Kurzeintrag: Hessenwahl

Hes­sen bleibt span­nend, aber aus links-grü­ner Per­spek­ti­ve stellt sich doch vor allem die Fra­ge, „Wie lan­ge will sich die Sozi­al­de­mo­kra­tie noch in einer Koali­ti­on mit den Christ­de­mo­kra­ten quä­len, wenn es doch eine Mehr­heit für eine pro­gres­si­ve Poli­tik gibt?“. Nach­dem die FDP offen­sicht­lich nicht regie­ren will, fra­ge ich mich das auch, und mei­ne: gera­de im ja doch grün gese­hen sehr real­po­li­ti­schen Hes­sen wäre rot-rot-grün ein inter­es­san­tes Expe­ri­ment. Von mir aus auch – vgl. Geschich­te der Grü­nen – als Lafon­taine-Cohn-Ben­dit­sche Duldung.

Live aus Heilbronn (Update 7: Grundeinkommensbeschluss online)

Und es gibt doch WLAN. Inso­fern kann ich live aus dem Sit­zungs­saal vom grü­nen Lan­des­par­tei­tag in Heil­bronn blog­gen. Ich bin auch nicht der ein­zi­ge, der das tut – die Ergeb­nis­se der Lan­des­vor­stands­wahl kön­nen bei Grü­nes Frei­burg nach­ge­le­sen wer­den, auch Hen­ning ist schon mit zwei Ein­trä­gen (1, 2) ver­tre­ten. Und nicht zuletzt die grü­ne Par­tei berich­tet ausführlich.

Eine Sache war mir ges­tern abend beson­ders wich­tig: die Reso­lu­ti­on zum The­ma Bür­ger­rech­te und inne­re Sicher­heit, die sich kri­tisch mit der geplan­ten Online-Vor­rats­da­ten­spei­che­rung usw. aus­ein­an­der­setzt (BTW: am 6.11. soll es dezen­tra­le Demos dazu geben). In einem Rede­bei­trag dazu habe ich ein­ge­for­dert, dass wir nicht nur defen­siv die Bür­ger­rech­te ver­tei­di­gen, son­dern sie offen­siv leben und aus­wei­ten. Dazu gehö­ren für mich elek­tro­ni­sche und nicht-elek­tro­ni­sche For­men demo­kra­ti­scher Par­ti­zi­pa­ti­on, eine Umkeh­rung der Infor­ma­ti­ons­as­sym­me­trie (sprich: der Staat muss offen­le­gen, nicht die Bür­ge­rin oder der Bür­ger), also ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz und die Aus­deh­nung des Daten­schut­zes in die Berei­che Unter­neh­men und Sozi­al­amt. Letzt­lich brau­chen wir eine Kul­tur der Betei­li­gung und Par­ti­zi­pa­ti­on – und eine Ant­wort auf die Fra­ge, wie sozia­ler Zusam­men­halt her­ge­stellt wer­den kann. Mit Sicher­heits­ge­set­zen und einem „Prä­ven­ti­ons­staat“ sicher nicht.

Jetzt kommt gleich die Wahl zum Län­der­rat. Um die span­nen­de Fra­ge Grund­ein­kom­men oder Grund­si­che­rung wird es dann mor­gen gehen.

War­um blog­ge ich das? Weil es geht!

Update: Mit dem heu­ti­gen Tag kann ich sehr zufrie­den sein: ich wur­de mit einem guten Ergeb­nis erneut zum Län­der­rats­de­le­gier­ten gewählt, und auch mein Antrag A3 zum The­ma Werbung/Sponsoring wur­de – leicht modi­fi­ziert – ange­nom­men. Jetzt hof­fe ich nur, dass es mor­gen beim Grund­ein­kom­men ähn­lich gut läuft.

Span­nend war das Expe­ri­ment der Grund­ein­kom­mens­grup­pe, im Foy­er anhand einer Excel-Tabel­le zu dis­ku­tie­ren, wie die kon­kre­ten Aus­wir­kun­gen (und die Finan­zie­rung) bei der nega­ti­ven Ein­kom­mens­steu­er aus­se­hen. Da gab es nach eini­ger Zeit rich­ti­ge Men­schen­trau­ben und sehr ange­reg­te Dis­kus­sio­nen – gera­de auch mit dem „skep­ti­schen Flü­gel“. Ein schö­nes Bei­spiel für grü­ne Diskussionskultur. 

