Nochmal nachhaltige Mobiltelefonnutzung

Phone

Im Rah­men mei­ner Diss. inter­es­siert mich der „nach­hal­ti­ge“ Umgang mit Mobil­te­le­fo­nen (am Frei­tag hat­te ich dazu schon ganz kurz gebloggt). 

Auf der EASST 2010 in Tren­to habe ich dazu anhand von Inter­views, die ich vor ein paar Jah­ren durch­ge­führt habe, und in einer pra­xis­theo­re­ti­schen Rah­mung etwas über die Schwie­rig­kei­ten, ein Mobil­te­le­fon nach­hal­tig zu nut­zen. Am Don­ners­tag wer­de ich im Rah­men der Tagung „Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang“ der Nach­wuchs­grup­pe eben­falls noch ein­mal etwas zu die­sem The­ma vor­tra­gen, mit etwas ande­rer Akzen­tu­ie­rung. Ein wich­ti­ger Aspekt sind für mich die sozio­tech­ni­schen „Zwän­ge“ gegen­über den Spiel­räu­men für eine nach­hal­ti­ge Nut­zung. Gra­de eben habe ich bei Twit­ter schon mal rum­ge­fragt; die Ant­wor­ten pas­sen ganz gut zu dem, was mir momen­tan so vorschwebt. 

Zum einen sind das unter­schied­li­che For­men der „nach­hal­ti­gen Nut­zung“ (in der „1. Welt“ – die Debat­te um die das Mobil­te­le­fon als Ent­wick­lungs­mo­tor in Ent­wick­lungs- und Schwel­len­län­dern ist noch­mal ein ganz ande­res The­ma). Wer die Lis­te – die kei­ne Aus­sa­ge über die tat­säch­li­che Umwelt­wir­kung der auf­ge­lis­te­ten Prak­ti­ken sein soll, son­dern ein­fach erst­mal eine Samm­lung, was Men­schen unter nach­hal­ti­ger Nut­zung ver­ste­hen – unten kom­men­tie­ren oder ergän­zen möch­te, ist herz­lich dazu eingeladen.

  • Ver­zicht auf ein Mobiltelefon
  • Nut­zung eines „geteil­ten“ Mobil­te­le­fons, Aus­bor­gen in spe­zi­fi­schen Situationen
  • Maxi­mie­rung der Lebens­zeit: Benut­zung eines alten/gebrauchten Geräts; klei­ne­re Repa­ra­tu­ren; Ersatz eines defek­ten Akkus; Ver­zicht auf Ver­trags­ver­län­ge­rungs­neu­ge­rä­te etc.
  • Wei­ter­ga­be bzw. Recy­cling nach Ende der Gebrauchsphase
  • Erreich­bar­keit auch mit einem älte­ren Modell mög­lich, Ver­zicht auf ener­gie­in­ten­si­ve Funk­tio­nen wie WLAN, kein Smartphone
  • Aus­wahl eines Geräts mit einem gerin­gen SAR-Wert, Strahlungsarmut
  • Aus­wahl eines Geräts mit „Öko-Design“ – beson­ders robust und hoch­wer­tig; recy­cel­te Kunst­stof­fe; inte­grier­te Solarzellen
  • Mini­mie­rung der Nut­zung: nur in beson­de­ren Fäl­len im Ein­satz, nicht immer ange­schal­tet, WLAN nicht immer ange­schal­tet; bewusst Ent­schei­dung für „teu­re­re“ Tarifstruktur/Prepaid
  • (Weit­ge­hen­der) Ver­zicht auf Anru­fe, Nut­zung nur für SMS
  • Ver­wen­dung von Öko-Strom zum Aufladen
  • Nut­zung als Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um für nach­hal­ti­gen Kon­sum (vom Web­brow­ser auf dem Smart­phone zu beson­de­ren Apps wie etwa Bar­code-Rea­der mit Pro­dukt­in­for­ma­tio­nen oder orts­ba­sier­te Diens­te zur Infor­ma­ti­on über Umweltfragen)

Aus der Lite­ra­tur sind dann noch zwei wei­te­re For­men „nach­hal­ti­ger Nut­zung“ bekannt, von deren Exis­tenz ich aber noch nicht so ganz über­zeugt bin. Das eine wäre sowas wie eine Erhö­hung der Nach­hal­tig­keit des eige­nen Lebens dadurch, dass das Mobil­te­le­fon ener­gie- und res­sour­cen­in­ten­si­ve­re Dienst­leis­tun­gen und Pro­duk­te ersetzt (ein Bei­spiel wäre das Mobil­te­le­fon als eBook-Rea­der vs. eigen­stän­di­ges Gerät vs. gedruck­tes Buch) bzw. die Orts- und Zeit­fle­xi­bi­li­tät, die mit dem Gerät ver­bun­den ist, Mobi­li­tät ver­mei­den lässt (viel­leicht geht die Abfra­ge von Online­fahr­plä­nen via Han­dy in die­se Richtung). 

