Linksradikale G8-Kritik gleich Terrorismus?

So jeden­falls schei­nen es Schäub­le und Co. zu sehen: Raz­zi­en bei Sze­ne­buch­lä­den, Haus­pro­jek­ten und lin­ken Inter­net­pro­jek­ten in Ham­burg und Ber­lin – gleich­zei­tig wird im Zuge der Debat­te um Klar und Mohn­haupt lin­ker Akti­vis­mus vom baden-würt­tem­ber­gi­schen Ver­fas­sungs­schutz mit der RAF gleich­ge­setzt. Das sind so Grün­de, war­um ich das und das auch über die Ein­zel­fäl­le hin­aus wich­tig fin­de, und war­um ich mei­ne, dass es u.a. Auf­ga­be der Grü­nen ist, hier jetzt deut­lich Flag­ge zu zei­gen, und klar zu machen, dass es nicht ange­hen kann, alles, was poli­tisch unlieb­sam ist, gleich mal in die beque­me Ter­ro­ris­mus­ecke zu stecken. 

War­um blog­ge ich das? Weil ich hier Hand­lungs­be­darf im Sin­ne eines „wer Frei­heit für Sicher­heit opfert, wird bei­des ver­lie­ren“ sehe.

Update: Über­blicks­ar­ti­kel in der Tele­po­lis, Lin­ke empört (u.a. Chris­ti­an Strö­be­le) in Spie­gel-Online und Kri­tik von Clau­dia Roth in der Net­zei­tung. Mehr Links (u.a. zu Indy­me­dia) gibt es bei netzpolitik.org.

Update 2: In der Tele­po­lis jetzt auch ein Kom­men­tar von Flo­ri­an Röt­zer, Prä­ven­tiv­staat in Aktion

Update 3: Völ­lig fal­sches Kali­ber – Pres­se­mit­tei­lung der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, in der die Raz­zi­en scharf als unan­ge­mes­sen kri­ti­siert werden.

Nachtrag Länderrat

1. Die beschlos­se­nen Beschlüs­se sind hier zu fin­den: http://www.gruene-partei.de/cms/gruene_work/rubrik/7/7068.beschluesse.htm

2. Auf netzpolitik.de gibt’s gra­de eine klei­ne Debat­te zum ange­spro­che­nen Posi­ti­ons­pa­pier Bür­ger- und Ver­brau­cher­rech­te in der digi­ta­len Gesell­schaft: http://www.netzpolitik.org/2006/grune-position-zu-daten-und-verbraucherschutz/

Wikimania

Noch bis Sonn­tag geht die ers­te inter­na­tio­na­le Wiki­pe­dia/­Me­dia­wi­ki-Kon­fe­renz Wiki­ma­nia in Frank­furt am Main. Ich konn­te lei­der nur heu­te hin­fah­ren, war aber doch beein­druckt: die Frank­fur­ter Jugend­her­ber­ge war ziem­lich voll (450 Teil­neh­me­rIn­nen), und ein paar Leu­te kann­te ich sogar aus der Mit­ar­beit an der Wiki­pe­dia (ein paar ande­re kann­te ich noch nicht, habe mich aber inter­es­sant unter­hal­ten; u.a. schrei­ben min­des­tens drei Leu­te sozi­al­wis­sen­schaft­li­che Diplom­ar­bei­ten über Wiki­pe­dia). Typisch für eine Geek-Kon­fe­renz: die Geschlech­ter waren doch eher ungleich ver­teilt (mei­ne Schät­zung: maxi­mal 10 % Frauen). 

Besucht habe ich Vor­trä­ge zu Wiki­pe­dia und Seman­tic Web, zu sozia­len Dyna­mi­ken inner­halb der Wiki­pe­dia (dabei ging es vor allem um den Neu­tral Point of View (NPOV) und des­sen Fol­gen und zum poli­ti­schen Ein­fluss der Wiki­pe­dia. Beson­ders inter­es­sant fand ich neben dem NPOV-Work­shop das Key­note-State­ment von Jim­my Wales, dem Wiki­pe­dia-Grün­der, und ein Pos­ter aus der Pos­ter-Ses­si­on zum The­ma „Map­ping“.

