Kurz: Merkelrat

Nach dem Mora­to­ri­um, das kein Mora­to­ri­um ist, folg­te heu­te der zwei­te Streich: zwei Arbeits­krei­se sol­len Mer­kel in der Ener­gie­po­li­tik bera­ten. Eigent­lich eine gute Idee, Rat wäre ja durch­aus drin­gend nötig. Aber ob eine mit AKW-Leu­ten bestück­te Sicher­heits­kom­mis­si­on da hilft? Etwas bes­ser sieht es aus mei­ner Sicht beim „Rat der Wei­sen“, also der „Ethik­kom­mis­si­on“ aus. Der sol­len wohl fol­gen­de Per­so­nen ange­hö­ren (ich habe noch ein paar Par­tei­zu­ge­hö­rig­kei­ten nach Wiki­pe­dia ergänzt …):

VORSITZENDE:
Klaus Töp­fer (Ex-Bun­des­mi­nis­ter und frü­he­rer Chef des UN-Umwelt­pro­gramms, CDU)
Mat­thi­as Klei­ner (Prä­si­dent der Deut­schen Forschungsgemeinschaft/DFG)

WEITERE MITGLIEDER:
Ulrich Beck (Risi­ko­for­scher)
Klaus von Dohn­anyi (SPD)
Ulrich Fischer (Lan­des­bi­schof der Badi­schen Landeskirche)
Alo­is Glück (Vor­sit­zen­der des Zen­tral­ko­mi­tees der deut­schen Katho­li­ken, CSU)
Jür­gen Ham­brecht (BASF-Chef)
Wal­ter Hir­che (Prä­si­dent der deut­schen UNESCO-Kom­mis­si­on, FDP)
Rein­hard Hüttl (Aca­tech-Prä­si­dent)
Wey­ma Lüb­be (Lehr­stuhl für prak­ti­sche Phi­lo­so­phie Uni Regensburg)
Rein­hard Marx (Erz­bi­schof von Mün­chen und Freising)
Lucia Reisch (Mit­glied im Rat für nach­hal­ti­ge Entwicklung)
Miran­da Schr­eurs (Lei­te­rin For­schungs­zen­trum für Umwelt­po­li­tik FU Berlin)
Micha­el Vas­si­lia­dis (Vor­sit­zen­der der Indus­trie­ge­werk­schaft BCE, SPD)

Eine ers­te Bewer­tung (mal abge­se­hen davon, was die­se Kom­mis­si­on eigent­lich tat­säch­lich machen soll, und wel­chen Ein­fluss – jen­seits der Ablen­kung vor der Wahl am 27.3. – sie haben wird): Töp­fer, Beck, Reisch und Schr­eurs klin­gen nach Men­schen, die was zu gesell­schaft­li­chen Dimen­sio­nen der Ener­gie­po­li­tik sagen kön­nen. Ins­ge­samt ist mir aber zu viel Poli­tik, zu viel Indus­trie, zu viel Kir­che in die­ser Kom­mis­si­on. Von den Gewerk­schaf­ten wur­de die ein­zi­ge genom­men, die dann doch immer mal wie­der AKWs will. Und ziem­lich männ­lich geprägt ist das auch.

Auf der ande­ren Sei­te feh­len Men­schen aus der Anti-AKW-Bewe­gung. Mer­kel hat ja ange­kün­digt, dass noch bis zu drei Sach­ver­stän­di­ge ergänzt wer­den könn­ten. Ich will jetzt nicht schon wie­der eine „Ich glau­be Mer­kel erst …“-Über­schrift schrei­ben, aber mir wür­den da ein paar Men­schen ein­fal­len, die seit Jahr­zehn­ten gegen AKWs kämp­fen, sich exzel­lent mit den damit ver­bun­de­nen Befürch­tun­gen und (gesell­schaft­li­chen) Pro­ble­men aus­ken­nen. So jeman­den dazu zu brin­gen, in die­ser Kom­mis­si­on mit­zu­wir­ken, wür­de deren Ernst­haf­tig­keit deut­lich steigern.

P.S.: Beck ist in der sozio­lo­gi­schen Com­mu­ni­ty übri­gens umstrit­ten, weil er sei­ne Ergeb­nis­se gut ver­kau­fen und popu­la­ri­sie­ren kann, aber dahin­ter nicht immer welt­be­we­gen­des steht. Auch „Risi­ko­for­scher“ und „Umwelt­so­zio­lo­gin­nen“ gäbe es noch eini­ge mehr, die eigent­lich gut in so einer Kom­mis­si­on auf­ge­ho­ben wären.