Das ande­re Modell, noch einen Schritt wei­ter­ge­hend, wäre das Smart­phone als öko­lo­gi­sche „Opti­mie­rungs­zen­tra­le“, sowas wie eine lau­fen­de Berech­nung der eige­nen Öko­bi­lanz als Ent­schei­dungs­grund­la­ge. Also die Nut­zung ent­spre­chen­der Infor­ma­ti­ons­ka­nä­le nicht in Aus­nah­me­fäl­len, son­dern ein­ge­baut in all­täg­li­che Routinen.

Neben die­sen nach­hal­ti­gen Nut­zungs­for­men, die mehr oder weni­ger die Spiel­räu­me umrei­ßen, ste­hen die „Zwän­ge“. Auch dafür eine (sicher­lich) unvoll­stän­di­ge und eher unsor­tier­te Liste.

  • Kaum Ein­fluss auf den Pro­duk­ti­ons­pro­zess, damit kaum Ein­fluss auf die wich­tigs­ten Nach­hal­tig­keits­fra­gen (Her­stel­lungs­be­din­gun­gen, …)
  • Abhän­gig­keit der Han­dy-Nut­zung von groß­tech­ni­scher Infra­struk­tur und deren Betrieb (ob der Netz­be­trei­ber für sei­ne Ser­ver Öko­strom ver­wen­det, weiss ich nicht und kann ich nicht beeinflussen)
  • Ver­trags- und Tarif­struk­tu­ren (auto­ma­tisch neue Gerä­te, auto­ma­ti­sche Vertragsverlängerung, …)
  • Bestimm­te Funk­tio­na­li­tä­ten nur mit neue­ren Model­len; ste­ti­ger Modellwechsel
  • Schlech­te Repa­rier­bar­keit, begrenz­te Lebensdauer
  • Not­wen­dig­keit, erreich­bar zu sein (z.B. wegen fami­liä­rer Koor­di­na­ti­on, beruf­li­chen Fra­gen, poli­ti­schem Machtgewinn)
  • Kei­ne funk­tio­na­len Äqui­va­len­te für bestimm­te Funk­tio­na­li­tä­ten, z.B. Textnachrichten
  • Ver­knüp­fung bestimm­ter Erwar­tun­gen mit dem Mobil­te­le­fon – wer eines hat, soll die­ses z.B. auch mög­lichst immer ange­schal­tet haben, weil Erreich­bar­keit zu den sozi­al durch­ge­setz­ten Eigen­schaf­ten der Mobil­te­le­fon­nut­zung gehört; macht z.B. Mini­mie­rungs­stra­te­gien oder sha­ring schwierig
  • Peer pres­su­re – z.B. Teen­ager, Mobil­te­le­fon als Objekt, an dem sich rea­le sozia­le Gemein­schaf­ten bilden
  • Mit zuneh­men­der Ver­all­täg­li­chung (inzwi­schen 80–90% der Haus­hal­te …) des Geräts wird „Mobil­te­le­fon­nut­zung“ die nicht hin­ter­frag­te gesell­schaft­li­che „Stan­dard­op­ti­on“, Ver­zicht wird mas­siv begründungsbedürftig
  • Uni­ver­sa­le Gene­ra­li­sier­bar­keit mobi­ler Kom­mu­ni­ka­ti­ons­prak­ti­ken macht Begren­zung auf bestimm­te Sphä­ren schwierig
  • In die Geräte/Verträge ein­ge­schrie­be­ne „Sach­zwän­ge“ (wel­che wären das?)

Viel­leicht hat ja jemand Lust, mit mir dar­über nach­zu­den­ken, ob die bei­den Lis­ten – die nicht der Inhalt, aber eine Grund­la­ge mei­nes Vor­trags am Don­ners­tag sein wer­den – so sinn­voll sind. 

War­um blog­ge ich das? Zur inter­sub­jek­ti­ven Ver­mei­dung blin­der Flecken.

