Politische Unterhaltung

Grü­ne 1 Mio., LINKE 2 Mio, SPD 4 Mio. Was ist das? Genau, Stein­mei­ers per­sön­li­cher „Deutsch­land­plan“. Pas­send dazu gibt’s heu­te drei Urlaubs­le­se­tipps aus dem Bereich poli­ti­scher Science-Fiction.

Kim Stan­ley Robin­son schreibt eher lite­ra­risch ori­en­tier­te Sci­ence-Fic­tion. In der Tri­lo­gie Sci­ence in the Capi­tal (For­ty Signs of Rain (ama­zon), Fif­ty Degrees Below (ama­zon)und Six­ty Days and Coun­ting (ama­zon)) spie­len wie schon in frü­he­ren Wer­ke Umwelt­fra­gen eine gro­ße Rol­le – hier gekop­pelt mit dem Blick auf Ver­qui­ckun­gen zwi­schen Poli­tik und Wis­sen­schaft. Die Tri­lo­gie zeich­net den Auf­stieg des US-Sena­tors Phil Cha­se zum glo­ba­len Öko­prä­si­den­ten nach – geschrie­ben vor dem Obama-Wahlkampf!

Der zwei­te Tipp ist eher netz­po­li­tisch span­nend: Charles Stross wid­met sich in sei­nem Thril­ler Hal­ting Sta­te (ama­zon) einer Welt in naher Zukunft, in dem das orga­ni­sier­te Ver­bre­chen inner­halb von Online-Wel­ten statt­fin­det, und die Com­pu­ter­spie­le auf der Stra­ße – und kop­pelt das mit dem See­len­le­ben von Finanz­jon­gleu­rIn­nen. Ähn­lich, nur noch etwas wil­der und in Süd­afri­ka statt Groß­bri­tan­ni­en ange­sie­delt, Lau­ren Beu­kes Moxy­land (ama­zon).

Zum Schluss noch was deutsch­spra­chi­ges: Ali­en Earth (1, 2, 3 bei ama­zon)- drei dicke Bän­de des Frei­bur­ger Per­ry-Rho­dan-Autors Frank Borsch (hat­te übri­gens für die Grü­nen kom­mu­nal kan­di­diert). Vor dys­to­pi­schem Hin­ter­grund (Deutsch­land treibt Hartz-IV auf die Spit­ze, Gedan­ken­ver­bre­chen wer­den bestraft, die Groß­macht heißt Ver­ei­nig­te Staa­ten von Ame­ri­ka und Ara­bi­en) ent­wi­ckelt Borsch eine packen­de Geschi­che um gen­tech­ni­sche Mutan­ten und geheim­nis­vol­le Außerirdische.

Erst­ver­öf­fent­li­chung: blog.gruene-bw.de>

Reiselektüre


Foto: Kaland­ra­kas, CC-Lizenz

Auch wenn die Update­fre­quenz die­ses Blogs etwas ande­res sug­ge­riert: ich bin erst nächs­te Woche im Urlaub. Und habe gleich mal eine gan­ze Men­ge an Rei­se­lek­tü­re für u.a. die neun­stün­di­ge Zug­fahrt an die Ost­see bestellt. 

Als da wären:

Charles Stross: Hal­ting Sta­te (ama­zon) – ein Near-Future-Roman mei­nes der­zei­ti­gen Lieb­lings­au­tors, der von einem inner­halb eines Rol­len­spiels began­ge­nen ech­ten Bank­raubs han­deln soll, und jetzt als Taschen­buch erschie­nen ist. Ich bin gespannt, ins­be­son­de­re dar­auf, ob Stross mich mit­reißt, obwohl ich von Com­pu­ter­spie­len und vir­tu­el­len Wel­ten a la Second Life nicht so viel hal­te. Hat gera­de fast einen Hugo bekommen.

Ver­nor Vin­ge: Tat­ja Grimm’s World (ama­zon) – einer der Vin­ge-Klas­si­ker, die ich bis­her noch nicht gele­sen habe. Tat­ja Grimm’s World ist als sol­cher zuerst 1987 erschie­nen (ein­zel­ne Tei­le bereits 1968 und 1969) und wur­de von Tor jetzt neu auf­ge­legt. Laut Cover ist es der ers­te ech­te Roman von Vin­ge, von dem ich bis­her vor allem Deep­ness in the sky und A Fire upon the Deep ken­ne (sind ja auch die bekan­tes­ten sei­ner Roma­ne). Die haben mir bei­de ziem­lich gut gefal­len, und auch Rain­bows End (vor zwei Jah­ren erschie­nen) fand ich über­zeu­gend. Vor eini­gen Mona­ten habe ich dann mit Maroo­ned in Real­time (1986) zum ers­ten Mal bei Vin­ge „rück­wärts“ gele­sen. Das Expe­ri­ment war dann immer­hin über­zeu­gend genug, um jetzt Tat­ja Grimm’s World zu bestel­len. Danach müss­te ich mich dann mal an True Names wagen.

