Ein Versuch über die Technikfeindlichkeit

Journey of waiting XXXIX: old technology

Mein im Novem­ber 2010 ein­ge­reich­ter Auf­satz „Tech­nik­feind­lich­keit. Ein Ver­such über eine deut­sche Debat­te“* ist jetzt in der Revue d’Allemagne et des Pays de lan­gue alle­man­de** erschie­nen – in einer Aus­ga­be, die sich unter der Gasther­aus­ge­ber­schaft der Straß­bur­ger Pro­fes­so­rin Flo­rence Rudolf mit Umwelt­po­li­tik und Umwelt­so­zio­lo­gie in Deutsch­land auseinandersetzt. 

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Kurz: „Umwelttarif“ fürs Handy?

PhoneBis­her konn­te ich, wenn ich über mein Pro­mo­ti­ons­the­ma berich­te­te, dar­auf ver­wei­sen, dass es ein schö­nes Bei­spiel dafür ist, wie begrenzt die Hand­lungs­mög­lich­kei­ten von Kon­su­men­tIn­nen sind, wenn es um Nach­hal­tig­keit geht – weil der Ein­fluss auf Fra­gen wie den Strom der Infra­struk­tur, die Umwelt­ver­träg­lich­keit des Han­dys usw. sehr begrenzt ist, und kaum Infor­ma­tio­nen dar­über ver­füg­bar sind.

Das könn­te sich jetzt ändern: NABU und e‑plus bie­ten Pres­se­mel­dun­gen zufol­ge jetzt einen „Umwelt­ta­rif“ an. Das scheint nicht nur Green­wa­shing zu sein. In der Mel­dung auf­ge­führt werden:

  • Öko­strom für den tech­ni­schen Betrieb (was auch immer da genau hin­ter steckt)
  • Gut­schein für ein Solar-Lade­ge­rät (hal­te ich eher für einen Gimmick)
  • Ver­pa­ckung aus Pap­pe (dito)
  • Ablass­han­del (CO2-Abga­be für das Por­to des Briefs, ein Teil der Tarif-Ein­nah­men fließt in NABU-Umweltprojekte)
  • Ver­zicht auf sub­ven­tio­nier­te Han­dys (d.h. gerin­ge­rer Anreiz, stän­dig ein neu­es Modell zu erwerben)
  • Ver­gü­tung für Recy­cling (auch wenn’s nur 3 Euro pro Han­dy sind, klingt das sinnvoll)
  • Geplant, bis­her aber noch nicht voll­stän­dig umge­setzt, ist ein Han­dy-Ran­king nach Umweltkriterien

Die Tarif­kon­di­tio­nen klin­gen ziem­lich nor­mal; ich ver­mu­te, dass der Ver­zicht auf sub­ven­tio­nier­te Han­dys evtl. Mehr­kos­ten für Strom und eini­ger­ma­ßen übli­che Gebüh­ren aus­gleicht. Ins­ge­samt ein inter­es­san­tes Pro­jekt, das im wich­tigs­ten Punkt (Umwelt­ran­king) aber bis­her erst eine Ankün­di­gung ist. erst weni­ge Gerä­te erfasst.

Ich bin gespannt, ob das brei­te­re Krei­se zieht und ob ande­re Anbie­ter nach­zie­hen, oder ob’s eine Nische in der Nische bleibt.

Nach­trag: Habe gera­de gese­hen, dass das NABU-Umwelt-Ran­king zwar noch nicht alle Gerä­te umfasst (weil Her­stel­ler­infor­ma­tio­nen – außer von Nokia – feh­len), aber doch wesent­lich umfang­rei­cher ist als zuerst gedacht. Hin­ter­grün­de zum Ran­king gibt es hier – dem­nach flie­ßen in das Ran­king (zunächst mal eine Zahl) Kri­te­ri­en wie der Stand­by-Ener­gie­ver­brauch des Geräts, Gesund­heits­aspek­te, der Punkt „Res­sour­cen­scho­nung“ (u.a. Recy­cling­freund­lich­keit) in umfang­rei­chen Details wer­den mit zwei Kri­te­ri­en (Öko­lo­gie, Sozi­al­stan­dards) zum Her­stel­lungs­pro­zess ver­bun­den. Für jedes Gerät kann die Gesamt­ran­king­punkt­zahl, aber auch eine Detail­über­sicht (Bei­spiel) abge­ru­fen werden. 