Kurz zum kurzen Leben der Mobiltelefone

Shimmering lights II

Weil es gera­de so schön zusam­men­passt, drei Links: Hen­ning Schü­rig stellt fest, dass zwei Jah­re um sind, weil sein Han­dy-Akku nicht mehr tut – aber es kommt ja bald ein neu­es. Hei­di Tief­en­tha­ler rech­net bei Uto­pia vor, was alles in so einem Mobil­te­le­fon drin­steckt an Metal­len. Viel­leicht ergän­zend noch die Initia­ti­ve make IT fair (u.a. Ger­m­an­watch) zu den sozio-öko­lo­gi­schen Produktionsbedingungen. 

Die taz fragt: Müssen Linke bio essen?

Add carrot
Ist die­se Karot­te links?

Die taz macht jeden Woche so einen „Streit der Woche“, und sucht dafür natür­lich immer kon­tro­ver­se The­men. Heu­te heißt es Müs­sen Lin­ke bio essen?. Gute Fra­ge, wie ich fand – bis ich näher dar­über nach­ge­dacht habe und fest­ge­stellt habe, dass die Fra­ge eigent­lich falsch gestellt ist. Und das hat etwas mit der Grün­dung der Grü­nen zu tun.

Kur­ze Rück­blen­de in die sieb­zi­ger Jah­re. Mal abge­se­hen, dass ich da zur Welt kom­me (1975), fin­de ich die­ses Jahr­zehnt auch aus ande­ren Grün­den inter­es­sant: da for­miert sich näm­lich die moder­ne Frie­dens- und Umwelt­be­we­gung und wird letzt­lich auch zur Par­tei DIE GRÜNEN (1979/80) (und die taz …). Ein wich­ti­ges Ele­ment in die­ser Bewe­gung und in der sich grün­den­den Par­tei ist die „Neue Lin­ke“, also eine Abkehr vom dog­ma­ti­schen Sozia­lis­mus (Stich­wort 1968er und so). In der Par­tei, aber auch in die­sen Bewe­gun­gen kommt – ganz ver­kürzt gesagt – die Vor­stel­lung eines „neu­en Lebens­stils“ zusam­men, der für die Indus­trie­län­der not­wen­dig ist (spä­ter wird dar­aus das Nach­hal­tig­keits­kon­zept). Sozia­le Gerech­tig­keit und öko­lo­gi­sche Zukunfts­fä­hig­keit müs­sen zusam­men­ge­hen. Und damit kommt etwas Neu­es ins Spiel, das weder in der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Tra­di­ti­ons­li­nie, die an der Umwelt nur inter­es­siert hat, ob die Stahl­ar­bei­ter im Ruhr­ge­biet einen blau­en Him­mel sehen kön­nen, noch in der dog­ma­tisch-sozia­lis­ti­schen Linie (wo Umwelt irgend­wo zwi­schen Neben­wi­der­spruch und „sowje­ti­sche AKWs sind gut, west­li­che AKWs sind böse“) eine Haupt­rol­le gespielt hat. 

Jetzt, in der damals neu­en „grü­nen“ Bewe­gung, kommt bei­des zusam­men. Auch das hat his­to­ri­sche Vor­bil­der (Stich­wort: Lebens­re­form, so irgend­wo zwi­schen 1880–1900-1920er Jah­re). In der neu­en Inkar­na­ti­on ist der „neue Lebens­stil“ in sei­ner Bewe­gungs- und Par­tei­form zudem mit mas­si­ven Hete­ro­ge­ni­tä­ten kon­fron­tiert: in der neu­en Par­tei sam­meln sich zunächst mal macht­be­wuss­te Men­schen aus den K‑Gruppen, denen Umwelt so wich­tig auch nicht ist eben­so wie natur­schüt­zen­de Blut- und Boden-Kon­ser­va­ti­ve, für die Umwelt­schutz und „Lebens­schutz“ in eins fällt. Hier kom­men sozi­al­de­mo­kra­tisch-pro­tes­tan­ti­sche Aske­tIn­nen aus der Frie­dens­be­we­gung mit Men­schen zusam­men, die aus dem „neu­en Lebens­stil“ ein mit Leib und See­le geleb­tes Öko-Pro­jekt machen wol­len (und aus deren Pro­jek­ten zum Teil die heu­ti­gen Natur­kost­gi­gan­ten ent­stan­den sind – ich fand hier den Selbst­dar­stel­lungs­pro­spekt des Natur­kosthestel­lers „Rapun­zel“ zum 30-jäh­ri­gen sehr inter­es­sant). Die­ses Amal­gam fin­det sich unter dem Ban­ner „öko­lo­gisch – sozi­al – basis­de­mo­kra­tisch – gewalt­frei“ wieder.