Operation Druckabbau

Landtag II

Ges­tern mor­gen titel­te ich noch „Erst wenn die CDU das ers­te AKW vom Netz nimmt, glau­be ich Mer­kel und Map­pus“.

Dann kam erst das Mer­kel-Mora­to­ri­um (das nicht nur aus der Sicht von Lob­by-Con­trol kei­nes ist) mit der Abschal­tung der Alt-AKWs für den Wahl­kampf – und gera­de eben schließ­lich die Ankün­di­gung von Map­pus im Stutt­gar­ter Land­tag, dass EnBW das AKW Neckarwestheim‑I dau­er­haft vom Netz neh­men wird. Im Live­ti­cker von SpOn heißt es dazu:

[15.11 Uhr] Das AKW Neckar­west­heim I wird für immer abge­schal­tet. Minis­ter­prä­si­dent Map­pus sag­te im Land­tag: „Neckar­west­heim I wird abge­schal­tet, dau­er­haft, und still­ge­legt“. Zuvor hat­te der Betrei­ber EnBW mit­ge­teilt, dass ein wirt­schaft­li­cher Wei­ter­be­trieb des Reak­tors vor­aus­sicht­lich nicht dar­stell­bar sei. 

So schnell kann’s gehen. Wo es eine Stun­de davor noch die Rede davon war, dass die EnBW Neckarwestheim‑I nur „frei­wil­lig und vor­rü­ber­ge­hend“ vom Netz neh­men wol­le, und der SWR heu­te mor­gen noch berich­te­te, dass die EnBW nicht dar­über infor­miert sei, dass Neckar­west­heim I abge­schal­tet wer­den soll, und von der Kanz­le­rin per­sön­lich gefragt wer­den wol­le, ist es jetzt kein Pro­blem, das über Jahr­zehn­te immer wie­der im Mit­tel­punkt poli­ti­scher Pro­tes­te ste­hen­de AKW abzuschalten. 

Poli­tisch bewer­te ich das gan­ze wei­ter­hin als Ver­such, Druck im Wahl­kampf durch ein Not­ven­til abzulassen. 

Inhalt­lich ist es rich­tig, dass Neckar­west­heim I abge­schal­tet wird. Das wäre nach dem Atom­kom­pro­miss ohne Lauf­zeit­ver­län­ge­rung ja auch bereits gesche­hen. Aber es gibt ja noch mehr Atom­kraft­wer­ke in Baden-Würt­tem­berg. Was ist mit denen? Steht die CDU wei­ter­hin zur Aus­sa­ge „Viel­mehr brau­chen wir die Kern­ener­gie als ver­läss­li­che, kos­ten­güns­ti­ge und kli­ma­freund­li­che Brü­cken­tech­no­lo­gie.“ (S. 54, Wahl­pro­gramm)? Und was hat Neckar­west­heim, was die ande­ren Lan­des-AKW nicht haben?

Nach­for­schens­wert wäre nicht zuletzt hier die Fra­ge, was hin­ter dem „finan­zi­ell nicht dar­stell­bar“ der EnBW steckt. Heißt das letzt­lich: Neckar­west­heim run­ter­zu­fah­ren, über­prü­fen zu las­sen, evtl. auf­zu­rüs­ten und wie­der anzu­fah­ren wäre teu­rer gewor­den als die Rest­ren­di­te, die durch den dort noch pro­du­zier­ten Strom zu gewin­nen gewe­sen wäre? Oder geht’s da auch um Gesichts­wah­rung? Und was macht der Garan­tie­ak­ti­en­kurs jetzt? Dar­über hin­aus steckt da auch die Fra­ge dahin­ter, wie eigent­lich die Ent­schä­di­gung der Atom­kon­zer­ne dafür aus­sieht, dass sie beim „Mer­kel-Mora­to­ri­um“ mitmachen. 

Psy­cho­lo­gisch inter­es­sant wäre es schließ­lich, einen Ein­blick in das Den­ken von Mer­kel und Map­pus zu erhal­ten. Steckt hin­ter dem Wahl­kampf­ma­nö­ver viel­leicht doch so etwas wie die plötz­li­che Erkennt­nis, dass an den Hor­ror­sze­na­rie­ren der Anti-AKW-Bewe­gung trotz aller gegen­tei­li­gen Exper­ten-Beschwö­run­gen etwas Wah­res dran sein könn­te? Eine Ver­un­si­che­rung? Und las­sen sich ande­re star­re und fak­ten­re­sis­ten­te Welt­bil­der der Poli­ti­ke­rIn­nen von Uni­on und FDP auf eine harm­lo­se­re Wei­se erschüt­tern als durch eine kata­stro­pha­le Tra­gö­die in Japan? Viel­leicht mit einer Denk­pau­se in der Opposition?

