Wenn es denn tatsächlich so wäre, dass die CDU (und die FDP) jetzt in der Atompolitik umdenken, würde mich das freuen. Überzeugt davon bin ich aber keineswegs, auch wenn Merkel leisere Töne anschlägt und Mappus eine Expertenkommission einberuft. Zum einen, weil ich das wie Michael Spreng als eine vor allem auch dem Wahlkampf geschuldete Inszenierung von Handlungsbereitschaft wahrnehme, die in einem halben Jahr wieder vergessen ist. Wenn Merkel ihren Vorschlag einer Sicherheitsüberprüfung aller AKWs in Deutschland ernst meinen würde, dann müsste es jetzt ein Moratorium geben – eine Abschaltung aller AKWs, dann die Sicherheitsüberprüfung, dann die Wiederzulassung der AKWs, die als sicher angesehen werden. Solange keine Schritte in eine solche Richtung unternommen werden, ist es Krisenbewältigungsrhetorik, sonst nichts. (Von der Rücknahme der Laufzeitverlängerung rede ich erst gar nicht).
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Kurz: Foren sind blöd!
Jörg Tauss machte mich in Kommentar #99 zum vorhergehenden Artikel gerade darauf aufmerksam, dass die Grünen (konkreter übrigens: die Bundestagsfraktion) ihr Forum abgeschaltet haben. Ehrlich gesagt: mir war gar nicht bewusst, dass wir als Partei noch eines betreiben. Es scheint tatsächlich von einigen noch genutzt worden sein (insofern haben die Piraten jetzt die Gelegenheit, daraus eine riesige Elefantenmücke zu basteln und sich in ihrer Lieblingsgeste zu zeigen, die da lautet: „Wir helfen technisch unterentwickelten Parteien bei der Technik.“).
Ich habe – das ist zwischen den Zeilen vielleicht schon deutlich geworden – allerdings nicht den Eindruck, dass es um dieses Forum arg schade ist, und dass es einen großen Aufschrei deswegen geben wird. Es gibt inzwischen in der Tat jede Menge anderer (elektronischer) Kommunikationswege – von Twitter bis zur Kommentierung in grünen Blogs, und auch die direkte Mail ist weiterhin möglich. Insofern sehe ich hier eher eine Weiterentwicklung als eine Abschaffung politischer Kommunikation. Ich könnte das jetzt auch noch anhand der medialen Form begründen (Foren neigen zu Unübersichtlichkeit, sind auf aktive Nachfrage angewiesen, statt NutzerInnen direkt zu erreichen, tendieren dazu, In-Groups mit eigenen Kommunikationscodes zu unterstützen usw.). Oder ist das nur ein Bias meiner kommunikativen Sozialisation? (BBS, Mailinglisten, Web 2.0?).
Egal. Es gibt einen ganz einfachen Test auf die Sinnhaftigkeit einer politischen Kommunikationsform im Netz. Der lautet: Hat die dort stattfindende Kommunikation politisch etwas bewirkt? Mein Eindruck für das Forum der grünen Bundestagsfraktion: eindeutig nein. Aber vielleicht mag das ja jemand widerlegen.
Über nervende Unstetigkeiten des Wahlsystems
Ungefähre* Distanz der Positionen einzelner Parteien zueinander (laut Auswertung der Wahl-o-Mat-Antworten für die Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011), Größe der Kreise gibt prognostizierte Wahlergebnisse wieder. Für mich eine schöne Illustration der These, dass die Wahl von Kleinstparteien zu einem gewissen Grad durch die Wahl größerer Parteien substituierbar ist.
Quelle der Abbildung: andena17 bei Libri Logicorum, mit freundlicher Genehmigung [eingefügt um 16:02].
Auch wenn es jetzt sicher sofort wieder heißt, dass es sich hierbei um die Arroganz einer etablierten Partei handeln würde, und dass ich als Grüner – also als Mitglied einer Partei, der Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre eben trotz der Argumente der SPD der Sprung von der außerparlamentarischen Bewegung in die Parlamente gelungen ist – damit irgendwie ganz besonders arrogant argumentieren würde, muss ich doch nochmal die Fakten aufzählen, die mich dazu bringen, von der Wahl von Parteien abzuraten, die nicht annähernd auf 5% kommen. Über diese Fakten können wir gerne diskutieren.
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Fernsehspots zur Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg im Überblick
Nach dem Klick die mir bisher bekannten Fernseh-Wahlwerbespots relevanter Parteien für die Landtagswahl 2011. So richtig überzeugend finde ich keinen davon – spannend finde ich, wie unterschiedlich der Versuch, eine bestimmte Botschaft rüberzubringen, hier jeweils umgesetzt ist. Interessant natürlich auch die Frage – da es sich hier ja um Fernsehspots handelt – wer die eigentlich im Fernsehen zu Gesicht bekommt. Mir persönlich gefällt ja z.B. der grüne Kinospot mit seinen knackigen 20 Sekunden sehr viel besser als unser Spitzenkandidat bei der Gartenarbeit. Aber ich schaue auch kein Fernsehen.
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Hamburger Wahlrecht
Spannend an der Wahl in Hamburg finde ich ja das Wahlrecht. Das ist ziemlich demokratisch (insofern darunter verstanden wird, dass der Einfluss der WählerInnen auf die parteiliche wie persönliche Zusammenstellung des Parlaments sehr groß ist), aber auch ein bisschen unübersichtlich, weil es sehr viele Schalthebel gibt. Eine ausführliche Darstellung gibt es z.B. bei wahlrecht.de.