Ein paar Jahr­zehn­te vor­wärts: in den 1990er Jah­ren wur­de mir die­ses grü­ne Allein­stel­lungs­merk­mal so rich­tig bewusst, als ich – in der damals sehr alter­na­ti­ven Grün-Alter­na­ti­ven Jugend (GAJ) aktiv – mit den loka­len JungdemokratInnen/Junge Lin­ke (JD/JL; eben­falls hete­ro­gen zwi­schen links­li­be­ral und neo­mar­xis­tisch) über eine Zusam­men­ar­beit ver­han­del­te. Für ein paar Jah­re gab es eine gemein­sa­me Grup­pe GAJ/JD/JL in Frei­burg – aus der Zeit her­aus bin ich übri­gens auch Mit­glied der Jung­de­mo­kra­tIn­nen. Jeden­falls: die Grün-Alter­na­ti­ve Jugend bil­de­te jen­seits der Poli­tik ihre Iden­ti­tät irgend­wo zwi­schen Hanf (nicht mein Ding), Vege­ta­ris­mus (schon eher), Hip­pie­tum und Jugend­um­welt­be­we­gung, tage in Wal­dorf­schu­len und mach­te bei Aktio­nen gegen den Auto­ver­kehr mit. Für Jung­de­mo­kra­tIn­nen war es dage­gen über­haupt kei­ne Fra­ge, zur Dele­gier­ten­kon­fe­renz ins sozia­lis­ti­sche Tagungs­zen­trum in Oer-Erken­schwiek mit dem Auto anzu­rei­sen (oder auch zum Camp …) und lie­ber über Soli­da­ri­tät zwi­schen den sozia­lis­ti­schen Bru­der­län­dern und den Kampf der Arbeiter(innen?) zu reden als über sowas Selt­sa­mes wie Öko­lo­gie. Die Fra­ge eines Kol­le­gen aus der JD/JL in die­ser Zeit, war­um ich den ein Pro­blem mit dem Auto hät­te, und dass es ja wohl wich­ti­ge­res gäbe, irri­tier­te mich eben­so sehr wie den mei­ne Ant­wort mit Ver­weis auf die Gren­zen der pla­ne­ta­ren Trag­fä­hig­keit, und dass es ja wohl nichts wich­ti­ge­res geben könne.

Aus die­ser poli­ti­schen Bio­gra­phie her­aus liegt der Feh­ler in der Fra­ge, die die taz stellt, genau da. Natür­lich essen tra­di­ti­ons­be­wuss­te Lin­ke nicht bio, und schon gar nicht vege­ta­risch. Der Pro­to­typ dafür ist heu­te ver­mut­lich in den Gewerk­schaf­ten zu fin­den. Men­schen, die bio essen, müs­sen – selbst wenn sie’s nicht nur aus Gesund­heits­grün­den tun, son­dern schon den (natu­ra­len wie sozia­len) Her­stel­lungs­pro­zess im Blick haben – nicht unbe­dingt links sein. War­um auch?

Womit wir am Schluss noch­mal bei den Grü­nen wären. Ide­al­ty­pisch ist das näm­lich immer noch die Par­tei, in der bei­des zusam­men­kommt: das Bewusst­sein dafür, dass es eine extre­me Abhän­gig­keit zwi­schen öko­lo­gi­schen Pro­zes­sen und dem Leben von Men­schen auf die­sem Pla­ne­ten gibt, und dass „öko­lo­gi­sches Kapi­tel“ eben nicht belie­big durch ande­res ersetz­bar ist, und das Bewusst­sein dafür, dass welt­weit und lokal gese­hen Aus­beu­tungs­ver­hält­nis­se und Ungleich­be­hand­lun­gen Men­schen an ihrer Selbst­ent­fal­tung hin­dern und nicht zuletzt dar­um zu bekämp­fen sind. Bei­des kommt in Kon­zep­ten wie dem der Umwelt­ge­rech­tig­keit (envi­ron­men­tal jus­ti­ce) zusam­men: die Fest­stel­lung, dass Smog eben nicht demo­kra­tisch ist, son­dern sich öko­lo­gi­sche Risi­ken sozi­al ungleich verteilen.