Wenn NABU und e‑plus die gro­ßen Han­dy-Her­stel­ler dazu brin­gen, sich an die­sem Ran­king zu betei­li­gen (und wenn es mög­lich ist, die Ran­king-Infos in der Wer­bung auch ohne Ver­knüp­fung zum e‑Plus-Umwelt­ta­rif zu ver­wen­den), dann ist wirk­lich was gewonnen!

In der Hardware verborgene Ratlosigkeit

Shimmering lights II

Es ist ver­mut­lich uncool*, Sascha Lobo auf SPON zu zitie­ren, aber heu­te schreibt er was ziem­lich Intel­li­gen­tes zum Gefühl der Rat­lo­sig­keit, das die (schein­ba­re) sozia­le Nähe des Net­zes gene­riert – und die sich in der blu­ti­gen und lie­ber unsicht­bar gehal­te­nen Hard­ware-Ebe­ne der Infra­struk­tur unse­rer medi­al ver­mit­tel­ten sozia­len Bezie­hun­gen noch ein­mal in ganz beson­de­rer Wei­se ver­birgt – und nur durch bewuss­tes Igno­rie­ren aus­halt­bar scheint: 

„Die digi­ta­le Rat­lo­sig­keit hat dazu noch eine Meta­ebe­ne, die in der Hard­ware ver­bor­gen liegt: Die Metal­le in der Elek­tro­nik mei­nes Han­dys befeu­ern einen Krieg im Kon­go, der seit 1998 sechs Mil­lio­nen Men­schen ihr Leben gekos­tet hat. Ich emp­feh­le an die­ser Stel­le drin­gend, nicht selbst wei­ter­zu­re­cher­chie­ren und schon gar nicht nach unzen­sier­ten Fotos die­ses Krie­ges zu suchen, die sich dank sozia­ler Medi­en fin­den las­sen. Es wird sonst deut­lich kom­pli­zier­ter, sich sei­ne Unbe­schwert­heit im Umgang mit den schöns­ten neu­en Smart­phones zu bewah­ren. Weder wei­ner­li­che Betrof­fen­heit noch akzep­tie­ren­de Cool­ness kommt mir hier wie eine rich­ti­ge Reak­ti­on vor. Ich habe auch nicht vor, des­halb kei­ne Han­dys mehr zu benut­zen. Viel­leicht gibt es so etwas wie einen auto­ma­ti­schen Zynis­mus des digi­ta­len Zeit­al­ters, fast alle Fak­ten zu allen Miss­stän­den her­aus­fin­den zu kön­nen und sie anschlie­ßend igno­rie­ren zu müssen.“

Und es ist ja nicht nur Col­tan, son­dern es sind genau­so die Arbeits­be­din­gun­gen in den iPho­ne-Fac­to­ries in Chi­na usw. Aber die­se in der Hard­ware ver­bor­ge­ne Grau­sam­keit ans Licht zu zer­ren, erscheint fast undenk­bar. Was Sascha Lobo hier für sich selbst beschreibt – die Rat­lo­sig­keit, eine brauch­ba­re Hal­tung und Umgangs­wei­se zu die­ser Fra­ge zu fin­den, den das „Fair-Trade-Han­dy“ gibt es bis heu­te nicht, taucht auch in den von mir geführ­ten Inter­views immer wie­der auf: ein dif­fu­ses Wis­sen dar­über, dass unter der Ober­flä­che und am Ende der lan­gen Pro­duk­ti­ons­ket­ten Blut am Han­dy, am Net­book, am Smart­phone klebt, das aber nicht hand­lungs­re­le­vant wird und dem auch kaum Hand­lungs­op­tio­nen offen stehen.

