Inzwischen sind auf der Website des Landesverbandes auch einige Infos, Fotos (hier in der Mitte: ich) und Presseberichte zur grünen Regionalkonferenz zum Zukunftskongress zu finden.
> http://www.gruene-bw.de/index.php?id=4644
Das Blog von Till Westermayer * 2002
Gestern fand in Stuttgart die baden-württembergische Regionalkonferenz zum grünen Zukunftskongress statt. Dieser selbst wird vom 1. bis 3. September in Berlin veranstaltet. Die Regionalkonferenz in Stuttgart hatte ihren Fokus auf der Frage nach dem Verhältnis von Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Der Tag in Stuttgart war zweigeteilt: vormittags gab es zwei Reden (Reinhard Bütikofer und Warnfried Dettling) und danach noch eine inner-grüne Talkrunde, der Nachmittag war vier parallel stattfindenden Foren gewidmet. Reinhard Bütikofer konzentrierte sich in seiner Rede vor allem darauf, deutlich zu machen, warum ein grüner Zukunftskongress jetzt (Opposition usw.) sinnvoll und notwendig ist, und dass es sich dabei nicht um ein einmaliges Debattenevent handeln soll, sondern um den Versuch, Diskussionsprozesse und konkrete Projekte in der Partei anzustoßen. Die im Grundsatzprogramm festgelegte Werteorientierung soll dabei nicht in Frage gestellt werden. Bütikofer plädierte aber dafür, auf dem Hintergrund der dort verankerten Werte eine pragmatische Politik ökologischer und gesellschaftlicher Modernisierung durchzuführen. Dazu gehöre es auch, sich nicht auf ein rot-grünes Projekt festzulegen, sondern anzustreben, bald möglichst wieder Gestaltungskraft zu werden – so oder so.
Warnfried Dettling, bekannt aus seinen Zeitungskolumnen und Büchern nahm sein Impulsreferat zum Anlass, die Grünen aufzufordern, als Partei mit eher intellektuelleren AnhängerInnen und WählerInnen komplexere Konzepte aufzugreifen und nicht in die Vereinfacherer-Schiene hineinzugeraten. Dabei sah er das 20. Jahrhundert als das Jahrhundert der Gegensätze (nicht nur zwischen Staat und Markt als unterschiedlichen Koordinationsformen, sondern auch zwischen Demokratie und Diktatur) und rief dazu auf, das 21. Jahrhundert zum „Jahrhundert der Synergien und der Balance“ zu machen. Dementsprechend großen Werte legte er darauf, deutlich zu machen, wie wichtig es ist, ökonomische Logiken für staatliches Handeln auszunutzen, auf zivilgesellschaftliche Potenziale zu setzen usw. Mir kam das alles etwas einseitig vor – zwar sprach Dettling auch von der „Entpolitisierung der Politik“; die zukünftige Rolle, die Ordnungspolitik, Recht und politische Entscheidungen spielen sollen, war jedoch etwas unterbelichtet in seinem Vortrag. Andere Stellen in seinem Vortrag gefielen mir besser: etwa im Verweis auf Amartya Sen die Definition menschlicher Entfaltung als staatlich-gesellschaftlicher Aufgabe bzw. Orientierungslinie.
Den Abschluss des Vormittags bildete eine Talk-Runde (das natürliche Milieu der PolitikerInnen). Während im Programm noch eine Moderation durch eine Zeitungsredakteurin angekündigt war, übernahmen die Aufgabe dann doch die beiden Vorsitzenden Petra Selg und Andreas Braun, die jeweils einen der Talk-Kontrahenten – Winfried Kretschmann bzw. Fritz Kuhn – „betreuten“. Leider muss gesagt werden, dass sich unsere Vorsitzenden mit der Moderation der beiden grünen Urgesteine (die ja bekanntermaßen inzwischen innerhalb des realpolitischen Flügels eher konträre Positionen vertreten) schwertaten. Das Niveau der Diskussion sank schnell auf die Ebene persönlichen Beleidigtseins und die Tagespolitik der Förderalismusreform, statt grundsätzlicher über das Verhältnis von Staat und BürgerInnen und die Rolle der Parteien und der Politik dabei zu diskutieren. Kuhn erwies sich dabei – unabhängig von seinen Positionen – als deutlich souveräner (vielleicht hatte er auch einfach nur die bessere Rhetorik).
