Ein Kritikpunkt der Piratenpartei an anderen Parteien ist das Delegationsprinzip. Zum Teil kann ich diese Kritik teilen (etwa wenn ich mir mehrstufige Delegationen in der SPD anschaue, wo auf Kreisebene bereits Delegierte entscheiden, und wo Länder/Bezirke die Delegierten für den Bundesparteitag wählen). Letztlich aber scheinen mir Delegationen – unter bestimmten Voraussetzungen – einen guten Kompromiss zwischen Beteiligung und Effizienz darzustellen.
Wie machen wir Grüne das? Vorweg sei gesagt: unterschiedlich, weil unsere Landes- und Kreisverbände einen hohen Grad an Autonomie aufweisen. Beispielsweise gibt es Kreisverbände, die ihre Delegierten auf ein oder zwei Jahre wählen, das also als eine Art Parteiamt verstehen. Andere entscheiden für jeden Parteitag neu. Oder auf Landesebene: Da gibt es durchaus grüne Landesverbände, die neben oder statt der Landesdelegiertenkonferenz eine Landesmitgliederversammlung kennen.
Ich kann mal kurz darstellen, wie der Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald, in dem ich Mitglied bin, die Delegation handhabt. Aktuell hat der Kreisverband (KV) drei Delegiertenplätze für die Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) und fünf Delegiertenplätze für die Landesdelegiertenkonferenz (LDK).
Diese Zahlen hängen von der relativen Größe des KV ab, bezogen auf den 31.12. des Vorjahrs. Jeder KV hat ein Grundmandat, der Rest wird – in Baden-Württemberg – nach Hare-Niemeyer verteilt. Insgesamt sind das für die baden-württembergische LDK etwa 200 Delegierte.
Für bestimmte Parteitage (Listenaufstellungen) müssen Delegierte zur Bundestagswahl wahlberechtigt sein. Sonst ist nur die Mitgliedschaft in der Partei relevant.
In meinem KV werden die Delegierten für jeden Parteitag neu gewählt. Das führt zu lustigen Zeitungsartikeln, weil die Presse das irgendwie als News ansieht, ist aber praktisch, weil damit Delegierte nach Themen und z.T. nach Positionierungen ausgewählt werden können. Wenn es entsprechend viele Kandidaturen gibt, doch dazu gleich noch.
Für die Wahl der Delegierten gelten neben den allgemeinen Grundsätzen demokratischer Wahlen zwei Prinzipien.
Erstens das grüne Frauenstatut, das eine Mindestquotierung vorsieht. Faktisch bedeutet dies, dass mindestens die Hälfte der Delegiertenplätze an Frauen vergeben werden soll. Dazu wird der Wahlgang in einen Frauenwahlgang (z.B. 3/5 Plätzen) und einen offenen Wahlgang (2/5 Plätzen) aufgeteilt. Es gibt Mitglieder, die diese Praxis kritisieren, aber letztlich führt sie tatsächlich zu quotierten Delegationen.
Das zweite Prinzip ist der Minderheitenschutz. Damit ist hier nicht der SSW gemeint, sondern die Tatsache, dass es, wenn mehr Personen kandidieren, als es Plätze gibt, eine Begrenzung der Stimmen auf zwei Drittel gibt. Bei drei Plätzen, die zu wählen sind, hat jedes Mitglied auf der Kreismitgliederversammlung nur zwei Stimmen.
Damit soll verhindert werden, dass ein Block, der auf der Mitgliederversammlung eine (leichte) Mehrheit hat, seine KandidatInnen durchzieht. Letztlich ein Relikt aus den Zeiten der Flügelkämpfe, aber doch auch heute noch ein Garant für eine gewisse Meinungsvielfalt.
Ein anderes altes Prinzip, das imperative Mandat, gilt so nicht mehr. Imperatives Mandat würde bedeuten, dass alle Entscheidungen der LDK oder BDK in der Kreismitgliederversammlung abgestimmt werden und Delegierte an diese Entscheidungen gebunden sind.
Was vielmehr – bei wichtigen und kontroversen Themen – geschieht, ist eine Diskussion dieser Themen auf der Kreismitgliederversammlung, vielleicht auch ein Meinungsbild. KandidatInnen für die Delegation sollten sich entsprechend äußern, so dass vor der Wahl klar ist, wer für welche Position steht.
Gewählt werden Delegierte und Ersatzdelegierte. Dabei ist gewählt, wer die meisten Stimmen erhält, z.T. mit einem 20%-Quorum verbunden.
Die gewählten Delegierten werden angemeldet und bekommen dann die Parteitagsunterlagen zugeschickt. Sie nehmen am Parteitag – meist an einem Wochenende – teil. Fahrt- und z.T. Hotelkosten strecken sie vor, der KV erstattet diese bei Bedarf. Zum Teil bucht auch der KV gleich die Hotelzimmer.
Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, dass es in der Praxis häufiger vorkommt, dass das Interesse, delegiert zu werden, begrenzt ist. Wenn nur drei Personen für drei Plätze kandidieren, werden diese dann meist im Block gewählt.
Bei „wichtigeren“ Parteitagen kommt es dagegen durchaus zu „Kampfkandidaturen“ – denen sich bspw. auch die lokalen Abgeordneten stellen müssen.
Parteitage sind übrigens generell öffentlich. Auch Mitglieder, die nicht delegiert sind, haben Rederecht und können Anträge miteinbringen (nötig sind 20 Mitglieder, um einen Antrag auf eine BDK einzubringen, in Baden-Württemberg 10 Mitglieder, um einen Antrag auf eine LDK einzubringen).
So machen wir das, mit dem Delegieren.
Sicherlich ein System, das seine eigenen Nachteile mit sich bringt – aber doch funktionsfähig und aus meiner Sicht ein guter Kompromiss zwischen dem Wunsch, alle zu beteiligen, und Parteitage handhabbar zu gestalten.
Warum blogge ich das? Als Beitrag zur Debatte über Delegationen – und weil dich das Wort Delegierte so schreibt.