War­um blog­ge ich das? Weil’s wich­tig ist.

* Uncool z.B. des­we­gen, weil der sel­be Sascha Lobo auch schon mal Wer­bung für den Mobil­te­le­fon­dienst­leis­ter Voda­fon gemacht hat …

Kurz: Tagungsband zur NGU-Tagung 2010 erschienen

Entscheidungen mit Umweltfolgen zwischen Freiheit und ZwangSeit weni­gen Tagen ist der Kon­gress­band zur 7. Tagung der Nach­wuchs­grup­pe Umwelt­so­zio­lo­gie (NGU) online („Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang“). Ich habe an die­sem Band in zwei ver­schie­de­nen Funk­tio­nen mit­ge­wirkt habe: zum einen als Mit­or­ga­ni­sa­tor der Tagung und damit dann auch als Mit­her­aus­ge­ber (die aller­al­ler­meis­te Arbeit mit dem Band hat­te aller­dings Fenn, der des­we­gen auch zurecht an ers­ter Stel­le steht) – und als Vor­tra­gen­der. Wer schon immer mal wis­sen woll­te, was eigent­lich mit mei­ner Diss. so vor sich geht, und in wel­che Rich­tung ich mich damit bewe­ge (naja, Rich­tung Ende …), kann im Tagungs­band mei­nen Bei­trag „Mobil­funk­nut­zung in Nach­hal­tig­keits­mi­lieus zwi­schen Frei­heit und Zwang“ fin­den, der dar­über, wie ich mei­ne, ganz gut Aus­kunft gibt.

Ganz unab­hän­gig davon gibt der Band eine gan­ze Rei­he Ein­bli­cke in die The­men und Arbeits­an­sät­ze jun­ger Umwelt­so­zi­al­wis­sen­schaft­le­rIn­nen. Im Call for Papers der Tagung hat­ten wir rela­tiv breit nach Arbei­ten gefragt, die sich in irgend­ei­ner Wei­se mit den Spiel­räu­men und Zwän­gen von Han­deln mit Umwelt­fol­gen befas­sen. Die Band­brei­te der im Tagungs­band ent­hal­te­nen Bei­trä­ge reicht nun vom Umgang mit gen­tech­nisch modif­zier­ten Orga­nis­men über deli­be­ra­ti­ve Zugän­ge zu Umwelt­pro­ble­men bis hin zur gene­rel­len Debat­te der Trag­fä­hig­keit einer Effi­zi­enz­stra­te­gie. Also ein brei­tes und anre­gen­des Feld.

Wir haben den Tagungs­band bei Frei­Dok publi­ziert (dem Online-Repo­si­to­ry der UB Frei­burg), d.h. er ist über die­sen Link online zugäng­lich. In einer klei­nen Stück­zahl wird er wohl auch gedruckt wer­den. Das Insti­tut für Forst­öko­no­mie der Uni Frei­burg hat es dan­kens­wer­ter­wei­se mög­lich gemacht, den Band in Frei­Dok in die Arbeits­be­rich­te-Rei­he des Insti­tuts zu stellen.

Faber, Fenn; Jay, Mari­on; Rei­ne­cke, Sabi­ne; Wes­ter­may­er, Till (Hrsg.) (2011): Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang. Tagungs­band der 7. Tagung der Nach­wuchs­grup­pe Umwelt­so­zio­lo­gie (NGU). Arbeits­be­richt 55–2011, Frei­burg: Insti­tut für Forst­öko­no­mie. Elek­tro­ni­sches Doku­ment, URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7944/.