Update 2: Wie­der zuhau­se – und sehr zufrie­den. Die inten­si­ve Vor­ar­beit, Ver­net­zung und Immer-wie­der-Erklä­rung des Sockel­grund­ein­kom­mens hat sich aus­ge­zahlt – das Modell wur­de, für eini­ge doch über­ra­schend, vom Lan­des­par­tei­tag ange­nom­men (mit 114 zu 76 Stim­men). Jetzt ist nur zu hof­fen, dass auch die Medi­en begrei­fen, dass da ein dif­fe­ren­zier­tes Kon­zept dahin­ter­steht. Und für Fritz gilt: wer die Dele­gier­ten beschimpft, ist selbst dran schuld.

Hier noch ein Hin­weis auf den SWR-Bericht (der sich in dem Punkt irrt, dass es, auch wenn vie­le baden-würt­tem­ber­gi­sche Lin­ke dahin­ter stan­den, kein Antrag des lin­ken Flü­gels war).

Update 3: Wo ich schon gera­de bei der Medi­en­schel­te bin – der hier Zitier­te dürf­te damit auch nicht glück­lich sein. Bzw. ein „die Auf­he­bung der“ vermissen …:

Plä­doy­er für Tren­nung von Amt und Mandat?
Der Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Jür­gen Wal­ter sieht in den rela­tiv schwa­chen Ergeb­nis­sen „ein Plä­doy­er für die Tren­nung von Amt und Mandat“. […]

Update 4:

Abstimmung Grundeinkommen
Foto: Frank Peters

Auf der Web­site von Frank Peters, dem Spre­cher der Arbeits­grup­pe Grund­ein­kom­men von Bünd­nis 90/Die Grü­nen Rhein­land-Pfalz, gibt es nicht nur mich beim Kar­ten­he­ben zu sehen (s.o.), son­dern auch eine gan­ze Rei­he weit­aus span­nen­de­rer Fotos sowie Mini-Vide­os der wich­tigs­ten Pro-Redebeiträge.

Update 5: (16.10.2007) Inzwi­schen ist der Beschluss zum Grund­ein­kom­men mit den Ände­run­gen von Hen­ning (und dem Antrag, Rent­ne­rIn­nen nicht aus­zu­neh­men, von unse­rem Kreis­ver­band) online. Viel Spaß beim Lesen und Weiterverbreiten.

In der Badi­schen Zei­tung (BZ) von heu­te blickt Rein­hard Büti­ko­fer nach vor­ne (lei­der nur für Abon­nen­tIn­nen). Der Arti­kel schließt zwei­deu­tig damit, dass Rein­hard sich von Grund­ein­kom­men und dem in Baden-Würt­tem­berg vor­ge­leg­ten Grund­si­che­rungs­an­trag abgrenzt und dann für eine Grund­si­che­rung mit nega­ti­ver Ein­kom­mens­steu­er plä­diert. Wenn die Redak­ti­on der BZ da kei­nen Mist gebaut hat, wäre das eine inter­es­san­te Aussage.

Update 6: Wie ich beim Zusam­men­stel­len einer klei­nen Pres­se­schau fest­ge­stellt habe, ist Oswald Metz­ger alles ande­re als begeis­tert vom Beschluss, schimpft wie ein Rohr­spatz und droht mit Aus­tritt, wenn die Par­tei nicht folg­sam ist. Aha.

Update 7: (17.10.2007) Ger­hard Schick hat einen sehr ver­nünf­ti­gen offe­nen Brief an Oswald Metz­ger geschrie­ben. Dort steht eigent­lich alles, was zur inzwi­schen die wei­te­ren Medi­en errei­chen­den Auf­re­gun­gen zu sagen ist (die hat auch was Gutes: immer­hin erreicht die Nach­richt, dass die baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen sich für ein Grund­ein­kom­men aus­ge­spro­chen haben – selbst wenn des dort etwas schräg dar­ge­stellt wird – so auch die bun­des­deut­sche Öffentlichkeit).

