti­ge Früh­stück eig­net. Ich kann mir sehr schlecht vor­stel­len, wie das auf einer Stein­plat­te samt Gas­tro­no­mie funk­tio­nie­ren soll. 

Ich will der Stadt­ver­wal­tung jetzt gar nicht unter­stel­len, dass die Umbau­plä­ne für den Platz der Alten Syn­ago­ge unbe­dingt mit der Inten­ti­on erfol­gen, die­se und ähn­li­che unan­ge­mel­de­ten Platz­nut­zun­gen zu unter­bin­den; aber ein Stück weit ist es doch auch eine Pri­va­ti­sie­rung eines viel­fach nutz­ba­ren öffent­li­chen Raumes. 

War­um blog­ge ich das? Weil ich es schön fän­de, wenn die Stadt Frei­burg zu die­ser Raum­qua­li­tät ste­hen wür­de. Als ganz real­po­li­ti­sche Utopie.

Update: (18.5.2008) Bei fud­der fin­det sich ein sym­pa­thi­scher Bericht und eine etwas kon­fu­se Bil­der­ga­le­rie zu Brunch und den fol­gen­den Aktionen.