Nachmittags entschied ich mich dann für das Forum „Sozialpolitik/Grundsicherung“ (die Alternativen wären der Schaukampf Oswald Metzger vs. Gerhard Schick, die Bildungspolitik am Beispiel einer Waldorfschule, oder noch relativ interessant, die Frage Wirtschaft vs. Ökologie oder Wirtschaft und Ökologie gewesen – letzteres in der Diskussion mit Unternehmervertretern). Also, Sozialpolitik. Das Forum erwies sich als gute Wahl, stellte doch Thomas Poreski ein ausgearbeitetes Konzept für ein Grundsicherungsmodell vor, das etwas weniger radikal als die Vorschläge aus der PDS oder von Götz Werner gestaltet war. In knappen Zügen: 500 Euro für alle (die fünf Jahre legal in Deutschland leben), ohne Bedürftigkeitsprüfung (damit existenzielle Absicherung und deutlich geringere „Erpessbarkeit“), Umwandlung von Renten- und Krankenversicherung, Beibehaltung diverses zusätzlicher staatlicher Leistungen, auch der Arbeitsmarktpolitik, Finanzierung über eine Veränderung des Einkommenssteuermodells. Ausführlich kann das unter http://www.grundsicherung.org nachgelesen werden. Den Gegenpart im Forum übernahm Biggi Bender als zuständige Bundestagsabgeordnete, die ihre Skepsis daran deutlich zum Ausdruck brachte, dabei jedoch relativ sachlich blieb. Ihr erschienen Kombilohnmodelle und Verbesserungen bei Hartz-IV sinnvoller. Auch die Forumsdiskussion insgesamt war kontrovers (Arbeitsanreize oder nicht, Menschenbild, …), wurde aber gut moderiert (Beate Müller-Gemecke) und blieb auf der sachlichen Ebene. Inhaltlich habe ich den Eindruck, dass sich das vorgeschlagene Modell – trotz einiger Detailschwächen – gut dazu eignet, in eine neue grüne Grundsicherungsdebatte einzusteigen. Und das wäre ja durchaus auch schon was, überwog doch bisher der Eindruck des Beharrens auf dem angeblich machbaren.
Dieter Salomon hat neulichs im taz-Interview den Wunsch geäußert, die grünen quotierten Doppelspitzen abschaffen zu wollen – hier mein Leserbrief dazu: http://www.taz.de/pt/2006/04/13/a0216.1/text
Über den Metablocker bin ich auf das Blog zur Landtagswahl des Südkuriers gestoßen. Neben der Redaktion der Zeitung bloggen dort Boris Palmer (Grüne), Birgit Homburger (FDP) und Willi Stächele (CDU). Genauer gesagt, Boris und die FDP-Frau liefern sich eine Art Duell. Der Rest ist eher langweilig.
So, wie versprochen hier ein paar Worte zum Länderrat in Mainz am 11.03.2006. Ein paar Fotos gibt’s bei FlickR, siehe unten.
Wo anfangen? Vielleicht bei einer grundsätzlichen Einordnung, was so ein Länderrat nun tatsächlich ist. Laut Satzung ist er für die Beschlussfassung zwischen den „richtigen“ Parteitagen zuständig. Dieser Länderrat – aber ich gehe davon aus, dass sich das recht weitgehend verallgemeinern lässt – war jedoch weniger eine Meinungsbildungsveranstaltung als eine Präsentationsveranstaltung. Damit meine ich, dass es denkbar ist, Parteiveranstaltungen auf einer Skala einzuordnen, an derem einen Ende reine Werbeveranstaltungen stehen – also beispielsweise eine Plakatpräsentation für die Presse – und an derem anderen Ende reine Arbeitsveranstaltungen stehen – beispielsweise die Sitzung einer internen Arbeitsgruppe, um ein Positionspapier vorzubereiten. Parteitage liegen irgendwo in der Mitte, wobei es in der letzten Zeit – seit der rot-grünen Regierungsphase – eine Verschiebung hin in Richtung „inszenierte Präsentation“ gab. Der Länderrat ist nun auch eher auf diesem Ende der Skala anzusiedeln.
Praktisch äußerte sich das darin, dass die Sitzung vor allem in Rede aller wichtiger Leute bestand (allerdings durchaus mit der Möglichkeit, sich selbst zu Wort zu melden). Die wichtigen Leute sagten mehr oder weniger dasselbe (siehe Tagespresse). Es gab einige wenige Änderunsganträge zu den vorliegenden Anträgen, die wurden aber alle in irgendeiner Form übernommen, die Anträge dann mehr oder weniger einstimmig beschlossen. Formal also durchaus Meinungsbildung, tatsächlich eher Themensetzung für die Öffentlichkeit. Was ja durchaus auch seinen Sinn hat, vor allem, wenn zwei Wochen später Landtagswahlen stattfinden. Für die Delegierten ist’s aber eher langweilig, so ging’s mir jedenfalls.
Beim Antrag „Digitale Gesellschaft“ hätte ich mich gerne zu Wort gemeldet. Aber erstens war da der Parteitag nach langen Reden schon fast gelaufen, und zweitens gab es dazu als Debatte nur vier vorher ausgewählte („gesetzte“) Redebeiträge. Also nichts mit Zu-Wort-Melden dazu. Von den Redebeiträgen war vor allem einer interessant – ein Gast vom CCC, der durchaus deutlich machte, dass in dem (später einstimmig beschlossenen) Antrag ziemlich viel richtiges steht, dass aber ein großer Teil der Debatte jenseits des Antragstextes liegt. Themen wie Open Access, das Urheberrecht, Informationsfreiheit im Sinne von Akteneinsicht, Softwarepatente oder auch eDemokratie kommen leider nicht vor; es geht eher um das, was früher mit dem Wort „Datenschutz“ bezeichnet wurde. Auch wichtig, aber wir haben durchaus auch schon mal umfänglicher über digitale Politik diskutiert …
Fazit: viele wichtige Leute und einige nette Gespräche, das Gefühl, nah an der großen Politik zu sein, letztlich aber weniger eine Arbeits- und Diskussionsveranstaltung als eine Inszenierung zum Themensetzen für Medien und Öffentlichkeit.