Kleine Blogschau: Grünen-Parteitag

Am Sams­tag hat der grü­ne Bun­des­par­tei­tag sich mehr oder weni­ger über­ra­schend für einen dif­fe­ren­zier­ten, von einer nicht-mili­tä­ri­schen Grund­hal­tung gepräg­ten Antrag zum The­ma Afgha­ni­stan ent­schie­den – und gegen einen selt­sam blut­lee­ren Kom­pro­miss zwi­schen Ja und Nein. Die eta­blier­ten Medi­en sehen die Grü­nen jetzt in der Kri­se. Ich war in Göt­tin­gen, fand das gan­ze durch­aus span­nend, war mir nach dem tosen­den Applaus für Jörg Rupp und Robert Zion sicher, dass es für den BuVo nicht so ganz ein­fach wird, und fin­de das Ergeb­nis vor allem ein Zei­chen dafür, dass Grü­ne inner­par­tei­li­che Mei­nungs­bil­dung leben, sich nicht auf fal­sche Füh­rungs­fi­gu­ren stür­zen und wei­ter­hin in der Lage sind, unbe­que­me, aber durch­dach­te Beschlüs­se zu fas­sen. Für eini­ge in der Bun­des­tags­frak­ti­on war das – recht­zei­tig vor den nächs­ten Lis­ten­auf­stel­lun­gen – viel­leicht ein „Warn­schuss“. Ich den­ke da ins­be­son­de­re an die­je­ni­gen, die jetzt non­cha­lant erklä­ren, dass für sie völ­lig egal ist, was die Par­tei beschließt. Win­ni Nacht­wei plä­diert für eine Ent­hal­tung der Frak­ti­on bei der ISAF-Abstim­mung – das zumin­dest erscheint mir die rich­ti­ge Reak­ti­on zu sein, statt ein­fach „wei­ter so“ zu sagen.

Was die „gro­ße Pres­se“ schreibt, ist also klar, was ich davon hal­te, ver­mut­lich auch, aber was sagen die anderen?

Peter Albers lobt auf Remix-Gene­ra­ti­on die Basis­de­mo­kra­tie, und Dani­el Mack
kri­ti­siert eben­da das media­le Bild von GAU und Krise.

Bei Julia See­li­ger gibt es ange­hängt an die Erläu­te­rung ihrer Ent­hal­tung im Par­tei­rat zum Bun­des­vor­stands­an­trag eine aus­führ­li­che Debat­te über den Rea­lis­mus oder auch nicht des Ergebnisses.

Hen­ning Schü­rig war nicht da, ist aber trotz­dem mit dem Par­tei­tags­ver­lauf eher unglücklich.

Und Thors­ten Depp­ner (der ger­ne da gewe­sen wäre, aber nicht durf­te), macht drauf auf­merk­sam, dass der Par­tei­tags­be­schluss erst­mal gele­sen wer­den soll­te, bevor er a. in Bausch und Bogen ver­dammt oder b. als Sieg des lin­ken Fun­da­men­ta­lis­mus gefei­ert wird.

Da war dage­gen Lin­da Heit­mann, die in ihrem Bericht die Atmo­sphä­re des Par­tei­tags gut einfängt.

War­um blog­ge ich das? Um dem weit­ge­hen­den media­len Ein­heits­brei ein biß­chen was entgegenzuhalten.

Update: Jetzt muss ich doch noch auf eines der „gro­ßen“ Medi­en ver­lin­ken – Tho­mas Pany über­legt in Tele­po­lis sehr klug, wie das eigent­lich ist mit der Unfä­hig­keit, dif­fe­ren­zier­te Beschluss­fas­sun­gen auch wahrzunehmen.

Update 2: Bei „Grü­nes­Frei­burg“ fin­den sich jetzt auch Stel­lung­nah­men von Johan­nes Wald­schütz der das Ergeb­nis der BDK trau­rig fin­det und die media­le Wahr­neh­mung „Super-GAU“ ver­tei­digt nicht uner­war­tet findet.

Freiheit statt Angst (Update 3)

„Frei­heit statt Angst“ – so lau­tet das Mot­to der bun­des­wei­ten Demo, die am 22.9. in Ber­lin statt­fin­den wird (unter ande­rem unter­stützt von Attac, Bdwi, Bünd­nis 90/Die Grü­nen, CCC, Cam­pus­grün, DIE LINKE, Tei­len der FDP, FFII, FIFF, Foe­bud, FSF, Grü­ner Jugend, HU, JDJL, Julis, LSD, NNM, Pira­ten­par­tei und ver­di). Ziel der Demo:

1. Weni­ger Überwachung

Wir for­dern

* kei­ne Total­pro­to­kol­lie­rung von Tele­fon, Han­dy und Inter­net (Vor­rats­da­ten­spei­che­rung),
* kei­ne gehei­me Durch­su­chung von Computern,
* Stopp der Video­über­wa­chung des öffent­li­chen Raums, kei­ne auto­ma­ti­sche Gesichtskontrolle,
* Stopp von Bio­me­trie und RFID-Chips in Aus­wei­sen und Pässen,
* kei­ne Vor­rats­spei­che­rung von Flugpassagierdaten,
* kein auto­ma­ti­scher Kfz-Kenn­zei­chen­ab­gleich auf öffent­li­chen Straßen. 