War­um blog­ge ich das? Weil sich auch hier die Ereig­nis­se über­schla­gen – glück­li­cher­wei­se in weit­aus weni­ger gefähr­li­chen Art und Wei­se als in Fuku­shi­ma gerade.

Erst wenn die CDU das erste AKW vom Netz nimmt, glaube ich Merkel und Mappus

Das Rieselfeld zeigt Flagge gegen Atomkraft

Wenn es denn tat­säch­lich so wäre, dass die CDU (und die FDP) jetzt in der Atom­po­li­tik umden­ken, wür­de mich das freu­en. Über­zeugt davon bin ich aber kei­nes­wegs, auch wenn Mer­kel lei­se­re Töne anschlägt und Map­pus eine Exper­ten­kom­mis­si­on ein­be­ruft. Zum einen, weil ich das wie Micha­el Spreng als eine vor allem auch dem Wahl­kampf geschul­de­te Insze­nie­rung von Hand­lungs­be­reit­schaft wahr­neh­me, die in einem hal­ben Jahr wie­der ver­ges­sen ist. Wenn Mer­kel ihren Vor­schlag einer Sicher­heits­über­prü­fung aller AKWs in Deutsch­land ernst mei­nen wür­de, dann müss­te es jetzt ein Mora­to­ri­um geben – eine Abschal­tung aller AKWs, dann die Sicher­heits­über­prü­fung, dann die Wie­der­zu­las­sung der AKWs, die als sicher ange­se­hen wer­den. Solan­ge kei­ne Schrit­te in eine sol­che Rich­tung unter­nom­men wer­den, ist es Kri­sen­be­wäl­ti­gungs­rhe­to­rik, sonst nichts. (Von der Rück­nah­me der Lauf­zeit­ver­län­ge­rung rede ich erst gar nicht).
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Über nervende Unstetigkeiten des Wahlsystems

bild-wahlomat-bw2Unge­fäh­re* Distanz der Posi­tio­nen ein­zel­ner Par­tei­en zuein­an­der (laut Aus­wer­tung der Wahl-o-Mat-Ant­wor­ten für die Land­tags­wahl in Baden-Würt­tem­berg 2011), Grö­ße der Krei­se gibt pro­gnos­ti­zier­te Wahl­er­geb­nis­se wie­der. Für mich eine schö­ne Illus­tra­ti­on der The­se, dass die Wahl von Kleinst­par­tei­en zu einem gewis­sen Grad durch die Wahl grö­ße­rer Par­tei­en sub­sti­tu­ier­bar ist. 

Quel­le der Abbil­dung: andena17 bei Libri Logi­corum, mit freund­li­cher Geneh­mi­gung [ein­ge­fügt um 16:02].

 

Auch wenn es jetzt sicher sofort wie­der heißt, dass es sich hier­bei um die Arro­ganz einer eta­blier­ten Par­tei han­deln wür­de, und dass ich als Grü­ner – also als Mit­glied einer Par­tei, der Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jah­re eben trotz der Argu­men­te der SPD der Sprung von der außer­par­la­men­ta­ri­schen Bewe­gung in die Par­la­men­te gelun­gen ist – damit irgend­wie ganz beson­ders arro­gant argu­men­tie­ren wür­de, muss ich doch noch­mal die Fak­ten auf­zäh­len, die mich dazu brin­gen, von der Wahl von Par­tei­en abzu­ra­ten, die nicht annä­hernd auf 5% kom­men. Über die­se Fak­ten kön­nen wir ger­ne diskutieren.
„Über ner­ven­de Unste­tig­kei­ten des Wahl­sys­tems“ weiterlesen

Fernsehspots zur Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg im Überblick

Nach dem Klick die mir bis­her bekann­ten Fern­seh-Wahl­wer­be­spots rele­van­ter Par­tei­en für die Land­tags­wahl 2011. So rich­tig über­zeu­gend fin­de ich kei­nen davon – span­nend fin­de ich, wie unter­schied­lich der Ver­such, eine bestimm­te Bot­schaft rüber­zu­brin­gen, hier jeweils umge­setzt ist. Inter­es­sant natür­lich auch die Fra­ge – da es sich hier ja um Fern­seh­spots han­delt – wer die eigent­lich im Fern­se­hen zu Gesicht bekommt. Mir per­sön­lich gefällt ja z.B. der grü­ne Kino­spot mit sei­nen kna­cki­gen 20 Sekun­den sehr viel bes­ser als unser Spit­zen­kan­di­dat bei der Gar­ten­ar­beit. Aber ich schaue auch kein Fernsehen.

„Fern­seh­spots zur Land­tags­wahl 2011 in Baden-Würt­tem­berg im Über­blick“ weiterlesen