Ter­ry Prat­chett: The Truth (ama­zon) – zuge­ge­ber­ner­ma­ßen war ich lan­ge Zeit eher skep­tisch, was Prat­chett anlangt; ins­be­son­de­re die Viel­zahl und Geschwin­dig­keit, mit der er Disc­world-Roma­ne aus­ge­sto­ßen hat, war mir immer irgend­wie suspekt (schließ­lich brauch­te der bes­te komi­sche SF-Autor, Dou­glas Adams, ja auch Jah­re für jeden Band der Anhal­ter-Rei­he!). Irgend­wann habe ich dann aber ent­deckt, dass Prat­chett weit­aus mehr als kla­mau­ki­ge Unter­hal­tung ist, son­dern im Disc­world-Gewand letzt­lich ziem­lich ernst­haf­te und durch­aus auf­klä­re­ri­sche Sati­ren pro­du­ziert. Oder so. Mir jeden­falls durch­aus gefällt. Jetzt ste­he ich aller­dings vor dem Pro­blem, was aus sei­nem gro­ßen Werk ich lese (eine Hand­vol­le Roma­ne habe ich schon; scha­de, dass inzwi­schen die klas­si­schen Titel­bil­der aus­lau­fen und durch neue ersetzt wer­den; gut gefal­len hat mir Thief of Time, Small Gods und Equal Rites).
Dies­mal ist mei­ne Ent­schei­dung auf The Truth gefal­len, den vor acht Jah­ren zum ers­ten Mal erschie­ne­ner Blick auf die Zei­tungs­welt der Scheibenwelt.
Bei Prat­chett darf abschlie­ßend der trau­ri­ge Hin­weis nicht feh­len, dass er mit 60 Jah­ren rela­tiv jung an einer sel­te­nen Form von an Alz­hei­mer erkrankt ist, was sich, wie er selbst berich­tet, inzwi­schen auch auf sein Schrei­ben aus­wirkt. Das hat zwar den „Vor­teil“, dass ich irgend­wann auch mal mit mei­ner Disc­world-Lek­tü­re hin­ter­her­kom­me ;-/ – ernst­haft: ich fin­de es sehr bedau­er­lich und bin beein­druckt, wie sto­isch Prat­chett mit die­ser Krank­heit umgeht.

Ian McDo­nald: Bra­zyl (ama­zon) – wird es lei­der nicht mehr in mein Gepäck schaf­fen; heu­te war die Ver­sand-EMail von ama­zon da, aber ich wer­de vor­aus­sicht­lich vor dem Post­bo­ten auf­bre­chen. Von McDo­nald hat mir sein Cyber-Indi­en-Buch River of Gods sehr gut gefal­len, jetzt will ich sehen, wie er mit dem nächs­ten „Schwel­len­land“ klar­kommt (scheint über­haupt ein Fai­ble von McDo­nald zu sein; auch Kiri­nya spiel­te ja schon größ­ten­teils im „Nicht­wes­ten“, näm­lich in Afrika).

* * *

Zurück zur Rei­se: Da ist dann also hof­fent­lich eini­ges an guter Unter­hal­tung dabei. Mehr Mit­zu­schlep­pen wäre nur mit eBook statt Papier mög­lich. Bis­her bin ich dem klas­si­schen Medi­um aber weit­ge­hend treu geblie­ben (und da mein Lap­top nicht mit­kommt, wäre das mit dem eBook auch gar nicht so ein­fach – oder kennt jemand ’ne SF-Libra­ry fürs Sym­bi­an-Han­dy?). Aber not­falls gibt es dann viel­leicht ja noch die eine oder ande­re Bahnhofsbuchhandlung.

Auch unterhaltsame SF darf progressiv sein

Ein aus mei­ner Sicht sehr inter­es­san­ter neue­rer SF-Autor ist Charles Stross. Nicht nur, weil er es – mal abge­se­hen von einer etwas zu posi­ti­ven Sicht auf die Atom­in­dus­trie – schafft, pro­gres­si­ve SF zu schrei­ben, die gleich­zei­tig extrem span­nend ist, huma­nis­ti­scher Post-Cyber­punk, oder so. Son­dern auch, weil er ein Blog betreibt, in dem immer wie­der lesens­wer­te Arti­kel zu sei­nen eige­nen Wer­ken, zur Welt ins­ge­samt und zu einem auf­ge­klär­ten Ratio­na­lis­mus erschei­nen. Aktu­ell hat er sein Opus selbst­kri­tisch „Bechdel’s Law“ unter­wor­fen, dem von Ali­son Bech­del auf­ge­wor­fe­nen Test, ob ein popu­lä­res Werk – ursprüng­lich ging es um Fil­me – frau­en­feind­lich ist oder nicht:

1. Does it have at least two women in it,
2. Who [at some point] talk to each other,
3. About some­thing bes­i­des a man.

Ziem­lich vie­le Hol­ly­wood-Pro­duk­tio­nen schei­tern an die­sem Test (bei Art­house-Fil­men mag’s ein biß­chen anders sein). Im oben ver­link­ten Bei­trag dis­ku­tiert Stross, was für ein schlech­tes Licht es auf unse­re Gesell­schaft bzgl. Geschlech­ter­fra­gen wirft, dass so ein Test 1. über­haupt not­wen­dig ist und 2. so vie­le Wer­ke der Popu­lär­kul­tur und des mas­sen­me­dia­len Dis­kur­ses schlicht und ein­fach durch­fal­len. Er geht aber noch einen Schritt wei­ter und schaut sich auch sei­ne eige­nen Tex­te dar­auf­hin kri­tisch an. Sein Fazit: „From now on I intend to start app­ly­ing this test to my fic­tion befo­re I embarrass mys­elf in public.“ Ob sich Stross wirk­lich schä­men muss, sei dahin­ge­stellt (nicht zuletzt Glass­house ist mei­nes Erach­tens ein gutes Bei­spiel für einen sozio­lo­gisch anspruchs­vol­len SF-Roman mit star­ken Bezü­gen zur Gen­der-Debat­te). Den Anspruch fin­de ich jeden­falls alle­mal gut, und die Dis­kus­si­on, die sich in den Kom­men­ta­ren zu die­sem Bei­trag ent­spannt, erst recht.