Müs­sen Lin­ke bio essen? Nicht unbe­dingt, aber wenn sie wol­len, dass sie im 21. Jahr­hun­dert ernst genom­men wer­den, dann wäre Bio-Essen ein Sym­bol dafür, links zu sein, ohne dabei den Blick für poli­ti­sche Fra­gen jen­seits des Ver­hält­nis­ses von Kapi­tal und Arbeit ver­lo­ren zu haben (das gan­ze lie­ße sich übri­gens auch mit Femi­nis­mus statt mit Bio-Essen durch­spie­len). Oder anders gesagt: wer im 21. Jahr­hun­dert behaup­tet, links zu sein, aber sei­nen per­sön­li­chen Lebens­stil nicht für ein Poli­ti­kum hält, hat was verpasst.

War­um blog­ge ich das? Weil mich die Fra­ge durch­aus ange­spro­chen hat. Und ich mir auch noch gar nicht so sicher bin, ob das hier mei­ne end­gül­ti­ge Ant­wort dar­auf ist. (U.a., weil ich oben noch gar nichts zu Latours poli­ti­scher Öko­lo­gie gesagt habe).

Nach­trag: (14.08.2010) Die taz hat mich heu­te mit einer (von mir ver­fass­ten) Kurz­fas­sung die­ses Bei­trags auf ihrer Streit­fra­gen­sei­te. Lus­tig fin­de ich, dass der von mir gesei­ten­hieb­te LIN­KEN-Chef Klaus Ernst eben­so wie ich auf der „Ja, Lin­ke soll­ten bio essen“-Seite mit einem Kom­men­tar ver­tre­ten ist. So ganz über­zeugt davon, dass die­se poli­ti­sche Hal­tung auch sei­ner per­sön­li­chen Pra­xis ent­spricht, bin ich aller­dings immer noch nicht. Eher ärger­lich: dass die taz mit die Bin­nen-Is (und den Ver­weis auf die Par­al­le­li­tät zum The­ma Eman­zi­pa­ti­on) raus­ge­kürzt hat. Und natür­lich das feh­len­de „ay“ …

Was es mit den zwei Herzen der Forstwirtschaft auf sich hat

Vor eini­gen Wochen konn­te ich ja schon auf unse­re Wald­be­sit­ze­rin­nen-Stu­die hin­wei­sen. Heu­te ist ein wei­te­rer arbeits­so­zio­lo­gi­scher Text zur Forst­wirt­schaft erschie­nen – dies­mal als „rich­ti­ges“ Buch. 

Unter dem Titel Die zwei Her­zen der Forst­wirt­schaft – Forst­li­che Arbeit zwi­schen Markt­ori­en­tie­rung und Nach­hal­tig­keit haben Katha­ri­na Schneij­der­berg, Tat­ja­na Via­pla­na und ich auf gut 230 Sei­ten die Ergeb­nis­se eines Pro­jekts aus­ge­brei­tet, mit dem wir uns im letz­ten Jahr beschäf­tigt haben. Unter­stützt durch die Hans-Böck­ler-Stif­tung ging es in die­sem Pro­jekt – in Zusam­men­ar­beit mit der IG BAU – um die Ver­än­de­run­gen der forst­li­chen Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on. Dazu haben wir Grup­pen­dis­kus­sio­nen mit Forst­wir­ten, mit Mit­ar­bei­te­rIn­nen der Ver­wal­tung, mit Revier­lei­tern und mit Ange­hö­ri­gen des höhe­ren Diens­tes durch­ge­führt. Im Buch stel­len wir die Ergeb­nis­se die­ser Grup­pen­dis­kus­sio­nen dar, die ziem­lich deut­lich machen, dass „fle­xi­ble Arbeit“ ver­bun­den mit mas­si­ven Ratio­na­li­sie­rungs­pro­zes­sen auch in der Forst­wirt­schaft Ein­zug gehal­ten haben.

Um das gan­ze in einen Kon­text zu brin­gen, gehen wir zudem auf die forst­li­chen Reform­pro­zes­se der letz­ten Jah­re ein, auf vor­lie­gen­de Unter­su­chun­gen zu forst­li­cher Arbeit und zur Ent­wick­lung des Arbeits­mark­tes – und auf das mit dem Begriff „Gute Arbeit“ ver­bun­de­ne Kon­zept des DGB. 