2. Bestehen­de Über­wa­chungs­ge­set­ze auf den Prüf­stand stellen
Wir for­dern eine unab­hän­gi­ge Über­prü­fung aller seit 1968 beschlos­se­nen Über­wa­chungs­ge­set­ze auf ihre Wirk­sam­keit und schäd­li­chen Nebenwirkungen.

3. Stopp für neue Über­wa­chungs­ge­set­ze Nach der inne­ren Auf­rüs­tung der letz­ten Jah­re for­dern wir einen sofor­ti­gen Stopp neu­er Geset­zes­vor­ha­ben auf dem Gebiet der inne­ren Sicher­heit, wenn sie mit wei­te­ren Grund­rechts­ein­grif­fen ver­bun­den sind.

Ein lesens­wer­tes Inter­view zu den Hin­ter­grün­den die­ser Demo ist bei jetzt.de zu fin­den (via).

Scha­de, dass Ber­lin so weit weg ist (und dass ich nicht jeden Sams­tag weg sein will, und dass am Tag drauf mei­ne Freun­din Geburts­tag hat), sonst wür­de ich hin­fah­ren. Wich­tig ist das näm­lich, und wer das liest und näher dran ist, soll­te auf jeden Fall hingehen.

War­um blog­ge ich das? 1., weil ich das abso­lut unter­stüt­zens­wert fin­de, die­se The­men mal wie­der ein biß­chen stär­ker in die Öffent­lich­keit zu brin­gen und mich freue, dass es ein so brei­tes Unter­stüt­zer­bünd­nis gibt, und 2., weil ich fin­de, dass „Frei­heit statt Angst“ auch über das kon­kre­te The­ma hin­aus eine sehr gute Leit­li­nie für poli­ti­sches Han­deln dar­stellt: Poli­ti­sche Hand­lun­gen, die ten­den­zi­ell eher Angst erzeu­gen als Frei­heit zu gene­rie­ren, sind fast immer pro­ble­ma­tisch. Das fängt bei „Sicher­heits­ge­set­zen“, die ein Gefühl der Bedro­hung ver­stär­ken, an, und geht über Hartz-IV bis hin zur Fra­ge, ob Umwelt­po­li­tik als Angst­the­ma oder als grü­ne Renais­sance kom­mu­ni­ziert wird.

Update (23.09.2007): Die Demo scheint inso­fern erfolg­reich gewe­sen zu sein, als 15.000 Men­schen dar­an teil­ge­nom­men haben; Poli­zei vs. schwar­zer Block sorg­te für Unruhe.

Update 2 (25.09.2007): Wer – wie zum Bei­spiel ich – nicht bei der Demo war, kann zum Bei­spiel den Rede­bei­trag von Mar­kus Becke­dahl von netzpolitik.org trotz­dem nach­le­sen. Näm­lich hier.

Update 3: Über Mar­kus‘ Rede­bei­trag habe ich ganz die aus­führ­li­che Bericht­erstat­tung zur „größ­ten Demons­tra­ti­on für mehr Daten­schutz seit 20 Jah­ren“ bei netzpolitik.org über­se­hen. Mit vie­len Links.

Netzwerke überall

Dies­mal nicht die sozia­len Netz­wer­ke im Inter­net, oder die Akteurs-Netz­wer­ke, die all­täg­li­che Prak­ti­ken tra­gen, son­dern ein kur­zer Hin­weis auf einen Para­dig­men­wech­sel in der Gentechnik:

To their sur­pri­se, rese­ar­chers found that the human geno­me might not be a „tidy coll­ec­tion of inde­pen­dent genes“ after all, with each sequence of DNA lin­ked to a sin­gle func­tion, like a pre­dis­po­si­ti­on to dia­be­tes or heart disease.

Ins­tead, genes appear to ope­ra­te in a com­plex net­work, and inter­act and over­lap with one ano­ther and with other com­pon­ents in ways not yet ful­ly unders­tood. Accor­ding to the insti­tu­te, the­se fin­dings will chall­enge sci­en­tists „to rethink some long-held views about what genes are and what they do.“

Quel­le, via.

War­um blog­ge ich das? Weil es so scheint, als wäre Netz­werk das neue schwarz, äh, also die neue Groß­theo­rie, die sys­tem­theo­re­ti­sches Den­ken in ziem­lich vie­len Kon­tex­ten hand­hab­bar macht.