Die Seite http://www.gegen-berufsverbote.de/ sammelt Unterschriften, um gegen das Berufsverbot für den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy, der dort in Heidelberg eine Antifa-Gruppe mitgegründet hatte und deswegen vom baden-württembergischen Kultusministerium nicht für schultauglich angesehen wird – auf Intervention von ganz oben durfte er auch eine schon zugesagte Stelle in Hessen nicht antreten. Das Spektrum der bisher gesammelten Unterschriften reicht von DKP und Linkspartei bis zu prominenten Grünen wie Claudia Roth und Theresia Bauer; bisher sind so knapp 600 der angestrebten „1000 Stimmen gegen Berufsverbote“ zusammengekommen. Eine Mailadresse zum digitalen Unterschreiben findet sich hier.
„Gewerkschaften plädieren mit Konzernen für Atomenergie“
Ich finde es ziemlich unfassbar, dass sich der Verdi-Chef Birske als immerhin grünes Mitglied dazu bringen lässt, sowas mitzumachen (klingt nach: hat sich von den Konzernen und der IG BCE über den Tisch ziehen lassen!). Und fühle mich in meiner manchmal nicht besonders hohen Meinung davon, wie weit gewerkschaftliche Progressivität geht, bestärkt. Irgendwer scheint hier jedenfalls noch nicht kapiert zu haben, warum Grüne so massiv für einen Atomausstieg und eine Energiewende werben und geworben haben, und warum das Kohle- und Atomzeitalter zu Ende gehen muss.
Auch nach der Wahl: grün.blog
Erst war’s nur eine Wahlkampfaktion, doch klugerweise geht das grüne Bundesblog unter dem neuen Titel Koalitionswacht doch weiter: und sammelt inzwischen einige lesenswerte Statements aus Fraktion und Parteivorstand. Inklusive eines Leitkultur-Raps von Omid Nouripur. Mehr lesen: blog.gruene.de
Müßig, über schwarz-grün zu diskutieren
Ich finde es müßig, sich die Köpfe über schwarz-grün in Baden-Württemberg heiß zu reden, auch wenn viele daran gerade großen Spass haben. Und zwar nicht nur aus inhaltlichen Gründen (mit denen klappt das nicht), sondern vor allem auch deswegen, weil ich überzeugt davon bin, dass Wahlergebnisse, die schwarz-grün überhaupt rechnerisch denkbar machen, sehr selten sind. Jedenfalls dann, wenn Linkspartei und REPs beide nicht in den Landtag einziehen. Diese Überzeugung habe ich nicht einfach so, sondern ich habe mir mal angeschaut, wie groß die Chancen für eine solche Konstallation eigentlich sind:
> http://www.westermayer.de/till/uni/2005-schwarz-gruen.pdf
Fazit: rot-grün ist wahrscheinlicher als schwarz-grün, und wenn wir Grüne uns in Baden-Württemberg für eine Gestaltungsperspektive stark machen wollen, dann geht das eher darüber, Mehrheiten gegen die CDU zu organisieren, als darüber, sich als Zweitpartner für Ausnahmesituationen anzudienen.
Noch-Minister Clement ruft zu Denunziation auf
Noch-Minister Clement ruft zu Denunziation auf:
„Bestmögliche Hilfe für alle, die sich nicht aus eigener Kraft helfen können oder eine zweite Chance brauchen, aber auch unnachgiebige Konsequenz gegenüber jenen „schwarzen Schafen“, die sich Leistungen erschleichen wollen, das gehört auch zur Gerechtigkeit im Sozialstaat.
Wir können die Zukunft unseres Landes nur meistern, wenn wir die Realität ungeschminkt und ohne falsche Rücksichten in den Blick nehmen. Soziale Sicherheit und Gerechtigkeit bleiben unser Ziel; wir werden es aber nur erreichen können, wenn wir die Hilfe stärker auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren – und wenn Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, dabei mitwirken und mithelfen. Ohne Anstand und Moral kann die Erneuerung unseres Sozialstaates nicht gelingen.“
[Quelle beim BMWA]
Nachtrag: die lesenswerte Stellungnahme des grünen Abgeordneten Markus Kurth zu dem oben verlinkten Report „Leistungsmissbrauch“:
„Primitive Stimmungsmache statt Tatsachenbericht – Bericht des Arbeitsministeriums auf niedrigstem Niveau“
18.10.2005: Anlaesslich des Reports des Bundesministeriums fuer Wirtschaft und Arbeit (BMWA) ueber „Abzocke und Selbstbedienung im Sozialstaat“ erklaert Markus Kurth, Sozialpolitischer Sprecher der gruenen Bundestagsfraktion:
„Der Report des Wirtschaftsministeriums zielt darauf ab, saemtliche Bezieher von Sozialleistungen zu diffamieren. Das Ministerium bedient sich dabei der übelsten Methoden der Boulevardpresse:
Einzelne zweifellos vorhandene Missbrauchsfaelle werden in einem reportagehaften Stil so dargestellt, als ob sie Regelfaelle waeren. Dabei werden Klischees gegen Auslaender ebenso bedient wie Vorurteile gegen allein erziehende Mütter.
Im Zeitungsstil erzählt der Bericht von allein erziehenden Müttern, die ALG II beziehen und heimlich mit gut verdienenden Männern zusammenleben. Oder von Ibrahim, dem Sänger aus dem Libanon der von ALG II lebt und dennoch einen schwarzen BMW Cabriolet faehrt. Besonders skandalös ist es, dass der Bericht den angeblichen Fall des Libanesen mit der Einschätzung abschliesst, dass Biologen solche „Organismen, die zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer leben“, als „Parasiten bezeichnen“ würden.
Hier wird das gewohnte Niveau von Regierungsberichten massiv unterschritten. Eine solche Wortwahl aus der Biologie vermutet man nicht von der Bundesregierung eines sozialen Rechtsstaates. Besonders erschreckend ist, dass bewusst auf Angaben zu den empirischen Grundlagen des Berichtes verzichtet wird. Dadurch wird bewusst der Eindruck erweckt, dass die Mehrzahl der ALG II-Empfaenger ihre Leistung zu Unrecht beziehen.
Teilweise werden einfach Faelle aus einer Reportage des ZDF Magazins „report“ uebernommen. Es wird aber nur unzureichend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht um reale Missbrauchsfälle handelt. Das Beispiel des Sozialbetrügers aus dem EU-Ausland wurde vom ZDF initiiert, um hiesige Behörden zu testen. Im BMWA Bericht wird daraus aber ein genereller Missbrauchsverdacht gegen EU-Auslaender konstruiert.
Wir verlangen eine sofortige Stellungnahme des Ministeriums, wie es in einem Regierungsbericht zu einer unhaltbaren Stimmungsmache gegen Sozialleistungsbezieher und Auslaender kommen kann. Dieser Bericht des BMWA muss sofort aus dem Verkehr gezogen werden.“
Noch ein Nachtrag: Inzwischen greift auch der Spiegel das Thema auf: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,380545,00.html