Auch wenn das Buch metho­den­spe­zi­fisch nicht für sich bean­spru­chen kann – und das auch gar nicht unser Ziel war – in einem sta­tis­ti­schen Sin­ne reprä­sen­ta­tiv für die Ent­wick­lung der forst­li­chen Arbeits­welt zu sein, ist es uns glau­be ich ganz gut gelun­gen, zu zei­gen, wie auch in einem Bereich, der viel­leicht erst ein­mal gar nicht unter die­sen Ver­dacht steht, typi­sche post-for­dis­ti­sche Arbeits­ver­hält­nis­se und damit ver­bun­de­ne Orga­ni­sa­ti­ons­for­men Ein­zug gehal­ten haben – par­al­lel zum „new public manage­ment“ in ande­ren Ver­wal­tungs­be­rei­chen und zum „manage­ment by objec­ti­ve“ etc. in der Pri­vat­wirt­schaft. Damit ver­än­dert sich nicht nur die Qua­li­tät der Arbeit deut­lich – auch hin­sicht­lich z.B. der gewerk­schaft­li­cher Orga­ni­sa­ti­on wäre es ange­bracht, neue Wege zu gehen (wir schla­gen u.a. vor, dass die IG BAU dar­über nach­den­ken soll, ob und wie sie auch zur Ver­tre­tung frei­be­ruf­li­che Wald­päd­ago­gIn­nen, Forst­ein­rich­te­rIn­nen und Forst­un­ter­neh­me­rIn­nen wer­den könnte). 

Ach ja, der Titel: der bezieht sich auf ein Leit­mo­tiv, das wir in allen vier Grup­pen­dis­kus­sio­nen wie­der­fin­den konn­ten: näm­lich das Gefühl, dass die Forst­ver­wal­tun­gen, aber auch die ein­zel­nen Beschäf­tig­ten sich zer­ris­sen sehen zwi­schen einem von unse­ren Dis­kus­si­ons­teil­neh­me­rIn­nen oft mit der „guten alten Zeit“ des fami­liä­ren, all­zu­stän­di­gen Forst­hau­ses ver­bun­de­nen „Herz“ einer mul­ti­funk­tio­na­len, an Nach­hal­tig­keit (v.a. im forst­li­chen Sin­ne) ori­en­tier­ten Forst­ar­beit einer­seits und dem „Herz“ einer star­ken Aus­rich­tung auf Markt, Pro­fit, Kenn­zah­len und Betriebs­wirt­schaft andererseits. 

Das Buch „Die zwei Her­zen der Forst­wirt­schaft“ ist für 19 Euro bei amazon.de käuf­lich erwerb­bar; hier gibt es wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Inhalt.

War­um blog­ge ich das? Als Wer­bung für das Buch, weil ich glau­be, dass es auch außer­halb des forst­li­chen Krei­ses inter­es­sant sein könn­te – und weil ich mich freue, dass es mög­lich war, den Pro­jekt­be­richt in Zusam­men­ar­beit mit Nor­bert Kes­sel vom Ver­lag Kes­sel sehr schnell in das Buch­for­mat zu bringen.

Äpfel und Birnen vergleichen

Apples on blue


Ich kau­fe inzwi­schen zu unge­fähr 80–90% Bio­pro­duk­te. Das mag auch dar­an lie­gen, dass ich inzwi­schen eine Kun­den­kar­te bei „mei­nem“ Bio­la­den habe und damit das Preis­ni­veau halb­wegs erträg­lich ist. Letzt­lich kau­fe ich aber aus poli­ti­schen Grün­den „bio“: weil ich Pro­ble­me damit habe, wie der agrar­in­dus­tri­el­le Kom­plex wirt­schaf­tet, weil ich, wenn ich schon Milch­pro­duk­te und Eier ver­zeh­re, zumin­dest kei­ne Mas­sen­tier­hal­tung damit unter­stüt­zen möch­te, und weil ich – zum Bei­spiel beim Kaf­fee und bei Scho­ko­la­de – inzwi­schen „fair“ und „bio“ ver­bin­den kann und sich das sozio-öko­lo­gisch gut anfühlt.