Wenn ich es richtig verstehe, dann gibt es – erstmal vereinfacht – eine Landesstimme und eine Wahlkreisstimme. Die Landesstimme legt (abgesehen von Überhang- und Ausgleichsmandaten) fest, welche Parteien in welchem Verhältnis in die Bürgerschaft kommen. Deswegen konnte Sonntag Nacht auch nach dem vorläufigen Auszählen der Landesstimmen ein „Teilergebnis“ mit Fraktionsstärken verkündert werden. Die Wahlkreisstimme legt fest, welche Person im Wahlkreis gewählt wird. Es gibt 71 Sitze, die in Wahlkreisen vergeben werden, und weitere im Regelfall 40 Sitze im Parlament, die anderweitig vergeben werden. Wichtig für die Zusammensetzung der Bürgerschaft ist aber erstmal die Landesstimme (was schade ist, weil die GAL bei der Wahlkreisstimme deutlich besser abschneidet …).
Komplizierter wird das ganze dadurch, dass es nicht eine Landes- und eine Wahlkreisstimme gibt, sondern jeweils fünf, die wohl auch noch kumuliert und panaschiert werden können. Im Wahlkreis leuchtet mir das auch unmittelbar ein, weil es Mehrpersonenwahlkreise sind (in denen 3 bis 5 Personen gewählt werden) – von den 14 GAL-Mandaten wurden wohl 12 direkt in Wahlkreisen errungen, wobei die GAL jeweils auf Platz 3 oder 4 in den Wahlkreisen liegt.
Warum es fünf Landesstimmen gibt, und warum diese auch noch auf verschiedene Listen verteilt werden können, ist mir noch nicht so ganz klar. Letztlich geht es hier wohl darum, die Reihung auf der Landesliste zu beeinflussen. Möglich ist es aber auch, mehrere Parteien in unterschiedlichen Anteilen zu wählen – eine Option, von der wohl vor allem WählerInnen der GAL Gebrauch gemacht haben.
Der aktuelle Auszählungsstand und die Liste der über die Wahlkreise gewählten Personen ist übrigens hier zu finden. Heute nachmittag soll das Endergebnis feststehen – zu den vorläufigen Fraktionsstärken kommen dann gegebenenfalls noch Überhangs- und Ausgleichsmandate. Aus Hamburger Kreisen ;-) heißt es aber, dass es unwahrscheinlich sei, dass es dazu kommt.
Im Vergleich zum baden-württembergischen Wahlrecht, bei dem eine einzige Stimme abgegeben wird (die sowohl darüber entscheidet, welche Partei wie viele Sitze erhält, als auch personengebunden über die Direktmandate in den Wahlkreisen) ist das Hamburger Wahlrecht komplizierter, bietet aber auch deutlich mehr Möglichkeiten für die WählerInnen zur Einflussnahme. Auch die GAL-Fraktion wird nur in Teilen der von der Partei aufgestellten Liste entsprechen (insbesondere der „Platz-31-Effekt“ – neue Seite, viele Stimmen – ist interessant). Trotzdem hatte die GAL die Möglichkeit, den WählerInnen die präferierte Liste zu präsentieren. Das ist in Baden-Württemberg bekanntlich anders: hier sind es die relativen Stärken der Parteien in den einzelnen Wahlkreisen, die letztlich darüber entscheiden, welche Personen in den Landtag einziehen, ohne dass – über die eher symbolische Benennung von SpitzenkandidatInnen hinweggesehen – kaum ein Einfluss der Landespartei auf die potenzielle Fraktionszusammensetzung besteht.
In Hamburg (neu) wie in Baden-Württemberg (klassisch) ist eine starke Personalisierung des Wahlkampfs möglich. Diese tauchte im Wahlkampf in Hamburg allerdings kaum auf – möglicherweise auch deswegen, weil es zumindest bei CDU, SPD und LINKEN „Fairnessabkommen“ gab, die es den KandidatInnen auf den hinteren Plätzen quasi verboten haben, Werbung in eigener Sache zu machen.
Bleibt letztlich die Frage, was besser ist – ein personalisiertes Wahlrecht mit einer Kopplung aus Parteivorschlägen und starken Einflussmöglichkeiten der WählerInnen (Hamburg), ein personalisiertes Wahlrecht alter Form (Baden-Württemberg) – oder das klassische Listenwahlrecht mit einem deutlich geringeren Anteil an Personalisierung über Wahlkreismandate, wie es beispielsweise in NRW oder bei der Bundestagswahl zur Anwendung kommt. Ich finde es jedenfalls spannend, dass es – durch Volksentscheide durchgesetzt – in einigen Bundesländern Experimente mit innovativeren Wahlrechtsformen gibt. Einen Idealtypus, der einen hohen demokratischen Einfluss, eine relativ simple Stimmabgabe ohne die Gefahr vieler ungültiger Stimmen und eine gewisse Möglichkeit von Parteien, ihre Präferenzen zumindest zu vermitteln, zusammenbringt, sehe ich allerdings noch nicht.
Warum blogge ich das? Was bleibt einem bei einem SPD-Absolutsieg auch übrig …? Und falls mich jemand bei der Darstellung des Hamburger Wahlrechts korrigieren möchte: gerne.