Jim­my Wales nutz­te sei­ne Key­note dazu, zehn Her­aus­for­de­run­gen zu skiz­zie­ren, die bis­her nicht erfolg­reich gelöst sind, für eine bes­se­re Zukunft der Mensch­heit oder der­glei­chen aber unbe­dingt zu lösen wären. Sei­ne Lis­te war:

1. Befreit die Enzyklopädien!
2. Befreit die Wörterbücher!
3. Befreit die Cur­ri­cu­la! (Lehr­bü­cher vom Kin­der­gar­ten bis zur Universität)
4. Befreit die Musik! (vor allem klas­si­sche Musik, die zwar „Public Domain“ ist, aber nur in arran­gier­ten und damit unter Copy­right fal­len­den Noten­sät­zen und in pro­prie­tä­ren Ein­spie­lun­gen vor­han­den ist)
5. Befreit Kunst­wer­ke (d.h., macht Fotos von den Din­gen, die in Muse­en hän­gen, frei verfügbar)
6. Befreit die Datei­for­ma­te – statt pro­prie­tä­re For­ma­te zu ver­wen­den, die immer auch bedeu­ten, dass eine Fir­ma letzt­lich die Kon­trol­le über die in die­sen For­ma­ten gespei­cher­ten Daten behält
7. Befreit geo­gra­phi­sche Daten und Landkarten!
8. Befreit Pro­dukt­codes (eine Art ISBN für alle Pro­dukt­ar­ten, die gegen gerin­ge Kos­ten für jedeN und seine/ihre Pro­duk­te ver­füg­bar sein soll und Pro­duk­te mög­lichst auto­ma­tisch in elek­tro­ni­schen Waren­häu­sern wie z.B. ama­zon auf­tau­chen lässt …)
9. Freie Über­sich­ten über das Fern­seh­pro­gramm statt Kabelmonopole!
10. Befreit Com­mu­ni­ties! (web­ba­sier­te Com­mu­ni­ties soll­ten dar­auf drän­gen, Foren­ein­trä­ge und von ihnen erar­bei­te­te Daten unter freie Lizen­zen zu stel­len und damit mit­neh­men zu können).

Anders als der Spie­gel es schreibt, sind die­se zehn Punk­te kei­ne Pro­gno­sen, son­dern Zie­le (in der Dis­kus­si­on wur­den sie noch um zwei, drei wei­te­re ergänzt – z.B. Open Access in der Wis­sen­schaft, oder sicher­zu­stel­len, dass mit Steu­er­gel­dern erstell­te Pro­duk­te unter freie Lizen­zen kom­men). Ins­be­son­de­re hin­ter den Punk­ten 3, 6 und 8 ver­bin­den sich aus mei­ner Sicht ziem­lich ambi­tio­nier­te Vor­ha­ben, die das Bil­dungs- und Wis­sen­schafts­sys­tem, die Com­pu­ter­welt und alles, was davon abhängt, und glo­ba­le Han­dels­struk­tu­ren ziem­lich umwir­beln können. 

Sie­he dazu auch: http://ross.typepad.com/blog/2005/08/jimbos_problems_1.html

Das Pos­ter zum The­ma „Map­ping“ ist unter Places & Spaces anzu­schau­en bzw. dort ist das dem Pos­ter zugrun­de lie­gen­de For­schungs­pro­jekt erläu­tert – Katy Bör­ner und Debo­rah MacPher­son haben ganz unter­schied­li­che Wege zusam­men­ge­stellt, wie Wis­sen über tat­säch­li­che, aber auch über ganz abs­trak­te Gege­ben­hei­ten in Kar­ten umge­wan­delt wur­de – vom U‑Bahn-Plan, der die Gedan­ken­strän­ge in einer Dis­ser­ta­ti­on visua­li­siert, bis hin zu diver­sen „Maps of all sci­en­ces“, die aus­ge­hend von Ver­öf­fent­li­chun­gen und Zitie­run­gen dis­zi­pli­nä­re Struk­tu­ren und der­glei­chen dar­stel­len. Anregend.


> Bericht im Heise-Newsticker
> Bericht in Spie­gel online dazu
> Ein wei­te­rer Bericht in Spie­gel online
> Pho­tos von der Wiki­ma­nia 2005 bei flickr
> Medi­en­echo zur Wiki­ma­nia: Über­blick bei Netzpolitik.org