Ich weiss, dass es vie­le gibt, die den Bio-Kon­sum weni­ger poli­tisch begrün­den, son­dern – LOHAS ist hier das Schlag­wort – mit Life­style und „Health“ (vgl. auch NVS II). Aber auch kon­trol­liert bio­lo­gisch ange­bau­ter fai­rer Roh­rohr­zu­cker ist Zucker, um nur ein Bei­spiel zu nen­nen, war­um „bio“ nicht auto­ma­tisch „gesund“ bedeu­tet. Inso­fern wun­dern mich die jetzt viel dis­ku­tier­ten Ergeb­nis­se des Stif­tung-Waren­test-Ver­gleichs zwi­schen bio­lo­gisch ange­bau­ten und kon­ven­tio­nel­len Pro­duk­ten wenig. Und ja: dass, wenn beim Anbau weni­ger Gift ein­ge­setzt wird (auch z.B. Kup­fer­lö­sun­gen im Wein­bau sind letzt­lich Gift), dann auch weni­ger Pes­ti­zi­de im Essen sind: auch das wun­dert mich nicht wirklich. 

Gleich­zei­tig muss schon gefragt wer­den, mit was für einem Ver­ständ­nis die Stif­tung Waren­test an den Ver­gleich ran­ge­gan­gen ist. Zumin­dest zwi­schen den Zei­len scheint da die alte Ton­nen-Ideo­lo­gie durch­zu­schei­nen. Gut ist, wo viel drin­steckt – Hoch­leis­tungs­kü­he, über­düng­te Fel­der, auf­ge­put­sche Kunst­le­bens­mit­tel, und was mög­lichst bil­lig ist. Mit der SZ kann also die Fra­ge gestellt wer­den, was die poli­ti­sche Agen­da dahin­ter ist, Bio­le­bens­mit­tel schlecht­zu­re­den („sind ja gar nicht bes­ser“) – vor allem dann, wenn die Ergeb­nis­se des Ver­gleichs die­se Aus­sa­ge gar nicht decken. 

Und auch dem Fazit der SZ kann ich mich nur anschließen: 

Aber gemes­sen an den Ansprü­chen, mit denen die öko­lo­gi­sche Land­wirt­schaft eigent­lich ange­tre­ten ist, bleibt es dabei: Bio war und ist bes­ser. Bes­ser für die Umwelt, die Tie­re und letzt­lich auch für den Menschen. 

Es geht also nicht um Gesund­heits­för­de­rung und „medi­cinal food“, son­dern um einen viel wei­ter gefass­ten Begriff von Gesund­heit – ver­gleich­bar der Defi­ni­ti­on der WHO. Die Ansprü­che öko­lo­gi­scher Land­wirt­schaft bestehen eben nicht dar­in, hoch­prei­si­ge Nischen­le­bens­mit­tel mit Well­ness­fak­tor zu pro­du­zie­ren, son­dern ein Ernäh­rungs­sys­tem zu eta­blie­ren, dass Lebens­mit­tel her­stellt, die nicht auf Mas­sen­tier­hal­tung ange­wie­sen sind, die Böden und Grund­was­ser in der Bewirt­schaf­tung scho­nen und die idea­ler­wei­se in regio­na­ler Nähe pro­du­ziert werden. 

Anders gesagt: letzt­lich ver­ber­gen die so objek­tiv erschei­nen­den Test­ergeb­nis und Noten, dass dahin­ter immer ein – durch­aus auch offen­ge­leg­ter, aber nichts­des­to­trotz gesetz­ter – Maß­stab der Bewer­tung steht. Inso­fern ver­gleicht die Stif­tung Waren­test hier Äpfel und Birnen.

War­um blog­ge ich das? Ers­tens, weil mich die Fra­ge nach der Agen­da hin­ter dem Schlecht­re­den von Bio­le­bens­mit­teln durch­aus auch umtreibt – und zwei­tens, weil ich es inter­es­sant fin­de, was für ein Echo die­se – ja immer wie­der mal auf­tau­chen­den – Mel­dun­gen haben. Kurz gesagt: die Poli­tik des Bio­le­bens­mit­tel­kon­sums. Und drit­tens, weil ich glau­be, dass wir „Ökos“ auch eine Spur Selbst­kri­tik brau­chen – eine qua­li­ta­ti­ve Inhalts­ana­ly­se der Pro­dukt­wer­bung und der ein­schlä­gi­gen Maga­zi­ne dürf­te zu Tage för­dern, dass gera­de in den letz­ten Jah­ren die für den Boom so för­der­li­che Bot­schaft „Gesund­heit“ immer wie­der ger­ne nach vor­ne gestellt wurde.