Kurz: Die lange Vorgeschichte des Mobiltelefons

Was ich ja immer wie­der erstaun­lich fin­de, ist die lan­ge Vor­ge­schich­te des Mobil­te­le­fons. Nicht nur, dass bei Erich Käst­ner schon die Idee eines mobi­len Tele­fons auf­taucht, auch ers­te Pro­to­ty­pen etc. aus den 1930er bis 1950er Jah­ren gibt es. Ein paar Bei­spie­le bei „Modern Mecha­nix“: Vest Pocket Tele­pho­nes (1939), Han­die Tal­kie (1945) oder Your Tele­pho­ne of Tomor­row (1956).

Und dann gab es ja seit den 1950er Jah­ren auch noch Auto­te­le­fo­ne und schon davor spe­zi­el­le Funk­te­le­fo­ne (für Schif­fe, Züge, …). Ein Unter­schied zu den drei ver­link­ten Fund­stü­cken ist die bei die­sen schon mehr oder weni­ger klar vor­han­de­ne Idee der Per­so­na­li­sie­rung: das trag­ba­re Tele­fon ist an die Per­son gekop­pelt, nicht an das Haus oder dann eben an das Fahrzeug. 

Was unter­schei­det die Gedan­ken­spie­le und Pro­to­ty­pen aus der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts vom heu­ti­gen Mobil­te­le­fon? Letzt­lich vor allem die Digi­ta­li­sie­rung, und damit der Tran­sis­tor, der eine extre­me Minia­tu­ri­sie­rung, eine Mas­sen­pro­duk­ti­on und vor allem eine extrem ver­grö­ßer­te Nut­zungs­ka­pa­zi­tät ein­zel­ner Funk­fre­quen­zen mög­lich mach­te (neben ande­rem wie dem GSM-Stan­dard …). Tech­nik­ge­schich­te wäre auch spannend ;-)

P.S.: Ein paar Lite­ra­tur­an­ga­ben, falls jemand wei­ter­le­sen will:

Agar, Jon (2003): Con­stant Touch. A Glo­bal Histo­ry of the Mobi­le Pho­ne. Cam­bridge: Icon Books. 

de Vries, Imar (2005): »Mobi­le Tele­pho­ny: Rea­li­sing the Dream of Ide­al Com­mu­ni­ca­ti­on?«, in Hamill, Lyn­ne / Lasen, Ampa­ro (eds.): Mobi­le World. Past, Pre­sent and Future. Hei­del­berg u.a.: Sprin­ger, pp. 11–28.

Gold, Hel­mut (2000): »‚Hän die koi Schnur?‘. Die Ent­wick­lung der Mobil­te­le­fo­nie in Deutsch­land«, in Bau­mann, Marget/Gold, Hel­mut (Hrsg.): Mensch, Tele­fon: Aspek­te tele­fo­ni­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on. Hei­del­berg: Edi­ti­on Braus, S. 77–91.

Her­lyn, Ger­rit (2002): »Die erreich­ba­ren Abwe­sen­den. Mobi­le Tele­fo­nie in der Schweiz«, in Kurt Sta­del­mann; Tho­mas Hen­gart­ner (Hrsg.): Tele­ma­gie. 150 Jah­re Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on in der Schweiz. Zürich: Chro­nos, S. 170–197.

Höher, Hans (1990): »Die tech­ni­sche, betrieb­li­che und per­so­nel­le Ent­wick­lung der deut­schen Funk­te­le­gra­fie«, in Archiv für deut­sche Post­ge­schich­te, Nr. 2/1990, S. 49–68.

Lasen, Ampa­ro (2005): »Histo­ry Repea­ting? A Com­pa­ri­son of the Launch and Use of Fixed and Mobile
Pho­nes«, in Hamill, Lyn­ne / Lasen, Ampa­ro (eds.): Mobi­le World. Past, Pre­sent and Future. Hei­del­berg u.a.: Sprin­ger, pp. 29–60.

Teu­te­berg, Hans-Jür­gen / Neu­tsch, Cor­ne­li­us (Hrsg.) (1998): Vom Flü­gel­te­le­gra­phen zum Inter­net. Geschich­te der moder­nen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on. Stutt­gart: Franz Stei­ner Verlag.